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Weinland Frankreich Bordeaux

Winzer zwischen Wetter und Weltpolitik

Saint-Émillion, die Weinstadt des Bordeaux, zählt wie das umliegende Weinbaugebiet auch zum Unesco-Weltkulturerbe Saint-Émillion, die Weinstadt des Bordeaux, zählt wie das umliegende Weinbaugebiet auch zum Unesco-Weltkulturerbe
Saint-Émillion, die Weinstadt des Bordeaux, zählt wie das umliegende Weinbaugebiet auch zum Unesco-Weltkulturerbe
Lange mussten die Weinbauern im Bordelais um ihre Ernte fürchten. Die fiel kleiner als sonst aus, verspricht aber Spitzenweine

Den Winzern aus Bordeaux pfeift dieses Jahr ein steifer Wind um die Ohren. Trumps Handelskrieg, Erdogans Wut und die Corona-Krise beuteln die exportorientierte Branche. Noch dazu hat das Wetter Kapriolen geschlagen. Zeit, genauer hinzusehen, wie der aktuelle Weinjahrgang wird. Und vielleicht ein persönliches Schnäppchen zu anzupeilen.

Die Grands Crus sind die ganz feine Gesellschaft des riesigen Anbaugebiets Bordeaux. Und dabei soll es auch bleiben, wenn es nach den Châteaux geht. Sie sind so konservativ, dass schon ein leicht verändertes Etikett in der Szene für Gesprächsstoff gut ist. Château Angélus, Premier Grand Cru aus Saint-Émilion, graviert auf seinen aktuellen Jahrgang einen knallroten Phönix. Das ist ein bisschen so, als würde sich der Inhaber einen Irokesen schneiden lassen.

Auf Nachfrage erklärt das Management: „Genau wie der Phönix ist der Wein in ewiger Erneuerung.“ Was zuerst wie ein etwas gewollter Marketing-Aphorismus klingt, entpuppt sich als Seufzer der Erleichterung. Im Anbaujahr 2018 war das Wetter so ruppig, dass lange Zeit unklar war, was aus dem Jahrgang wird. Bis „plötzlich die Hindernisse verschwanden und glorreiche Bedingungen einsetzten“. Tja, bei einem Preis von 252 Euro pro Flasche (für den Großhändler) kann man sich vorstellen, dass die Freude auf dem Weingut groß war.

Extremes Klima gefährdet Ernte

Denn zwar gibt es Riesenmargen. Aber immer öfter sind die Wetterverläufe im Bordelais so extrem, dass die Winzer um ihre Ernte fürchten müssen. 2020 war wieder so ein Jahr.

France, Gironde, St Laurent-des-Combes, bottles of Château Rochebelle red wine of the AOC St-Emilion (UNESCO World Heritage) | Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Saint-Laurent-des-Combes (Gironde): Flaschen des Rotweins Château Rochebelle aus dem AOC Saint-Émilion
Quelle: picture alliance / Photononstop

Der Winter war relativ warm, deshalb trieben die Reben zwei Wochen früher aus als üblich. Das ist einerseits gut, weil es hoffen lässt, dass die Vegetationsphase bis zur Ernte lang wird. So können die Trauben währenddessen nicht nur Zucker und Säure bilden. Es entsteht auch ein gutes Gleichgewicht zwischen beiden. Das ist wichtig. Außerdem bilden sich mehr Extraktstoffe. Die sind, grob gesagt, für die Geschmacksdichte zuständig.

Wenn die Reben aber früh austreiben, kann es andererseits noch Frost geben. Die Triebe erfrieren, das war’s dann mit dem Wein. Im Bordelais kam die Kälte im April, als sich eine feine Schneedecke über die ikonische Place de la Bourse in der Hauptstadt legte.

Gestresste Trauben schmecken nicht

Das war der erste Dämpfer. Danach fiel überdurchschnittlich viel Regen bis in den Mai. So fehlte erstens Sonne, zweitens fühlen sich Fäulnispilze auf den feuchten Traubenschalen pudelwohl. Sie gehören zu den übelsten Feinden der Rebe.

Mit dem Regen kamen Hagelfronten. Manche peitschten quer durch einen Weinberg, doch links und rechts davon war kein Hagelkorn zu sehen. In der Mitte richteten sie dafür Totalschäden an.

Von Mitte Juni bis Mitte August fiel fast zwei Monate kein Tropfen Regen, 54 Tage davon herrschte Dürre mit Temperaturen bis an die 40 Grad. Das verursacht den Stress bei Trauben, sodass sie am Ende nicht mehr schmecken.

Arbeit im Weinberg unter Covid-Bedingungen

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Anderswo werden ganze Weinberge automatisch bewässert. So kann man auch in glutheißen australischen Tiefebenen noch Wein machen. In Bordeaux ist das bislang verboten. Die Trockenphasen sind mittlerweile so gefährlich, dass mit Pessac-Léognan die erste Region eine Ausnahmeregelung eingeführt hat. Wahrscheinlich nicht die letzte.

©PHOTOPQR/SUD OUEST ; LE 27 AVRIL 2017 / DANS LE BORDELAIS VERS CADAUJAC / LES VIGNES GELEES EN BORDELAIS 180427 Cold snap threatens French vines.French wine growers are resorting to candles and heaters to limit the damage from unseasonal late spring frosts Foto: Bonnaud Guillaume/MAXPPP/dpa |
Weinanbau im Bordelais
Quelle: picture alliance / Bonnaud Guill

Nicht zuletzt litt auch die Arbeit im Weinberg unter Covid. Die vielen Vorsichts- und Hygienemaßnahmen kosten Zeit und Geld. Zur Lese gingen die Arbeiter in streng getrennten Teams. Und trotzdem hocken die Erntearbeiter in ihren Unterkünften eng aufeinander. Eine einzige Infektion kann so nicht nur eine menschliche Katastrophe sein.

Andererseits war der April der wärmste seit 1920. Die großen Regenmengen fielen vor allem nachts bei ein paar Stürmen. Das Wasser war eher willkommen. In dem langen, sonnigen Sommer holten die Reben den Rückstand aus dem nassen Mai locker wieder auf.

Als Tüpfelchen auf dem i schien bei der Ernte die Sonne. Das ist nicht nur gut, weil es romantische Bilder gibt. Bei Regen während der Lese faulen die reifen Trauben so schnell, dass man dabei zusehen kann. Pünktlich nach der Ernte kam dann wieder Dauerregen. Schwein gehabt.

Viel Zucker bedeutet viel Alkohol

In den besten Jahrgängen der jüngeren Vergangenheit, 2009, 2010, 2016 und 2019, zog sich die Ernte meist bis in den Oktober. 2020 kam die Ernte früh. Die letzten Cabernets Sauvignons wurden Ende September eingefahren. Die klaren Tage und Nächte, in denen sich Frucht und Zucker konzentrierten, waren das Sahnehäubchen für die Reife. Da war es auch nicht so schlimm, dass die Wachstumsphase relativ kurz war. Viel Zucker bedeutet allerdings auch viel Alkohol, der unbeliebt ist. Da werden die Önologen einiges zu tun bekommen.

Am Ende war dann doch alles gut. Frost- und Hagelschäden blieben überschaubar. Im Durchschnitt war es eine etwas kleinere Ernte als sonst, wenn 666 Millionen Flaschen Bordeaux abgefüllt werden. Aber viele Trauben sind großartig, und das zählt. Viel Frucht werden die Weine haben und manche auch viel Tannin, das ist wichtig für die Alterung.

Wie findet man da seinen eigenen Lieblingswein 2020? Kommt drauf an, was man sucht. Die Grands Crus, die in Hochglanzmagazinen und Auktionshäusern landen, machen nur einen winzigen Teil der Weine aus. Von insgesamt 5600 Weinbauern in Bordeaux sind es 177, die seit 1855 so gelistet sind. Die Preise legt jedes Weingut Anfang nächsten Jahres fest. Sie richten sich nach der Qualität und der Marktlage.

Großer Wertzuwachs bei einzelnen Weinen

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Zur Wertentwicklung gibt es eigens einen Index. Der Liv-ex handelt nach eigenen Angaben mit Grands Crus im Wert von 66 Mio. Euro. Dort kann man sehen, dass einzelne Weine enormen Wertzuwachs haben. So etwas zieht Anleger und Spekulanten an. Wer kauft, muss wissen, dass ein Teil des Preises eben dafür draufgeht, nicht für die Herstellung des Weins.

Der Name Cru Bourgeois klingt verdächtig nach Französischer Revolution, ist aber ein paar Hundert Jahre älter. Trotzdem sind die Bürgerlichen so was wie der gesunde Mittelstand in Bordeaux. Sie stehen im Schatten der großen Gewächse, sind aber meist recht zuverlässig und vor allem zu gemäßigten Preisen zu haben.

Auch hier gibt es, ähnlich wie bei den Grands Crus, eine Liste von klassifizierten Gütern, die aber alle fünf Jahre überarbeitet wird. Das heißt, nur wirklich aktuell gute Weingüter schaffen es hierhin. Dazu haben viele ordentlich investiert. Manche haben auch einen der viel gerühmten Berater engagiert. Gerade erst sind 14 neue aufgenommen worden. Jetzt sind es 249 insgesamt, und manche sind direkte Nachbarn der großen Châteaux. Und das Wetter ist bei ihnen auch nicht schlechter.

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