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Vitamin G Nr. 2 – für Health Professionals mit Weitblick

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Für Health Professionals mit Weitblick

LEBENSENDE – BESSER STERBEN

Zusammenleben im Generationenhaus

Apathie-Forschung: Den Emotionen auf der Spur

NR. 2 MAI 2017

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INHALT

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DIE REIFEPRÜFUNG 10 Interview mit Palliativ­mediziner Prof. Dr. Steffen Eychmüller.

DOSSIER:

STREBEN EINE 15 «WIR PUNKTLANDUNG AN»

LEBENSENDE

Mit interprofessioneller ­Zusammenarbeit mehr ­Lebensqualität am Lebens­ende ermöglichen.

Wie können wir unser eigenes Sterben und das unserer Mitmenschen besser gestalten?

IN VERTRAUTER 20 ABSCHIED UMGEBUNG

Der Tod weckt unsere Neugier, wird zugleich aber tabuisiert. Mit meinen Urnen versuche ich, eine Brücke zu schlagen. Sie sollen modern wirken, Wärme ausstrahlen und den Menschen in seiner Einzig­ artigkeit widerspiegeln. «cosmicball» Thomas Schär, Künstler und Urnendesigner, Atelier urne.ch, Zürich

Dank mobiler Palliative Care kann ­Susanne Brumann die letzte ­Lebensphase zu Hause v ­ erbringen.

IT DER SCHWIERIGSTEN 22 MFRAGE ALLEIN

Geburt und Tod liegen im Hebammenwesen manchmal nah beieinander.

WILLKOMMEN IM CAFÉ TOD 25 Wenn Fremde sich beim Kaffee über

SPEKTRUM

FORSCHUNG

4 News aus dem Departement

28 Den Emotionen auf der Spur

Gesundheit

MEINUNG 5 Master of Science für Hebam-

men mit mehr Verantwortung

Tod und Trauer unterhalten.

WEITEBILDUNG

Lassen sich bei Demenz­ patienten mit Apathie noch Gefühls­regungen messen?

STUDIUM

Stephanie von Orelli zum neuen Studiengang.

34 Alterspflege in China neu

Mit einer Weiterbildung in ­gerontologischer Pflege leistet die ZHAW in China Hilfe zur Selbsthilfe.

denken

I M P O R T R ÄT

30 Eine Frage der Haltung Die Schweizerische Studienstiftung fördert überdurchschnittlich begabte Studierende, darunter eine angehende Hebamme.

6 Verschiedene Altersgruppen unter einem Dach

Ergotherapeutin Bianca Köller hat in Vilters-Wangs ein Generationenhaus ins Leben gerufen.

32 Wie sieht es in der Praxis aus? Auf Berufsfelderkundung mit Studierenden des Bachelors Gesundheitsförderung.

36 Leben nach dem Hirnschlag Ein neues CAS vermittelt, wie Betroffene umfassend ­behandelt werden.

GEWUSST WIE!

38 Knick im Sommer Wie reagieren bei einer ­Verstauchung?

39 AGENDA CAMPUS 40

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EDITORIAL

«MAN STIRBT, WIE MAN LEBT, … täglich, dass Sterben bereits von Anfang an zum Leben gehört, obwohl wir dies ­angesichts geringer Säuglingssterblichkeit heute gerne verdrängen. Mit den Eltern um ein gerade geborenes Kind zu trauern, war oft sehr schmerzhaft. Doch brennender als Überlegungen dazu, wie man den Tod hätte verhindern können, war für mich die Frage, wie man den Abschied gut gestaltet: Wie gibt man dem Schmerz der Angehörigen Raum? Mit Mascha Kalékos Worten: «Bedenkt: Den eigenen Tod, den stirbt man nur; doch mit dem Tod der ­anderen muss man leben.» Als ich schliesslich in Köln wohnte, bin ich … DAS STERBEN GEHÖRT am Ende meiner Laufstrecke oft ZUM LEBEN, NICHT ZUM TOD. » über einen Friedhof gejoggt – ganz Ludwig Marcuse bewusst. Ich wollte mich bei einer alltäglichen Aktivität der Vergänglichkeit aussetzen und sie so in mein Leben holen. Ebendies möchas angesichts bahnbre- ten wir auch mit den Beiträgen im Dossier chender neuer Möglich- dieses Magazins tun. Denn als Health Prokeiten im Gesundheits- fessionals setzen wir uns dafür ein, Gesektor manchmal fast in sundheit und Lebensqualität zu erhalten Vergessenheit gerät, war für mich als und eine gute Behandlung in Phasen von Theologen immer klar: Das Ende gehört Krankheit zu ermöglichen. Wir sind aber zum Leben, genauso wie der Anfang. Ver- auch gefordert, einen guten Umgang mit ändert hat sich über verschiedene Lebens- der Endlichkeit zu finden – unserer eigephasen meine Einstellung zum Sterben. nen und derjenigen unserer Nächsten. Als ich in die Primarschule kam, starben innerhalb kurzer Zeit mein Grossvater und zwei Urgrossmütter. Mein Vater schil- Eine spannende Lektüre wünscht derte mir, wie mein Grossvater seine letzten Atemzüge tat. Das hat mich so verängstigt, dass ich mich abends im Bett über Monate fürchtete. Später arbeitete ich als Assistenzarzt auf einer neonatolo- Andreas Gerber-Grote gischen Intensivstation. Hier erlebte ich Direktor Departement Gesundheit

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Neu haben Sie die Möglichkeit, ausgewählte Beiträge online zu lesen und zu diskutieren: blog.zhaw.ch/vitamin-g

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SPEKTRUM

ABSOLVENTENBEFRAGUNG

PHYSIOTHERAPIEFORSCHUNG

NFP 74 «SMARTER HEALTH CARE»

STUDIUM UND BERUFSEINSTIEG

STURZPRÄVENTION MIT RHEUMALIGA

QUALITÄT DER ­H ÄUSLICHEN PFLEGE

Eineinhalb Jahre nach Abschluss ihres Studiums wurden die ersten Absolventinnen und Absolventen des Departements Gesundheit zu ihrer Zufriedenheit mit der Ausbildung und zu ihrem Einstieg ins Berufsleben befragt. Die Resultate zeigen: 94 Prozent arbeiten im Beruf, den sie studiert haben. Die meisten sind mit ihrer Arbeit zufrieden und finden, dass sie sinnstiftend ist. Weniger gut bewertet wurden dagegen Einkommen sowie Entwicklungs- und Aufstiegs­ möglichkeiten. Mit dem Studium waren über 70 Prozent der Befragten zufrieden, vor allem das Arbeitsklima und die Aktualität der Lehrinhalte wurden geschätzt. Die Verbesserungsvorschläge zielten derweil auf strukturelle und organisatorische Aspekte des ­Studiums.

Stürze ziehen bei älteren Personen oft Verletzungen, manchmal auch Operationen nach sich, welche die Betroffenen in ihrer Selbständigkeit einschränken. Angesichts des demografischen W ­ andels resultieren daraus ein grosser Behandlungs- und Pflegebedarf sowie hohe Kosten. Die Rheumaliga Schweiz hat deshalb ein multidisziplinäres Sturzpräventionsprogramm entwickelt, das sie in Kooperation mit grossen Krankenkassen durchführt. In einer Studie ­evaluieren die Forschungsstelle Physiotherapie und das Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie das Programm auf seine Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit. Dazu werden über die Dauer von einem Jahr die Anzahl und Schwere der Stürze von circa 1150 Studienteilnehmenden erfasst, aber auch ihre Sturzangst und Lebensqualität, die Kosten der Inter­ vention sowie die Kostenwirksamkeit.

Sämtliche Resultate: zhaw.ch/ gesundheit/absolventenbefragung

zhaw.ch/gesundheit/ sturzpraevention

ERGOTHERAPIEFORSCHUNG

GAMES FÜR SENIOREN Bewegungen einüben, die sie bei ihren Alltagsaktivitäten unterstützen. Beim 3D-Sudoku trainieren sie zum Beispiel Beweglichkeit und Kraft von Armen und Schultern; beim Labyrinth-Spiel arbeiten sie an Ausdauer, Gleichgewicht und Kraft, während sie gehend einen Weg aus dem Irrgarten suchen. Anhand kurzer Videoclips informiert die Software über Strategien und Hilfsmittel, welche die Selbständigkeit fördern. Betreuende Angehörige erhalten Tipps für ihre eigene Gesundheit und haben die Möglichkeit, Sich selbständig anziehen, einkaufen sich mit anderen Angehörigen auszutauoder kochen ist im Alter nicht mehr schen. Die Trainingsspiele wurden drei selbstverständlich. Im interdisziplinären Monate lang im häuslichen Umfeld getesEU-Projekt «WeTakeCare» haben Wistet, wobei sich die Ausdauer der Testpersenschaftler der Forschungsstelle Ergosonen signifikant verbesserte. Die Softtherapie unter der Leitung von Prof. Dr. ware soll innerhalb der nächsten drei Heidrun Becker ältere Menschen zu ihren Jahre auf den Markt kommen. Bedürfnissen befragt und gemeinsam mit europäischen Partnern aus Spanien und Deutschland interaktive Trainingsspiele Weitere Infos und Film: zhaw.ch/gesundheit/wetakecare entwickelt. Mit diesen können Senioren 4

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Obwohl die Langzeitpflege zu Hause an Bedeutung gewinnt, besteht wenig ­Wissen zu Angebot, Nutzung und ­Qualität von Spitex-Leistungen in der Schweiz. Eine Studie der Forschungsstelle Gesundheitswissenschaften will diese Lücke füllen. Dazu analysiert das Forschungsteam um Prof. Dr. Peter Rüesch die Datenbank des Spitex Verbands Schweiz und verknüpft sie mit anderen Gesundheitsstatistiken, um auf dieser Basis Patientenprofile zu erstellen. Anschliessend entwickeln die Wissenschaftler die Datenbank weiter und erarbeiten Vorschläge zur künftigen Nutzung. Die Studie ist Teil des Nationalen Forschungsprogramms NFP 74 «Gesundheitsversorgung» und wird in Kooperation mit dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium, dem Institut für Sozial und Präventivmedizin Bern und dem Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie durchgeführt. nfp74.ch

UNESCO-ENTSCHEID IN DEUTSCHLAND

KULTURERBE ­H EBAMMENWESEN Die deutsche UNESCO-Kommission hat das Hebammenwesen als eine der ältesten Berufstechniken der Menschheit in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Sie begründet ihre Entscheidung mit dem über einen langen Zeitraum erworbenen, breiten Wissen im Umgang mit der Natur und dem Leben; ein Wissen, das verschiedene Kulturtechniken vereint und auch dann abruf- und einsatzbereit ist, wenn die technische Infrastruktur der Medizin nicht zur Verfügung steht.


MEINUNG

FORSCHUNG UND LEHRE

NEUE PROFESSUREN Im letzten Dezember hat der Zürcher Fachhochschulrat Dr. Julia Dratva und Dr. Frank Wieber vom Institut für ­Gesundheitswissenschaften den Professorentitel ZFH für den Bereich Public Health verliehen. Die Antrittsvor­ lesungen finden am 22. August 2017 statt (siehe Agenda Seite 39).

ERGOTHERAPIEFORSCHUNG

STUDIE FÜR TIXI ZÜRICH Mit dem Zug zur Arbeit pendeln, zu Fuss einkaufen oder mit dem Fahrrad Freunde besuchen: Nicht allen fällt mobil sein so leicht. Tixi Zürich trägt mit seinem Fahrdienst zur Mobilität von Menschen mit Behinderung bei. Nun möchte der Verein sein Angebot optimieren. Dazu erfasst die Forschungsstelle Ergotherapie in einer Literaturrecherche die ­aktuelle Situation von Menschen mit Mobilitätseinschränkung. In einer retrospektiven Bedürfnisanalyse, basierend auf der Kundendatenbank und Fahrgast­ umfragen, decken die Forschenden zudem offene Bedürfnisse auf. Aus den Erkenntnissen leiten sie Vorschläge für eine Anpassung des Angebots ab.

BACHELOR PFLEGE

NEUE STUDIENGANG­ LEITUNG Ab dem 1. August 2017 wird Irène Ris neue Leiterin des Bachelorstudiengangs in Pflege. Die Soziologin und diplomierte Pflegefachfrau unterrichIrène Ris tet bereits seit 2008 am Institut für Pflege und schreibt derzeit ihre Dissertation an der Universität Witten/Herdecke (DE). Zuvor war sie Leiterin für Entwicklung und Qualitätssicherung in der Pflege am Stadtspital Waid in Z ­ ürich. Irène Ris folgt auf Lili Mühlherr, die den Bachelorstudiengang in Pflege an der ZHAW aufgebaut hat und per 31. Juli pensioniert wird.

KD DR. MED. STEPHANIE VON ORELLI Chefärztin an der Frauenklinik Triemli

MASTER OF SCIENCE FÜR HEBAMMEN MIT MEHR VERANTWORTUNG

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ie Anforderungen in der Geburtshilfe steigen. Von den 85 000 Geburten, welche die Schweiz jährlich verzeichnet, verlaufen nicht alle reibungslos. Auch während der Schwangerschaft und im Wochenbett können Komplikationen auftreten, etwa bei Frauen mit chronischen Krankheiten, mit psychischen Problemen oder bei Mehrlingen. In solchen komplexen Betreuungssituationen sind Hebammen mit vertieftem klinischem Wissen und erweiterten Kompetenzen gefragt – Hebammen, wie sie das Studium zum Master of Science hervorbringt. Sie sind beispielsweise in der Lage, Diabetessprechstunden durchzuführen, traumatisierte Schwangere auf die Geburt vorzubereiten oder neue Betreuungspfade für Frauen mit Depression zu entwickeln. Sie leiten Fallbesprechungen und coachen Kolleginnen. Sie verfügen über Fach- und Forschungswissen, um die Gesundheitsleistungen auf die Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu prüfen und Verfahren zur Qualitätssicherung zu entwickeln.

Auch für die integrierte Versorgung – zentrales Anliegen der Politik – spielen Hebammen mit Masterabschluss eine wichtige Rolle. Sie können den Wissens­ austausch und die interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen den in die Geburtshilfe involvierten Berufsgruppen koordinieren. Internationale Studien belegen, dass hebammengeleitete Versorgungsmodelle Geburtsverlauf und -erleben nachhaltig verbessern: Es werden weniger wehenverstärkende Mittel benötigt, seltener Dammschnitte durchgeführt und die Stillrate fällt ­höher aus. In England und Schweden hat das Masterstudium für Hebammen wesentlich zur Entwicklung von hebammengeleiteten interprofessionellen Versorgungsmodellen beigetragen, die nun lokale Gesundheitssysteme entlasten. Das ist auch in der Schweiz möglich. Deshalb ist es ein wichtiger und richtiger Schritt, dass im September der erste Master-of-Science-Studiengang für Hebammen in der Deutschschweiz startet. // blog.zhaw.ch/vitamin-g

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I M P O R T R ÄT

VERSCHIEDENE ALTERSGRUPPEN UNTER EINEM DACH Bianca Köller hat mit ihrem Mann ein Daheim für Betagte aufgebaut, in dem auch jüngere Menschen ein- und ausgehen. Die Ergotherapeutin und ehemalige ZHAW-Dozentin behandelt zurzeit zwar keine Patienten selbst. Doch ihr beruflicher Hintergrund ist im Generationenhaus deutlich spürbar. VON ANDREA SÖLDI

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s fühlt sich fast wie eine grosse Familie an. Im Generationenhaus ist Bianca Köller mit den meisten per du. «Morgen, Rolf, wie geht’s deiner Frau?», begrüsst sie einen Mieter. «Tschüss, Vreni», eine Pflegefachfrau, die mit der Arbeit fertig ist. Das Haus Novellas in Vilters-Wangs bei Sargans ist das Lebenswerk von Bianca Köller und ihrem Ehemann Silvan Looser. Hier sollen sich betagte Menschen wohl fühlen und sich verschiedene Generatio-

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Gesicht. «Probiert es mal mit dem Zeigfinger», schlägt Bianca Köller vor. Als weitere Variante regt die gelernte Ergotherapeutin an, beim gegenseitigen Zuspielen die Namen zu nennen – Gedächtnistraining ganz beiläufig. Allmählich verlieren die Kinder das Interesse am Spiel und verziehen sich in eine Ecke mit Matten, wo sie wild herumhüpfen. Derweil serviert Hortleiterin Nicole Good den Älteren noch eine Tasse Kaffee. Der Kontakt mit den Kindern hat viele Erinnerungen wachgerufen. Hedi Good erzählt von ihren 14 Geschwistern, nen begegnen, zum Beispiel durch die Kin- Martha Häberle von ihren Enkelkindern. dertagesstätte, die im Erdgeschoss einge- Bianca Köller fragt interessiert nach. «Alte mietet ist. Menschen und ihre Geschichten faszinieAn diesem Morgen sitzen vier Bewoh- ren mich.» nerinnen und ein Bewohner sowie drei Kleinkinder um einen Tisch. Alle halten Morgenspaziergang zum Bäcker ein Kartonrohr in der Hand und stupsen Der ergotherapeutische Ansatz, den die damit Ballone an. Die dreijährige Nicola 38-Jährige einbringt, prägt den Alltag im schlägt lebhaft zu; Hedi Good, die im Roll- Generationenhaus. Köller holt die Menstuhl sitzt, spielt den orangen Ballon spon- schen bei ihren Biografien ab und übertan zurück. Ein Lächeln huscht über ihr trägt ihnen Aufgaben im Haus. Ursula fal-


I M P O R T R ÄT

Rikscha-Fahrt ins Grüne: Bianca Köller erkundet mit einem Bewohner des Generationenhauses und mit Kindern der dazugehörigen Tagesstätte die Umgebung.

tet zum Beispiel die Wäsche zusammen; Pablo, der jeweils früh morgens wach ist, holt frisches Brot beim Dorfbäcker und bringt am Abend die Briefe zur Post. Auch Kontakte unter den Bewohnern versucht Köller zu fördern. So motivierte sie drei alleinstehende Frauen, die noch selbstständig wohnen, sich beim Kochen zusammenzutun und gemeinsame Spaziergänge zu unternehmen. Eine andere Mieterin, die noch bei guter Gesundheit ist, verteilt zusammen mit einer Frau im Rollstuhl die Post im Haus. Im Garten, der demnächst gestaltet wird, wünscht sich Köller einen Hühnerstall sowie Hochbeete, wo alte Menschen mit grünem Daumen Gemüse ziehen können. «Ich möchte unseren Bewohnern die Möglichkeit geben, sich sinnvoll zu betätigen.» Haus für Gesunde und ­Pflege­bedürftige Auch im Dorf und in der näheren Umgebung stellt die Mutter von drei kleinen Kindern Kontakte her, wo sie nur kann. Mittlerweile hält die Musikschule ihre Konzerte in den Räumen des Novellas ab, genauso wie die Kirche ihr Rosenkranzgebet. Auch der Räbeliechtliumzug endet jeweils hier mit Punsch und gemeinsamem Singen. Dorfbewohner und Mitarbeitende der umliegenden Betriebe kommen zum Essen ins öffentliche Restaurant Kiesfang, das eine vielfältige Küche bietet. Die Idee für das innovative Projekt entstand aufgrund eines privaten Ereignisses: Nachdem Köllers Schwiegervater einen Hirnschlag erlitten hatte, erwies es sich als schwierig, in der Region einen passenden Pflegeplatz zu finden. Als er vor sieben Jahren starb, entschloss sich die junge Familie, ins frei gewordene Elternhaus zu ziehen und gemeinsam neue Alterswohnplätze zu schaffen. «Wir haben uns stets überlegt, wie sich mein Schwiegervater wohl gefühlt hätte», erzählt Bianca Köller. Entstanden ist ein moderner Bau mit zwei Pflegewohngruppen und sieben altersgerechten Attikawohnungen. Er bietet Platz für insgesamt 48 Personen unterschiedlichen Alters und Gesundheitszustands. Durch eine gläserne Decke dringt Tageslicht in die grosszügige Eingangs­

halle. Die helle, freundliche Atmosphäre soll Depressionen vorbeugen, wie Köller erklärt. Auf den Gängen, die rund um den gedeckten Innenhof angelegt sind, können Betagte ihren Bewegungsdrang ausleben, was besonders für Menschen mit ­Demenz wichtig ist. Von der Terrasse aus blickt man direkt auf Pizol, Churfirsten und Gonzen, unten auf dem Spielplatz tummeln sich die Kinder der Tagesstätte. Für das junge Paar war das Projekt eine ziemlich grosse Kiste. Die Jungunternehmer mussten insgesamt 17 Millionen Franken aufbringen. Nach fünf Jahren Planung und Bauzeit konnten sie im März 2015 die Eröffnung feiern. Unterdessen beschäftigen sie 60 Mitarbeitende, haben sämtliche Zimmer besetzt und verzeichneten letztes Jahr bereits einen kleinen Gewinn. «Zu Beginn hatte ich viele schlaflose Nächte», blickt Köller zurück. «Aber mein Mann war zum Glück stets optimistisch.» Der ausgebildete Physiotherapeut hat die Geschäftsleitung übernommen, während seine Frau ihn vertritt und für die Gesundheitsförderung von Bewohnern und Personal zuständig ist. Anfangs behandelten beide noch interne und externe Patien­ ten in der integrierten Ergo- und Physiotherapiepraxis. Unterdessen haben sie andere Therapeuten eingestellt, um sich ganz auf die Leitungsaufgaben zu konzentrieren.

«Alte Menschen und ihre ­G eschichten ­faszinieren mich.»

Bachelorarbeiten bestätigen Konzept Bis vor drei Jahren pendelte die Ergotherapeutin mit Masterabschluss regelmäs­sig an die ZHAW nach Winterthur, wo sie als Dozentin im Bachelorstudiengang Ergotherapie und in der Weiterbildung tätig war. Nun lässt sie ihr Fachwissen und Engagement vollumfänglich im Generationenhaus einfliessen. Dass sich Begegnungen verschiedener Altersgruppen für alle positiv auswirken, haben letztes Jahr zwei Bachelorarbeiten bestätigt, die Ergotherapiestudierende der ZHAW zum Generationenhaus in Vilters-Wangs verfassten. Kinder werden vertrauter im Umgang mit Senioren und lernen, sich an Regeln zu halten. Derweil profitieren Letztere von besserer Gesundheit und L ­ ebensqualität.

BIANCA KÖLLER LOOSER Ausbildung zur Ergotherapeutin Tätigkeiten in der Rheumaund Rehabilitationsklinik Valens, im Kinderspital Zürich und im Universitätsspital Zürich Studium zum Europäischen Master of Science in Ergotherapie Dozentin an der ZHAW, Mitent­ wicklung des Curriculums für den Bachelorstudiengang Ergotherapie Initiantin und Stv. Geschäftsleiterin des Generationenhauses «Novellas» Vorträge und zahlreiche Publikationen in Fachzeitschriften

Einige Bewohner seien in letzter Zeit richtig aufgeblüht, freut sich Bianca Köller. Heute Nachmittag hat sie sich mit zwei Bewohnerinnen verabredet, die ihr das Jassen beibringen. Regelmässig lädt sie alte Menschen und Kinder zu Ausfahrten mit der elektrounterstützten Velorikscha ein, die neben der Eingangstür bereitsteht. Unterwegs erfährt die energiegeladene Frau immer wieder Neues über die Umgebung und ihre Geschichten. Zum Beispiel, wo während des Krieges Kartoffeln angepflanzt wurden. So wird das Generationenhaus seinem Namen gerecht: «Novellas» steht für Geschichten, die an diesem Ort erzählt werden und entstehen. //

Film zum Generationenhaus «Novellas»: zhaw.ch/gesundheit/generationenhaus

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Wie und wo ich selbst einmal beigesetzt werde, spielt fßr mich keine Rolle. Meine Liebsten werden an den Orten an mich denken, wo wir gemeinsam etwas erlebt haben. Bis es so weit ist, versuche ich, die Zeit mit ihnen zu geniessen. Manuela Ochsner, Friedhofsgärtnerin, Stadt Winterthur


DOSSIER|LEBENSENDE

BESSER STERBEN Das einzig Sichere im Leben ist der Tod, ­ lernen wir früh. Doch das Wissen um unsere Sterblichkeit bringt viel ­Ungewissheit in unser ­Dasein. Wie begegnen wir dem unbe­ rechenbaren Ende in einer ­Gesellschaft, in der so vieles ­kontrollierbar und auf Selbstbe­ stimmung a­ us­gerichtet ist? Und welchen Platz hat es in ­unserem Gesundheits­system, das ­darauf f­ okussiert, Gesundheit zu erhalten und Krankheit zu b ­ ekämpfen?

Für die Bildserie zum Dossier hat Fotografin Yoshiko Kusano Menschen porträtiert, die sich bei ihrer Arbeit handwerklich-künstlerisch mit dem Tod auseinandersetzen.

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DOSSIER|LEBENSENDE

DIE REIFEPRÜFUNG Eine Gesellschaft, die mit dem Sterben ­konstruktiv umgeht, hat einen hohen ­Reifegrad erlangt, sagt Professor Steffen Eychmüller, ­leitender Arzt des Universitären Zentrums für Palliative Care am Berner Inselspital. An welchem Punkt stehen wir im Moment? Und wo soll die Reise in Zukunft hingehen? VON RITA ZIEGLER

Sieht in der Palliative Care die Wiedereinführung des gesunden Menschenverstands: Prof. Dr. Steffen Eychmüller

Steffen Eychmüller, was passiert in unserem Körper, wenn wir sterben? In der Sterbephase vollzieht sich eine Art Bremsmechanis­ mus: Alle Abläufe unseres Stoffwechsels fahren auf ein Mini­ malniveau zurück, bis nur noch die Atmung und der Herz­ schlag funktionieren. Irgendwann wird auch das Atemzen­ trum im Gehirn nicht mehr genügend durchblutet: Das ist der Moment des Todes. Wie kündigt sich dies an? Bei den langsameren Sterbeverläufen, mit denen wir in der Palliative Care konfrontiert sind, spielen die Muskeln eine wichtige Rolle. Unsere Patienten bauen kontinuierlich Muskel­ masse ab und haben immer weniger Kraft – egal, ob jemand an 10

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einer Herz-Kreislauf-Erkrankung, an einer Niereninsuffizienz oder an Krebs leidet. Die Muskeln sind auch beim Atmen massgeblich beteiligt. Unsere Lunge ist ja eine Art Blasebalg. Durch die verminderte Kraft fällt das Atmen immer schwerer, bis einem im wahrsten Sinne des Wortes der Schnauf ausgeht. Epikur sagt: «Mit dem Tod habe ich nichts zu schaf­ fen. Bin ich, ist er nicht. Ist er, bin ich nicht.» Weshalb macht der Tod dennoch vielen von uns Angst? Da antworte ich gerne mit Woody Allens Worten: «I’m not afraid of dying, I just don’t want to be there when it hap­ pens.» Meiner Erfahrung nach ist das Problem nicht so sehr der Tod als vielmehr das Sterben. Hier wiederum ist es nicht die Angst, dass man stirbt, sondern die Angst, dass man


DOSSIER|LEBENSENDE

schlecht stirbt. Im Laufe des Lebens begleiten viele von uns Angehörige und Freunde, deren Sterbeprozess schwierig verläuft. Oder wir hören Geschichten von Personen, die lei­ den mussten, die Schmerzen oder Atemnot hatten. Das kann Angst schüren. Dann dient Palliative Care auch den Angehörigen, die in Hinblick auf ihr eigenes Sterben eine wichtige Erfahrung machen können. Das ist einer der wesentlichen Punkte. Mit einer guten Palli­ ative Care betreiben wir Prävention bei den Angehörigen: in Hinblick auf die schwierige Phase des Weiterlebens nach dem Tod eines geliebten Menschen, aber auch in Hinblick auf ihr eigenes Sterben und die damit verbundenen Ängste. Nach dem Tod einer uns nahestehenden Person sind wir viel anfälliger für Krankheiten, psychisch und physisch. Funktio­ niert jedoch die Palliativversorgung und verläuft ein Sterbe­ prozess gut, ist der Stresslevel bei Angehörigen deutlich ­tiefer und sie erkranken nachgewiesenermassen weniger. Damit entlasten wir wiederum die Patien­ ten. Man spricht ja vom finalen Altruismus und meint damit, dass Sterbende nicht mehr an sich selbst, sondern primär an ihr Umfeld denken. Erleben sie, dass ihre Liebsten vor­ bereitet und versorgt sind, reduziert sich auch ihr Stress.

müssen wir bedenken, welchen Stellenwert wir jenen Men­ schen einräumen, die verletzlich sind und vielleicht nicht mehr selbst entscheiden können – Stichwort Demenz. Wer entscheidet darüber, ob ihr Leben noch lebenswert ist? Und dann gibt es nach wie vor eine grosse Mehrheit von Men­ schen, die – obwohl gebrechlich und eingeschränkt – einen Sinn in ihrem Leben sehen und sich nicht einfach wegratio­ nalisieren möchten. Wie gutes Sterben aussieht, kann nie­ mand pauschal beantworten. Das ist abhängig von der Le­ bensgeschichte des Einzelnen, von seinen Schwerpunkten im Leben und von den Beziehungen, in denen er lebt. Weshalb wurde die Palliative Care von der Medizin lange so stiefmütterlich behandelt? Es gibt ein Standardwerk der Medizin: Harrisons «Innere Medizin». Anfang 20. Jahrhundert wurden darin hauptsäch­ lich tödlich verlaufende Krankheiten und Prognosen beschrie­ ben. Heute – das Werk gibt es bereits in der 19. Auflage – steht dazu nicht mehr viel. Dazwischen liegt ein Jahrhundert, in dem immer mehr Therapiemöglichkeiten aufkamen. Es ist nicht verwunderlich, dass der Tod inmitten dieses Machbarkeitshypes vergessen ging, obwohl er Tag für Tag statt­ findet. Das Selbstverständnis der Medizin ist während dieser Zeit mechanistisch gewor­ den mit einem engen Fokus, der sich auf den Bereich von der Person bis zum einzelnen Molekül beschränkt. Alles, was darüber hin­ ausgeht – von der Partnerschaft über die Ge­ sellschaft bis hin zum Universum – wurde ausgeblendet. Wenn wir aber darüber disku­ tieren, was ein lebenswertes Leben ausmacht und was eine Lebensverlängerung um ein, zwei Monate kosten darf, nützt uns die Ebe­ ne des Moleküls allein wenig. Ein Konzept der Spitzenmedizin und Wissenschaftlichkeit, das auch die Ebenen des Psychosozialen und der Spiritualität integriert, bildet nicht nur die Lebenswelt besser ab, sondern schreibt auch der Palliative Care einen angemessenen Wert zu.

«Sterbehilfe ist die konsequent weitergedachte Form eines auf Individualismus ausgelegten ­L ebenskonzepts.»

Der Sterbeprozess verläuft oft schlep­ pend und unberechenbar. Wie passt dies in unsere Gesellschaft, in der Effi­ zienz, Leistung und Selbstoptimierung grossgeschrieben werden? Wir leben in einer Gesellschaft, in der jeder seines Glückes Schmied ist und Abhängig­ keit von anderen negativ bewertet wird. Da ist es natürlich, dass wir nicht vorbereitet sind auf den Mo­ ment, in dem wir Kontrolle abgeben und Hilfe annehmen müssen. Wir haben darin keine Übung. Vielleicht hat dies damit zu tun, dass bei uns die existenzielle Bedrohung so ge­ ring ist. Daraus folgt eine völlig andere Einstellung zum Mit­ einander als in einer Gemeinschaft, in der man froh ist, dass der Nachbar noch einen Kanister Wasser übrig hat oder man gemeinsam ein Stück Feld bearbeiten kann. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass das Sterben hierzulande für gewisse Menschen sehr belastend und einsam – und in dieser Ein­ samkeit nicht auszuhalten ist. Sehen Sie darin einen Grund, weshalb Sterbehilfe­ organisationen wie Exit wachsende Mitgliederzahlen verzeichnen? Sterbehilfe ist die konsequent weitergedachte Form eines auf Individualismus und Selbstverwirklichung ausgelegten Lebenskonzepts. Ich gebe voll Gas, solange es mir gut geht, und wirke dem Alterungszyklus mit allen modernen Mög­ lichkeiten entgegen. Wenn ich nicht mehr kann oder mag, wenn ich von anderen abhängig bin oder meine Behandlun­ gen zu teuer werden, verabschiede ich mich. Sauber, zackig, selbstbestimmt. Ob wir das wollen, muss die Gesellschaft als Ganzes und letztlich jeder für sich entscheiden. Allerdings

An welchem Punkt stehen wir heute? Parallel zum eher engen Fokus der biomechanisch ausge­ richteten Medizin haben sich auch die Erwartungen der Pa­ tienten entwickelt. Nur was teuer und hightech ist, ist echte

STEFFEN EYCHMÜLLER Steffen Eychmüller ist ärztlicher Leiter des Universitären Zentrums für Palliative Care am Inselspital Bern und hat seit Februar 2016 die erste Deutschschweizer Professur für Palliative Care an der Universität Bern inne. Vor seinem Wechsel nach Bern leitete er während dreizehn Jahren das Palliativzentrum am Kantonsspital St. Gallen.

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DOSSIER|LEBENSENDE

Medizin. Wenn wir einander zuhören, uns in Stressreduktion üben und uns mit Lebensqualität beschäftigen, wird dies be­ lächelt und als Soft Skills abgetan. Und doch nehmen heute viele Menschen zum Beispiel Komplementärmedizin in An­ spruch, gehen an Kraftorte oder suchen Coaches auf. Das Wissen, dass es mehr braucht als Hightech, ist da. Wir schrei­ ben ihm in der klinischen Praxis aber zu wenig Wert zu.

die Suizidhilfedebatte. All diese Baustellen werfen gros­se Fragen auf und zwingen uns, über die Versorgungsqualität am Lebensende nachzudenken. Damit haben wir auch die Chance, neue Weichen zu stellen. Geht es um den Lebens­ anfang, haben wir heute nach langer Entwicklung eine gute Vorbereitung, eine gute Betreuungsqualität und eine hervor­ ragende Infrastruktur. Wenn wir dasselbe für das Lebens­ ende möchten, ist das ein gesellschaftlicher Entscheid. Die Frage ist: Wie viel ist uns unser Lebensende wert?

Das heisst, das Konzept, das wir von der Medizin ­haben und das die Medizin von sich selbst hat, braucht eine Revision? Ich denke schon. Wir können zwar sämtliche menschlichen Einzelteile auswechseln und potenziell sehr lange am Leben erhalten, aber wie, wo und mit wem jemand lebt, wird nicht mitgedacht. Dabei gehört das genauso zum Gesundsein hinzu, nicht nur gemäss Defini­ tion der WHO. Wir können nicht einfach ­sagen, wir haben tolle neue Stents, mit denen sich ein Herzkranzgefäss nochmals und noch­ mals ausdehnen lässt. Wir müssen auch be­ rücksichtigen, was sich für den Patien­ten da­ mit ändert. Kann er seine Ziele besser errei­ chen? Hat er überhaupt die Chance gehabt, die eigenen Präferenzen zu formulieren? Wir sollten die Medizin viel utilitaristischer sehen, das heisst hinschauen und uns fragen: Inwiefern unterstützt eine Behandlung die Lebensqualität eines Patienten?

Sartre sagt: «Vivre, c’est apprendre à mourir.» ­ Wie bereiten wir uns sinnvoll auf das Ende vor? Wenn mein Körper schwach wird und nicht mehr gut funkti­ oniert, kann ich entweder verzweifeln oder mich fragen, was es sonst in meinem Leben gibt, das mir Freu­ de bereitet. Bei vielen Menschen sind Bezie­ hungen sehr kraftversprechend, aber auch Musik, Natur oder Spiritualität – irgendwas, bei dem der Körper nicht im Zentrum steht. Wir können während des ganzen Lebens sol­ che Register sammeln und sie dann ziehen, wenn es dem Körper nicht mehr so gut geht. Das ist keine «ars moriendi», sondern eine «ars vivendi» un­ ter realistischen Bedingungen. Fühle ich mich nur dann gut, wenn ich mit dem Mountainbike den Berg hinunterrase, ist das ziemlich riskant. Auch in jungen Jahren kann es uns je­ derzeit aus dem gewohnten Leben herauskatapultieren.

Die Palliativ Care hat in den letzten Jahren aber auch neuen Schub erhalten, etwa durch die nationale ­Strategie des Bundes, die auch für Ihre Professur den Ausschlag gab. Das stimmt. Diverse Faktoren befeuern die Diskussion: die demografische Entwicklung, die uns vor finanzielle Heraus­ forderungen stellt, ebenso wie die Demenzproblematik oder

Was können wir von sterbenden Menschen lernen? Geht es gegen das Ende zu, wird alles ungeheuer ehrlich. Das ganze Lebenstheater fällt weg. Bei uns auf der Palliativstati­ on ist es vollkommen egal, ob jemand als Bankdirektor oder als Putzkraft gearbeitet hat. Das Einzige, was zuletzt hält und zählt, sind Beziehungen, in denen man sich aufgehoben und angenommen fühlt. Wir sollten unser Leben immer mal wie­

«Geht es gegen das Ende zu, wird alles ungeheuer ehrlich.»

VON DER HOSPIZBEWEGUNG ZUR PALLIATIVE CARE Schon im Mittelalter gab es in Europa sogenannte Hospize, die arme, kranke und sterbende Menschen aufnahmen. 1967 griff die Engländerin Cicely Saunders diese Tradition wieder auf und gründete das St. Christopher’s Hospice in London. Unheilbar kranke und sterbende Menschen erhielten dort eine spezialisierte ärztliche Behandlung und Pflege, aber auch emotionale, spirituelle und soziale Unterstützung. Saunders wurde zur Begründerin der modernen Hospizbewegung, das St. Christopher’s zum Vorbild für unzählige Hospize und Palliativstationen – zunächst in England, später in zahlreichen anderen Ländern. 12

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Nachhaltig beeinflusst wurde die Bewegung auch durch die Forschung der Schweizer Psychiaterin Elisabeth KüblerRoss sowie durch das Aufkommen von Aids in den 1980er-Jahren. In der Schweiz begann die erste kon­ sequente Umsetzung von palliativer Medizin, Pflege und Begleitung 1979 am Centre des Soins Continus in Genf. Elf Jahre später wurde die Schweizerische Gesellschaft für Palliative Medizin, Pflege und Begleitung SGPMP gegründet mit dem Ziel, ein multiprofessionelles Netzwerk aufzubauen. Mit der Natio­ nalen Strategie Palliative Care setzten

Bund und Kantone 2010 –2015 gemeinsam mit anderen Interessenvertretern neue Massstäbe für Versorgung, Sensi­ bilisierung, Bildung, Forschung und Finanzierung. Dies zeigt sich unter anderem an den Universitäten: Nach Lausanne hat seit 2016 auch Bern eine Professur für Palliative Care. In Zürich existiert zudem eine Professur für Spiri­ tual Care als Teilbereich der Palliative Care.

Schweizerische Gesellschaft für Palliative Medizin, Pflege und Begleitung: palliative.ch


DOSSIER|LEBENSENDE

WIE DEFINIERT DIE WHO PALLIATIVE CARE? «Palliative Care ist ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, welche mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen. Dies geschieht durch Vorbeugen und Lindern von Leiden durch frühzeitige Erkennung, sorgfältige ­Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen Problemen körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art.»

zin. Das trägt jetzt das Label Palliative Care und wird als be­ sonders ganzheitlich angesehen, weil man lange Zeit nur den Bereich von der Person bis zum Molekül im Blick hatte. Aber eigentlich ist es die Wiedereinführung des gesunden Men­ schenverstands. In St. Gallen, wo ich früher arbeitete, be­ treute ich diesen wunderbaren älteren Herrn, der mich frag­ te: «Sagen Sie mal, kann man hier auch irgendwo ohne Palli­ ative Care sterben?» Ich fand das grossartig. Für ihn war das Sterben völlig normal. Wenn wir das Ende wieder als Teil unseres Lebens akzeptieren und uns diese Gelassenheit als Hauptlektion aneignen, haben wir vielleicht schon alles Nö­ tige gelernt. der vom Ende her denken und uns fragen, welche Ideen wir jetzt umsetzen sollten, anstatt sie auf später zu verschieben. Und vor allem sollten wir in wärmende Beziehungen inves­ tieren. Zu warten, bis ich mit 65 in Rente gehe und endlich wieder Zeit habe, ist hoch gepokert. Inwiefern nehmen Sie sich das selbst zu Herzen? Ich könnte viel in der Weltgeschichte herumreisen, mache aber beispielsweise am Abend aus Prinzip keine Termine ab und nehme in den Ferien keinen Computer mit, um für mei­ ne sehr sinnstiftende Familie Zeit zu haben. Bei uns im Team achten wir darauf, dass wir Konflikte anständig austragen. Wir müssen unserer Energiebilanz Sorge tragen, sonst kön­ nen wir den Patienten bei uns, die sowieso am Ende ihrer Kräfte sind, nicht noch irgendwas abgeben. Wir möchten ih­ nen aber vermitteln, dass sie willkommen sind und wir uns Zeit für sie nehmen. Gehetzte Ärzte und Pflegende kennen sie meist schon von anderen Stationen. Zuhören, sich Zeit nehmen, das grosse Ganze im Auge behalten: Ist es das, was andere medizinische Fach­ bereiche von der Palliative Care lernen können? Mir ist es peinlich, dass sich Leute bei uns bedanken und sa­ gen: «Endlich hat uns mal wieder jemand richtig zugehört.» Das Heilsame eines guten Gesprächs – da ist jemand, dem ich das, was mich umtreibt, hinlegen kann – ist uralte Medi­

Welche Vision haben Sie für die Gesundheits­ versorgung der Zukunft? Ich wünsche mir ein pragmatisches medizinisches Konzept, das in jeder Behandlung einen lebensgeschichtlichen, patien­ tenzentrierten Teil vorsieht – was tut dem Patienten gut, was ist ihm wichtig, wovor hat er Angst, wie lebt er – und ei­ nen Teil, der die medizinische Diagnose betrifft. Dies be­ dingt ein partnerschaftliches Vorgehen: Patienten sind die Spezialisten für ihr eigenes Leben, wir Fachpersonen sind Spezialisten für Teilbereiche von Krankheiten und Behand­ lungsmöglichkeiten. Indem wir den Patienten veranlassen, sich mit dem eigenen Leben und dem Behandlungsplan aus­ einanderzusetzen, geben wir ihm einen Teil der Aufgabe zu­ rück. Werden die medizinischen Massnahmen plötzlich zu toxisch, bricht nicht die ganze Welt zusammen, denn es wur­ de wesentliche Vorarbeit geleistet. Wir haben enorm viel in­ vestiert in unsere Vision von einem guten Lebensanfang. Warum sollten wir nicht ebenso viel investieren in eine Vision vom guten Lebensende? Ich denke, die Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit ist eine Reifeprüfung: auf Ebene des Individuums, aber auch gesellschaftlich. Wenn wir bereit sind, uns mit dem Sterben konstruktiv auseinanderzuset­ zen, dann haben wir als Gesellschaft einen hohen Reifegrad ­erreicht. //

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Der Tod bedeutet für mich Ende und Neubeginn zugleich. Meine Arbeit zwingt mich dazu, mich ständig mit ihm auseinan­ derzusetzen. Und doch habe ich deswegen nicht weniger Respekt vor dem Loslassen und dem Unbekannten danach. Thomas Brupbacher, Bildhauer, Winterthur

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«W I R ST R E B E N E I N E PUNKTLANDUNG AN» Am Lebensende möglichst viel Lebensqualität: Das ist kein Widerspruch, sondern Kern der Palliative Care. Sie ist eine der anspruchsvollsten ­Tätigkeiten im Spital und erfordert konsequente Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen. Denn wie Menschen aus dem Leben scheiden, ist so bedeutungsvoll wie der Anfang. VON IRÈNE DIETSCHI

H

err Strebel, 46 Jahre alt, mit kleinzelligem Lungen­ krebs im Endstadium und Hirnmetastasen, wird wegen stechender Schmerzen in der Palliativsta­ tion des Spitals aufgenommen. Sein Allgemeinzu­ stand ist sehr schlecht, ihm ist oft schwindlig, die Schmerzen erreichen Spitzen bis zehn auf der Schmerzskala. Wegen der Hirnmetastasen ist sein linker Arm fast vollständig gelähmt. Die Ehefrau ist verzweifelt und ver­ traut sich der Pflegefachfrau an: In den letzten Wochen habe sich die Persön­ lichkeit ihres Ehemanns verändert. Er weigere sich, zu akzeptieren, dass er unheilbar krank sei. Beim Thema Ster­ ben blocke er ab, und er habe ihr verbo­ ten, die drei Kinder (2, 9 und 11 Jahre alt) über seine Krankheit zu informie­ ren. Zu den gesundheitlichen gesellen sich wirtschaftliche Probleme: Herr Strebel ist seit fünf Monaten krankgeschrieben und hat keine Taggeldversicherung. Er lehnt es ab, Sozialhilfe zu beantra­ gen. Die Ehefrau hält die Familie mit einem Arbeitspensum von 60 Prozent knapp über Wasser, daneben macht sie den ganzen Haushalt. Sie ist am Ende ihrer Kräfte.

vorgesehen ist (siehe folgender Artikel). Sara Häusermann brennt für Palliative Care. Denn: «So wie der Anfang des ­Lebens ist auch dessen Ende von grosser Bedeutung», sagt sie. Deshalb sei es nicht gleichgültig, ob und wie man Schmerzen und andere Probleme von palliativen Patientin­ nen und Patienten in den Griff bekomme, sondern: «Wir streben eine Punktlandung an – im Bewusstsein, dass eine vollständige Symptomkontrolle teil­ weise sehr schwierig zu erreichen ist.» Doch wie gelingt eine Punktlan­ dung praktisch? Wie gestaltet sich Pal­ liative Care im Spitalalltag? «Neben dem interprofessionellen ist der ganz­ heitliche Ansatz elementar», sagt Sara Häusermann, die ihre praktischen Er­ fahrungen im Kompetenzzentrum Pal­ liative Care des Unispitals Zürich ge­ sammelt hat. «Nicht nur körperliche Beschwerden werden therapiert, auch psychosoziale und spirituelle Bedürfnisse fliessen in die Behandlung ein.» Zen­ tral sei die Lebensqualität der Patienten: Was gibt ihnen Kraft, Sinn und Boden im Alltag? Was stört, was quält sie? «Die Betreuung wird danach ausgerichtet, was der Patient oder die Patientin möchte – nicht nach eventuellen Behand­ lungszielen, die sich das Team gesetzt hat», sagt Sara Häuser­ mann. «Die betroffene Person und ihre Familie stehen im Mittelpunkt.» Ein wichtiges Instrument dafür seien etwa die Rundtisch-Gespräche, bei denen der Patient, die Familie und das interprofessionelle Team teilnehmen. Das ist auch bei Herrn Strebel nicht anders. Um für den vergleichsweise jungen Patienten und seine Familie in der schwierigen Situation Lösungen zu finden, ist das ganze Pal­ liativteam gefordert. Die Pflegende ist erste Ansprechperson für sämtliche Beschwerden. «Sie erfasst durch das Clinical Assessment laufend Veränderungen beim Zustand des Pa­ tien­ten, leitet sie an das interprofessionelle Team weiter und managt sie teilweise selbständig», erklärt Sara Häusermann. Eine wichtige Aufgabe der Pflege sei auch die Patienten- und Angehörigenedukation, also Information, Schulung und Be­

«Nicht nur körperliche Beschwerden werden behandelt, auch psychosoziale und spirituelle Bedürfnisse fliessen in die Behandlung ein.»

INTERPROFESSIONELL UND GANZHEITLICH

Dieser Patient ist, wie die Pflegewissenschaftlerin Andrea Koppitz von der ZHAW es ausdrücken würde, in «total pain» – in totalem Schmerz gefangen, körperlich wie auch emotional. Aus ihrer Erfahrung mit geriatrischer Palliative Care, zu der Koppitz forscht, weiss sie: «Einen solch allumfas­ senden Schmerz erträglich zu gestalten, und zwar im Sinne des Patienten wie auch der Angehörigen, ist nur interprofes­ sionell möglich.» Eine Person allein könne das nicht leisten. Herr Strebel heisst in Wahrheit anders, doch seine Ge­ schichte ist authentisch. Sara Häusermann, Dozentin am ­Institut für Pflege, hat den Fall den Pflegestudierenden der ZHAW vorgestellt, für die im vierten Semester des Bachelor­ studiengangs ein ganzes Modul zum Thema Palliative Care

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Michael Strebel, 46-jährig, verheiratet und Vater von drei Kindern, leidet an Lungenkrebs mit Hirnmetastasen. Chemo- und Bestrahlungstherapie hat er vor drei Monaten abgeschlossen. Obwohl er krankgeschrieben ist und keine Taggeld­versicherung hat, lehnt er es ab, einen Antrag auf Sozialhilfe zu stellen. Seine Frau arbeitet 60 Prozent und macht nebenbei den Haushalt. Sie ist merklich am Anschlag: Ihr ist bewusst, dass ihr Mann in Wochen- oder Monatsfrist sterben kann, doch er blockt Gespräche darüber ab.

Zu Hause Betreuung durch Ehefrau, Nachbarin und Hausarzt

Verschlechterung des Allgemeinzustands, starke Schmerzen im Brustbereich, Übelkeit, Schwindel

ratung. Der ärztliche Dienst verordnet die nötigen Medika­ mente sowie Physio- und Ergotherapie. Letztere unterstützen Herrn Strebel beim Erlernen von Techniken, wie er trotz sei­ ner Lähmung im linken Arm einen grossen Teil der Körper­ pflege und des Anziehens selber machen kann. Auch der Sozi­ aldienst, die Ernährungsberaterin, die Seelsorge, der Musik­ therapeut und die Psychoonkologin sind involviert. Herr Strebel möchte wenn möglich noch einmal nach Hause zu­ rückkehren. WIE EIN ORCHESTER

In ihren Vorlesungen vergleicht Sara Häusermann den inter­ professionellen Ansatz von Palliative Care oft mit einem Or­ chester, das für ein optimales Klangerlebnis eine Fülle von Instrumenten braucht. Im Zentrum steht die Partitur, die gespielt wird – gemäss den Wünschen und Vorstellungen, die der Patient von Lebensqualität hat. Dass jemand dirigiert, ist nicht zwingend – nirgends im Spital sind die Hierarchien so flach wie auf der spezialisierten Station für Palliative Care –, aber zwischendurch braucht es besonders begabte Musike­ rinnen und Musiker, die ein Solo spielen. Sei dies die Ernäh­ rungsberaterin, wenn ein Ernährungsproblem im Vorder­ grund steht, seien es die Fachfrauen und -männer der Pflege, wenn besonderes pflegerisches Know-how gefragt ist. Auch die Physiotherapie hat in der Palliative Care Bedeu­ tung. «Physiotherapie kann am Lebensende viel dazu beitra­ gen, das Körpergefühl der Patienten zu verbessern», sagt 16

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+

Notfallmässiger Spitaleintritt Spezialisierte Palliative Care durch ärztlichen Dienst, Pflege, Ergotherapie, Physiotherapie, Ernährungs­beratung, Seelsorge, Musiktherapie, Psychoonkologie, Sozialdienst

Lindern der Beschwerden, Organisation spitalexterne Pflege, psychologische und finanzielle Unterstützung

Brigitte Fiechter, die an der ZHAW unterrichtet. Durch akti­ ve und passive Bewegungen, eine optimale Lagerung oder Weichteiltechniken ist es möglich, Wohlbefinden zu erzeu­ gen, muskuläre Spannungen abzubauen und die Selbstän­ digkeit des Patienten zu verbessern. Vielen Patienten ist es beispielsweise wichtig, dass sie den Gang zur Toilette allein bewältigen oder eine Mahlzeit selbständig einnehmen. Wie können sie die Kraft im Arm aufbringen, um die Gabel zu halten? Wie bewegen sie die Beine am besten, um aus dem Bett zu kommen? Bei solchen Hürden hilft die Physiothera­ peutin. «Absprachen mit dem übrigen Team sind dabei wich­ tig», erklärt Brigitte Fiechter. «Wird zum Beispiel das Mit­ tagessen um halb zwölf serviert, mobilisiert die Physio idea­ lerweise um elf Uhr, damit der Patient normal am Tisch essen kann.» Manchmal sieht sich die Physiotherapie auch in der Rolle der Solistin. Das wird anhand einer Patientengeschichte deutlich, die Brigitte Fiechter in einem Buchbeitrag zur Rolle der Physiotherapie in der Palliative Care beschreibt: Herr F., unheilbar krebskrank und kaum in der Lage, aufzustehen, möchte noch einmal seine Frau besuchen, die ihrerseits in einem Pflegeheim lebt. Sein Wunsch ist es, gut gekleidet vor ihr zu stehen und ihr einen Blumenstrauss zu überreichen. Das Unterfangen wird akribisch vorbereitet: Der Physiothe­ rapeut erstellt einen Plan, um die Bein- und Rumpfkraft des Patienten zu trainieren. Dazu gehören Atem-, Gleichge­ wichts- und Wahrnehmungsübungen, damit Herr F. die Reise meistern und für ein paar Minuten vom Rollstuhl aufstehen


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60%

+ Rückkehr nach Hause Betreuung durch Spitex, mobile Palliative Care, Krebsliga, Psychoonkologie, Hausarzt

Spitaleintritt Spezialisierte Palliative Care durch ärztlichen Dienst, Pflege, Musiktherapie, Ernährungsberatung, Seelsorge, Psychoonkologie

Phase des Abschied­nehmens, Notfallplanung, weitere Verschlechterung des Allgemeinzustands

Symptomlinderung während Sterbephase

kann. Ebenso müssen die Angehörigen instruiert werden, um den Transfer von Herrn F. in den Rollstuhl, ins Auto und wieder zurück zu gewährleisten. Es gelingt: Stehend über­ reicht er seiner Frau noch einmal Blumen. Er ist glücklich und strahlt. Wenige Tage darauf verstirbt er im Spital. S I T U AT I V E A C H T S A M K E I T

Um solche Teamleistungen zu ermöglichen, ist mehr als Or­ ganisationstalent gefragt: Wer in der spezialisierten Palliati­ ve Care tätig ist, muss sich mit seiner ganzen Persönlichkeit darauf einlassen. Nur Gelerntes anzuwenden, taugt nicht. Es gilt, authentisch zu sein. «Vernunft, Ge­ fühl und Intuition müssen gut ineinan­ dergreifen», erklärt Sara Häusermann. «Ich sehe das wie eine Linie, die vom Kopf übers Herz in den Bauch reicht: Dieser Kanal muss offen sein, wie ein Flow, der mir sagt, ob ich richtig handle. Wann lege ich jemandem die Hand auf die Schulter? Wann nicht? Wann setze ich mich einfach ans Bett?» Die Fähigkeit, in solchen Situationen das Richtige zu tun, lasse sich zwar theoretisch vermitteln, aber: «Es ist immer der Moment, der entscheidet», sagt Sara Häusermann, «diese situative Acht­ samkeit.» Diese birgt allerdings eine gewisse Burnout-Gefahr. «Compassion fatigue», das Ausbrennen vor lauter Mitgefühl, kennen auch Mitarbeitende von Palliativstationen. Das

Unispital Zürich versucht mit einer sorgfältigen Teamkultur dagegen anzugehen: etwa mit Teamsitzungen sowie regelmäs­ sigen Inter- und Supervisionen. Daneben werden auch Feste und Ausflüge organisiert, freitags gibt es für die Mitarbeiten­ den einen rituellen Nachmittagskaffee. Jede und jeder hat zudem eigene Strategien für den Ausgleich. «Bei mir sind es Gespräche, das Tanzen und die Bewegung in der freien Na­ tur, die mir die nötige Distanz ermöglichen», erzählt Sara Häusermann. Auch Humor sei eine wichtige Ressource, nicht nur im Team, sondern auch bei den Patienten. Herr Strebel konnte mit Hilfe der Spitex und der Organi­ sation OnkoPlus tatsächlich noch einige Woche zu Hause verbringen. «Schön war, dass er nach intensiven Gesprächen bereit war, Un­ terstützung anzunehmen», erzählt Sara Häusermann. Sechs Wochen später, nachdem sich sein Zustand wieder ver­ schlechtert hatte, trat er erneut in die spezialisierte Station für Palliative Care des Unispitals ein. Dort verstarb er friedlich. Sara Häuser­ mann: «Die Wochen zu Hause waren für ihn und seine Fami­ lie entscheidend gewesen, um Abschied zu nehmen.» Mög­ lich war dies nur dank der guten Zusammenarbeit des inter­ professionellen Teams. //

«Vernunft, Gef ühl und Intuition müssen gut ineinandergreifen.»

blog.zhaw.ch/vitamin-g

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EMPATHIE IST NICHT BETROFFENHEIT Studierende am Departement Gesundheit werden sorgfältig auf Palliativsituationen in der späteren Berufstätigkeit vorbereitet. Am Ende der Ausbildung erwartet man von ihnen professionelle Distanz zum Thema. VON IRÈNE DIETSCHI

B

ei den Studierenden stösst der Umgang mit Sterben und Tod auf grosses Interesse. Das zeigt das Beispiel Ergotherapie, wo sich die Bachelorstudierenden im sechsten Semester während einer Wahlwoche für verschie­ dene Themen einschreiben können. Am meisten Interessen­ ten findet jeweils das Thema «Professioneller Umgang mit Sterben und Tod». Auch Bachelorarbeiten sind schon ent­ standen, kürzlich zum Beispiel zu «Rollen und Aufgaben der Ergotherapie in der Palliative Care bei erwachsenen Men­ schen mit Krebserkrankungen in der Schweiz». Im sechsten Semester haben die Studierenden bereits drei Praktika hinter sich. «Das bedeutet, viele von ihnen ha­ ben mit dem Thema bereits professionelle Erfahrungen ge­ macht», erklärt Maren Kneisner, stellvertretende Studien­ gangleiterin und als Dozentin für die Wahlwoche zuständig. Professionell bedeutet dabei etwa, «Empathie nicht mit per­ sönlicher Betroffenheit zu verwechseln», erklärt Kneisner. Oder professionellen Abstand zum Patienten zu wahren und die eigene Perspektive von derjenigen des Patienten zu ab­ strahieren. «Gerade bei ethischen Themen wie Sterbewün­ schen ist das wichtig», sagt Maren Kneisner. Es gelte auch, Grundwissen zur Palliative Care mit eigenen beruflichen Er­ fahrungen und der persönlichen Haltung zu verknüpfen. Welche Situationen gibt es im Spitalalltag, in denen Ergo­ therapeutinnen und -therapeuten mit dem Sterben konfron­

BREIT VERANKERT

tiert sind? Maren Kneisner beschreibt den realen Fall eines Fünfjährigen, der ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlit­ ten hatte: «Die Prognose des Jungen war schlecht.» Wie bei der Versorgung von Hirnverletzten üblich, sei es auch bei diesem Jungen zunächst darum gegangen, die Vitalfunktio­ nen zu stabilisieren, ihn sachgerecht zu lagern und zu mobili­ sieren. Letzteres in der Absicht, ihn in Aktivitäten des tägli­ chen Lebens einzubinden. Da sich sein Zustand jedoch stark verschlechterte, schienen therapeutische Ziele mit Fokus auf Rehabilitation vergebens. Gleichzeitig waren die Eltern vol­ ler Hoffnungen: Die Ärzte hatten sie im Unklaren darüber gelassen, dass ihr Sohn kaum eine Überlebenschance hatte. Ergo- und Physiotherapie sowie die Pflege führten ein Teamgespräch und kamen gemeinsam zur Überzeugung, dass das Behandlungsziel nicht «Mobilisieren um jeden Preis» lauten könne. Stattdessen wollten sie die verbleiben­ de Zeit für das Kind so angenehm und schmerzfrei wie mög­ lich gestalten. «Es ging uns letztlich darum, diesem Kind das Sterben zu ermöglichen», sagt Maren Kneisner. «Dafür fühl­ ten sich die Ärzte nicht zuständig.» Auf Initiative des interprofessionellen Teams führten die Ärzte schliesslich ein Gespräch mit den Eltern, um das weite­ re Vorgehen zu besprechen. «Sie einigten sich darauf, dass sich alle therapeutischen und pflegerischen Massnahmen fortan an der palliativen Versorgung des Jungen orientieren sollten», so Kneisner. Diese umfassten auch die psychosozi­ ale Betreuung der Eltern und Absprachen, welche lebenser­ haltenden Massnahmen gewünscht waren und welche nicht. In der Arbeit mit Fallbeispielen wie dem geschilderten will Kneisner die Studierenden dazu anregen, ihre Rolle im Kontext von Sterben und Tod zu reflektieren und eine eige­ ne, professionelle Haltung zu entwickeln, gestützt auf die gesetzlichen und berufsethischen Prinzipien. Das oberste Gebot lautet: «Der Klient, die Klientin mit seinen oder ihren Überzeugungen ist leitend.» //

stellvertretende Studiengangleiterin. «Umso • Auch in der Physiotherapie werden die Grundgedanken von Palliative Care wichtiger ist es, dass Hebammen lernen, ­vermittelt: in Lektionen direkt zum Thema mit Tod und Trauer umzugehen. So können Palliative Care ist nicht nur in der sowie im Onkologieunterricht. ­Anhand sie Eltern dabei unterstützen, den schreck­Ergotherapie, sondern auch in anderen von Patientenbeispielen und komplexen lichen Moment gut zu überstehen.» Studiengängen am Departement Krankheitsbildern lernen die Studierenden • D er Bachelorstudiengang Pflege sieht für ­Gesundheit ein wichtiges Thema. das spezifische Potenzial der PhysiotheraPalliative Care ein ganzes Modul im Umpie in der Palliative Care kennen. fang von 3 ECTS-Punkten vor. Etwas vom • Bei den Hebammen sind in der Mitte und Wichtigsten, das die Studierenden dabei • Im fünften Semester üben alle Studierenam Ende des Studiums Lektionen zu Palliaden am Departement Gesundheit wählernen, ist, vertrauensvolle Beziehungen zu tive Care vorgesehen. Behandelt werden rend einer Woche die interprofessionelle den Patienten zu knüpfen. «Der Schlüssel Themen, welche die Kehrseite des «freudiZusammenarbeit. In diesem Kontext taudazu ist, selber authentisch zu sein», sagt gen Ereignisses» darstellen: Tod und Trauer schen sie sich darüber aus, welche BerufsDozentin Sara Häusermann (siehe auch bei Totgeburt, Fehlgeburt, spätem Schwangruppen im palliativen Setting welche vorhergehenden Artikel). ­«Authentisch zu gerschaftsabbruch, plötzlichem Kindstod ­Rollen übernehmen. sein, darf auch heissen, dass Pflegende oder Tod eines Mehrlings. «Es ist ein sehr ehrliche Antworten geben.» sensibles Thema», sagt Andrea Stiefel, 18

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Der Tod ist der letzte Akt des Lebens. Der Körper wird zu Asche, das Wesen zur Erinnerung. Indem ich die Asche Verstorbener in Glasskulpturen ein­ arbeite, biete ich den Hinterbliebenen eine Möglichkeit, die geliebte Person nah und die Erinnerung an sie wach zu halten. Thomas Blank, Glasmacher für Immer & Ewig, Bern

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A B S C H I E D I N ­V E RT R AU T E R UMGEBUNG Laut internationalen Studien möchten 75 Prozent der Menschen die letzte Lebensphase zuhause verbringen und im gewohnten Umfeld sterben. So auch Susanne Brumann. Unterstützt wird die 70-Jährige von den mobilen Palliativdiensten des Spitals Wetzikon. VON RITA ZIEGLER

Hätten vor drei Jahren nicht gedacht, dass sie heute gemeinsam hier sitzen würden: Susanne Brumann (rechts) und Claudia Erne, Pflegefachfrau für Palliative Care.

E

s sind drei Stockwerke, die zu Susanne Brumanns Wohnung führen, für die Rentnerin 48 Treppenstufen zu viel. Runter kommt sie noch ohne Hilfe, doch für den Weg hinauf reicht ihr Atem nicht mehr aus. So bleibt sie in ihren vier Wänden in Hombrechtikon, wo eine Adlerfeder, Muscheln und Schildkrötenfiguren in allen Formen und Farben an frühere Reisen erinnern. «Ich habe mir hier ein richtiges Nest eingerichtet», sagt sie und streicht über die glatt geschliffenen Steine auf ihrem Couchtisch – ein Geschenk von Freunden aus Kanada. UNGEWISSE ZUKUNFT

Susanne Brumann leidet an einer genetisch bedingten mitochondrialen Zytopathie. Die unheilbare Krankheit beeinträchtigt die Zellatmung und greift dadurch das Nervensys20

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tem, die Muskulatur sowie die stark energieabhängigen ­Organe an. Bei Brumann ist primär die Lungenfunktion ­betroffen. Sie leidet an Atemnot. Eine leichte Herzinsuffizienz verstärkt die Beschwerden zusätzlich. Nachts setzt sie deshalb ein Beatmungsgerät ein. Tagsüber wird sie über ­einen langen Schlauch mit Sauerstoff versorgt. Auch ihre ­Muskelkraft schwindet zusehends, vor allem in den Armen und Beinen. Aufgrund einer plötzlichen Schwäche in den Beinen bemerkte Susanne Brumann überhaupt, dass mit ihrem Körper etwas nicht stimmte. Das war vor mehr als sechs Jahren, kurz vor ihrer Pensionierung. Die Untersuchungen, die auf diese ersten Symptome folgten, zogen sich über ein ganzes Jahr hin. Eine Biopsie brachte schliesslich die Diagnosegewissheit – und zugleich viel Ungewissheit in das Leben der frisch Pensionierten. «Ich war unglaublich enttäuscht», erinnert sie


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sich. «Ich hatte mich so auf die Pensionierung gefreut und auf all die Projekte, die ich endlich verwirklichen wollte: mit Wölfen arbeiten zum Beispiel oder Stras­senhunde in Rumänien versorgen.» Einen ihrer Wünsche erfüllte sie sich der Diagnose zum Trotz: Nach dem Untersuchungsmarathon packte sie ihre Koffer und reiste nach Kanada. Auf Vancouver Island, wo sie ein Haus am Meer hütete und die Schwarzbären nachts Äpfel aus ihrem Garten klauten, konnte sie sich ein Stück weit mit ihrem Schicksal versöhnen. FA C H S I M P E L N U N D G E M E I N S A M L A C H E N

Auch heute wirkt Susanne Brumann mit sich und der Welt im Reinen. Sie sitzt in ihrem Wohnzimmer und unterhält sich mit Claudia Erne, Pflegefachfrau und Betriebsleiterin der Palliative Care im Spital Wetzikon. Die beiden diskutieren über Verdauungsprobleme, Übelkeit, Medikamentendosierungen und ausgetrocknete Schleimhäute. Es fallen zahlreiche Fachtermini – Brumann war früher selbst Pflegefachfrau und mit den Ambulanzjets der Rega auf der ganzen Welt im Einsatz. Dazwischen ertönt immer wieder herzhaftes Lachen, etwa wenn sich Susanne Brumann die Brille von Claudia Erne aufsetzt, um die eigenen Notizen zu entziffern. Man merkt: Da sitzen zwei, die sich mögen und sich auf Augenhöhe begegnen. Das ist es, was Claudia Erne an ihrer Arbeit so ­gefällt: «Der Kontakt zu meinen Patienten ist immer echt und verbindlich. Wir reden nicht lange um den heissen Brei ­herum.» Kennengelernt haben sich die beiden vor drei Jahren. Damals ging es Brumann sehr schlecht. Sie lag mit Atemnot und Schmerzen im Spital, das Palliative Care Team wurde hinzugezogen. «Zu jenem Zeitpunkt hätten wir nicht gedacht, dass wir heute gemeinsam hier sitzen», sagt Claudia Erne nachdenklich. Doch Brumanns Zustand stabilisierte sich. Sie konnte nach Hause zurück. Hier hilft ihr die Spitex einmal wöchentlich beim Haushalt. Von Zeit zu Zeit steht ein Besuch beim Pneumologen René Fiechter an und mit dem Palliative Care Team des GZO Spital Wetzikon steht sie regelmässig in Kontakt. Was in diesen Gesprächen besprochen wird, geht über einen Mailverteiler an die übrigen Beteiligten im Behandlungsteam. So sind alle stets auf dem aktuellen Stand. Eine wichtige Rolle spielen in Brumanns Alltag auch die Arbeitskolleginnen aus der Zeit bei der Rega. Sie stehen alle noch im Erwerbsleben, schauen aber abwechslungsweise vorbei und haben sogar einen Doodle eingerichtet, um ihre Besuche zu koordinieren. Zwischen den Treffen nimmt Brumann über Facebook am Leben ihrer Freundinnen teil, denn das geht schliesslich auch vom Bett aus.

genfunktion weiter ab, brauche ich eine maschinelle Beatmung über die Luftröhre und intensive Pflege im Spital.» Doch das möchte die 70-Jährige nicht mehr auf sich nehmen. «Ich kämpfe für meine Eigenständigkeit. Bei mir zu Hause kann ich tun und lassen, was ich will. Das bedeutet mir viel. Daran halte ich fest.» Doch die Krankheit hat sie auch gelehrt, loszulassen – etwa ihr Auto, das sie letzte Weihnacht definitiv abgegeben hat, oder die Erinnerungsstücke aus aller Welt, die sie nun nach und nach verschenkt. «Meine Krankheit zwang mich, einen inneren Prozess durchzumachen. Sie gab mir aber auch die nötige Zeit dazu. Früher war ich ein Hansdampf in allen Gassen. Heute bin ich viel ruhiger, weniger abgelenkt, mehr bei mir selbst.» Mit Claudia Erne und Andreas Weber, dem ärztlichen Leiter des Palliative Care Teams, hat Susanne Brumann bereits vor drei Jahren ihre Ziele, ihre Wertvorstellungen und ihre Erwartungen an die Versorgung diskutiert. Auf dieser Basis haben sie gemeinsam einen Notfallplan erarbeitet und kontinuierlich aktualisiert. Er hält fest, bei welchen Komplikationen welche Massnahmen ergriffen werden. Oder eben nicht. «Je nach Krankheitsbild lassen sich bestimmte Probleme vorhersehen», erläutert Claudia Erne, die auch als Dozentin für Palliative Care an der ZHAW unterrichtet. «Wir bereiten uns in ruhigen Phasen für den Ernstfall vor. Das ist für alle Beteiligten eine grosse Entlastung.» Dabei sei es enorm wichtig, dass die Patienten gut informiert werden. Viele gäben zum Beispiel spontan an, dass sie in einem Notfall reanimiert werden möchten. «Wenn ich dann erkläre, was dies bedeutet und welche irreparablen Schädigungen möglich sind, überlegt es sich manch einer nochmals.»

«Früher war ich ein Hansdampf in allen Gassen. Heute bin ich viel ruhiger, mehr bei mir selbst.»

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So munter Susanne Brumann auf Aussenstehende wirkt: Ihr Zustand hat sich seit Anfang Jahr merklich verschlechtert. Bei der Sauerstoffversorgung schöpft sie aktuell das Maximum dessen aus, was nichtinvasiv möglich ist. «Ich merke, dass ich schwächer werde», sagt sie. «Nimmt meine Lun-

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In Brumanns Notfallplan ist festgehalten, dass sie bei starker Atemnot nicht mehr ins Spital möchte. Stattdessen soll das Palliative Care Team eine palliative Sedation einleiten, ihr also Medikamente verabreichen, die das Bewusstsein dämpfen und so die belastenden Symptome lindern. Oder wie Brumann es nüchtern beschreibt: «Ich schlafe ein und verliere das Bewusstsein. Dann wird die Sauerstoffzufuhr entfernt und ich sterbe an den Folgen meiner Krankheit.» Ein bisschen Respekt vor dieser Entscheidung, nun endgültig einzuschlafen, habe sie schon. Aber Angst vor dem Tod? Nein. Dafür sei sie lange genug als Pflegefachfrau an der Front gewesen. Schon als Kind ist Susanne Brumann mit dem Tod auf Tuchfühlung gegangen und ihm dreimal haarscharf entronnen, wie sie lächelnd erzählt: «Einmal bin ich fast ertrunken. Einmal erlitt ich eine Blausäurevergiftung und schwebte tagelang zwischen Leben und Tod. Und einmal wäre ich beinahe erstickt an einem Gebäck.» Diese Erlebnisse haben jedoch keine traumatischen Spuren hinterlassen. Im Gegenteil: «Ich habe einen guten Draht zum Tod. Er gehörte seit Beginn meines Lebens dazu.» //

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M I T D E R S C H W I E R I G ST E N F R AG E A L L E I N Bekommen Eltern die Nachricht, dass ihr ungeborenes Kind die Schwangerschaft nicht überleben wird, müssen sie sich zwischen einem frühzeitigen Abbruch und einer natürlichen Geburt entscheiden. Dabei werden sie zu wenig unterstützt, wie eine Studie der ZHAW-Forschungsstelle Hebammenwissenschaft zeigt. VON ANOUK HOLTHUIZEN

Nach der Hiobsbotschaft die schwierige Entscheidung: Spontangeburt oder Schwangerschaftsabbruch?

«W

ir haben nicht gewusst, was das jetzt alles bedeutet. Geht es dem Baby gut? Ist es ein Risiko für mich? Niemand sass hin und redete Klartext mit uns. Wir blieben im Ungewissen. Dann geht man ins Internet und liest lauter Schauergeschichten.» Erfahrungen wie diese machen in der Schweiz viele werdende Eltern, die nach pränatalen Tests die traurige Nachricht erhalten, dass ihr Kind nicht lebensfähig ist und noch in der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt sterben wird. Zwar werden sie in der Regel über ihre Handlungsoptionen aufgeklärt, doch auf zahlreiche Fragen gibt niemand eine Antwort. Zudem stehen viele unter Druck, sich rasch zwischen einem Schwangerschaftsabbruch und einer Spontangeburt zu entscheiden. Dabei sitzt der Schock noch tief; der Schock über eine Diagnose, die obendrein oft wenig sensibel vermittelt wird. Diese erheblichen Lücken in der Betreuung betroffener Paare zeigt die Studie «Sterben

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am Lebensanfang» der Forschungsstelle Hebammenwissenschaft. Sie erfolgte im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms NFP 67, das sich dem Lebensende widmete. ZU VIEL HANDLUNGSDRUCK

Für die Studie befragte ein Forschungsteam unter der Leitung von Valerie Fleming 29 Fachpersonen sowie 17 Mütter, einen Vater und sieben Elternpaare in ausführlichen Interviews. «Die meisten Frauen waren zum Zeitpunkt der Dia­gnose in einer gynäkologischen Praxis. Viele erlebten, dass ihre Ärztinnen oder Ärzte nicht genau wissen, welche Hilfe sie den Eltern geben müssen und wo diese zu erhalten ist», sagt Valerie Fleming. Der unbewusste Handlungsdruck auf Seiten der Ärzte sei an die Annahme geknüpft, das Leiden der betroffenen Eltern verkürzen zu können. Dabei weiss man heute um die Wichtigkeit des Faktors Zeit: Eltern, die sich für eine


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Fortsetzung der Schwangerschaft entscheiden, schätzen es, Zeit für das Verarbeiten der Situation zu haben und den Kontakt zum Kind zu pflegen. Ebenso jene Eltern, die sich für einen Abort entscheiden. Fleming vermutet, dass der Handlungsdruck damit zu tun hat, dass ein medizinisch induzierter Abort in der Schweiz jederzeit legal ist, das Ungeborene nach der 22. Schwangerschaftswoche jedoch als Person registriert und der Prozess damit administrativ aufwendiger wird. Laut Erzählungen über Aborte innerhalb von nur 24 Stunden nach der Diagnose scheint auch die Vorstellung, dass ein tödlich erkrankter Fötus die Gesundheit der Frau bedroht, den Druck zu erhöhen. Dies ist aber nur selten der Fall. FEHLENDES BEWUSSTSEIN

In der Schweiz gibt es eine Fachstelle, an die sich betroffene Eltern und auch Fachpersonal wenden könnten. Doch darauf werden die meisten Paare erst beim Austrittsgespräch im Spital hingewiesen – wenn überhaupt. «Selten findet eine Frau kurz nach der Diagnose zu uns», sagt Anna Margareta Neff, Leiterin von kindsverlust.ch, der Fachstelle Kindsverlust während Schwangerschaft, Geburt und erster Lebenszeit. «Wir haben unsere Flyer an Dutzende Praxen und Spitäler verschickt, doch unser Angebot hat das Bewusstsein des Ärztepersonals noch nicht erreicht.» Im letzten Herbst hat der erste Lehrgang von kindsverlust.ch begonnen. Ein einziger Gynäkologe ist dabei, nebst Hebammen, Pflegefachfrauen und Psychologen. Mit Ausnahme von Zürich und Basel-Stadt leisten weder Bund noch Kantone finanzielle Unterstützung an die schweizweit einzige Stelle, die in allen Regionen spezialisierte Personen für die Begleitung betroffener Eltern vermittelt. Der Bund schiebt die Verantwortung an die Kantone, die Kantone an die Spitäler. Diese sehen sich nur zuständig, solange eine Frau stationär betreut wird, also kurz vor, während und nach der Geburt, jedoch nicht für die Zeitspanne zwischen Diagnose und Spitaleintritt und auch

nicht für die Nachsorge. Neff sagt, dass mehr Sensibilisierung notwendig sei – zumal die Pränatal­ diagnostik stets weiterentwickelt und umfassender angewandt wird. «Wir sehen oft, dass für die betroffenen Frauen rückblickend alles viel zu schnell ging.» F O LG E ST U D I E I N A R B E I T

PROJEKT STERBEN AM ­L EBENSANFANG Projektpartner kindsverlust.ch, Fachstelle Kindsverlust während ­Schwangerschaft, Geburt und erster Lebenszeit

Doch die Studie verteilt der BeProjektdauer treuung betroffener Eltern nicht 2013–2015 nur schlechte Noten. So erlebten die Befragten die Betreuung kurz Projektfinanzierung vor, während und kurz nach der Nationales ForschungsGeburt überwiegend als respektprogramm NFP 76 voll und einfühlsam. Zum Unterstützungsangebot zählten die Benfp67.ch rücksichtigung individueller Wünsche, eigens für den Abschied eingerichtete Räumlichkeiten und stets verfügbare psychologische Hilfe. «Die Studie zeigt die Notwendigkeit einer unabhängigen Aufklärung und Unterstützung ab dem Moment der Diagnose bis zur Entscheidung», sagt Valerie Fleming. In den ersten 48 Stunden nach der Diagnose sollen Eltern ihre Optionen mit Beratenden einer multidisziplinären Gruppe aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und nächste Schritte besprechen können. Wie ein solches Palliativ-Pflegeprogramm aussehen soll, ist Gegenstand der Folgestudie, die Valerie Fleming zusammen mit Claudia Meier Magistretti von der Hochschule Luzern leitet. Bis Frühling 2019 finden Interviews mit Eltern, Ärztepersonal, Hebammen und Sozialarbeitenden statt, um einen Palliativ-Care-Plan zu erstellen. Zudem sollen nationale Guidelines für ­Medizin- und Gesundheitspersonal erarbeitet werden. //

«GEBURT UND TOD SIND UNAUSWEICHLICH» Meta Marz ist Hebamme und Pflegefachfrau in einem Hospiz. Zwischen Geburt und Tod sieht sie Parallelen. Gebärende Frauen, die sie bei ihren humanitären E ­ insätzen betreut, sind für sie w ­ ichtige Vorbilder.

Gibt es Parallelen bei den beiden ­Prozessen? Gebären und Sterben sind mit Schmerzen und der Angst vor den Schmerzen verbunden. Für den betroffenen Menschen gibt es keine Alternative, er muss sich dem Geschehen zuwenden, es ist unausweichlich. Ich sehe die Geburt als kleines Tor, den Tod als grosses. Bei der Geburt ist der Mensch aber eng mit der Mutter verbunden. Durch das grosse Tor muss er alleine gehen.

Meta Marz, Sie betreuen Frauen im Wochenbett und schwerkranke ­Menschen im Hospiz. Sie bewegen sich ständig zwischen dem Anfang und dem Ende des Lebens. Verlangt das nicht wahnsinnig viel Energie ab? Nein, im Gegenteil. Ich empfinde das als sehr bereichernd. Nichts im Leben ist so unmittelbar und unausweichlich wie das Gebären und das Sterben.

Eine Mutter, die ihr totes Kind gebären muss, ist nicht nur mit Angst und Schmerzen konfrontiert, sondern auch mit dem Tod, wenn auch nicht ihrem eigenen. Und auch zwischen dieser Mutter und einem Sterbenden be­ obachte ich eine Parallele: Wer sich im Leben mit dem Tod auseinandersetzt, über die Endlichkeit des Lebens nachdenkt, geht ruhiger. Das sehe ich auch bei Frauen, die ein totes Kind gebären

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DOSSIER|LEBENSENDE

müssen. Wer jegliche Gedanken an den Tod weit von sich weist, hat viel mehr Mühe. Ich erlebte immer wieder Frauen, die ihr Kind nicht ansehen konnten. Sie waren erst Pflegefachfrau und besuchten mit ­dreissig die Hebammenschule. Was bewog Sie dazu? Mit 28 machte ich eine Auszeit und war zwei Jahre mit dem Velo unterwegs. In Polynesien wurde ich gefragt, ob ich nicht ein Ambulatorium übernehmen wolle. Dort hätte ich alles allein machen müssen, auch Geburten. Doch mir fehlte diese Erfahrung. Ich ging zurück in die Schweiz und machte die Ausbildung zur Hebamme. Damals wollte ich weg von den Schwerkranken hin zum Beginn des Lebens. Über zwanzig Jahre später kehrten Sie zurück und begannen, in einem Hospiz zu arbeiten. Warum ­dieser Schritt? Ich spürte, dass ich mich dem grossen Tor nähere und wollte mich bewusst damit auseinandersetzen. Viele meiner Kolleginnen reagierten entsetzt. Geburten und Sterbende zu begleiten, passte für sie nicht zusammen, vor allem für jüngere Frauen. Für viele ist es schwierig, mit Tod und Trauer umzugehen, auch für jüngere Ärzte. Jemanden menschlich zu begleiten, ist etwas ganz anderes, als ihn medizinisch zu betreuen.

Frau schaut ihr Kind an, hält es lange im Arm, wickelt es ein und nimmt es mit sich mit. Niemand überlässt es dem medizinischen Personal. Der Tod gehört in vielen Kulturen viel mehr zum Leben als bei uns. Wir verdrängen ihn. In diesem Sinne verwundern mich die Resultate der Studien nicht, wonach schwangere Frauen mit einer letalen Diagnose keine enge Betreuung erhalten. Die Betreuung während und nach der Geburt ist ­gemäss Studie hingegen gut. Zum Glück. Ich habe in früheren Jahren auch anderes erlebt. Ein Kind in der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt zu verlieren, ist für eine Frau wahnsinnig tragisch. Das Leben erlischt, gerade nachdem es begonnen hat. Das ist ein Schock. Hinzu kommt die Verzweiflung, dass der eigene Körper nicht fähig scheint, gesundes Leben hervorzubringen. Das zerrüttet das Urvertrauen. Eine solche Frau braucht viel Mitgefühl und muss bis zum Ende der Trauerarbeit begleitet werden. Ich habe mehrmals erlebt, dass man Frauen schnell mit einem «du bekommst doch wieder ein Kind» zu trösten versucht. Das ist falsch. Das Leben geht nicht einfach grad weiter. Doch vielen Frauen wird vermittelt, dass es so sein müsste.

«Der Tod ist wie eine Geburt in eine andere Sphäre hinein.»

Dabei sind Hebammen doch auch mit Totgeburten konfrontiert? Ja, aber nicht jede möchte das miterleben. Da meine Eltern früh starben, wurden wir Kinder in diese Unausweichlichkeit hineingeworfen. Das war mir nicht fremd. Ich habe noch dafür gekämpft, dass Mütter ihr totes Kind im Arm behalten konnten, so lange sie wollten. Das ist inzwischen Gott sei Dank selbstverständlich. Aber ich galt als Ketzerin, weil ich mich dafür einsetzte. Der Tod am Lebensanfang darf nicht sein, am Ende ist er eher akzeptabel. Bei Ihren humanitären Einsätzen erleben Sie immer wieder, dass Frauen ihr Kind bei der Geburt verlieren. In unserem hochspezialisierten medizinischen ­System rückt der Tod hingegen weit weg. Der Umgang mit dem Tod, den ich bei Frauen in anderen Kulturen sah, war für mich beispielhaft. Ausnahmslos jede

Als Hebamme, Hospizpflegefachfrau und SRK-­ Mitarbeiterin müssen Sie über viel Intuition verfügen. Sie arbeiten mit elementaren Mitteln. Mich interessierte die Basismedizin immer mehr als Spitzenmedizin. Und ich liebe fremde Länder, archaische Kulturen und diese ganz anderen Atmosphären. Fremde Kulturen zeigen mir, dass es noch andere Lebensweisheiten gibt. Besonders die Frauen sind Heldinnen, in so vieler Hinsicht. Wie erleben Sie Ihre eigene Endlichkeit? Welche ­Gefühle bereitet Ihnen der Gedanke an den Tod? Sterben ist für mich eine Tatsache, die ich nicht verdrängen kann. Mein einziger Wunsch ist, dass ich nicht mit Schmerzen gehen muss. Sollte ich schwerkrank sein, möchte ich in das Hospiz, in dem ich arbeitete. Das habe ich schon so festgelegt. Doch ich bin sicher: Der Tod ist wie eine Geburt in eine andere Sphäre hinein, in eine geistige. Ich habe vieles gesehen, das mich zu dieser Überzeugung brachte. //

META MARZ-CAPREZ

«Der Umgang mit dem Tod, den ich bei Frauen in anderen Kulturen sah, war für mich beispielhaft.» Meta Marz bei einem SRK-Einsatz im Sudan.

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1950 geboren, machte die Ausbildung zur Pflegefachfrau und später die Zusatzausbildung zur Hebamme. Mit 45 leistete sie erstmals einen humanitären Einsatz mit Médecins Sans Frontières, später auch mit dem IKRK und dem SRK. Acht Jahre vor ihrer Pensionierung trat sie eine ­kombinierte Arbeit als Wochenbett­ hebamme und Pflegefachfrau in der Palliativ­ medizin an. Bis heute ist sie als Hebamme bei humanitären Einsätzen und freipraktizierend in der Nachbetreuung tätig.


DOSSIER|LEBENSENDE

W I L L KO M M E N I M CA F É TO D Bei Kaffee und Kuchen ungezwungen über Tod, Trauer und das eigene Sterben d ­ iskutieren: Die Idee eines Walliser Soziologen verbreitet sich seit einigen Jahren in allen Teilen der Welt. Auch in einer Berner Bar findet alle paar Monate ein ­sogenanntes Death Café statt, um das Thema Tod aus der Verdrängung zu holen. VON RITA ZIEGLER

Nicht nur todernst: Auch Humor hat im Berner Death Café Platz.

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in letzter Gast huscht zur Tür hinein, schüttelt die Regentropfen vom Mantel und setzt sich an ein Tischchen beim Eingang. Dann zwölf Gongschläge, das Kerzenlicht wird ausgeblasen, Stille. Salome Guggisberg, Humortrainerin und Mitveranstalterin des Abends, beginnt zu rezitieren: «Der Gärtner beisst ins Gras. Der Koch gibt den Löffel ab. Der Turner verreckt. Der Pfarrer segnet das Zeitliche. Der Spachtelfabrikant kratzt ab …». Wer denkt, dass eine Veranstaltung unter dem Namen Death Café todernst verläuft, wird beim einleitenden Gedicht eines Besseren belehrt. Und doch wird schnell klar, dass das Thema des Abends den Anwesenden ernsthaft am Herzen liegt. Was bedeutet der Tod für mich? Wie denke ich über ihn? Wie habe ich ihn schon erlebt? BUNT GEMISCHTES PUBLIKUM

25 Personen zwischen 20 und 65 Jahren sind in die Zar Bar im Berner Brunnmattquartier gekommen, um gemeinsam über diese Fragen zu diskutieren. Ein Physiker und eine Autorin sind ebenso darunter wie ein Koch, eine Friedhofsmitarbeiterin und ein Handwerker, der in seiner Freizeit vergängliche Kunst schafft. Einige der Anwesenden haben jemanden ver-

loren oder begleiten jemanden im Sterbeprozess. Andere setzen sich beruflich mit dem Tod auseinander. Nicht wenige finden das Thema einfach spannend, wie meine Tischnachbarin, die über die Facebook-Seite der Bar von der Veranstaltung erfahren hat. «Ich interessiere mich für Lebensfragen. Und der Tod ist eine der zentralen Lebensfragen», sagt sie, nach der Motivation für ihr Kommen gefragt. Ihr gegenüber sitzt ein Ehepaar, das in einem Zeitungsbericht über das ­Berner Death Café gelesen hat und für die sechste Durchführung heute extra vom Bielersee angereist ist. Sie finden es wichtig, dass man sich mit der Trauer über den Tod anderer, aber auch mit Gedanken und Gefühlen zur eigenen Sterblichkeit offen auseinandersetzt. ECHTE BEGEGNUNGEN ERMÖGLICHEN

Nach dem Gedicht und einer kurzen Einleitung kommt die Diskussion schnell in Fahrt. Den Löffel abgeben muss hier sinnbildlich jeder, der sich am Gespräch beteiligen will. Statt eines Mikrofons reichen die Teilnehmenden einen überdimensionierten Löffel herum. Moderiert wird die Runde von Christian Walti, Initiator des Berner Death Café und Pfarrer der nahegelegenen Friedenskirche. Er wirft Fragen auf,

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DOSSIER|LEBENSENDE

spinnt Gedanken weiter und sorgt dafür, dass sich die Diskussion nicht auf Nebengleisen verliert. Zu den Death Cafés inspiriert hat ihn ein Bekannter, der die Idee in den USA umsetzt. Der 34-Jährige sieht sein Engagement an der Schnittstelle zwischen Pfarramt und Quartierarbeit: «Ich will Leute kennenlernen, auch jüngere, die am Sonntag nicht in den Gottesdienst kommen. Mich interessiert, was sie erlebt haben und was sie umtreibt.» Im Death Café haben alle Weltanschauungen Platz, wie Walti betont. Dies zeigt sich in der Diskussion: Negative Erfahrungen mit unflexiblen Kirchenvertretern sind ebenso Thema wie die Mitgliedschaft bei Exit oder divergierende Vorstellungen darüber, wie es nach dem Tod weitergeht. Gerade das ist es, was Christian Walti an den Treffen und seiner Arbeit als Pfarrer begeistert: «Ich lebe von Lebensgeschichten», sagt er, «anderen Menschen

wird regelrecht überrannt. 250 Personen nehmen teil und sprechen an diesem öffentlichen Ort über Themen, die sie sonst bestenfalls mit ihren nächsten Verwandten, einem Arzt oder einem Seelsorger bereden. Bis Créttaz sich 2014 zurückzieht, um, wie er sagt, den eigenen Tod vorzubereiten, führt er weit über hundert Cafés mortels durch, mehrheitlich in der Romandie, aber auch in Frankreich, Belgien, Kanada und Deutschland. Der Erfolg geht seither ungebremst weiter: Jeden Tag finden irgendwo auf der Welt Treffen in der Tradition Créttaz’ statt. Mitzuverdanken ist dies dem Engländer Jon Underwood, der die Idee aufgriff und unter dem Namen «Death Café» weiterverbreitete. Auf der gleichnamigen Website werden nicht nur die Veranstaltungen beworben, es finden sich auch detaillierte Anweisungen zum Hintergrund, zu den Prinzipien und zum Ablauf der Treffen.

Was bedeutet der Tod für mich? Die Diskussion mäandriert vom Sinn einer Bestattungsverfügung bis hin zu den Folgen eines Suizids für die Hinterbliebenen.

echt begegnen und authentische Erfahrungen hören ist mein Antrieb.» Tatsächlich: Selten kommt in einem Gespräch unter Wildfremden so schnell und ungefiltert so viel Persönliches zur Sprache. Die Diskussion mäandriert vom Sinn einer Bestattungsverfügung über die Frage, wie man einem atheistischen Bruder die letzte Ehre erweist, bis hin zu den Folgen eines Suizids für die Zurückbleibenden. Im Hintergrund klopft Barbesitzer Oliver Inäbnit immer wieder den Kolben seiner Kaffeemaschine aus, schäumt Milch, schenkt Wein nach und serviert Kekse – in Form von Totenköpfen. W U R Z E L N I M WA L L I S

Die Idee, in einem Bistro bei Kaffee und Kuchen über den Tod zu plaudern, stammt vom Walliser Soziologen und Ethnologen Bernard Créttaz. Auf Anfrage von Bestattungsunternehmen gründet er 1982 gemeinsam mit anderen Intellektuellen aus der Westschweiz die Gesellschaft für thanatologische Studien, um eine neue Sterbekultur zu schaffen. Seine Beschäftigung mit dem Tod und den damit verbundenen Ritualen macht ihm bewusst, dass ein grosses gesellschaftliches Bedürfnis besteht, das Thema aus seinem Schattendasein zu befreien. Vor diesem Hintergrund lanciert er 2004 das erste «Café mortel» in Neuchâtel. Die Veranstaltung 26

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D I E K L E I N E N TO D E WÄ H R E N D D E S L E B E N S

Im Berner Death Café werden die Diskussionen nach der Plenumsrunde an einzelnen Tischen fortgesetzt. Der Lärmpegel ist hoch, der Austausch lebhaft – die Fenster zur Strasse hin sind inzwischen komplett beschlagen. Wie nahe Leben und Sterben, Lachen und Weinen beieinanderliegen, fasziniert Mitveranstalterin Salome Guggisberg immer wieder: «Wir alle erleben im Laufe des Lebens kleine Tode, müssen loslassen und uns verabschieden von Menschen, Dingen und Orten», sinniert sie. «Wir werden erwachsen, ziehen fort, trennen uns von jemandem, gehen in Pension.» Dass sie sich als Humortrainerin mit dem Tod auseinandersetzt, empfindet sie nicht als Widerspruch. Im Gegenteil. Humor werde oft verkürzt mit Lachen gleichgesetzt, umfasse aber viel mehr. «Mit Humor nähern wir uns den Dingen, indem wir sie aus ungewohntem Blickwinkel betrachten», so Guggisberg. «Das funktioniert auch beim Thema Tod.» Sie wirft einen Blick auf die Uhr. Zeit für das Abschlussritual. Zwölf Gongschläge. Für heute hat in der Zar Bar das letzte Stündlein geschlagen. // deathcafe.com


Jeden Tag eine gute Tat – das kann ich mit meiner Arbeit erfßllen. Wir alle werden einmal einen Sarg brauchen. Manchmal kenne ich die Verstorbenen, fßr die ich einen Sarg polstere. Dann freut es mich, dass ich ihnen diesen letzten Dienst erweisen darf. Margot Keller

Mitarbeiterin Sargschreinerei Gerber, Lindau


FORSCHUNG

DEN EMOTIONEN AUF DER SPUR Kein Gespräch, kein Lachen, kein Nicken, kein Blickkontakt. Demenzbetroffene mit Apathie ­reagieren kaum auf äussere Reize. Doch empfinden sie tatsächlich weniger Gefühle, wie in der Literatur manchmal behauptet wird? Oder dringen ihre ­Reaktionen nicht bis zu uns durch? Ein Projekt der Forschungsstelle Ergotherapie sucht Antworten. VON RITA ZIEGLER

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chweizweit sind rund 140 000 Men­ schen an Demenz erkrankt. Viele von ihnen leiden unter Apathie, im Spätstadium sind es rund 90 Prozent der Patientinnen und Patienten. Sie zeigen wenig Interesse, geben nichts von sich preis und reagieren kaum auf äussere Rei­ ze, weshalb sie selten angesprochen und schnell übersehen werden. Im Pflegehei­ malltag machen sie weder Lärm noch Är­ ger, als Betreuende kann man sich auch später noch um sie kümmern, wenn die

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unruhigen oder aggressiven Patienten ver­ sorgt sind. Diese aufgeschobene Zuwen­ dung und das damit verbundene Ausblei­ ben von Sinnesreizen verstärken wieder­ um die Apathie – ein Teufelskreis. In einer eigenen Welt Brigitte Gysin, Ergotherapeutin und heute Gerontologin in der Pflegimuri, einem Zentrum für spezialisierte Pflege, kennt das Phänomen. Sie erinnert sich an eine Patientin um die achtzig, die täglich von

ihrem Ehemann besucht wurde. «Er sass neben ihr, streichelte ihre Hand, sprach mit ihr und gab ihr das Essen ein, wenn sie selbst nichts ass. Zurück kam: nichts. Kei­ ne Mimik, keine Antworten, keine Berüh­ rung.» Manchmal habe die Patientin kurz den Kopf zur Tür gedreht, wenn der Ehe­ mann hereingekommen sei. Ansonsten sei sie einfach dagesessen, in ihrer eige­ nen Welt, zu der scheinbar nichts und nie­ mand durchdringen konnte. «Es war, als wäre bloss ihre Hülle anwesend», so Gy­ sin. Der Ehemann habe mehr als einmal Tränen in den Augen gehabt. Wie schwierig es für Angehörige und Pflegende ist, angesichts solcher Teil­ nahmslosigkeit nicht selbst apathisch und frustriert zu reagieren, weiss auch Yvonne Treusch, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsstelle Ergotherapie. Für ihr Dissertationsprojekt ist sie bei Menschen mit Demenz ergotherapeutisch tätig ge­ worden. «Ich habe mich bei einigen Patien­ ten gefragt, was sie wohl fühlen, wenn ich bei ihnen am Bett sitze», erzählt sie. Fin­ den sie gut, was ich mache? Stört es sie? Ist es ihnen völlig gleichgültig?» Als sie sich


FORSCHUNG

Lösen Bilder von früher bei Demenzbetroffenen mit Apathie noch emotionale Reaktionen aus?

mit Forschungskollege Valentine Marcar darüber austauschte, wurde dieser hellhö­ rig. Als Neuropsychologe weiss er um die motivierende Wirkung von Gefühlen – po­ sitiven wie negativen: «Wenn uns etwas wütend macht, dann fluchen wir oder hau­ en mit der Faust auf den Tisch. Macht uns etwas Spass, möchten wir es sofort wie­ derholen», veranschaulicht er. «Fehlen hingegen die Emotionen, treibt uns auch nichts mehr an.» Gefühlsreaktionen messen Die Fragestellung, die sich für die beiden Forschenden herauskristallisierte, war: Funktioniert das neuronale Netzwerk, das für die Emotionen zuständig ist, bei De­ menzbetroffenen mit Apathie noch? Zur Beantwortung ihrer Frage konnten Treusch und Marcar nicht auf klassische neuro­ wissenschaftliche Methoden zurückgrei­ fen: Die enge, laute Röhre für eine Magnet­ resonanztomografie hätte die Demenzpa­ tienten zu sehr aus dem Konzept gebracht, ebenso die Elektrodenkappe für eine Elek­ troenzephalografie. Eine niederschwellige Alternative bestand darin, ein Pulsoxyme­ ter und zwei Elektroden an den Fingern der Versuchspersonen anzubringen. Da­ mit lassen sich Veränderungen der Haut­ leitfähigkeit und Schwankungen bei der Herzfrequenz messen – beides Reaktio­ nen des vegetativen Nervensystems, die bei gesunden Menschen zuverlässig auf Emotionen hinweisen. In einer Pilotstudie legten die For­ schenden zwölf Demenzbetroffenen mit Apathie eine Reihe von Bildern vor und massen, ob sich Hautleitfähigkeit und Herzfrequenz bei deren Betrachtung ver­ änderten. Als Stimuli verwendeten sie ei­ nerseits biografisches Material und ande­ rerseits Bilder aus dem International Af­ fective Picture System, einer Datenbank mit normativ bewerteten Fotografien, die beim Durchschnittsbetrachter bestimmte Empfindungen wie Freude, Unbehagen oder Erregung hervorrufen. Angenehme Reize zeigen Wirkung Klare Ausschläge zeigten sich bei der Haut­ leitfähigkeit. Yvonne Treusch staunt heute noch über das Resultat: «Bei gewissen Stu­ dienteilnehmern hatte ich den Eindruck,

PROJEKT APATHIE BEI DEMENZ dass sie durch die Bilder hindurchschau­ ten und sie gar nicht wahrnahmen. Trotz­ dem veränderte sich ihre Hautleitfähig­ keit. Hinter der Fassade spielte sich emoti­ onal also durchaus etwas ab.» Besonders deutlich zeigten sich die vegetativen Reak­ tionen bei biografischem Material oder angenehmen Bildstimuli wie Baby- oder Welpenfotografien. Umgemünzt auf den Alltag bedeutet dies: Mit positiven Anrei­ zen wie Lob oder Zuspruch lassen sich die Betroffenen eher aus der Reserve locken als mit Tadel oder Einschüchterung. Kein klares Muster stellten die beiden Wissenschaftler bei der Herzfrequenz fest. Laut Valentine Marcar ist dies mögli­ cherweise darauf zurückzuführen, dass das Herz bei älteren Menschen grundsätz­ lich unregelmässiger schlägt: «Vielleicht ist der Herzschlag bei unserer Zielgruppe kein geeignetes Messinstrument.» Für eine klare Aussage sei die Stichprobe aber zu klein gewesen. Und es lohnt sich doch Dies soll sich nun ändern. In einer grossen Studie in Zusammenarbeit mit diversen Deutschschweizer Alters- und Pflegehei­ men möchten die beiden Forschenden ihre Ergebnisse verifizieren. Diesmal schliessen sie nebst Demenzpatienten mit Apa­ thie auch solche ohne Apathie ein, um einen Vergleich zwi­ schen den Reaktionen beider Gruppen zu ziehen. Zudem erheben sie, welche pharma­ kologischen und psychosozia­ len Massnahmen die Studien­ teilnehmer in Anspruch neh­ men. Dazu Yvonne Treusch: «In der Schweiz erhalten 70 Prozent der Pflege­ heimbewohner mit Demenz Neurolepti­ ka, die dämpfend wirken und apathisches Verhalten begünstigen. Wir möchten se­ hen, wie stark Medikamente, aber auch Therapien oder Gruppenaktivitäten die emotionalen Reaktionen beeinflussen.» Nicht zuletzt versuchen die beiden Wissenschaftler in der Hauptstudie ge­ nauer zu differenzieren, auf welche Stimu­ li die Teilnehmenden besonders positiv reagieren. «In der Ergotherapie suchen wir oft den Bezug zur eigenen Biografie.

Co-Projektleitung Dr. Yvonne Treusch, Dr. Valentine Marcar Projektpartner Diverse Alters- und Pflegeheime in der Deutschschweiz Finanzierung Alzheimer Schweiz, Stiftung für ­Ergotherapie, Zürich Projektdauer 2016 – 2018 zhaw.ch/gesundheit/apathie

Da interessiert es mich natürlich, ob dies in unserem Kontext auch wirklich sinnvoll ist», so Treusch. Aus den Resultaten lassen sich konkre­ te Instrumente entwickeln, mit denen An­ gehörige und Pflegepersonal arbeiten können – etwa in der Pflegimuri, die eben­ falls an der Studie teilnimmt. Gerontolo­ gin Brigitte Gysin erhofft sich eine Bestäti­ gung für das, was viele Pflegende und Be­ treuende intuitiv annehmen: dass es sich lohnt, Demenzbetroffene mit Apathie ak­ tiv in den Heimalltag einzu­ binden. «Zu wissen, dass wir das Wohlbefinden unserer Bewohnerinnen und Bewoh­ ner positiv be­einflussen kön­ nen, auch wenn wir es von aussen nicht immer sehen, wirkt motivierend und ist für unsere Arbeit unglaublich wertvoll.» Doch was, wenn sich in der Hauptstudie weder bei der Herzfre­ quenz noch bei der Hautleitfähigkeit ein­ deutige Veränderungen zeigen? Wäre dies der Beweis dafür, dass die Emotionsfähig­ keit erloschen ist? Valentine Marcar ver­ neint: «Was wir suchen, ist, metaphorisch gesprochen, eine Stimme im Sturm. Hö­ ren wir sie, bedeutet dies, dass sie noch vorhanden ist. Hören wir sie nicht, ist der Sturm möglicherweise einfach zu laut.» //

«Was wir ­s uchen, ist, ­m etaphorisch gesprochen, eine Stimme im Sturm.»

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STUDIUM

In Workshops, in Seminaren und auf Studienreisen vernetzen sich Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen.

EINE FRAGE DER HALTUNG Junge überdurchschnittlich begabte und engagierte Menschen fördern – dieses Ziel hat die Schweizerische Studienstiftung. Unter den ­Geförderten ist auch die 21-jährige ZHAW-Studentin Vera Maria Probst, eine angehende Hebamme mit vielen Träumen und grossen Zielen. VON KATHARINA FLIEGER

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ebhaft, ehrgeizig, vor Ideen sprudelnd: Die in Rotkreuz aufgewachsene Hebammenstudierende Vera Maria Probst fällt auf. Sie studiert im vierten Semester des Bachelorstudiums an der ZHAW und arbeitet derzeit als Praktikantin auf der Gebärabteilung des Paracelsus-Spitals Richterswil. Die Energie der jungen Studentin scheint unerschöpflich zu sein. Seit Kurzem spielt sie in der Freizeit Eishockey und erfüllte sich damit einen Kindheitstraum. Was sie macht, will sie gut machen, egal ob beim Sport, im Studium oder im Beruf. Ihren Interessen sind kaum Gren-

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zen gesetzt, ihr Blick ist stets auf grössere Zusammenhänge gerichtet. Damit passt sie perfekt ins Profil der Schweizerischen Studienstiftung, die es besonders begabten Studierenden mit ihrem Angebot ermöglicht, ihren Horizont zu erweitern. Unterstützt werden keine Fachidioten, sondern wissensdurstige, junge Menschen. Emmanuel Baierlé, wissenschaftlicher Mitarbeiter der ­ Studienstiftung, betont: «Interessierte müssen nicht nur überdurchschnittlich gut in ihrem Fach sein, sondern auch offen, begeisterungsfähig und gesellschaftlich engagiert.»

Von Rhetorik bis Teilchenphysik Doch wie lässt sich derartiges Engagement und grenzübergreifendes Denken fördern? Die Studienstiftung gibt jungen Menschen das Rüstzeug für eine positive Entwicklung mit. In interdisziplinären Workshops, Lesegruppen, Seminaren und auf Studienreisen werden vielfältige Inhalte vermittelt. Von Statistik, Rhetorik und philosophischen Gedankenexperimenten über Big Data bis Teilchenphysik findet sich alles im Angebot. Je breiter die Interessen einer Person, desto mehr vermag diese von den Inputs zu profitieren.


STUDIUM

SCHWEIZERISCHE STUDIENSTIFTUNG Die Hürde, um in den Genuss dieser Förderangebote zu kommen, ist hoch – doch Vera Maria Probst hat sie mit Bravour gemeistert. Die Tochter einer Kindergärtnerin und eines Eishockeyspielers musste ein Dossier mit Notennachweis, Empfehlungsschreiben und einem Essay einreichen, den sie zum vorgegebenen Thema «Wahrheit in der Wissenschaft» verfasste. Darin kritisierte sie ökonomische Kriterien, die heute immer stärker die Interessen der Forschung diktieren würden. Daraufhin wurde sie zu einem eintägigem Auswahlseminar eingeladen, an dem sie in Einzelgesprächen, Gruppenarbeiten und einem Vortrag ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen musste. Beurteilt wurden gemäss Baierlé Exzellenz und persönliche Reife. Rund die Hälfte der Bewerber und Bewerberinnen wird aufgenommen.

In der Minderheit Noch ist Probst als Hebamme und Praktikerin in der Minderheit unter den Kollegen und Kolleginnen, von denen die meisten geistes- oder naturwissenschaftliche Fächer an Universitäten studieren. Doch wie Emmanuel Baierlé betont, will die Studienstiftung verstärkt auch an Fachhochschulen präsent sein. Relevant sei nicht, ob jemand in einem praktischen Beruf oder in der Forschung arbeitet. «Alle bringen ihren eigenen Hintergrund und ihre Person mit ein und bereichern damit den Austausch.» Diese Ansicht teilt Vera Maria Probst: «Es geht nicht nur darum, zu konsumieren und zu profitieren. Sondern auch darum, etwas beizutragen.» Nennt Probst ihren Beruf, reagieren ihre Gegenüber oft überrascht. «Als einzige Hebamme falle ich auf, doch stösst meine Tätigkeit durchaus auf Interesse. So kommt man rasch ins Gespräch, vor allem mit Menschen, die im medizinischen Bereich arbeiten.» Da kommt es schon mal vor, dass in der gemeinsamen Mittagspause Fragen zu Themen wie Pränataldia­ gnostik, Kaiserschnitt oder Strategien zur Schmerzbewältigung diskutiert werden. «Wir tauschen uns aus und erhalten Ein-

«Wie kann ich als Hebamme am meisten bewirken?»

Gebärsaal statt ETH-Labor In den ersten Schuljahren in der Steinerschule genoss Probst viele Freiheiten und wurde in ihrer Selbständigkeit und Kreativität gefördert. Der Übertritt in die Regelschule und später ins Gymnasium gelang ihr ohne Mühe. Ihre schulischen Leistungen lagen stets über dem Durchschnitt. Doch sie blieb bescheiden. Bis heute stellt sie ihre Person nicht in den Vordergrund. Die für das Förderprogramm verlangten Referenzen erhielt die angehende Hebamme problemlos – obschon ihr Umfeld von dem Berufswunsch anfänglich überrascht war. Denn lange schien für Vera Maria Probst ein anderer Weg vorbestimmt zu sein. «Eigentlich wollte ich an der ETH Umweltnaturwissenschaften studieren.» Doch nun begleitet sie werdende Eltern beim Geburtsprozess, statt im Labor zu forschen. «Nach einem Gespräch mit einer erfahrenen Hebamme fragte mich mein Vater überraschend, ob ich nicht Hebamme werden wolle. Nach anfänglicher Irritation begeisterte mich dieser Gedanke immer mehr. So folgte ich meinem Herzen und schrieb mich an der ZHAW ein. Ein Entscheid, den ich bis heute nie bereut habe.»

Als einzige Hebamme in der Schweizerischen Studienstiftung fällt Vera Maria Probst auf.

1991 wurde aus einer privaten Initiative der drei Naturwissenschaftler Anton Schärli, Elisabeth Stumm und Eric Kubli die Schweizerische ­Studienstiftung gegründet. Mit der Förderung talentierter Studierender möchte sie einen Beitrag zur Lösung komplexer und globaler Herausforderungen leisten. Finanziert wird sie durch projektbezogene Beiträge von Universitäten und Hochschulen, von anderen Stiftungen, vom Bund sowie von Unternehmen und Privaten. studienstiftung.ch

blick in andere Haltungen und Zugänge. Es ist wichtig, zu verstehen, wie andere denken. So entwickelt man gegenseitiges Verständnis und kann bewusster argumentieren.» Damit geschieht genau das, worauf bei der Studienstiftung – nebst der Förderung von Persönlichkeiten – Wert gelegt wird: «Wir unterstützen Entscheidungsträger von morgen. Dabei ist zen­ tral, dass diese in gewichtigen Fragen für breite Themenzugänge sensibilisiert sind», so Baierlé. Das Wohl der Frau im Blick Und was soll nach dieser Förderung, nach dem Studium folgen? Vera Maria Probst zeigt sich offen, möchte Erfahrungen sammeln. «Träume hab ich viele. So viele, dass ich kaum weiss, wie sie in nur einem Leben zu verwirklichen wären.» Sie kann sich vorstellen, ein Geburtshaus zu gründen. Einsätze für Ärzte ohne Grenzen möchte sie leisten, dozieren oder in die Forschung gehen. «Es gibt viel zu tun!» Probst möchte sich interprofessionell einbringen. Immer mit im Blick: das Wohl der Frau. Erfüllung im Beruf ist für sie keine Frage der Anstellung, sondern der Haltung: «Wichtig ist nicht, was ich mache, sondern wie.» In den Mittelpunkt stellt sie dabei stets die Frage nach dem Allgemeinwohl: «Wie kann ich als Hebamme am meisten bewirken? Wo braucht es mich am meisten?» // blog.zhaw.ch/vitamin-g

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STUDIUM

WIE SIEHT ES IN DER PRAXIS AUS? Jugendliche zu mehr Bewegung motivieren, die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitenden erhalten oder die Bevölkerung für sexuell übertragbare Krankheiten sensibilisieren – die Themen der Gesundheitsförderung sind vielfältig. Im Modul Praxisfelderkundung lernen die Bachelorstudierenden verschiedene Akteure kennen. VON URSINA HULMANN

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as Berufsfeld der angehenden Gesundheitsförderinnen und -förderer ist breit: Es reicht von Suchtprävention bei Jugendlichen über Unfallverhütung auf dem Bau bis hin zu betrieblichem Gesundheitsmanagement oder strategischer Hintergrundarbeit für die Politik. Im Modul Praxisfelderkun-

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dung setzen sich die Studierenden des ersten Semesters deshalb mit verschiedenen Akteuren in ihrem Fachbereich auseinander. «Sie erhalten einen Überblick und lernen ihre Interessen und Neigungen besser kennen», sagt Dozentin Regula Neck-Häberli. Das sei wichtig für die spätere Stellensuche.

Ein Kernstück des Moduls sind Besuche bei Organisationen, die in unterschiedlichen Themengebieten aktiv sind: Die Studierenden erhalten Hintergrundinformationen zu laufenden Projekten und erfahren, wie diese umgesetzt und finanziert werden. «Dieser konkrete Einblick motiviert mich und bestärkte mich in meiner Studienwahl», sagt Studentin Franziska Rademacher nach ihrem Besuch beim Gesundheitsmanagement der Firma V-Zug. Ihr Studienkollege Alexander Curle war währenddessen beim Bundesamt für Gesundheit und stellte erfreut fest, dass die Methoden und Theorien, die er aus dem Unterricht kennt, auch in der Praxis angewendet werden. Aufmerksamkeit gewinnen Als fröhliche und motivierte Gruppe erlebte Kathrin Steiger, operative Geschäftsleiterin der Schtifti Foundation, die Studierenden: «Viele von ihnen hätten sich am liebsten gleich in die Arbeit gestürzt.» Die Schtifti Foundation ist eine Bewegung von Jungen für Junge. Gorilla, das Programm zur Gesundheitsförderung, motiviert Kinder und Jugendliche zu nachhaltigem Konsumverhalten, fördert ihre Freude am Kochen und an der Bewegung. «Wir holen die Jugendlichen in ihrer Lebenswelt ab


STUDIUM

Vielleicht ein zukünftiger Arbeitgeber? Studierende lernen Organisationen in der Gesundheitsförderung kennen.

«Mir gefällt, dass man bei der Suchtprävention Zürcher Unterland direkt mit der Zielgruppe in Kontakt ist und Projekte im direkten Austausch mit ihr umsetzen kann. Genau das möchte ich nach dem Studium einmal machen.» Giada Gasparini zum Besuch bei der Suchtprävention Zürcher Unterland

und begegnen ihnen auf Augenhöhe», so Kathrin Steiger. «Dazu arbeiten wir mit ihren Medien, zum Beispiel mit Apps und Videoclips, oder wir nutzen Social Media.» Auch der direkte Kontakt mit der Zielgruppe in Schulworkshops sei sehr wichtig. Sie beobachtet, dass sich viele Jugendliche für ihre Gesundheit und die Umwelt interessieren. Trotzdem sei es nicht einfach, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. «Wir müssen uns abheben, jugendnah und authentisch sein, damit sie mitmachen. Darum arbeiten wir oft mit jugendlichen Botschaftern.» Kein Tabu Szenenwechsel: In den Produktionshallen von V-Zug werden Haushaltgeräte für Küche und Waschküche vom Grundmaterial bis zum fertigen Gerät produziert. Die einzelnen Arbeitsschritte sind gut organisiert und aufeinander abgestimmt. Haben die Mitarbeitenden jedoch Ideen, wie sich Abläufe weiter verbessern lassen, können sie diese einbringen. Davon zeugen diverse Notizzettel mit Anregungen und Vorschlägen an Pinnwänden. Dank Vitality, dem betrieblichen Gesundheitsmanagement von V-Zug, sind Gesundheit und Arbeitssicherheit regelmässig Thema im Unternehmen. Das Wohl der Mitarbeitenden liegt der Geschäftsleitung am Herzen, denn nur wer gesund ist, ist leistungsfähig und

den heutigen Arbeitsanforderungen längerfristig gewachsen. Wichtig ist auch die Früherkennung von gesundheitlichen Problemen. Dazu arbeitet V-Zug mit externen Stellen zusammen. Das Unternehmen nutzt beispielsweise Material der Kampagne «Psyche krank? Kein Tabu!», die vom Gesundheitsamt des Kantons Zug unterstützt wird. Die Initiative möchte Hemmungen abbauen und dazu beitragen, dass psychische Belastungen offen angesprochen werden.

Das Bundesamt für Gesundheit ist die zentrale Koordinationsstelle für Gesundheitsförderung in der Schweiz. Spannend an der Arbeit hier finde ich, dass sie nationale Ausstrahlung hat und zur Gesundheit der gesamten Schweizer Bevölkerung beiträgt.

Safer Sex Alexander Curle zum Besuch beim Bundesamt für Gesundheit Sexuelle Gesundheit ist Thema beim nächsten Besuch. Die «Schwulenseuche» HIV/Aids war 1985, in der Gründungszeit von Aids-Hilfe Schweiz, als Schreckgespenst in aller Munde. Dank Prävention mungen, über ihre Krankheit zu sprechen. und besseren Therapien hat HIV hierzu- Neben Prävention von HIV möchte Aidslande an Dramatik verloren, viele Betrof- Hilfe Schweiz deshalb die Akzeptanz und fene haben heute ein gutes Leben. Trotz- die Lebensumstände von Erkrankten verdem ist der Alltag mit dem Virus nicht bessern. Präventionsangebote für Mäneinfach. Entlassungen nach dem HIV-­ ner, die Sex mit Männern haben, für Mi­ Outing oder Nachbarn, die aus Angst vor granten oder Sexworkerinnen sind weitere einer Ansteckung die Waschmaschine Schwerpunkte ihrer Arbeit. Nicht nur das nicht mehr teilen wollen, gibt es auch heu- Virus HIV steht dabei im Zentrum, sonte noch. Viele Betroffene fühlen sich im dern auch andere Geschlechtskrankheiten Alltag allein und ausgegrenzt, haben Hem- wie Syphilis, Chlamydiose oder Gonorrhoe, auch Tripper genannt. Diese Krankheiten nehmen seit einiger Zeit in der Schweiz wieder zu. Die Bakterien, die sie auslösen, sind zunehmend resistent gegenüber Antibiotika. Das erschwert ihre Bekämpfung.

«Die lockere und offene Kommunikation mit uns, aber auch mit der Zielgruppe hat mir zugesagt. Es war spannend, hinter die Kulissen zu blicken, zu erfahren, wie eine Kampagne entsteht und wie wir das Wissen aus den Vorlesungen dereinst anwenden können.» Daria Lehmann zum Besuch bei der Aids-Hilfe Schweiz

Vorbeugen statt heilen Gesundheit fördern und dadurch Krankheiten vorbeugen und Kosten sparen: Dies möchte auch der Bund. Der Bundesrat hat die «Nationale Strategie zur Prävention nichtübertragbarer Krankheiten» als zen­ trales Ziel der Legislaturperiode 2016–2019 definiert. Die Prävention soll als selbstverständlicher Teil des Gesundheitssystems verankert und das betriebliche Gesundheitsmanagement in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft gestärkt werden. Dazu wird der Prämienzuschlag der Krankenkassen für Gesundheitsförderung bis 2018 schrittweise von bisher 2.40 auf 4.80 Franken pro Kopf erhöht. Dies freut Dozentin Regula Neck-Häberli: «Ich bin überzeugt, dass sich unser Arbeitsfeld mit diesem Beitrag weiterentwickelt.» //

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ALTERSPFLEGE IN CHINA NEU DENKEN China assoziieren wir Europäer oft mit «unendlich viele Leute» und «Weltmeister im Kopieren». Was geschieht mit den vielen Leuten, wenn sie im Alter pflege­bedürftig werden? Ziehen sie in Kopien von Alters- und Pflegheimen nach ­europäischem Muster? Konzepte zu übertragen, kann nur erfolgreich sein, wenn die lokalen Pflegefachpersonen ­entsprechend aus- und weitergebildet werden. VON JOSÉ SANTOS

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ie in der Schweiz steigt auch in China die Anzahl betagter Menschen rasant, und damit die Anzahl Demenzbetroffener. Wie in der Schweiz mangelt es auch in China an Heimplätzen und vor allem an entsprechend ausgebildetem Pflegepersonal. In China gibt es laut OECD zwei diplomierte Pflegefachpersonen pro

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1000 Einwohner, in der Schweiz sind es immerhin 17. Bernadette Alig, Leiterin Weiterbildung am ZHAW-Institut für Pflege, sieht für die Pflege in China Entwicklungspotenzial: «Die Pflegefachpersonen verfügen über ein grosses medizinisches Wissen. Sie können Wunden verbinden, Blut entnehmen und Medikamente verteilen. Um Patienten und Angehörige in Kri-

sensituationen oder beim Sterben pflegerisch zu begleiten, fehlen ihnen jedoch die Zeit und das Wissen.» Exportgut Weiterbildung Als Katalysator für die Entwicklung in der gerontologischen Pflege könnte sich nun eine Weiterbildung erweisen, welche die ZHAW 2016 nach China brachte. Den Aus-


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Die Wissbegierde ist gross: Acht Teilnehmerinnen absolvieren das erste auf chinesische Verhältnisse angepasste DAS in Gerontologischer Pflege.

schlag dafür gab die Anfrage des Furunze Entwicklungszentrums für Altersversorgung Qingdao. In Zusammenarbeit mit der medizinischen Fakultät der Universität Qingdao wurde das an der ZHAW bereits bestehende Diploma of Advanced Studies (DAS) in Gerontologischer Pflege an chinesische Verhältnisse angepasst. Bernadette Alig, Projektleiterin auf Seiten der ZHAW, ist überzeugt: «Wenn China den Gewinn gerontologischer Pflegekonzepte erkennt, wird es neue Formen der Gesundheitsversorgung von älteren Menschen schnell vorantreiben.» Als Pionierinnen werden dereinst wohl die acht Pflegefachfrauen gelten, die 2016/2017 das erste DAS-Programm in Gerontologischer Pflege an der Universität Qingdao absolvierten. Sie lernten, wie Gebrechlichkeit den Alltag von Betagten beeinflusst, welchen Stellenwert Mobilität einnimmt und was es bedeutet, kognitive Fähigkeiten zu erhalten. Auch mit Depression und Suizid im Alter setzten sie sich auseinander. Und sie erfuhren, dass in der Pflege von Menschen, die Kontrolle und Identität zu verlieren glauben, nebst fachlichen und ethischen Kompetenzen neue Wege der Kommunikation gefordert sind.

Laut Bernadette Alig haben diplomierte Pflegende in China eine andere Rolle als in Europa. Sie führen mehrheitlich die vom Arzt delegierten Aufgaben aus. In Beratungssituationen fällt es ihnen schwer, sich in die Lage ihrer Patienten einzufühlen. So geben sie oft relativ abstrakte Empfehlungen, die am Ende keine Verhaltensänderung bei Betroffenen und ihren An­ gehörigen bewirken. Hinzu kommt, dass ältere Menschen in China meist von ihren Kindern gepflegt werden, denen das nötige Wissen fehlt. Abschluss in der Schweiz Das Abschlussmodul des DAS-Programms findet im Mai dieses Jahres an der ZHAW in Winterthur statt. Xia Jia Bu wird es nicht mit ihren Kolleginnen absolvieren können. Sie steht kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes und bleibt deshalb in China. Ihre Kolleginnen werden in einem zweiwöchigen Work Shadowing verschiedene Pflegeheime und die Spitex besuchen sowie eine Akutgeriatrieund eine Palliativstation kennenlernen. Dabei erhalten sie einen Einblick in verschiedene Betreuungsangebote für betagte Menschen in der Schweiz. Zum Schluss folgt die Prüfung mit der Präsentation des Schulungskonzepts. «Schade, dass ich die Schweiz nicht besuchen kann», meint Xia Jia Bu. «Ich darf aber immerhin die Präsentation via Skype halten und hoffe, dass ich auch bald ein Diplom bekomme.» Mit dem Diplom und vor allem mit den neu erworbenen Kompetenzen werden die Absolventinnen des DAS in Gerontologischer Pflege in ihrer Heimat gesuchte Spezialistinnen sein, ist Bernadette Alig überzeugt.

«Um den Initialaufwand zu rechtfertigen, ist es sinnvoll, das Programm zu wiederholen.»

Neu Gelerntes weitergeben Bestandteil des DAS war auch eine Kurswoche, in der die Studentinnen lernten, das neu erworbene Know-how weiterzugeben und Kolleginnen und Kollegen zu schulen. Zu diesem Zweck erstellten sie eine Schulungsreihe zu einem pflegerischen Thema, das sie in ihrer Abschlussarbeit präsentierten. Die Teilnehmerin Xia Jia Bu hob in ihrer Kursauswertung hervor, dass sie ihr neues Wissen sehr gut in der Praxis einsetzen könne. Sie wünschte sich noch mehr Unterricht dazu: «Die familienzentrierte Pflege sowie die Kommunika­ tion und die Beratung in Krisensituationen hätte ich gerne noch weiter vertieft.»

Übersetzerin als Schlüsselperson Alig ist erst durch das Weiterbildungsprojekt nach China gereist und hat das Land und die Kultur schätzen gelernt. Während den fünf Aufenthalten in Qingdao erlebte sie die chinesischen Partner als sehr ver-

lässlich und hofft auf eine Fortsetzung: «Ein solches Pilotprojekt verlangt von beiden Seiten enormen Einsatz und unzählige Verständigungs- und Verhandlungsrunden. Um den Initialaufwand zu rechtfertigen, ist es sinnvoll, das Programm zu wiederholen.» Dann müssten die Spitäler und Kliniken in der Region Qingdao allerdings mindestens 30 Teilnehmende anmelden. Bei der aktuellen Erstdurchführung waren es acht. Für Bernadette Alig gibt es jedoch eine heimliche neunte Absolventin. Die Übersetzerin Jing Ye hat mindestens ebenso viel gelernt wie die acht Kursteilnehmerinnen. Sie studierte in Deutschland Betriebswirtschaft und war eine der Schlüsselpersonen im Projekt. Jing Ye übersetzte sowohl den gesamten Unterricht als auch sämtliche Unterlagen in Mandarin. «Ich habe sehr viel für mich persönlich gelernt und für die Pflege meines chronisch kranken Vaters», sagt sie stolz. //

Know-how erwerben und weitervermitteln, darauf zielt das Programm in China ab.

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LEBEN NACH DEM HIRNSCHLAG Eine Hirnblutung setzte Martin Kuppers Lebensplänen ein jähes Ende. Dank fleissigem Üben ist der 24-Jährige heute wieder erstaunlich mobil. ­Fachkundige Therapeuten ­haben ihn auf dem beschwerlichen Weg angeleitet. Ab September vermittelt ein neues CAS die umfassende B­ehandlung von Patienten mit Hirnschlag. VON ANDREA SÖLDI

Im Tageszentrum Andante in Winterthur arbeitet Martin Kupper an seinen ­h andwerklichen Fähigkeiten.

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enschen, die einen Hirnschlag erleiden, sind in der Regel bereits im Seniorenalter. Doch in seltenen Fällen trifft es auch Junge. Martin Kupper war gerade 21 Jahre alt, gesund und voller Lebensenergie, als er während eines Samba-Tanzkurses überraschend stürzte. Die Ambulanz brachte ihn ins Universitätsspital Zürich, wo er einige Stunden später eine Hirnblutung hatte. Er wurde notfallmässig operiert und danach einige Tage im künstlichen Koma belassen. «Als ich aufwachte, kam mir alles fremd vor», erin-

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nert sich der junge Mann. Aufgrund der Grusskarten, die rund um sein Krankenbett arrangiert waren, schloss er, dass etwas Gravierendes passiert sein musste. Lesen konnte er sie aber nicht. Auch das Sprechen war schwierig und seine rechte Körperseite konnte er weder spüren noch bewegen. Neben dem Bett stand ein Rollstuhl bereit. Das war vor dreieinhalb Jahren. Heute ist Martin Kupper wieder ohne Hilfsmittel zu Fuss unterwegs und bewältigt auch Treppen. Seine Sprache ist nur noch leicht verlangsamt, manchmal sucht er nach

dem passenden Begriff. Dass er wieder ziemlich selbständig ist, verdankt er unermüdlichem Training, unterstützt von kompetenten Therapeuten. Dem Hirn genügend Reize bieten Nach dem Spitalaufenthalt verbrachte er vier Monate im Rehabilitationszentrum Valens. Zu Beginn waren die Lagerung und die Wahrnehmung der gelähmten Körperhälfte zentral. Häufig würden Hemiplegiker ihre beeinträchtigte Seite kaum mehr beachten, sagt seine derzeitige Ergotherapeutin. Es sei jedoch wichtig,


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die betreffende Gehirnregion stetig zu fordern. «Die Hirnzellen sollen merken, dass sie noch gebraucht werden.» Parallel dazu stand das Erlernen von Kompensationsstrategien an. Martin Kupper musste zum Beispiel üben, mit der linken Hand zu schreiben. In den Bereich der Physiotherapie fiel derweil die Mobilisation: An den Bettrand sitzen, aufstehen und wenn möglich ein paar Schritte gehen. Dabei erhielt die Therapeutin ein Bild der noch vorhandenen Fähigkeiten und Defizite. Die Physiotherapeutin, die Martin Kupper heute behandelt, konzentrierte sich danach vorwiegend auf das Bewegen

und Lockern des stark verkrampften rechten Arms und Beins. Auch an der Rumpfstabilität arbeiten die beiden kontinuierlich. Eine stabile Haltung des Oberkörpers sei die Grundlage für einen zügigen Gang, erklärt die Therapeutin – ein Ziel, das sich Kupper selber gesetzt hat.

«Die Hirnzellen ­s ollen merken, dass sie noch ­g ebraucht werden.»

Langer Schnauf benötigt Während sich zu Beginn der Rehabilitation relativ rasch Fortschritte zeigten, geht es in letzter Zeit nur noch langsam voran. «Manchmal bin ich etwas demotiviert und übe nicht so fleissig, wie ich sollte», räumt der junge Mann ein. Freude bereitet ihm jedoch, dass er seinen rech-

ten Arm seit Kurzem wieder ein wenig bewegen und mit der Hand Gegenstände festhalten kann. Zum Beispiel fixiert der gelernte Damenschneider ein Lineal auf einem Stück Stoff, während er in der linken Hand den Stift hält. Im Winterthurer Tageszentrum Andante arbeitet Kupper regelmässig an seinen handwerklichen Fähigkeiten. Noch unklar sei seine berufliche Zukunft, sagt der 24-Jährige, der bei seinen Eltern wohnt. «Ich versuche, das Positive zu sehen und mein Leben auf die Reihe zu kriegen.» Erst einmal freut er sich aber auf seine Ferien. Mit Freunden wird er für ein paar Tage per Nachtzug nach Wien reisen. Ein weiterer Ansporn, das zügige Gehen zu trainieren: «Ich will in der Stadt herumstreifen können und möglichst viel sehen.» //

STROKE-PATIENTEN NOCH BESSER BEHANDELN Um die Begleitung von Patienten nach einem Hirnschlag zu optimieren, bietet das Departement Gesundheit einen neuen Zertifikationslehrgang (CAS) für Physiound Ergotherapeutinnen und -therapeuten an. «Wir wollen neue, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse vermitteln», sagt CAS-Leiter Florian Erzer. Bis anhin erweiterten Gesundheitsfachleute ihre Kenntnisse für die Behandlung dieser Patientengruppe meist in Bobath-Kursen. Dieses Konzept basiere aber hauptsächlich auf Erfahrungen, erklärt Erzer, der selber BobathInstruktor ist. Als Dozierende für das CAS konnten ausgewiesene Expertinnen und Experten verschiedener Spezialgebiete gewonnen werden. Im Laufe der zwei bis drei Module lernen die Teilnehmenden unter anderem die Konzepte sogenannter Stroke Units an Spitälern kennen. Die auf Hirnschlagpa­ tienten spezialisierten Abteilungen legen Wert auf einen sehr frühen Beginn der Rehabilita­tion. Betroffene werden bereits 24 Stunden nach dem Ereignis ins Stehen mobilisiert und fangen möglichst schnell wieder an, das Schlucken, Sprechen,

Gehen und Bewegen zu üben. Dies verbessere die Chancen erheblich, ­verlorene Fähigkeiten wiederzuerlangen, sagt Erzer, der bis im letzten Herbst die Physiotherapie im Rehab Basel leitete. Eine wesentliche Voraussetzung dafür sei die reibungslose interprofessionelle Zusammenarbeit, ­weshalb im neuen CAS auch Hintergründe und Arbeitsweisen der verschiedenen Berufsgruppen vermittelt werden. Ebenfalls unterrichtet wird neuropsycho­ logisches Grundlagenwissen, das für das Aufnehmen des Befundes und die Behandlung ausschlaggebend ist. Ein Kurs widmet sich zudem der Problematik von Schluckstörungen, die bei betroffenen Patienten häufig vorkommen. Teilnehmende erfahren, wie sie Patienten und Angehörige motivieren und anleiten können. Didaktisches Know-how sei für den Erfolg der Rehabilitation ausschlaggebend, betont Florian Erzer: «Ob es zu Fortschritten kommt, hat viel damit zu tun, ob die Patienten selber trainieren und wie wir es ihnen beibringen.»

CAS Stroke Das CAS richtet sich an Ergo- und ­Physiotherapeutinnen und therapeuten, die bereits Erfahrung in der Behandlung von Hirnschlagbetroffenen haben oder eine Tätigkeit in diesem Bereich planen. Die Weiterbildung besteht aus zwei bis drei Modulen, die sich aus je drei thematischen Einheiten – sogenannten Current Clinical Topics (CCT) – zusammensetzen. Diese können auch einzeln besucht werden. Während das erste Modul auf die Therapie im Akutbereich fokussiert, werden im zweiten Themen aus der stationären Rehabilitation behandelt und im dritten solche aus der ambulanten Praxis. Jedes Modul wird mit einem Leistungsnachweis abgeschlossen und umfasst 5 ECTS-Punkte, die auch an den Master of Advanced Studies Management in Physiotherapie respektive in Ergotherapie angerechnet werden. Das gesamte CAS kostet 6250 Franken. Es startet am 1. September 2017 und erstreckt sich über eineinhalb Jahre.

Detaillierte Informationen: zhaw.ch/gesundheit/weiterbildung

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Gewusst wie !

KNICK IM SOMMER

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er Sommer steht vor der •  nach mehreren Tagen keine Ein falscher Tritt, ein Sturz oder ein allzu Tür und damit die Zeit Besserung eintritt, intensives Training – schon signalisiert ein der Grümpelturniere, der •  Zweifel und Unsicherheit stechender Schmerz, dass der Knöchel verVolks­ läufe und: der Verstaubestehen oder staucht ist. Wie man in einer solchen Situation chungen. Dabei werden bei •  der Fuss schon mehrmals ­einer ­unkontrollierten Beweverstaucht wurde. am besten reagiert, verrät Sportphysiotheragung, einem Zusammenstoss peut und ZHAW-Dozent Arjen van Duijn. oder einem Sturz die Bänder Bänder und Kapseln haben überdehnt und, wenn es dumm grundsätzlich ein gutes Heiläuft, verletzt. Ein stechender Schmerz, zu halten. Die Strecke muss aber kurz blei- lungspotenzial und geschwächte Stellen das Sprunggelenk schwillt an, es bildet ben und die Schwellung darf dadurch lassen sich über die Muskulatur kompensich ein Bluterguss. Was nun? nicht zunehmen. sieren. Beim Wiedereinstieg in sportliche Verstauchungen sind meist recht Freizeitaktivitäten ist es allerdings empKühlen, einbinden, hochlagern harmlos und verheilen in vielen Fällen von fehlenswert, den Fuss zu schützen und zu Als akute schmerzlindernde Massnahme selbst. Dennoch ist es möglich, dass sich stützen: mit Verband oder Tape, mit einfaempfiehlt es sich, die betroffene Stelle zu hinter Schwellung und Schmerz unange- chen Übungen für die Fussmuskulatur kühlen: mit Eis und in Intervallen von ei- nehme Komplikationen verbergen. Dazu und – was für alle gleichermassen gilt – mit ner Minute. Das heisst eine Minute küh- zählen Knochenbrüche oder Bänderrisse, gutem Schuhwerk. len, eine Minute pausieren. Der Vorgang die nicht von selbst verheilen und eine wird 15 bis 20 Mal wiederholt. Kontrovers Operation nötig machen. Manchmal ist Neuen Verletzungen ­vorbeugen diskutiert werden in der Literatur kontinu- auch der Knorpel oder der Knochen unter Eine abgeheilte Verletzung ist immer auch ierliche Eisapplikationen von 15 Minuten dem Knorpel verletzt. eine Schwachstelle mit Potenzial für und länger. Diese könnten auch einen Nachfolgeverletzungen. Diese gilt es zu kontraproduktiven Effekt haben. Wann ist ein Arztbesuch fällig? vermeiden, denn sie können zu InstabiliNebst dem Kühlen ist Einbinden mit Für Laien, aber auch für Physiotherapeu- tät im Gelenk führen. Bei wiederholten wenig Zug auf der Bandage und Hochla- ten sind solche Komplikationen schwer Verstauchungen ist unter Umständen Phygern angesagt. Damit schützt man die ver- festzustellen. Ihr effektives Ausmass zeigt siotherapie angezeigt, um die Stabilität letzte Stelle, verbessert den Blutrückfluss sich erst in einer radiologischen Untersu- des Fussgelenks mit Koordinations- und und unterstützt das Abschwellen. In den chung durch den Arzt. Ein Arztbesuch ist Kraftübungen gezielt zu trainieren. Bei kommenden zwei, drei Tagen sollte man unter anderem dann angezeigt, wenn chronischer Instabilität, die ungefähr zehn sich mit Aktivitäten zurückhalten. AllerProzent der Fälle betrifft, ist eine Operatidings ist es sinnvoll, das Gelenk alle paar •  das Gelenk in keiner Weise belastet on nötig. Stunden sanft zu bewegen oder mit satt werden kann, eingebundenem Fuss einige Schritte zu ge- •  Waden-/Schienbein und Knöchel blog.zhaw.ch/vitamin-g hen, um so die Blutzirkulation in Schwung schmerzen, wenn sie berührt werden,

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AGENDA

Di, 16. Mai 2017 // 17.30–18.30 Uhr

Di, 12. Sep. 2017 // 17.30–18.30

Global Health

Netzwerk für pädiatrische Forschung

After Work Lecture mit Nicky van Oostrum von der Amsterdam University of Applied Sciences zu Public Health aus globaler Perspektive. ZHAW Gesundheit

Mi, 24. Mai 2017 // 17.45–20.00 Uhr Mi, 14. Juni 2017 // 17.45–20.00 Uhr

Master of Science Hebamme

Infoveranstaltung zu Aufbau und Inhalt des neuen Studiengangs und zu den beruflichen Perspektiven. Institut für Hebammen

Fr, 16. Juni 2017 // ab 17.15 Uhr

Zweites Ehemaligentreffen

Veranstaltung für ehemalige Studierende des Departements Gesundheit zum Thema Entscheidungen. Mit Psychoanalytikerin Maja Storch, den Schiedsrichtern Patrick Graf und Alain Bieri sowie Erfinder Stefan Heuss. ZHAW Gesundheit

Fr, 30. Juni 2017 // 9.00–16.30 Uhr

Tag der Bachelorarbeiten

Die Absolventinnen und Absolventen der Studiengänge Ergotherapie, Hebamme, Pflege und Physiotherapie stellen ihre Bachelorarbeiten vor. ZHAW Gesundheit

Di, 22. Aug. 2017 // 17.30 Uhr

Antrittsvorlesungen

Von Prof. Dr. Julia Dratva und Prof. Dr. Frank Wieber. ZHAW Gesundheit

Sa, 9. Sep. 2017 // 9.00–16.30 Uhr

International Day of Physiotherapy

Öffentlichkeitsanlass für Familien mit Fitnesscheck, Bewegungskonzert, Referat, Vitaparcours und weiteren interaktiven Angeboten. Institut für Physiotherapie

After Work Lecture mit Prof. Dr. Ulrike Halbsguth zum PedNet Bern, einer Dienstleistungsplattform für die klinische Forschung am Kind. ZHAW Gesundheit

Fr, 15. Sep. 2017 // 14.30–18.00 Uhr

Klinische Fachspezialisten

Das Symposium thematisiert neue Funktionen in der interprofessionellen Versorgung, insbesondere das neue Berufsbild der Klinischen Fachspezialisten in diversen Praxisfeldern. Institut für Gesundheitswissenschaften

Sa, 16. Sep. 2017 // 9.00–17.00 Uhr

Vom Smartphone zur Robotik

Das Symposium widmet sich neuen Technologien in der Therapie. Mit ­Referaten von Prof. Heidrun Becker (ZHAW), Prof. Huub van Hedel ­(Kinderspital Zürich) und Prof. Robert Riener (ETHZ) sowie Workshops und einem Technowalk. Institut für Physiotherapie Institut für Ergotherapie

Mi, 4. Okt. 2017 // 18.00–20.00 Uhr

Weiterbildung in den Gesundheitsberufen

Informationsabend zum Weiterbildungsangebot am Departement Gesundheit. ZHAW Gesundheit

Do, 26. Okt. 2017 // 13.00–17.00 Uhr

MAS in Action!

Präsentation der Masterarbeiten. Weiterbildungsstudierende in Pflege stellen ihre Projekte vor. Institut für Pflege

IMPRESSUM VITAMIN G Für Health Professionals mit Weitblick Nr. 2 / Mai 2017 Herausgeber ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften Departement Gesundheit Kommunikation Technikumstrasse 71 8401 Winterthur kommunikation.gesundheit@zhaw.ch zhaw.ch/gesundheit Redaktion Rita Ziegler (Leitung), Inge Corti, Annina Dinkel, Bianca Flotiront, Carol Flückiger, Ursina Hulmann, José Santos, Cordula Stegen Art Direction und Layout Partner & Partner, Winterthur Druck ZT Medien AG, Zofingen Korrektorat Ingrid Essig, Winterthur Fotos Yoshiko Kusano (S. 1, 8, 10, 13, 14, 19, 27), Jonas Urscheler (S. 6–7), Rita Ziegler (S. 20, 25–26), Schweizerische Studien­ stiftung (S. 30), Inge Corti (S. 31), Marisa De Lannay (S. 32), Margrit Müller (S. 34), Bernadette Alig (S. 35), Alexandra Isler (S. 36), Florian Lippuner (S. 40), Fotolia (S. 28) istockphoto (S. 38), von den Abgebildeten zur Verfügung gestellt / Bild­ archiv Departement Gesundheit (übrige) Auflage 6000 Erscheinungsweise 2-mal jährlich Das Magazin kann kostenlos abonniert werden: zhaw.ch/gesundheit/vitamin-g

Veranstaltungsort: ZHAW Gesundheit, Technikumstrasse 71, Winterthur

ISSN 2504-1835 © Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck von Artikeln mit Genehmigung der ­Redaktion.

Nähere Informationen: zhaw.ch/ gesundheit/veranstaltungen

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CAMPUS

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141 Spendewillige, 64 Liter Blut und tatkräftige Unterstützung durch die Studierenden – so das Fazit der Frühlings-Blutspendeaktion am Departement Gesundheit.


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