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Schmuck Cartier-Chef Cyrille Vigneron

„Glamour ist nicht tot“

Redakteurin LIFESTYLE
Seit 2016 CEO und Präsident von Cartier: Cyrille Vigneron Seit 2016 CEO und Präsident von Cartier: Cyrille Vigneron
Seit 2016 CEO und Präsident von Cartier: Cyrille Vigneron
Quelle: NICOLAS GUERBE/Cartier
Hat Luxus überhaupt noch eine Chance im Lebensstil der Millennials? Ja, meint Cartier-Chef Cyrille Vigneron. Auch Krieg und Krise würden der Branche nicht schaden. Eine neue Technologie allerdings könnte den Wert von Diamanten wesentlich verändern.

Es ist ein schmaler Grat, auf dem Cyrille Vigneron sich gerade bewegt. Einerseits ist das 175 Jahre alte Schmuckhaus Cartier so erfolgreich, weil es sich auf Tradition beruft. Andererseits führt nur der behutsame Bruch von Traditionen den Pariser Juwelier in die Zukunft. Es kommt also auf die Zwischentöne an. Als Musikliebhaber ist Vigneron ein Mensch mit Taktgefühl. Zum Treffen in Venedig kommt Cartiers Präsident und CEO gerade vom Konzert der georgisch-französischen Pianistin Khatia Buniatishvili und ist noch ganz beseelt vom Auftritt. Ein Gespräch über Millennials, die Prunk verachten, neue Technologien, die das Schmuckhandwerk bedrohen und Political Correctness in der Luxuswelt.

ICONIST: Monsieur Vigneron, Sie haben während der Filmfestspiele in Venedig eine kleine Ausstellung namens „Cartier und Cinema“ gezeigt, in der man erstaunliche Schmuckstücke von glamourösen Filmstars aus der Vergangenheit betrachten konnte. Ist Glamour tot?

Cyrille Vigneron: Glamour ist nicht mehr das, was er einmal war. Früher war es viel schwieriger, Filme zu drehen, es gab weniger Regisseure, Schauspieler und Schauspielerinnen, dafür handelte es sich um sehr starke Charaktere. Ohne Social Media war ihre Privatsphäre außerdem viel geschützter, was ihnen eine gewisse Mystik verliehen hat. Manchmal auch Tragik, siehe Marilyn Monroe oder Maria Callas. Andy Warhol sagte in den 1970er-Jahren, in Zukunft könne jeder berühmt sein. Tatsächlich kann sich inzwischen jeder auf Instagram inszenieren. Es ist nur schwierig, das Besondere auszumachen. Glamour ist nicht tot, es gibt ihn noch.

ICONIST: Die mexikanische Filmdiva María Félix kam mal mit einem lebenden Babykrokodil in eine Cartier-Boutique als Vorlage für eine Kette. Würde Sie so ein Auftrag heute schockieren?

Vigneron: Mich überrascht nichts. Wenn wir ein bestimmtes Design in einer Vorlage nicht erkennen, dann setzen wir es nicht um – oder nur so weit, wie wir es vertreten können.

María Félix mit ihrem Schmuck gewordenen Babykrokodil
María Félix mit ihrem Schmuck gewordenen Babykrokodil
Quelle: Photograph by Snowdon Trunk Archive Cartier


ICONIST: Heute besteht schnell die Gefahr, einen Shitstorm zu riskieren, sei es wegen des Vorwurfs der kulturellen Aneignung oder aus Mangel an Diversität. Ist die Luxusindustrie zu ängstlich geworden?

Vigneron: Auch das würde ich so nicht sagen. Sie ist nur vorsichtiger geworden. Sicherlich konnten sich Designer in den 1970er-Jahren mehr austoben. Dafür wurden häufig öffentlich Bemerkungen und schlechte Witze gemacht, die heute als Beleidigung oder Respektlosigkeit empfunden werden. Deshalb muss Luxus vorsichtiger sein, um niemanden zu verletzen.

ICONIST: Hat Luxus überhaupt noch eine Chance im Lebensstil der Millennials?

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Vigneron: Mehr denn je. Junge Menschen haben viel mehr Möglichkeiten und gleichzeitig mehr Schwierigkeiten, ihre Identität auszudrücken. Meine Generation musste sich noch an soziale Codes anpassen, um von den anderen akzeptiert zu werden. Nun ist es anerkannt, so zu sein, wie man ist. Mit einer Tätowierung kann man zu einer anderen Person werden, man kann plastische Operationen durchführen lassen oder sein Geschlecht ändern. Man kann so vieles tun, was früher weder physisch möglich noch erlaubt war, und niemand verurteilt einen dafür. Und das ist gut so. Sucht man hingegen materielle Dinge, um sich auszudrücken, spielt Schmuck auf einmal wieder eine große Rolle.

ICONIST: Wie realistisch ist es, dass er das bei beiden Geschlechtern tut? Timothée Chalamet, Ihr neuer Markenbotschafter, verkörpert diesen neuen geschlechterunabhängigen Typus. Gerade zierte er das Cover der britischen „Vogue“ – als erstes männliches Model seit 106 Jahren. Auf dem roten Teppich der Filmfestspiele in Venedig trug er einen roten Seidenoverall und natürlich auch Schmuck.

Vigneron: Ich denke, diese junge Generation findet zunehmend Gefallen an wertvollem Schmuck, egal ob Mann oder Frau. Aus dem einfachen Grund, dass er sehr sinnlich ist. Man trägt ihn auf der Haut, am Handgelenk, am Ohr, am Hals, am Herzen, also an Stellen, die sehr symbolisch sind – in gewisser Weise also wie eine Tätowierung.

Wirbt jetzt für Cartier Schmuck: Timothée Chalamet
Wirbt jetzt für Cartier Schmuck: Timothée Chalamet
Quelle: Cartier/Julian Ungano


ICONIST: Machen sich die gegenwärtigen Krisen wie Corona, der Krieg oder die Inflation auf dem Luxusmarkt bemerkbar?

Vigneron: Natürlich tun sie das, nur paradoxerweise schadet es ihm nicht. Die Dynamik hat sich verändert, doch der Luxusmarkt insgesamt war sehr widerstandsfähig. Die stärksten Marken, die sich einzigartig und klar positionieren, schneiden gut ab. Und wir sind nicht die Einzigen, denen es gut geht.

ICONIST: Welches Cartier-Schmuckstück ist eine sinnvolle Investition?

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Vigneron: Geht es einem ums Geld, dann Haute Joaillerie. Außerdem gibt es gerade eine hohe Nachfrage nach Stücken aus den 1920er-Jahren. Auch bei Uhren aus den 1970er-Jahren steigen die Preise. Die beste Investition ist aber meiner Meinung nach das, was einen berührt. Wie bei einem Kunstwerk sollten wir nicht nur an den finanziellen Wert denken, sondern auch an den emotionalen. Darüber, wie lange es uns gefällt, und ob es irgendwann unseren Kindern gefallen würde. Deshalb arbeiten wir an möglichst zeitlosen Designs.

ICONIST: Was halten Sie von Diamanten, die im Labor gezüchtet werden?

Vigneron: Sie werden wahrscheinlich grundlegend den Wert von Diamanten verändern. Natürliche Diamanten überdauern Millionen Jahre und sind deshalb ein starkes Symbol für Reinheit und Ewigkeit. Auf der anderen Seite kommen zunehmend Bedenken hinsichtlich der Umwelt und sozialer Fragen auf. Im Labor gezüchtete Diamanten könnten theoretisch ein Gegenentwurf sein. Gleichzeitig ist der Handel mit ihnen auch nicht transparent, sie können von überall stammen. Hat man die Möglichkeit, so viele Steine zu züchten, wie man will, sinkt außerdem ihr Wert. Mich interessieren die herausragenden Formen, die man mit im Labor gezüchteten Diamanten herstellen kann. Formen, die vorher nicht möglich waren. Ein riesiger Volldiamant, das wäre doch der Hammer, oder?

ICONIST: Also könnten sie für Cartier interessant sein?

Vigneron: Mal sehen, wir sind offen, aber vorerst mit dem Versprechen von Natürlichkeit und Transparenz. Beides können im Labor gezüchtete Diamanten noch nicht bieten. Sie täuschen etwas vor, was nur teilweise wahr ist.

Cyrille Vigneron, Präsident und CEO von Cartier

Seit Anfang 2016 ist Cyrille Vigneron Präsident und CEO der Schmuckmarke Cartier, die zum Luxuskonzern Richemont gehört. Der 60-Jährige war bereits von 1988 bis 2013 für die Richemont-Gruppe tätig, unter anderem als Geschäftsführer von Cartier Japan, Präsident von Richemont Japan und Geschäftsführer von Cartier Europe.

Von Januar 2014 bis Dezember 2015 war Vigneron Präsident von LVMH Japan. Er lebt in Genf, ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Vigneron ist Musikliebhaber und hat ein Buch über die japanische Kultur geschrieben.

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