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Mode Diesel-Chef Glenn Martens

„Denim ist ein sexy Material“

Autor im Ressort Stil
Puppen in provokanten Posen: Diesel-Modenschau in Mailand Puppen in provokanten Posen: Diesel-Modenschau in Mailand
Puppen in provokanten Posen: Diesel-Modenschau in Mailand
Quelle: Tom de Peyret
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Diesel-Kreativdirektor Glenn Martens liebt die Provokation – in Form von Bildern oder durchs Verteilen von Gratis-Kondomen. Genauso denkt er in Hinblick auf seine Mode. Ein Gespräch über Spaß, Sexyness, Frechheit und warum er seine Kollektionen nicht in drei verschiedenen Größen produziert.

Er sitzt mit einer zweifach lackierten und gebackenen Jeansjacke im Mailänder Diesel-Büro. Er niest, hustet, stößt auf und redet doppelt so schnell wie normale Menschen. Der Belgier Glenn Martens wurde als Avantgarde-Designer bei der Marke Y/Project zum Liebling der Modewelt, seit dreieinhalb Jahren ist er zudem Kreativdirektor der italienischen Jeansmarke Diesel. Seine Kampagnen und Modenschauen setzen ganz unverhohlen auf Sex: Mal sieht man riesige Puppen in lasziven Posen, mal zitieren Anzeigen die Ästhetik von Hardcore-Pornos. Passt das in unsere übervorsichtige Zeit?

WELT: Sie haben Diesel bei den heiß umworbenen Generationen Z und A wieder populär gemacht. Sie selbst sind 41 Jahre alt. Haben Sie 14-jährige TikTok-Profis im Team?

Glenn Martens: Ich habe mich an mich selbst erinnert, als ich so alt war und Diesel der hot shit. Und daran, wofür die Marke stand, als sie gegründet wurde. Diesel war sich in den Jahren davor selbst fremd geworden. Ich habe den Scheinwerfer wieder zurechtgerückt. Spaß, Sexyness, Frechheit, nicht allzu viel Sorgen, was die anderen denken. Dieses Ethos ist auch heute noch relevant. Mit 14, 15, 16 erlebt man die beste Zeit im Leben. Alles ist aufregend und interessant. Diesel ist ein guter partner in crime für diese Lebensphase. Selbst in den teuersten und raffiniertesten Kleidern, die ich entwerfe, soll die Trägerin bei der Party auf den Boden fallen oder jemanden mit nach Hause nehmen können, das Kleid in eine Ecke pfeffern und am nächsten Tag wieder tragen können. Wir wollen nicht kostbar sein.

Mehr als nur normale Jeans: Kleid aus der aktuellen Diesel-Kollektion
Mehr als nur normale Jeans: Kleid aus der aktuellen Diesel-Kollektion
Quelle: Filippo Fior/Gorunway.com

WELT: Gleichzeitig haben Sie die Ausdrucksmöglichkeiten von Denim durch neue Techniken erweitert, aus der Jeans quasi ein Couture-Thema gemacht.

Martens: Wenn man in Mailand eine Modenschau macht, steht man neben Prada und Bottega Veneta. Da werde ich doch keine Models in normalen Jeans über den Laufsteg schicken. Diesel war die erste Marke, die mit strapaziertem Denim gearbeitet hat. Löcher, Nähte, Handarbeit. Eine ganze Lieferung wurde damals aus Japan zurückgeschickt, weil der Kunde dachte, die Jeans wären kaputt. Unsere Laufsteg-Kollektion macht maximal fünf Prozent unseres Umsatzes aus – aber die Modenschauen sind ein guter Weg, die Botschaft rüberzubringen.

WELT: Eine Konstante in Ihren Kampagnen ist Sex. Warum?

Martens: Bei Diesel gab es immer diese augenzwinkernde, direkte Sexyness. Das liegt in der Natur der Sache, denn Denim ist ein sexy Material.


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WELT: Vor 20 Jahren war Sex in der Mode omnipräsent. Heute stellen sich andere Fragen: Was darf ich zeigen? Wie darf ich darüber reden? Wer könnte beleidigt sein? Ist das Spiel mit dem Sex schwieriger geworden?

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Martens: Absolut. Es gibt viel mehr Regeln. Wir versuchen, eine positive Botschaft zu vermitteln. Das hilft schon mal. Meine erste Kampagne bei Diesel kam an Weihnachten 2020. Es war kurz nach den ersten Covid-Lockdowns, und wir ließen einen Dokumentarfilmer die Geschichte von 18 Paaren erzählen, die eine Zeit lang von ihren Partnern getrennt gewesen waren. Wegen Jobs, Reisen, Krankheit. Wir suchten die Paare so aus, dass sie unsere Gesellschaft repräsentierten, also unterschiedliche Alter, Sexualitäten, kulturelle Hintergründe. Wir schrieben nicht dazu: „trans“, „lesbisch“, „schwul“, wir zeigten nur Bilder.

WELT: Warum?

Martens: Es sollte sich selbstverständlich anfühlen. Wir müssen darüber sprechen, wenn es Probleme oder Diskriminierung gibt. In einer Weihnachtskampagne zeigen wir einfach nur Menschen. Das komplett unterschiedliche Feedback war erstaunlich. Ich habe Morddrohungen erhalten. Oh, dachte ich, hier ist noch viel zu tun.

Augenzwinkernde Sexyness: Motiv mit Teilen aus Martens’ Pride-Kollektion
Augenzwinkernde Sexyness: Motiv mit Teilen aus Martens’ Pride-Kollektion
Quelle: Diesel


WELT: Als Designer von Y/Project entwerfen Sie für Menschen, die Sie mögen und verstehen. Was Sie bei Diesel machen, nimmt die ganze Welt wahr. Und jeder hat dazu eine Meinung.

Martens: Das war der Grund, warum ich den Job angenommen habe. Das erste Mädchen, das wir gezeigt haben, war ein Trans-Model. In jeder Kampagne sind wir so sexpositiv und divers, wie es irgendwie geht. Auch das habe ich nicht erfunden. Diesel hatte schon 1993 ein küssendes schwules Paar in einer Kampagne. Ich habe es nur wieder aufgenommen.

WELT: Das tun Sie in einer Zeit, in der andere Marken eher vorsichtig geworden sind. In der Weihnachtskampagne von 2023 spielten Sie mit den Bildern und Klischees einer Hardcore-Porno-Produktion. Sie karikieren sie, aber wiederholen sie auch.

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Martens: Exakt. Ich will den Diskurs darüber normalisieren. Bevor wir solche Kampagnen produzieren, wird das Konzept an unsere verschiedenen Märkte geschickt. Natürlich ist das Feedback zu 80 Prozent negativ. Fast alle sind dagegen. Dann weiß ich, dass ich es machen muss. Die riesigen Puppen, die wir bei der ersten Modenschau zeigten, waren keine Sexpuppen, aber sie waren ein bisschen cheeky mit ihren in die Luft gereckten Hintern. Wir zeigten sie später beim Fotofestival in Hyères. Eines Nachts wurden sie von Jugendlichen mit Messern total zerstört. Die Puppen sind jetzt kaputt, aber der Vorfall stand in allen Zeitungen. Und das ist wichtig. Deswegen hatten wir auch im nächsten Jahr den Riesenberg von Kondomen als Dekoration. Weil es immer noch HIV gibt und sich das Virus unter der Generation A ausbreitet, aber die Jugendlichen nichts davon wissen, weil es keine Aufklärungskampagnen mehr gibt. Als ich das erste Mal Sex hatte, benutzte ich zwei Kondome und dachte, ich würde sterben. Deshalb gab es in jedem Diesel-Store Gratis-Kondome – außer in Ländern, in denen Kondome illegal sind.

Kondome als Einladung zur Diesel x Durex Show
Kondome als Einladung zur Diesel x Durex Show
Quelle: Diesel

WELT: Wenn Sie schon nicht auf die Märkte hören, gibt es andere Warnsignale, die Sie beachten?

Martens: Zum Glück habe ich als junger Mensch in Paris in einem winzigen Apartment von sehr wenig Geld gelebt. Ich war in den Banlieues raven, ich habe die multikulturelle Welt gelebt. Wir haben schon mit Y/Project Preise für unser diverses Casting erhalten. Das muss ich mir nicht vornehmen, das kommt von selbst. Trotzdem habe ich immer wieder Diskussionen mit Freunden, ob wir inklusiv genug sind, ob wir genug Plus-Size-Models haben. Was viele nicht verstehen: Keine Marke hat das Budget und die Zeit, ihre Sample-Kollektionen in drei verschiedenen Größen zu produzieren. Noch nicht einmal Diesel. Mode ist schnell.

WELT: Ihre Zusammenarbeit mit Tom of Finland läuft seit mehreren Saisons. Stört es Sie, dass man die Superkerle auch bei anderen Marken sieht?

Martens: Wir arbeiten nicht mit dem Nachlass des (verstorbenen) Künstlers Tom of Finland, sondern mit der „Tom of Finland“-Stiftung. Die haben die weltweit größte Sammlung homoerotischer Kunst, weil ihr viele Kreative ihren Nachlass überließen, vor allem während der Aids-Pandemie in den 80ern und 90ern. Ich finde diese Geschichte bemerkenswert und wollte die Stiftung in ihrer Arbeit unterstützen. Bei der Biennale in Venedig vor zwei Jahren zeigten wir erstmals Arbeiten aus der Sammlung außerhalb ihres Firmensitzes in Echo Park. Aber wir sind auch eine Modemarke, also haben wir natürlich eine Pride-Kollektion mit Tom-of-Finland-Motiven produziert.

WS Stil Diesel Glenn Martens ++ Polley, frank@henriplusfrank-pr.de ++ diesel-pride-2023_with-toff_02-jpeg_2024-05-08_1102 ++ TOM OF FINLAND – PRIDE 2023 collection ++ DIESEL PRIDE 2023_WITH TOFF_P011100SIAD912_ ++ vorauswahltl ++
WS Stil Diesel Glenn Martens ++ Polley, frank@henriplusfrank-pr.de ++ diesel-pride-2023_with-toff_02-jpeg_2024-05-08_1102 ++ TOM OF FINLAND – PRIDE 2023 collection ++ DIESEL PRIDE ...2023_WITH TOFF_P011100SIAD912_ ++ vorauswahltl ++
Quelle: Diesel


WELT: Was sagt es über die Welt, dass eine Riesenmarke wie Diesel mit diesem ultraschwulen Motiven arbeiten kann? Hat sich die Welt geöffnet?

Martens: Noch nicht. Aber das Feedback ist besser geworden. Und wir machen weiter. Dieses Jahr unterstützen wir die Ausstellungen zum 40-jährigen Jubiläum, unter anderem die Ausstellung, die dieses Wochenende im Berghain in Berlin stattfindet. Wir verlieren keine Kunden mehr, wie es anfangs der Fall war.

WELT: Sind Sie in Ihrer Rolle ein Politiker?

Martens: Ich trage da mehrere Hüte: Künstler, Psychiater, Politiker, Diktator.

WELT: Es gibt Zensur in Social Media, andere Länder mit ganz anderen Wertvorstellungen – wie verträgt sich das mit Ihrer Direktheit?

Martens: Die Kampagnen von vor 20 Jahren wären heute unmöglich. Man kann auch mit sanfteren Botschaften arbeiten.

WELT: Bei Ihrer ersten Show verschickten Sie Sexspielzeug aus Muranoglas als Einladung. War das eine sanfte Botschaft?

Martens: Was soll ich sonst verschicken? Spaghetti mit Diesel-Logo? Diesel ist Sex, aber Diesel kommt auch aus dem Veneto, der Heimat von Muranoglas. Das sind hübsche Objekte, und nicht jeder versteht sie. Mein Vater benutzt den Butt Plug als Briefbeschwerer.

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WELT: Im Frühjahr konnte das Publikum fünf Tage lang die Vorbereitungen der Show live verfolgen. Wie war das?

Martens: Extrem stressig. Die Zuschauer konnten wirklich alles sehen. Auch Fehler und schlechte Outfits. Ich werde unter Druck manchmal anstrengend, und diesmal haben Tausende zugeschaut. Ein großer Vorteil: Jeder war morgens pünktlich. Und was wir gelernt haben: Für normale Menschen, die nicht Fans oder Teil der Modewelt sind, ist unsere Arbeit ein großes Rätsel.

WELT: Was ist das nächste Tabu, mit dem Sie sich beschäftigen wollen?

Martens: Die Themen sind gesetzt. Jetzt wollen wir die Lautstärke aufdrehen. Wir machen Raves, wo das Nachtleben eingeschränkt wird. Und wir widmen uns der Nachhaltigkeit. Wir sind die erste Marke, die 100 Prozent recyceltes Denim herstellt. Wir nennen es Rehab Denim.

Glenn Martens, Quereinsteiger

Quelle: Alexandre Tabaste


Der Belgier, 1983 in Brügge geboren, machte einen Abschluss in Innenarchitektur, bevor er in Antwerpen Modedesign studierte. 2013 übernahm er die Kreativdirektion von Y/Project und gilt mit seiner Arbeit als einer der innovativsten Designer seiner Generation. Seit 2020 ist er Kreativdirektor bei Diesel.

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