Beim Käse als kulinarisches Erbe kennen die Franzosen kein Pardon. Sie wissen, wie man ihn Urlaubern unterwegs schmackhaft macht. Es gibt dort bereits sieben touristische Käsestraßen, von der Auvergne über die Loire-Region bis zu Savoyen mit Schaukäsereien und Häppchenständen, und gut und gern auch noch ein gutes Dutzend Käse-Museen – die sogar einzelnen Sorten huldigen, dem Camembert in der Normandie etwa oder dem herrlichen Stinkkäse Munster im Maison du Fromage im Elsass.
Und Anfang Juni eröffnet auch noch das schickste französische Käsemuseum mitten in Paris, das Musée Vivant du Fromage mit Käseschlemmen vom Feinsten. Da könnte man tatsächlich meinen, Frankreich sei das Käseland schlechthin.
Das ist es aber gar nicht. Wer meint, dort gebe es die größte Vielfalt, der irrt. Cheese-Weltmeister sind die USA mit 523 Käsesorten. Ganz klar: Platz eins. Auf Platz zwei folgt eher überraschend das Cheddar-Land Großbritannien mit 261 unterschiedlichen Käsesorten. Frankreich belegt nach einer weltweiten Auswertung des Marktforschungsunternehmens Mintel mit 246 Sorten Platz drei. Berücksichtigt wurde Käse, der auch in den Export geht.
Deutschland liegt – von wegen nur Wurst! – dabei auf einem mittelmäßigen neunten Rang mit immerhin 74 Sorten (übrigens weit vor der Schweiz auf Rang zwölf mit nur 32 Sorten). Da geht noch was, auch touristisch! Man muss nämlich feststellen, dass hierzulande der Käsetrip für Urlauber noch geradezu brachliegt.
Wenig los beim Käse zwischen Rhein und Oder
Es gibt, trotz regionaler Delikatessen wie Harzer Roller, hessischem Handkäs’ mit Musik oder Bavaria Blu, nur ganz wenige Ferienregionen, die den Urlaubern bewusst Käse unter die Nase halten. Immerhin bemühen sich die Tilsiter-Produzenten an der Ostsee und die Bergkäsereien im Süden um Reisende: Eine Käsestraße in Schleswig-Holstein verbindet 25 Käsehersteller von Düderup bei Flensburg über Lauenburg bis Husum, und im westlichen Allgäu am Bodensee führt ein Käseweg zu Sennereien.
Ansonsten aber ist käsig wenig los. Es gibt bei Höxter in Westfalen zwar ein nettes Käsemuseum, aber mangels Interesse gibt es nur sonntags Führungen, und das in Zwangskombination ausgerechnet mit einem Säcke-Museum. Das muss man wollen!
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Viel cleverer bei der Käse-Vermarktung sind da die Schweizer: Nicht nur, dass sie Urlaubern Raclette-Abende quasi auf jeder Skihütte und in jedem Touristenhotel aufnötigen, nein, sie haben auch auf fast jeder beliebten Alm eine Schaukäserei von Appenzell bis Gruyère. Damit nicht genug: Es gibt sogar einen Käsezug, der nach Château-d’Oex zur Alpkäse-Zubereitung fährt. Das Fondue ist im Fahrpreis inbegriffen.
Dabei gäbe es hierzulande durchaus Potenzial: Man könnte wagemutige Urlauber aus der ganzen Welt mit der Bahn zum Milben-Contest nach Sachsen-Anhalt schicken. In Zeitz wird der „lebendigste Käse der Welt“ hergestellt: Würchwitzer Milbenkäse.
Auf Anfrage öffnet die Käsemanufaktur die alten Munitionskisten mit den Krabbeltieren. Beim Verzehr des würzigen Käses leben die Milben noch, werden also mitgegessen. Das ist gesundheitlich unbedenklich, aber nichts für Vegetarier.