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Vitamin G Nr. 11/2021: Dossierthema «Spiel»

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Für Health Professionals mit Weitblick

DOSSIER

SPIEL PFLEGE: MEHR PERSONAL AUSBILDEN REICHT NICHT

Junge Pflegefachpersonen würden gerne längerfristig in ihrem Beruf bleiben – aber nur unter besseren Arbeitsbedingungen.

DIE ORTHOPÄDEN VERLIEHEN IHM EINEN SCHMÄHPREIS

Physiotherapie-Professor Hannu Luomajoki engagiert sich gegen unnötige Operationen. Damit macht er sich nicht nur Freunde.

NR. 11 NOVEMBER 2021

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I N H A LT

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DOSSIER: SPIEL

Nicht nur Kinder tun es gerne und das aus gutem Grund: Spielen macht Spass und motiviert, lässt einen die Zeit vergessen und fördert unterschiedliche Fähigkeiten und Kompetenzen. Kein Wunder, wird sein Potenzial auch im Gesundheitswesen immer mehr genutzt. Wo und wie, das zeigen die Beiträge in diesem Dossier.

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SPIELEN FÜR DIE GESUNDHEIT

DAMIT ALLE KINDER ZUGANG ZUM SPIEL HABEN

Serious Games gewinnen im Gesund­ heitswesen an Bedeutung. Spieleri­ sche Ansätze kommen aber schon im­ mer zur Anwendung – etwa in der Behandlung von Kindern.

15 MOTIVIERT BLEIBEN AUF DEM LANGEN REHA-WEG Nach einem Unfall oder bei einer Erkrankung brauchen Betroffene regelmässig Rehabilitation. Im am­ bulanten Reha-Zentrum Revigo spielen dabei auch Exergames eine wichtige Rolle.

Nicht alle Kinder haben die Mög­ lichkeit, im öffent­lichen Raum zu spie­len. Ines Wenger und Thomas Morgen­thaler, Doktorierende im P4Play-Programm, wollen dies ändern.

MEINUNG 5 HORIZON EUROPE: CHANCE TROTZ HERABSTUFUNG I M P O R T R ÄT

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SELBST EIN PRINZ SASS SCHON BEI IHM IM WARTEZIMMER

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TA G D E R O F F E N E N T Ü R

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EINTAUCHEN INS THEMA GESUNDHEIT

«WIR THEÄTERLEN NICHT EINFACH»

FORSCHUNG

Was macht eine Schauspielerin am Institut für Hebammen? Sie übt mit den Studentinnen, wie diese adäquat auf ihre Klientinnen rea­ gieren können.

Von der Rehabilitation über die Behandlung von Kindern bis zur Aus­ bildung von Gesundheitsfachpersonen: Spiele und spielerische An­sätze werden im Gesundheitswesen in unterschiedlichen Settings eingesetzt. Die Illustrationen von Corina Vögele im Dossier (ab Seite 10) zeigen jene Anwendungsbereiche auf, die in den ver­schiedenen Beiträgen vertiefter vorgestellt werden.

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4 NEWS AUS DEM DEPARTEMENT GESUNDHEIT

TITELSEITE:

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SPEKTRUM

32 MEHR PERSONAL AUSBILDEN REICHT NICHT STUDIUM 34 FÜR MEHR VERSTÄNDNIS ZWISCHEN DEN GESUNDHEITSBERUFEN WEITERBILDUNG 36 MIT KOMPLEMENTÄREN HEILMETHODEN DIE BEHANDLUNG BEREICHERN

G E W US S T WI E!

38 DEN ALLTAG MIT EINER HAND MEISTERN 39 A GE N D A 40 C A M P U S


EDITORIAL

VIEL MEHR ALS BLOSS EIN ZEITVERTREIB

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Trotzdem ist Spielen für Huizinga viel mehr als blosser Zeitvertreib – was auch der Untertitel von «Homo Ludens» klar­ macht: «Vom Ursprung der Kultur im Spiel». Ohne die Lust am Spiel, ohne die Fähigkeit, spielerisch «zeitweilige Welten» hervorzubringen, hätte der Mensch viele kulturelle Errungenschaften, etwa die Phi­ losophie, die Wissenschaft oder das Recht, gar nicht hervorbringen können, so Huizin­ gas These. Wie gross der Einfluss des Spiels auf die Entstehung der menschlichen Kultur ist, lässt sich wohl nicht abschliessend be­ stimmen. Tatsache ist jedoch: Auf Ebene des Individuums nimmt es eine zentrale Rolle ein – als wichtiger Treiber für die kognitive, sprachli­ che, motorische und soziale Ent­ wicklung von Kindern. Im Spiel eig­ nen sie sich, ganz nebenbei und ohne Zwang, neue Fähigkeiten an, üben, lernen und entdecken die Welt. Das Potenzial des Spielens, diese grund­ legende menschliche Aktivität, wird auch im Gesundheitswesen genutzt, wie dieses Vitamin G aufzeigt. Sei es in der Gesund­ heitsförderung und Prävention, in der Therapie und Rehabilitation oder in der Ausbildung von Gesundheitsfachpersonen: Analoge und digitale Spiele kommen be­ reits heute in vielen Bereichen zur Anwen­ dung – und dürften in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen.

«Das Spiel hat sein Ziel in sich selbst.»

Homo Ludens». Ich erinnere mich gut an den Titel dieses Buches, das bei meinen Eltern im Bücher­ regal stand, also «Der spielende Mensch» von Johan Huizinga. Der nieder­ ländische Historiker und Kulturphilosoph schuf mit dem Begriff einen anthropologi­ schen Gegenentwurf zum Homo Faber, zum tätigen Menschen, dessen Handeln zweckgerichtet ist. Das Spiel hingegen hat nach Huizingas Auffassung sein Ziel in sich selbst und dient nicht einem äusseren Zweck. Es wird begleitet von «einem Gefühl der Span­ nung und Freude» sowie «einem Bewusst­ sein des Andersseins als das gewöhnliche Ich wünsche Ihnen eine spielerisch leichte Leben». Lektüre.

Sie haben die Möglichkeit, ausgewählte Beiträge online zu lesen und zu diskutieren: blog.zhaw.ch/vitamin-g

Andreas Gerber-Grote

Direktor Departement Gesundheit

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SPEKTRUM

PUBLIC HEALTH UND HEBA MMENWISSENSCHAFT

ZWEI NEUE PROFESSORINNEN AM DEPARTEMENT GESUNDHEIT

Susanne Grylka (r.), stellvertretende Leiterin Forschung am Institut für Hebammen, und Karin Nordström, CoLeiterin des Bachelorstudiengangs Gesundheitsförderung und Prävention, haben vom Fachhochschulrat der Zürcher Fachhochschule ZFH den Pro­fessorinnen­titel verliehen bekommen. Susanne Grylka hat den Titel und die dazugehörige Stelle im Bereich Hebammenwissenschaft in Zusammenhang mit einem Practice-to-Sciene-Grant des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) erhalten, Karin Nordström im Bereich Public Health. Mitte November nahmen die bei­den mit einer Doppel-Antritts­­­v­or­le­sung offiziell ihre Lehr- und Forschungstätigkeit als Professorinnen auf. Mehr zu den beiden Professorinnen: bit.ly/3vp41m5

PFLEGEFACHM ÄNNER IM PORTRÄT

MÄNNER IN DER PFLEGE

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Was bewegt Männer, in der Pflege zu arbeiten? Und welche Erfahrungen machen sie dabei? Das Buch «Auf weiblichem Terrain», herausgegeben von Sabine Meisel und Edita Truninger, beantwortet diese und weitere Fragen mit Porträts von Pflegefachmännern zwischen 23 und 65 Jahren. Ehrlich, ungeschönt und anschaulich geben diese Einblick in ihre Biografie, erzählen von ihrer Arbeit auf der Akutpflege, im Altersheim, bei der Spitex oder in der Psychiatrie, teilen ihre Gedanken über ihre Rolle als Exoten in weiblich do­ minierten Teams oder ihre Auffassung von Männlichkeit und Geschlech­ter­ identi­täten. Unter den porträtierten Pfle­gefachmännern sind mehrere, die ihr Bachelor- und/oder Masterstudium am ZHAW-Departement Gesundheit gemacht haben. Ausserdem hat Petra Bosshart-Seiler, stellvertretende Leiterin des Bachelorstudiengangs Pflege, eines der fünf persönlich gefärbten Essays verfasst, welche die Porträts er­­gänzen. Ein weiteres dieser Essays stammt aus der Feder von Lorenz Imhof, der bis 2017 die Forschungsstelle am Institut für Pflege geleitet hat.

Personen haben im September einen der f ünf Bachelor­ studiengänge am Departement Gesundheit in Angriff ge­ nommen. Während f ür sie die mehrjährige Ausbildung zur Gesundheits­f achperson noch vor ihnen liegt, endete diese f ür rund 350 frischgeba­ ckene Health Professionals: Ebenfalls im September feierten diese den Abschluss ihres Studiums an der Bachelordiplomfeier in der Halle 53 neben dem Departe­ ment Gesundheit. Rund 300 Angehörige und Freunde verfolgten den Anlass via Livestream. Neben den neuen Bachelorstudierenden haben am Departement Gesundheit im Herbstsemester ausserdem 95 Personen einen der vier Master­s tudiengänge begonnen.

Auf weiblichem Terrain – Pflegefach­männer im Porträt Sabine Meisel, Edita Truninger (Hrsg.)

Mehr zur Diplomfeier: https://bit.ly/3BWBHKe

Hogrefe Verlag, Bern

INFO - PL AT TFORM

FÜR EINE BESSERE ORIENTIERUNG IM APP-DSCHUNGEL Ob fürs Joggen, die Überwachung des Schlafs oder das Management chronischer Erkrankungen: Gesundheits-Apps gibt es wie Sand am Meer, ihre Zahl geht inzwischen in die Hunderttausende. Hier den Überblick zu behalten und gute von weniger guten Apps unterscheiden zu können, ist für Nutzerinnen und Nutzer eine Herausforderung. Mit dem Projekt «The Blue Tool of Health Apps» 4

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erarbeiten Forschende der ZHAW bis Ende 2021 die Grundlagen für eine Informationsplattform, die künftig Orientierung im App-Dschungel bieten und Apps etwa bezüglich Datenschutz oder Messgenauigkeit unabhängig bewerten soll. Das vom Digital Futures Fund der Hochschule finanzierte Projekt bündelt die Expertise, die an der ZHAW für die Bewertung von Gesundheits-Apps bereits besteht. Betei-

ligt sind unter Leitung von Eveline Graf vom Institut für Physiothe­rapie Forschende der School of Management and Law, der Departemente Soziale Arbeit, An­ gewandte Linguistik, Angewandte Psychologie sowie Gesundheit und Mitarbeitende der Informatikabteilung der Hochschule. Ziel des Projekts ist ein detail­liertes Konzept für die Umsetzung und den Betrieb der App-Plattform.


MEINUNG

ONLINE- BERICHT

FORSCHUNG ZUM THEMA ALTERN

Die Menschen in der Schweiz werden immer älter. Vom demografischen Wandel ist kaum ein Bereich stärker betroffen als das Gesundheitswesen. Der neue Forschungsbericht des ZHAW-Departements Gesundheit widmet sich deshalb dem Thema Altern. Er stellt zahlreiche Projekte vor, mit denen die Forscherinnen und Forscher am Departement dazu beitragen, die Herausforderungen zu meistern, die eine alternde Gesellschaft mit sich bringt. Der Bericht erscheint zum ersten Mal komplett di­gital. Dies ermöglicht neben Textbeiträgen viele weitere Formate wie Kurzfilme, Podcasts oder animierte Grafiken. Zum Forschungsbericht «Altern»: bit.ly/3n4Yg9n

ONLINE- LEHRKURS FÜR HEBA MMEN

ASYLSUCHENDE FRAUEN BETREUEN Für ihr «Midwife Refugee Kit» haben Patricia Frei und Lynn Huber, Absolventinnen des BSc Hebamme, Anfang Jahr einen Förderbeitrag aus dem «First Ventures»-Programm der Gebert Rüf Stiftung erhalten. Das E-Learning-Tool soll ein umfassendes Training für Hebammen bieten, die asylsuchende Frauen und ihre Familien betreuen. Mit der «First Ventures»-Förderung einher ging auch eine Anstellung am Institut für Hebammen am Departement Gesundheit, in deren Rahmen die beiden das «Midwife Refugee Kit» realisieren. Vor kurzem haben sie den ersten Teil der E-Weiterbildung online gestellt, der zweite Teil wird im März 2022 auf­geschaltet. Mehr zur E-Weiterbildung: onedu.org/refugee-kit

ANNE-KATHRIN RAUSCH OSTHOFF Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Physiotherapie

HORIZON EUROPE: CHANCE TROTZ HER ABSTUFUNG

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ie Herabstufung der Schweiz zum nicht assoziierten Drittstaat im EU-Forschungsförderprogramm Horizon Europe hat in der Wissenschaft einige Unruhe ausgelöst. In den vergangenen Wochen waren dazu in der Tagespresse verschiedene Artikel zu lesen, die vor allem jene Bereiche von Horizon Europe thematisierten, von denen der Forschungsstandort Schweiz momentan ausgeschlossen ist. Doch was bedeutet diese Entwicklung für uns Forschende am ZHAW-Departement Gesundheit? Interessant für uns sind vor allem die kollaborativen Projekte von Horizon Europe, insbesondere jene im Cluster Gesundheit. Mit diesen will die EU spezifische gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen wie die Digitalisierung und die alternde Gesellschaft angehen. An diesen Projekten können Forschende aus nicht assoziierten Drittstatten wie der Schweiz als Partner weiterhin teilnehmen. Zwar lässt der Status die Leitung eines Konsortiums nicht zu, jedoch die Verantwortung für einzelne Arbeitspakete. Für europäische Projektpartner sind wir Schweizer Forschenden dabei weiterhin attraktiv, haben wir doch die Expertise, um für konkrete, praxisrelevante Probleme umsetzbare Lösungen zu

erarbeiten. Ausserdem arbeiten in den Projekten Forschende nicht nur untereinander zusammen, sondern auch mit Akteurinnen und Akteuren aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft oder mit staatlichen Stellen. Und mit diesen sind die Forschungsstellen an den Schweizer Fachhochschulen meist bestens vernetzt. Interessant sind wir als Partner auch aus finanzieller Sicht: Unsere Kosten werden vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation getragen und können als «Extra» auf das EUProjektbudget eingeplant werden. Die Herabstufung der Schweiz im Horizon-Europe-Programm hat somit momentan zwar wenig Einfluss auf un­ sere Arbeit. Trotzdem: Damit die Forschung in der Schweiz insgesamt und über lange Sicht attraktiv und wettbewerbsfähig bleibt, braucht es die Vollassoziation. Diese strebt auch der Bundesrat weiterhin an. Allerdings finden derzeit keine Verhandlungen statt und die Beteiligung der Schweiz wird aus Sicht der EU im Licht der Gesamt­ be­ziehung beurteilt. Für einen starken Forschungsplatz Schweiz müssen sich die Politikerinnen und Politiker hierzulande deshalb für eine enge Zusammenarbeit mit der EU engagieren. // blog.zhaw.ch/vitamin-g

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I M P O RT R ÄT

SELBST EIN PRINZ SASS SCHON BEI IHM IM WARTE­Z IMMER Physiotherapie-Professor Hannu Luomajoki unterrichtet Studierende, beriet Formel-1-Fahrer, forscht und engagiert sich für mehr Kompetenzen für Physiotherapeuten. Er will, dass weniger Gesunde zu Kranken werden. VO N K AT R I N O L L E R

Hannu Luomajoki will, dass Menschen mit Rücken- oder Knieschmerzen einfacher in die Physiotherapie gehen können – ohne den Umweg über den Arzt oder die Ärztin.

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ennisellbogen, Knieprobleme und Rückenschmerzen – Hannu Luomajoki beschäftigt sich seit 35 Jahren mit einigen der häufigsten Beschwerden, die den menschlichen Körper plagen. Alles, was mit Gelenken, Muskeln und Sehnen zu tun hat, gehört zum muskuloskelettalen Bereich, dem Fachgebiet des gebürtigen Finnen. Nach einem Master in Physiotherapie in Australien doktorierte und habilitierte Luomajoki in Finnland. Seit 14 Jahren arbeitet er in Winterthur als Professor – so lange, wie es auch die PhysiotherapieStudiengänge an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) gibt. Er forscht, unterrichtet und behandelt immer noch selber Patientinnen und

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Patienten im Thetriz, dem Therapie-, Trainings- und Beratungszentrum am ZHAWDepartement Gesundheit. Und mit über 150 Pu­bli­ka­tionen und fünf Büchern gehört er an der Hochschule zu den Forschenden mit den meisten wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Viel machen ist nicht das Beste «An der Fachhochschule bin ich genau am richtigen Ort, da wir hier sowohl forschen als auch die künftigen Handwerker aus­ bilden», sagt Luomajoki und zeigt den grossen Doppelhörsaal mit Platz für 400 Studierende im Haus Adeline Favre, dem Campus des ZHAW-Departements Gesundheit. Danach setzt sich Hannu Luomajoki in eine der Sitzgruppen gleich ne-

ben dem Grossraumbüro, wo auch er seinen Arbeitsplatz hat, und erzählt von seinem grossen Anliegen: Er möchte, dass Menschen mit Rücken- oder Knieschmerzen einfacher zur Physiotherapeutin oder zum Physiotherapeuten gehen können – ohne den Umweg über die Ärzte. So könnten viele teure und aufwendige Massnahmen wie auch chirurgische Eingriffe verhindert werden, ist Luomajoki überzeugt. Statt zur Physiotherapie gingen heute die meisten Leute zum Arzt, weil sie denken, dieser könne am meisten unternehmen gegen die Schmerzen. Dabei sei möglichst viel zu machen gar nicht das Beste. «Denn je öfter und genauer ein Arzt hinschaut, desto mehr findet er – und so werden aus eigentlich Gesunden Kranke»,


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sagt Luomajoki. Es folgen lange Odysseen durch Praxen, Spitäler und Rehazentren. Dabei sei die Physiotherapie oft der sanftere, günstigere und effektivere Weg. Dies belegten viele Studien. Schmähpreis von Orthopäden Mit seiner Ansicht legt sich Luomajoki hin und wieder mit alteingesessenen Chirurgen an. Vor ein paar Jahren hat er etwa den «Zitronen-Preis» erhalten, den Schmähpreis der Schweizerischen Gesellschaft für Orthopädie. Denn er hatte in einem Artikel für ein Gesundheitsmagazin von un­nö­tigen orthopädischen Operationen abgeraten. «Ach ja, die Zitrone», sagt Luomajoki und winkt ab. Er finde es schade, dass ein Teil der Ärzteschaft in der Schweiz so wenig von Austausch und Zusammenarbeit halte. In Finnland sei er als Reaktion auf den Preis zu einem Streitgespräch mit einem berühmten Orthopädieprofessor eingeladen worden. Dabei habe sich gezeigt, dass sie mehrheitlich gleicher Meinung waren. «Die jüngere Generation der Ärztinnen und Ärzte ist offener», sagt Luomajoki und hofft, dass eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen den Fachgebieten in den nächsten zwanzig Jahren möglich wird. «Ich werde das beruflich nicht mehr erleben, aber hoffentlich die Studierenden, die wir jetzt ausbilden.»

tinnen und Patienten, aber etwa auch Formel-1-Piloten. Zu diesem exklusiven Mandat kam er durch seine Freundschaft mit Aki Hintsa, dem ehemaligen Teamarzt des Formel-1-Rennstalls McLaren. Dieser gründete die Beratungsfirma Hintsa Performance für Formel-1-Piloten und andere VIPs. Immer mal wieder schickte der Arzt diese mit spezifischen Problemen zu Luomajoki. Einer der Rennfahrer spürte etwa seine Hände nicht mehr, wenn er mehrere Stunden konzentriert am Steuer sass, erzählt Luomajoki. Da die Sportler weder mit Spritzen noch Medikamenten ihre Teilnahme an den Rennen gefährden könnten, sei Physiotherapie genau das Richtige. Beim besagten Fahrer erreichte Luomajoki mit gezielten Nacken- und Schulterübungen, dass sich die Durchblutung bis in dessen Hände verbesserte.

nach wie vor sehr beliebt ist und sich auch viele für das Masterprogramm bewerben. Dies helfe auch gegen die gelegentlichen Sinnfragen in seinem Beruf: «Das Leuchten in den Augen von enthusiastischen Studierenden ist der beste Dank für meine Arbeit.» // blog.zhaw.ch/vitamin-g

«Der Impuls, ein schmerzendes Knie zu schonen, ist genau falsch.»

Mit Bodyguards im Wartezimmer Einst reiste sogar ein saudischer Prinz extra mit dem Privatjet in die Schweiz, um seine Rückenschmerzen von Luomajoki behandeln zu lassen. Sein Rücken war schon dreimal operiert worden, aber er hatte immer noch Probleme. «Der Prinz setzte sich wie meine anderen Patienten auch in die Praxis, samt Chauffeur und Bodyguard», erzählt Luomajoki und lacht. Das zeige, dass man auch mit sehr grossen finanziellen Mitteln nicht unbedingt die teuerste Behandlung vorziehen müsse, sondern diejenige, die einem guttue. Im Beruf hat der 57-jährige Hannu Luomajoki so ziemlich alles erreicht, was ein Physiotherapeut erreichen kann. Deshalb überlegt sich der Vater von zwei Kindern derzeit, was er in seinem Berufsleben noch machen möchte. Er werde wohl in die zweite Reihe zurücktreten, um der jüngeren Generation den Vortritt zu lassen: «Es reizt mich, die Mentorenrolle zu behalten», sagt Hannu Luomajoki. Er betreut derzeit mehrere Doktorierende sowie Mas­ ter- und Bachelorabsolvierende.

Hilfe zur Selbsthilfe Früher haben Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten vor allem behandelt, massiert und gedehnt. Heute stehe die Patientenedukation im Vordergrund, die Hilfe zur Selbsthilfe, wie Luomajoki sagt. Informationen seien zentral, denn richtig angeleitet, könne jeder selber viel unternehmen, um Schmerzen zu reduzieren. «Der Impuls, ein schmerzendes Knie zu schonen, ist genau falsch.» Statt den Körperteil ruhig zu halten, seien Aktivität, gezielte Trainings und Fitness gefragt. Das helfe nicht nur dem Bewegungsapparat, sondern auch dem Herz-Kreislauf-System, dem Gehirn und sogar dem Gemüt, da genügend Bewegung Leuchtende Augen sind der beste Dank auch Depressionen vorbeuge. Die Studierenden seien sehr interessiert und auch dankbar, da gebe er gerne seine Formel-1-Pilot mit tauben Händen Erfahrung weiter. Luomajoki kommt entDies rät er seinen ganz normalen Patien- gegen, dass das Physiotherapiestudium

HANNU LUOMA JOKI Der 57-Jährige arbeitet seit 14 Jahren am ZHAW-Departement Gesundheit. Seit 2011 leitet er das Weiterbildungsprogramm Master of Advanced Studies Muskuloskelettale Physiotherapie und ist verantwortlich für den gleichnamigen Schwerpunkt im Masterstudiengang Physiotherapie. Der Forschungsschwerpunkt des ge­bü­r­tigen Finnen liegt in der klinischen Physiotherapie und hier insbesondere beim Thema Rückenschmerzen. Nach der Ausbildung zum Physiotherapeuten Mitte der 1980er-Jahre in Finnland absolvierte er einen Master in Physiotherapie in Australien. 2010 erhielt er den Doktortitel der Universität von Ostfinnland, 2016 folgte die Habilitation an der Universität Jyväskylä, ebenfalls in Finnland. Hannu Luomajoki ist Vater von zwei Kindern und lebt mit seiner Familie in Winterthur.

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TAG D E R O FFE N E N T Ü R

Willkommen im Haus Adeline Favre: Das ZHAW-Departement Gesundheit öffnete am 2. Okto­ber die Türen seines neuen Campus für die Bevölkerung.

EINTAUCHEN INS THEMA GESUNDHEIT Das Departement Gesundheit hiess die Bevölke­rung Anfang Oktober in seinem neuen Campus willkommen. Rund 1500 Personen besuchten den Tag der offenen Tür, der ihnen mit Vorträgen, Erlebnis­stationen, Beratun­ gen und Führungen das Haus Adeline Favre und ver­ schiedenste Gesundheits­themen näherbrachte. VO N TO B I A S H Ä N N I

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m Teddybärenspital herrscht reger Betrieb. Gewissenhaft und mit dem nötigen Ernst sind hier Kinder mit Unterstützung von Pflegestudierenden und Mitgliedern des Vereins Teddybär Spital Zürich am Werk: Sie legen Stofftigern, -eseln und -bären Verbände an, gipsen ihre Pfoten ein, röntgen sie und hören ihre Herzen ab. Im Raum nebenan versuchen sich Klein und Gross an einem Bewegungsparcours. Mit Krücken überwinden sie Schwellen und Stufen oder fahren im Rollstuhl Slalom – und erleben so, wie man sich mit eingeschränkter Mobilität durch den Alltag bewegt.

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Virtual Reality und Alterssimulation Das Teddybärenspital und der Parcours waren nur zwei von zahlreichen spannenden Stationen, mit denen das ZHAW-Departement Gesundheit am Tag der offenen Tür am Samstag, 2. Oktober, das Thema Gesundheit der Bevölkerung näherbrachte. Rund 1500 Besucherinnen und Besucher lockte der Anlass ins Haus Adeline Favre, den neuen Campus am KatharinaSulzer-Platz, den das Departement im Sommer 2020 bezogen hatte. Nachdem der Betrieb pandemiebedingt über Monate auf ein Minimum heruntergefahren werden musste, war der Neubau an diesem Tag

voller Leben: In den Gängen versuchten sich Kinder im Rollstuhlfahren, das luftige Atrium war gefüllt von angeregten Gesprächen und in verschiedenen Räumen und Hörsälen tauchten die Besucherinnen und Besucher in die Welt der Gesundheitsberufe ein und erfuhren, wie diese am Departement Gesundheit praxisnah ausgebildet werden. So konnten sie einer Pflegesimulationen mit einer lebensechten Puppe und der Geburt eines Kindes in einem Ambulanzwagen beiwohnen, in der Virtual Reality eine Ergotherapieklientin in ihrem Zuhause besuchen oder mit einem speziellen Simulationsanzug die alltäglichen Herausforderungen im hohen Alter nachempfinden. «Wirklich lässig, was man hier alles ausprobieren kann» meinte eine Besucherin zu ihrem Begleiter. Alltagsnahe Vorträge und Beratungen Neben den zahlreichen Stationen zum Anfassen, Erleben und Ausprobieren hatten Kinder und Erwachsene die Möglichkeit, in verschiedenen Vorträgen mehr zu einem bestimmten Gesundheitsthema zu erfah-


TAG D E R O FFE N E N T Ü R

ren. So wurden in den alltagsnahen Referaten etwa Tipps vermittelt, mit denen die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen gestärkt werden oder was man gegen Arthrose und Rückenschmerzen tun kann. Zum Programm gehörten auch verschiedene Beratungen und Gesundheitschecks: Besucherinnen und Besucher konnten von Pflegestudierenden ihren Blut­ zucker, Blutdruck und Cholesterinwert messen lassen und lernten in kurzen YogaLektionen, wie sie Geist und Körper im Büroalltag entspannen können.

lor- und Masterstudiengängen sowie zum breiten Weiterbildungsangebot am Departement Gesundheit. Und auf geführten Rundgängen bot sich die Gelegenheit, die aussergewöhnliche Architektur, die moderne Infrastruktur und die Kunst am Bau des Haus Adeline Favre kennenzulernen und mehr über den Lehr- und Weiterbildungsbetrieb, die angewandte Forschung sowie über die Dienstleistungen des Departements zu erfahren. So viele Aktivitäten und Angebote machen hungrig, weshalb mit einer Festwirtschaft auch für das leibliche Wohl der BeAuf Rundgängen das Haus entdecken sucherinnen und Besucher gesorgt war: An verschiedenen Informationsständen ga- Bei strahlendem Herbstwetter genossen sie ben Mitarbeitende Auskunft zu den Bache- auf dem Katharina-Sulzer-Platz eine Brat-

wurst vom Grill, Mah Meh oder feine Sandwiches. Alumni-Anlass mit «Good Vibes» Im Rahmen des Tags der offenen Tür fanden am Morgen zudem Informationsan­ lässe zu den Bachelorstudiengängen sowie zu den Weiterbildungen am Departement Gesundheit statt, die rund 400 Interessierte besuchten. Und am Abend verbreitete der Alumni-Anlass unter dem Motto «Positive Vibes – wie Health Professionals sich und anderen Gutes tun» mit verschiedenen Referaten und Wohlfühlstationen gute Stimmung bei ehemaligen Studierenden des Departements Gesundheit. //

Das Teddybärenspital war nur eine von vielen Stationen, die zum Aus­p robieren, Entdecken und Erleben einluden.

Spass für Jung und Alt: Beim Bewegungsparcours konnten kleine und grosse Besucherinnen und Besucher ihre Geschicklichkeit und ihr Gleichgewicht unter Beweis stellen.

Fast wie im richtigen Krankenhaus: Gebannt verfolgen Besucherinnen und Besucher eine Pflegesimulation mit einer lebensechten Puppe.

Die vielen Aktivitäten machen hungrig: Auf dem KatharinaSulzer-Platz sorgte eine Festwirtschaft für das leibliche Wohl.

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Spiel in der Rehabilitation: Sogenannte Exergames kommen zunehmend zum Einsatz, um den Genesungsprozess nach einem Unfall oder einer Erkrankung zu unterstützen und dank ihres motivierenden Charakters im besten Fall zu beschleunigen. Meistens werden sie mit einem Gerät kombiniert, beispielsweise einem Gangroboter, der die Bewegungen unterstützt und ins digitale Spiel überträgt.


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SPIEL «Leute hören nicht auf zu spielen, weil sie alt werden, sie werden alt, weil sie aufhören zu spielen!» Oliver Wendell Holmes Sr., ame­ rikanischer Arzt und Schriftsteller (1809–1894), sah im Spiel ein Mittel, um – zumindest im Kopf – jung zu bleiben. Gewiss, den Alterungsprozess kann es nicht aufhalten. Doch wie dieses Dossier zeigt, haben spielerische Ansätze im Gesundheitswesen grosses Potenzial. So können Spiele eingesetzt werden, um die Gesundheit zu fördern, Therapien motivierender zu gestalten und die Genesung nach einem Unfall oder einer Krankheit zu beschleunigen.

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SPIELEN FÜR DIE GESUNDHEIT Serious Games gewinnen im Gesundheitswesen zunehmend an Bedeutung. Doch schon vor dem Aufkommen solcher digitalen Spiele kamen spielerische Ansätze zur Anwendung – vor allem in der Behandlung von Kindern. VON TOBIAS HÄNNI

Mehr als Unterhaltung: Serious Games, etwa für Virtual-Reality-Brillen, verbinden Spielspass mit einem ernsthaften Ziel, im Gesundheitswesen etwa mit therapeutischen Bewegungsübungen.

M

it Schneebällen auf Pinguine zu schie­ ssen, kann Schmerzen lindern. Was amüsant klingt, hat einen ernsten Hintergrund: die Behandlung von Verbrennungsopfern. Das Wechseln von Verbänden, das Reinigen der Wunden oder auch Bewegungsübungen sind für die Betroffenen äusserst schmerzhaft. Die US-amerikanischen Psychologen Hunter Hoffman und David Patterson suchten deshalb in den 1990er-Jahren nach einer Lösung, um die Behandlung für die Patientinnen und Patienten erträglicher zu machen. Sie fanden sie in der Virtual Reality (VR), genauer gesagt im VR-Spiel «SnowWorld». Während der Behandlung trägt der Patient eine VR-Brille, die ihn in eine Eiswelt eintauchen lässt, in der er mit Schneebällen auf Pinguine schiesst. Mit erstaunlichem Effekt: In einer 2011 veröffentlichten Studie zeigten die Wissenschaftler auf, dass der Einsatz von SnowWorld die während der Behandlung empfundenen Schmerzen um 35 bis 50 Prozent verringert. Die Erklärung der Wissenschaftler: Die

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virtuelle Welt und das Spielen verlangen von den Patienten so viel Aufmerksamkeit, dass ihr Gehirn die Signale der Schmerzrezeptoren viel weniger stark wahrnimmt. SPIELE GEWINNEN AN BEDEUTUNG

SnowWorld ist nur eines von zahlreichen gesundheitsbezogenen Serious Games (siehe Kasten), die in den letzten Jahren entwickelt wurden und zur wachsenden Bedeutung des Spielens im Gesundheitswesen beitragen. Die Spiele kommen in verschiedensten Bereichen des Gesundheitswesens zum Einsatz: In der Rehabilitation und Therapie, in der Gesundheitsförderung und Prävention, in der Patientenedukation oder auch in der Ausbildung von Health Professionals. So gibt es zum Beispiel mit «Re-Mission» ein Videogame, das bei Kindern mit einer Krebserkrankung das Verständnis der Krankheit erhöhen und die Medikamenteneinnahme verbessern soll. Das Smartphone-Spiel «Lit2quit» unter-


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stützt Raucherinnen und Raucher dabei, vom Glimmstängel loszukommen. Und «Gabarello» wird – in Kombination mit einem Gangroboter – bei der Rehabilitation von Menschen eingesetzt, deren Gehfähigkeit aufgrund neurologischer Schäden eingeschränkt ist (siehe Beitrag ab S. 15). P OT E N Z I A L L I E GT I N D E R M OT I VAT I O N

Die wachsende Relevanz von – vornehmlich digitalen – Spielen im Gesundheitswesen zeigt sich auch an den verschiedenen wissenschaftlichen Fachjournalen zum Thema, die seit ein paar Jahren erscheinen, darunter das «Games for Health Journal» oder das «International Journal for Serious Games». Ausserdem haben sich grosse Konferenzreihen wie «Games for Health Europe» etabliert, an denen sich Hunderte von Fachpersonen aus dem Gesundheitswesen, der Gamingbranche und aus weiteren Bereichen austauschen. «Das Potenzial von Serious Games für das Gesundheitswesen ist gross», sagt Ulrich Götz, Leiter der Fachrichtung Game Design an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Die ZHdK nimmt bei der Entwicklung von Serious Games für das Gesundheitswesen und andere Einsatzbereiche im deutschsprachigen Raum eine Vorreiterrolle ein. Ulrich Götz hat selber rund ein Dutzend gesundheitsbezogene Serious Games produziert und entwickelt derzeit mit dem ZHAWInstitut für Gesundheitswissenschaften auch ein Tablet-Game zur Förderung der Schreibmotorik bei Kindern (siehe Beitrag ab S. 19). Das Potenzial der Spiele sieht er vor allem in ihrer Qualität, die Motivation zu steigern. «Sie können die aktive Teilnahme, etwa an einer Therapie, erheblich fördern», sagt Götz. «Das entlastet die Therapeuten, da sie die Patienten weniger animieren müssen, die Übungen zu machen.» Besonders geeignet seien die Spiele in der motorischen Rehabilitation. Bei dieser ist es für einen raschen Fortschritt wichtig, dass die Patienten die Übungen möglichst oft wiederholen. «Wenn ein Serious Game Spass macht und die Freude am Trainieren weckt, kommt sein motivierender Charakter voll zum Tragen», so Götz. Serious Games können auch für die Vermittlung von Wissen eingesetzt werden. Solche Spiele zu entwickeln, sei aber deutlich herausfordernder als Reha-Spiele. «Lerninhalte in ein Spiel zu integrieren, ist komplex. Die zusätzliche Erklärebene macht es schwieriger, den Spieler ins Game eintauchen zu lassen.» Die Aufgabe des Gamedesigners ist es dann laut Götz, eine gute Balance zwischen der Wissensvermittlung und dem Unterhaltungswert des Spiels zu finden.

UNTERHALTSAM, ABER MIT ERNSTEM ZWECK Serious Games, also ernste Spiele, dienen nicht der reinen Unterhaltung. Stattdessen verknüpfen sie das Spielerlebnis mit einem ernsthaften Ziel, im Bereich Gesundheit etwa mit der Förderung der psychischen Gesundheit, der Vermittlung von gesundheitsrelevanten Informationen oder der Rehabi­ litation nach einem Unfall oder einer Erkrankung. Zu den Serious Games zählen unter anderem auch die sogenannten Exer­games, also Bewegungsspiele. Diese kommen nicht nur in Praxen oder Reha-Zentren zum Einsatz, es gibt sie auch für den heimischen Gebrauch, beispielsweise auf der Spiel­konsole Nintendo Wii. Zu unterscheiden sind Serious Games vom Begriff Gamification. Während es sich bei Serious Games um vollwertige Spiele handelt, bezeichnet Gamification die Einbettung einzelner Spielmechanismen, etwa das Sammeln von Punkten oder Highscores, in spiel­fremde Anwendungen wie zum Beispiel in GesundheitsApps oder Lernpro­gramme.

Ulrich Götz sind die Spiele jedoch kein Allheilmittel, das – quasi ab Stange – für jeden Zweck im Gesundheitswesen eingesetzt werden kann. «Die Spiele müssen präzise auf ein medizinisch-therapeutisches Ziel hin entwickelt werden.» Doch wie steht es um die Wirksamkeit von Serious Games? Weisen alle einen so starken positiven Effekt auf wie das eingangs erwähnte SnowWorld? Angesichts der Fülle an Spielen – eine Übersichtsstudie identifizierte schon 2018 rund 1800 Games for Health – und der unterschiedlichen Anwendungsbereiche gibt es dazu keine allgemeingültige Antwort. Ein 2020 im deutschen «Bundesgesundheitsblatt» veröffentlichter Beitrag zu Serious Games und Gamification erwähnt zwei ältere Metastudien aus den Jahren 2012 und 2014, die positive Effekte von Games beim Wissenserwerb respektive auf Kognition, Wahrnehmung, Verhalten und Motivation feststellten. Der Beitrag verweist zudem auf Übersichtsarbeiten, die eine hohe Wirksamkeit von Serious Games bei psychischen Erkrankungen feststellten: Eine deutliche Mehrheit der ausgewerteten Studien wies auf eine signifikante Reduktion der Symptome hin. Trotzdem lassen sich diese positiven Effekte nicht verallgemeinern. Auch, weil sich «die Wirksamkeit bei gewissen Spielen nur schwer messen lässt», so Ulrich Götz.

«Das Potenzial von Serious Games für das Gesundheits­ wesen ist gross.»

KEIN ALLHEILMITTEL

Grundsätzlich sei es für die Entwicklung eines gelungenen Serious Games wichtig, dass neben einem nutzerorientierten Design das therapeutische Problem beziehungsweise Ziel genau definiert sei. «Als Gamedesigner muss man sich intensiv mit dieser Zielsetzung befassen.» Es komme jedoch auch vor, dass der Auftraggeber selbst noch nicht genau wisse, wozu das Spiel eingesetzt werden soll. «In solchen Fällen steht eher im Vordergrund, am Serious-Games-Markt auch teilhaben zu wollen – allerdings ohne klare Zielsetzung.» Für

BEI KINDERN GEHT’S NICHT OHNE

Während Serious Games im Gesundheitswesen noch weiter etabliert werden müssen und sich ihre Wirksamkeit beweisen muss, sind andere – sprich analoge – Spiele schon lange fester Bestandteil insbesondere der Behandlung von Kindern. Zum Beispiel in der pädiatrischen Ergotherapie. «In der Arbeit mit Kindern sind spielerische Ansätze unabdingbar», sagt Angelika Echsel, Ergotherapie-Dozentin am De-

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In der Arbeit mit Kindern unabdingbar: Spielerische Ansätze sind fester Bestandteil der pädiatrischen Ergo- oder Physiotherapie.

partement Gesundheit. «Spiele sind so wichtig für die Entwicklung der Kinder, dass man in der Therapie gar nicht um sie herumkommt.» Mithilfe von Spielen werde eine Atmosphäre geschaffen, in der das Kind entspannt sei und damit offen, Neues zu lernen. «Die Therapie soll die Sicht des Kindes miteinbeziehen, seine Neugier wecken. Dann ist auch seine Motivation viel höher», führt Angelika Echsel aus. Das Spielen habe genau diesen Effekt: Es wecke den inneren Drive und stärke die Selbstwirksamkeit der kleinen Klientinnen und Klienten. Über die motorischen oder kognitiven Fähigkeiten hinaus werden dabei immer auch die sozialen Kompetenzen gefördert. «Im Spiel mit anderen finden sehr viele zwischenmenschliche Interaktionen statt.» N I C H T B LO S S E S P I E L E R E I

In der pädiatrischen Ergotherapie kommen laut Echsel verschiedenste Arten des Spiels zum Einsatz, etwa Rollenspiele, Konstruktionsspiele – wie zum Beispiel Lego – oder Gesellschaftsspiele. «Wichtig ist, dass das Spiel jeweils an das Kind, aber auch an dessen Familie und Umfeld angepasst wird.» Häufig werden deshalb Spiele aus dem Alltag der Familie in die Therapie eingebaut. Ausserdem wird durch Gespräche mit dem Kind ermittelt, welche Spiele es besonders mag. Das zeigt einen weiteren wichtigen Aspekt spielerischer Ansätze in der pädiatrischen Ergotherapie: Statt einfach zu instruieren, wird die Therapie in enger Zusammenarbeit mit dem Kind gestaltet. «Die Frage dabei ist stets, mit welchen Spielen man das Kind befähigt, das Therapieziel zu erreichen.» Angelika Echsel hebt hervor, dass das Spiel in der pädiatrischen Ergotherapie nicht blosse Spielerei ist, sondern ein professioneller und wissenschaftlich fundierter Ansatz. Das zeigt sich auch im umfangreichen Standardwerk «Play in Occupational Therapy for Children». Das 1997 erstmals herausgegebene Buch legt das theoretische Fundament für den evidenzbasierten Einsatz von Spielen in der Ergotherapie und nimmt dabei Bezug auf verschiedene (entwicklungs-) psychologische, spieltheoretische und ergotherapeutische Ansätze sowie wissenschaftliche Erkenntnisse. 14

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Wie in der Ergotherapie sind Spiele auch in der pädiatrischen Physiotherapie zentral. «Im Spiel setzen sich die Kinder aktiv mit sich und ihrer Umwelt auseinander und üben ganz nebenbei motorische Fähigkeiten wie Kraft oder Ausdauer, um komplexe Bewegungshandlungen wie das Laufen oder Werfen zu entwickeln», sagt Silke Scheufele. Die Physiotherapeutin ist am Kantonsspital Winterthur als klinische Spezialistin auf der Neonatologie sowie der Säuglings- und Kinderstation tätig und baut derzeit im Therapie-, Trainingsund Beratungszentrum Thetriz am Departement Gesundheit die pädiatrische Physiotherapie auf. Die kindliche Lust und Freude am Spiel könne man nutzen: Sie führe im besten Fall dazu, «dass das Kind gar nicht merkt, dass es etwas übt». Der Einsatz von Spielen habe zudem den Effekt, dass die Therapie für das Kind positiv besetzt sei. «Es geht dann gerne in die Physiotherapie, da es sich abgeholt fühlt und als selbstwirksam erlebt. Dazu trägt auch bei, dass die Ziele immer mit Kind und Eltern gemeinsam festgelegt werden, sobald die Kinder den Therapieprozess aktiv mitgestalten können.» Die Motivation des Kindes wirke sich wiederum positiv auf die Eltern aus. «Hat das Kind Spass, sind sie motiviert, die spielerischen Übungen in den Alltag einzubauen.» DA S S P I E L A L S T Ü R Ö F F N E R

Welche Spiele in der Therapie genutzt werden, hängt unter anderem vom Alter der jungen Patientinnen und Patienten ab. Bei Kleinkindern kämen etwa Symbol- oder Rollenspiele zum Einsatz, sagt Scheufele. «Das Kind ist dann beispielsweise Feuerwehrmann oder -frau und muss in dieser Rolle eine Leiter hochklettern. Oder es soll eine Puppe ins Bett bringen und dazu eine Treppe hochsteigen.» Das physiotherapeutische Ziel, das man mit solchen Spielen verfolge, sei etwa die Förderung der Koordination oder der Aufbau von Muskeln. Ab etwa vier bis fünf Jahren kämen zunehmend auch Spiele mit kompetitivem Charakter zum Einsatz, bei denen die Kinder an ihre Grenzen gehen und ihre Stärken ausloten sollen. «So können wir gewisse Übungen spielerisch wiederholen und ihre Intensität steigern, ohne dass es dem Kind langweilig wird», erklärt Silke Scheufele. Spielerische Ansätze kommen auch noch bei älteren Kindern und Jugendlichen zur Anwendung. Wie stark, hänge aber von der therapeutischen Zielsetzung sowie vom Entwicklungsalter des Kindes oder des Jugendlichen ab. «Nicht für jedes 12-jährige Kind ist ein spielerisch therapeutischer Ansatz das Richtige. Je nachdem sind dann eher klassische physiotherapeutische Übungen mit einem strukturierten Aufbau und einer klaren Abfolge besser geeignet.» Das Spiel ist in der Arbeit mit Kindern vor allem Mittel zum Zweck, sagt Silke Scheufele. «Wir setzen es aber auch ein, um zu Beginn einer Therapie Zugang zum Kind zu erhalten, sein Vertrauen zu gewinnen.» Das Spiel fungiere als Türöffner und lade das Kind ein, am Therapieprozess teilzunehmen. «Ich agiere dann mit dem Kind auf Augenhöhe, spreche seine Sprache und komme automatisch in eine Aktivität mit ihm. Vor allem bei Kleinkindern sehe ich dann durch das Spielen bereits, ob ihre motorischen Fähigkeiten ihrem Entwicklungsalter entsprechen. Das ist für die weitere Planung und Zielsetzung der Therapie sehr wertvoll.» //


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MOTIVIERT BLEIBEN AUF DEM L ANGEN REHA-WEG Nach einem Schlaganfall oder bei Erkrankungen wie Multipler Sklerose brauchen Betroffene regelmässig Rehabilitation, darunter auch Physiotherapie. Im ambulanten Reha-Zentrum Revigo in Volketswil (ZH) wird spielerisch auf die Therapieziele hingearbeitet – mit sogenannten Exergames in Robotikgeräten. VON SUSANNE WENGER

E

in kleiner Raumfahrer spaziert durch eine Planetenlandschaft und entfacht möglichst viele Lichter. Autos sausen durch Strassenschluchten, man muss ihnen ausweichen. Und in einem Garten fällt Obst in bereitgestellte Körbe – wenn es denn klappt. Ist eine bestimmte Punktzahl erreicht, piepst und blinkt es vom Bildschirm, digitale Pokale werden verteilt. Los, auf zum nächsten Schwierigkeitslevel! Solche Aufgaben in virtuellen Welten dienen üblicherweise Gamerinnen und Gamern zur Unterhaltung. Doch hier, im hellen Raum des RehaZentrums Revigo in Volketswil, gehören ausgewählte Videospiele zur Therapie. Sie heissen Exergames, in Anlehnung an das englische Wort «exercise» für «trainieren». Die Exergames sind auf die Robotikgeräte programmiert, die bei Revigo für die neurologische Rehabilitation eingesetzt werden, also etwa nach Hirnschlägen, bei Multipler Sklerose, Paraplegie nach Unfällen oder bei kindlicher Cerebralparese. In dem unscheinbaren Gebäude im Volketswiler Industriequartier kommen menschliche Schicksale, technologische Innovation und fachkundige Therapie zusammen. Patient Roger Grivel steht an diesem Dienstagmorgen in einem der fünf Reha-Roboter. «Vor sieben Jahren veränderte sich mein Leben von einem Moment auf den anderen komplett», erzählt der 49-Jährige mit sonorer Stimme. In einer Nacht im Mai 2014 erlitt er einen schweren Schlaganfall und lag eine Zeitlang im Koma. Die linke Körperseite war gelähmt, Grivel war auf den Rollstuhl angewiesen. ÜBEN, ÜBEN, ÜBEN

Dank intensiver Reha und unbändigem Willen erzielte der frühere Bankkundenberater Fortschritte. Heute kann er wieder gehen, langsam, in kleinen Schritten, einen stützenden Arm nimmt er gerne an. Er lebt selbständig. «Das ist mir enorm wichtig», sagt er. Um die zurücker-

Der Gangroboter Lokomat ermöglicht Reha-Patient Roger Grivel ein zügiges Gehen. Und dank 23 verschiedener Exergames ein motivierendes und abwechslungsreiches Training.

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nochmals aufploppen. «Den Gangrhythmus zu trainieren, ist wichtig für dich», sagt die Therapeutin zu ihm. Im Revigo sind alle per du, die Stimmung wirkt locker.

«Die Games spornen durch das Wettkampf­ element an.»

langten Fähigkeiten zu behalten und weiter zu verbessern, gibt es für den Zürcher nur eins: üben, üben, üben. Zusätzlich zur konventionellen Physiotherapie kommt er seit einigen Monaten dreimal wöchentlich in die Reha-Robotik, um den linken Arm und das linke Bein zu trainieren. Heute gehts los mit der «C-Mill», einem Roboter für Gangtherapien. Gut gesichert mit einem Körpergurt, steht Roger Grivel auf einem Laufband, vor sich einen hochformatigen Screen. Sporttherapeutin Deborah Knechtle ruft an einem Laptop das Programm auf, das eigens für diesen Patienten gemäss den Therapiezielen erstellt wurde. «Die Zusammenstellung der Exergames ist ein therapeutischer Akt», sagt Knechtle. Auch die Tagesform könne berücksichtigt werden. Mehr als zehn Spiele leiten Grivel in den nächsten 50 Minuten durch unterschiedliche Übungen. Er trainiert dadurch motorische wie auch kognitive Fähigkeiten, vom Gleichgewicht über die Gangsicherheit und -symmetrie bis zur Koordination und Reaktion. BEWEGUNG STEUERT SPIEL

Der Roboter setzt sich in Betrieb. Auf dem Monitor erscheint eine virtuelle Büroumgebung mit herunterfallenden weissen Kugeln aus zusammengeknülltem Papier. Durch Gewichtsverlagerung von einem Bein aufs andere bewegt Roger Grivel Papierkörbe, um die Knäuel aufzufangen. Genau so funktionieren Exergames: die Bewegungen des Spielers werden durch technische Elemente erfasst und auf das Spielgeschehen übertragen. Zugleich führt die Kraftmessplatte unter seinen Füssen Ganganalysen durch und schickt die Daten auf den Bildschirm. Patient und Therapeutin können den Verlauf der Therapie verfolgen und beispielsweise sehen, ob beide Beine etwa gleich belastet werden. Grivel steuert und trifft prima, die ersten tausend Punkte sind bald erreicht. Eine kleine Fanfare ertönt, doch der Patient will mehr. «1000 sind Standard, vorher gehe ich nicht heim», scherzt er. Beim nächsten Spiel muss er eine ganze Reihe grüner Punkte einheimsen und dafür im richtigen Takt gehen. Die Anstrengung ist ihm anzusehen und anzuhören, sein Lieblingsspiel ist das nicht. Trotzdem wird es später 16

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« DA S I S T N E U E R R E KO R D »

Roger Grivel übt jetzt den Einbeinstand. Gelingt er ihm, regnet es auf dem Bildschirm Birnen, Zitronen, Erdbeeren. Später folgt sein Favorit: das Fussball-Game. Durch Körperbewegungen fängt er virtuelle Bälle mit einem mobilen Balken auf, zuerst nur einen, dann zwei, dann drei, wo sie runterkommen, weiss er nicht, mal links, mal rechts, immer mehr, immer schneller – ganz schön anspruchsvoll. So werde auf spielerische Art Alltag simuliert, erklärt Therapeutin Deborah Knechtle. Denn auch im realen Leben müsse man sich auf die Umgebung konzentrieren und ständig auf Impulse reagieren. «74 am Stück getroffen: Das ist neuer Rekord», bilanziert Grivel zufrieden. Der einstige Sportler ist ehrgeizig. Man komme nur weiter, wenn man gefordert werde, sagt er bestimmt. Diese Einstellung habe ihn davor bewahrt, nach dem folgenreichen Schlaganfall zu resignieren: «Ich habe mir von Anfang an gesagt: Mein Kopf ist stärker als mein Körper.» Die Exergames behagen dem Patienten. Er spielte immer gern auf der Playstation, und auch die Mitgliedschaft in einem Theaterverein bezeugt seinen Bezug zu verschiedenen Ausprägungen von Spiel. «Das Gute an den Exergames ist die Ablenkung», sagt er. Er versteife sich weniger auf sein eingeschränktes Bein, die therapeutische Übung erfolge so fast nebenbei. Z H AW - F O R S C H E R I N : G E G E N D I E M O N OTO N I E

Der grösste Vorteil der Exergames sei der motivations­för­ dernde Effekt, sagt Eveline Graf. Die Physiotherapie-Wissen­schaftlerin am ZHAW-Departement Gesundheit erforscht die Anwendung neuer Technologien in der Physiotherapie. Neurologische Reha dauere Monate bis Jahre, «manchmal ein Leben lang». Die Therapie nutze die Fähigkeit des Gehirns, ausgefallene Funktionen durch andauerndes Training in anderen Hirnregionen erneut auszubilden. Dazu müssten die Übungen wieder und wieder ausgeführt werden, sagt Graf. Da wirkten Exergames der Monotonie entgegen: «Sie machen Spass, spornen durch das Wettkampfelement an und geben unmittelbares Leistungsfeedback.» Das könne Patientinnen und Patienten dazu bringen, längerfristig dranzubleiben. Exergames gelten als Unterkategorie der «Serious Games». Die Bezeichnung drückt aus, dass diese Spiele einen ernsthaften Zweck haben. Die auf den Reha-Robotern installierte Spielsoftware wurde von Gesundheitsfachpersonen mitentwickelt. So ist laut Eveline Graf sichergestellt, dass das Spiel die therapeutisch erwünschten Bewegungsmuster belohnt. Die Wissenschaftlerin sieht Robotik und Exergames als Mittel zum Zweck. Die wichtigste Rolle spiele nach wie vor die physiotherapeutische Fachperson. Nur sie könne beispielsweise einschätzen, ob der Patient genau an der Leistungsgrenze trainiere, also weder über- noch unterfordert sei. Graf führt derzeit im Revigo eine Studie zu Kosten und Nutzen solcher Therapien im ambulanten Setting durch, wo sie noch wenig verbreitet sind.


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Die Mehrheit der Patientinnen und Patienten spricht laut Dino De Bon, Leiter des Revigo Reha-Zentrums, gut auf die Exergames an, Kinder wie Erwachsene. Wer sie nicht wolle, könne die Geräte auch ohne Spiele nutzen. Und kognitiv eingeschränkte Menschen bräuchten einfachere Spiele. «Die Therapieform steht am Anfang», sagt De Bon. «Sie wird permanent weiterentwickelt.» Revigo ist als Pionier in die Weiterentwicklung involviert. Robotikhersteller Hocoma firmiert gleich nebenan, den therapeutischen Betrieb stellt die Thurgauer Reha-Klinik Zihlschlacht. «Roger, bist du parat?», ruft Physiotherapeutin Anne Gehrig. «Immer», lautet die Antwort. Der Patient beendet die

Kaffeepause und wechselt auf den Lokomat, einen Roboter, der ihm durch eine Gang-Orthese zügiges Gehen ermöglicht. Unter stampfenden Geräuschen bewegt er sich durch neue digitale Welten. 23 Spiele umfasst die Lokomat-Ludothek, je nach Therapiefokus, von Ausdauer bis Aufmerksamkeit. Die Physiotherapeutin überwacht das Training. Berührungsängste zur Robotik und zu Exergames kennt sie nicht. «Ich sehe den Nutzen.» Zudem entlaste die Maschine sie von körperlicher Schwerarbeit. 2000 Schritte geht Roger Grivel, dann ist für diesen Tag Schluss. An den allerersten Schritt mit dem linken Bein erinnert er sich ganz genau, er gelang drei Monate nach der Hirnblutung: «Ein grandioser, emotionaler Moment.» Und der Erfolg konstanter Reha. //

«Das Gute an den Exergames ist die Ablenkung.»

SPIELE FÜR NACKEN, RUMPF UND HAND Verschiedene Forschungsprojekte am ZHAW-Departement Gesundheit befassen sich mit Therapien, in denen Exer­ games und virtuelle Umgebungen eingesetzt werden. Lange Arbeitstage am Computer, der vorgeschobene Smart­ phone-Hals, zu wenig Bewegung: aus diesen Gründen sind Nackenschmerzen weit verbreitet. Christoph Bauer, stell­ vertretender Leiter Forschung am Institut für Physiotherapie, und weitere Physiotherapie-Forschende entwickelten gemein­ sam mit der ZHAW-School of Engineering ein System, um Schmerzgeplagten Linderung zu verschaffen. Die «Valedo»Nackentherapie verbindet physiotherapeutische Übungen über Bewegungssensoren mit Computerspielen. Dadurch werden Fehlhaltungen am Bildschirm sichtbar gemacht. Zu­­dem sollen die Übungen mehr Spass machen als ohne das spielerische Element. Sie können individuell an die Be­dürfnisse der Betroffenen angepasst werden. Erprobt wurde die Nackentherapie mit 24 Testpersonen und zwölf Therapeutinnen bei klinischen Praxispartnern. Ebenfalls beteiligt war die Hocoma AG als Industriepartner. Im All­ gemeinen sei das Therapiesystem als nützliche und gute Idee angesehen worden, die sich zu einem geeig­neten Trainingsinstrument entwickeln könnte, bilanzierten die Forschenden. Das Instrument soll dereinst auch zuhause genutzt werden können. Nach virtuellen Früchten greifen Forschende am Institut für Physiotherapie sowie der School of Engineering entwickelten ausserdem ein spielerisches Augmented-Reality-Trainingsprogramm, um den Rumpf nach einem Hirnschlag zu stabilisieren. Während Reha-Robotik und virtuelle Umgebungen für das Training von Arm- und Bein­ funktionen nach einem Schlaganfall vermehrt zum Einsatz kommen, sind solche Innovationen für den Rumpf noch rar. Dabei ist die Kontrolle des Rumpfs häufig beeinträchtigt,

Nackenschmerzen spielerisch behandeln: PhysiotherapieForscher Christoph Bauer testet mit einer Probandin den Prototyp der Valedo Nackentherapie.

was sich aufs Sitzen, Gehen und Stehen auswirkt. Das Trainings­programm «Holoreach» basiert auf der Hololens, einer Augmented-Reality-Brille. Die Software animiert Patien­ tinnen und Patienten spielerisch dazu, im Raum nach vir­t­ uellen Früchten zu greifen. Das Programm wird in einem Reha-Zentrum auf seine Benutzerfreundlichkeit getestet. Auf das Trainieren von Griffkraft und Funktionsfähigkeit der Hand zielt der Therapieroboter GripAble. Dieser kam bislang vor allem bei neurologischen Erkrankungen zum Einsatz. Verena Klamroth, Forscherin am Institut für Ergotherapie, untersucht in einem Projekt, ob er sich auch für die Rehabilita­ tion nach einem Handgelenksbruch eignet. Beim GripAble handelt sich um einen Handgriff mit Sensoren, der in der Klinik oder im Heimtraining genutzt werden kann. Durch Hand­ bewegungen und Druck auf den GripAble steu­ern Klientin­ nen und Klienten auf einem Tablet Spiele. Diese wurden für verschiedene Altersgruppen und Niveaus ent­wickelt. Auch hier gilt: Durch die Spiele wird das Üben attrak­­tiver und die Nutzerinnen und Therapeuten erhalten Rück­mel­dung über die Leistung und mögliche Verbesserungen.

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Spiel in der Behandlung von Kindern: Spiele sind fester Bestandteil unter anderem der pädiatrischen Ergo- und der Physiotherapie, wo Bewegungen und Tätigkeiten spielerisch geübt werden. Ausserdem gibt es spezifisch für Kinder und Jugendliche entwickelte Games, mit denen etwa die Schreibmotorik oder bei jungen Krebspatientinnen und -patienten das Verständnis für die Krankheit gefördert wird.


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BEIM GA MEN DAS SCHREIBEN ÜBEN Bis zu einem Drittel der Schulkinder hat feinmotorische Schwierigkeiten, die sich beim Schreiben bemerkbar machen. Ein neues digitales Spiel, das am Departement Gesundheit entwickelt wird, soll dafür sorgen, dass Üben Spass macht. VON ANDREA SÖLDI

U

m das Königreich Haal zu retten, muss der kleine Fuchs seinen Weg durch ein Labyrinth suchen und unterwegs Buchstaben einsammeln. Er muss Hindernissen ausweichen, über eine schmale Brücke gehen sowie Schatztruhen finden und öffnen. Dabei helfen ihm magische Kräfte, die er aber auch wieder verliert, wenn er zum Beispiel eine der blauen Blumen berührt. Mit dem neuen digitalen Spiel «Haal» sollen Primarschulkinder mit Schreibschwierigkeiten ihre Schreibmotorik trainieren können. Sie führen das Füchslein mit einem speziellen Stift auf einem Touchscreen durch die ansprechend gestaltete virtuelle Landschaft. Das Serious Educational Game wird im Rahmen eines Forschungsprojekts entwickelt, an dem das Institut für Gesundheitswissenschaften und das Institut für Ergotherapie der ZHAW gemeinsam mit Partnern der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) und der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH) arbeiten. HINDERNIS BEIM LERNEN

«Feinmotorische Schwierigkeiten beim Schreiben gehören zu den häufigsten Lernstörungen bei Schulkindern», sagt Projektleiter Frank Wieber. Betroffen seien zwischen 10 und 30 Prozent der Primarschülerinnen und -schüler. Dies sei nicht einfach nur ein Problem, weil die Arbeitsblätter nicht schön aussehen. Vielmehr können die Kinder ihr Wissen nicht zeigen, wenn es ihnen nicht gelingt, ihre Gedanken und Geschichten flüssig und gut lesbar auf Papier zu bringen. Dies führe häufig zu Frustration und einem verringerten Selbstwertgefühl, weiss der stellvertretende Forschungsleiter am Institut für Gesundheitswissenschaften. Ein Ansatz sei, den betroffenen Kindern schon früh eine Tastatur zur Verfügung zu stellen, um ihnen den schriftlichen Ausdruck zu erleichtern. Wieber findet das keine gute Lösung. «Auch in der zunehmend digitalisierten Welt sind das Schreiben von Hand wie auch andere feinmotorische Fähigkeiten weiterhin wichtig.» Im Alltag sei Geschicklichkeit zum Beispiel beim Schuhebinden, beim Essen oder Aufräumen gefragt und später auch in vielen handwerklichen Berufen, aber auch beispielsweise für Zahnärztinnen und Chirurgen unverzichtbar.

AUCH HYPERAKTIVE KINDER ERREICHEN

Um die Grafomotorik zu verbessern, führe nichts an regelmässigem Üben vorbei, betont Wieber. Eigentlich gelte der Grundsatz: Am besten eignet man sich eine Fähigkeit an, indem man genau das trainiert, was man lernen will. Damit man geschickter wird beim Schreiben, wäre es also am effizientesten, einfach regelmässig zu schreiben. Viele bestehende Materialien, die häufig in der Schreibförderung zum Einsatz kommen, beruhen exakt auf diesem Prinzip: Das Kind schreibt Buchstaben und Sätze möglichst genau nach Vorlage. So zu üben ist für Kinder aber meist langweilig und wenig motivierend. Besonders schwer fällt es Kindern mit einem Aufmerksamkeitsdefizit oder einer Hyperaktivitätsstörung (ADS oder ADHS), die häufig von Schreibschwierigkeiten betroffen sind. Die Kinder zum regelmässigen Üben zu bringen, sei für die Eltern meist mit viel Anstrengung und Konflikten verbun-

Spielerisch Schreibmotorik trainieren: Entwicklung eines Serious Games zur Unterstützung bei Schreibschwierigkeiten Projektleitung ZHAW: Prof. Dr. Frank Wieber (stv. Leiter Forschung am Institut für Gesundheitswissenschaften) Projektteam ZHAW: Dr. Annina Zysset (stv. Projektleitung) Prof. Dr. Brigitte Gantschnig (Institut für Ergotherapie), Prof. Dr. Christina Schulze (Institut für Ergotherapie) Projektpartner/-innen: ZHdK: Prof. Ulrich Götz (Leiter der Fachrichtung Game Design), Ava Thalheim PHZH: Prof. Dr. Reto Luder, Mirjam Nievergelt (Zentrum Inklusion und Gesundheit in der Schule)

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Die Schreibübungen werden zum Abenteuer: In «Haal» steuern Kinder ein Füchslein durch eine virtuelle Welt. Dazu müssen sie mit einem Stift beispielsweise gerade Linien über Brücken zeichnen oder mit Kreisen Hindernisse aus dem Weg räumen.

den, weiss Wieber. Um die Motivation zu steigern, werden die Kinder bei digitalen Programmen nach der Übung häufig mit einem Spiel oder etwas Aufheiterndem belohnt. Anders beim neuen Schreibspiel namens Haal: Eines der wichtigsten Ziele der Innovation sei, dass die Kinder bereits die Übung selber gerne machen, erklärt der Psychologe. «Für die Kinder soll es sich nicht wie lernen anfühlen, sondern sie sollen Spass daran haben.» So will man erreichen, dass sie genügend häufig trainieren, um einen Lerneffekt zu erzielen – auch jene ohne besonders engagierte Eltern, welche sie regelmässig daran erinnern. Zudem entfalle die Stigmatisierung: Für das betroffene Kind ist es viel cooler, wenn es den Kollegen sein neues Game zeigen kann, als wenn es erklärt, es müsse jetzt noch Schreibübungen machen.

Das Programm ist deshalb so gestaltet, dass gewisse Aufgaben nicht gelingen, wenn das Kind allzu grossen Druck ausübt: Zum Beispiel kann es dann den Stein, der im Weg liegt, nicht auf die Seite schieben. Lehrpersonen oder Therapeutinnen sollen mit der Software eine direkte Rückmeldung zum Übungsverhalten und zu den Lernfortschritten erhalten und die Schwierigkeit anpassen können. Wie bei vielen digitalen Games steigen die Spielenden dann in ein höheres Level mit höheren Ansprüchen an Geschwindigkeit und Genauigkeit auf. Die Entwickler wollen jedoch vermeiden, dass ein Suchteffekt entsteht und die Kinder immer weiterspielen. «Das Programm ist ethisch designt. Spätestens nach einer halben Stunde ist das Tagesziel erreicht», erklärt Frank Wieber. Sinnvoll sei es, während mehrerer Wochen täglich 15 bis 30 Minuten zu spielen. Ob diese Zeitspanne und Häufigkeit zu einer deutlichen Verbesserung führt, muss aber erst noch getestet werden.

«Für die Kinder soll es sich nicht wie lernen anf ühlen.»

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Mit dem neuen Spiel, das für gewöhnliche Tablets entwickelt wird, üben die Kinder zwar nicht direkt das Schreiben von Wörtern, doch sie müssen anspruchsvolle, schreibähnliche Bewegungsfolgen umsetzen. Zum Beispiel ziehen sie lange, gerade Striche, um das Füchslein über eine immer schmaler werdende Brücke zu führen. Oder sie räumen Steine aus dem Weg, indem sie diese mit dem Stift umrunden und anstossen. Der Touchscreen registriert zudem, mit wie viel Druck die Benutzenden den Stift führen und in welchem Winkel sie ihn halten. Denn viele Kinder mit Schreibschwierigkeiten verkrampfen ihre Hand und drücken viel zu stark. 20

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Das Forschungsprojekt ist im Sommer 2018 gestartet. Die erste Projektphase hat das interprofessionelle Team mit Eigenmitteln finanziert. Seit diesem Jahr wird das Projekt mit Mitteln eines Fellowship vorangetrieben, das die stellvertretende Projektleiterin Annina Zysset von der Digitalisierungsinitiative der Zürcher Hochschulen (DIZH) erhalten hat. So wurde ein erster Prototyp entwickelt und auf Funktionalität


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und Akzeptanz überprüft. Inzwischen ist die erste Version überarbeitet und mit Schülerinnen und Schülern von der ersten bis dritten Klasse getestet worden. Die Ergebnisse waren vielversprechend. Für den nächsten Schritt muss das interdisziplinäre Projektteam nun weitere Finanzen akquirieren. Damit soll der Prototyp mittels eines partizipatorischen Prozesses weiterentwickelt werden: Kinder, Lehrpersonen und Eltern sind stets involviert und geben regelmässig Feedback. Nach der Fertigstellung soll das Spiel für die Verbesserung der Schreibmotorik mittels einer Pilotstudie in einer Schule auf seine Wirksamkeit geprüft werden. Läuft alles nach Plan, wird 2023 ein Produkt zur Verfügung stehen, das in den ersten

Schulen zum Einsatz kommt. Frank Wieber hofft sehr, dass sich Geldgeber finden, um das Projekt zu Ende zu führen. «Unsere Idee ist einzigartig», sagt der Professor für Public Health. Bisher gebe es kein vergleichbares Angebot auf dem Markt, das alle Eigenschaften des neuen grafomotorischen Spiels in sich vereine: eine grosse Motivierung der Kinder, selbstständig und häufig zu üben, sowie eine evidenzbasierte Gestaltung. Dank des niederschwelligen Zugangs über die Schule und einer einfachen Einbindung in den Alltag soll zudem eine grosse Reichweite erzielt werden, erklärt Frank Wieber: «Wir hoffen, damit möglichst vielen Kindern mit Schreibschwierigkeiten eine ressourcenorientierte und wirksame Unterstützung bieten zu können.» //

SPIELE FÜR EINEN BESSEREN AUSTAUSCH AN RUNDEN TISCHEN Bei der Behandlung von ADHS bieten runde Tische eine wichtige Plattform für den Austausch zwischen Eltern, Lehrpersonen, Ärztinnen und anderen Beteiligten. Doch die Kommunikation ist nicht immer einfach. Nun soll ein neues Spiel Gespräche auf Augenhöhe erleichtern. Runde Tische gehören zu den wichtigsten Instrumenten bei der Begleitung von Kindern mit einer Aufmerksamkeits­ defizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Dabei sitzen alle Beteiligten zusammen – von der Ärztin über die Lehrperson und den Schulpsychologen bis zu den Eltern und eventuell dem Kind selbst – und besprechen die Situation. Doch die Treffen verlaufen nicht immer harmonisch. Die verschie­ denen Hintergründe und Perspektiven können zu Missverständnissen führen. Zudem ist manchmal im Vorfeld schon so viel vorgefallen, dass das Verhältnis zwischen den Beteiligten belastet ist. Um eine bessere Zusammenarbeit zu fördern, entwickelt das ZHAW-Institut für Gesundheitswissenschaften nun ein Spiel. Der Auftrag stammt von der Firma eyelevel, die digitale Produkte für die Förderung der mentalen Gesundheit herausgibt. Aufbauend auf den Erkenntnissen der ZHAWStudie «Kinder fördern» über den Umgang mit von ADHS betroffenen Kindern soll das sogenannte Serious Game den Beteiligten eine Kommunikation auf Augenhöhe ermöglichen, erklärt Frank Wieber, Projektleiter und stellvertretender Leiter Forschung am Institut für Gesundheitswissenschaften. Wichtig sei auch, dass den Eltern eine Expertenrolle zu­komme und das Wohl des Kindes im Mittelpunkt stehe. «Statt sich gegenseitig die Schuld zu geben, sollen die Beteiligten gemeinsam nach Lösungen zu suchen.» Gameathon für gute Ideen Um geeignete Spielideen zu finden, wurde im Frühling 2021 ein zweitägiger Wettbewerb durchgeführt. An diesem Gameathon nahmen rund 160 Personen teil: Spielentwicklerinnen, Pädagogen, Psychologen, Kommunikationsexpertinnen, Grafikdesigner und Fachpersonen anderer Disziplinen

arbeiteten zusammen in Teams. Von insgesamt 30 Projekten wurden die besten drei prämiert. Der Gameathon hat den Grundstein für die weitere Zu­ sammenarbeit gelegt. Im nächsten Schritt arbeiten die drei Gewinnerteams gemeinsam mit eyelevel und der ZHAW, um zwei Spieltypen zu entwickeln. In diesem Rahmen ist auch eine Testung im weiteren Projektverlauf geplant, bei denen Eltern, Kinderärztinnen und -ärzte, Lehrpersonen und betroffene Kinder die Spiele am runden Tisch ausprobieren können. So wird sichergestellt, dass sie alltagstauglich sind und den Austausch zur Unterstützung der Kinder durch die spielerischen Elemente strukturieren und bereichern. Spiel soll Gesprächsleitung erübrigen Die Herausforderung sei, die Spiele so zu gestalten, dass sie keine zusätzliche Zeit beanspruchen, erklärt Wieber. «Sie müssen leicht verständlich und auf die jeweilige Problematik adaptierbar sein.» Im Idealfall übernimmt das Spiel die Gesprächsmoderation, um eine gleichberechtigte Teilnahme aller Beteiligten zu unterstützen. Bis im Frühling 2022 ist die Fertigstellung der Proto­typen geplant, die dann evaluiert und optimiert werden. In einem späteren Schritt sind digitale Versionen der Spiele geplant. Diese sollen in die App von eyelevel integriert werden, welche umfassende Informationen und Hilfe­stellungen zum Thema ADHS bietet.

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Forschungsobjekt kindliches Spiel: Ob motorische, soziale oder kognitive Fähigkeiten – Spielen ist für die Entwicklung von Kindern zentral. Das kindliche Spiel und wie dieses gefördert werden kann, ist deshalb auch Forschungsgegenstand verschiedener Disziplinen, beispielsweise der Entwicklungspsychologie, der Spielforschung oder der Ergotherapie.


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DA MIT ALLE KINDER ZUGANG ZUM SPIELEN HABEN Spielen ist ein Grundbedürfnis, doch nicht alle Kinder haben die Möglichkeit, sich im öffent­lichen Raum auszutoben und erste soziale Kontakte zu knüpfen. Ines Wenger und Thomas Morgenthaler sind zwei von acht Doktorierenden, die im Rahmen des europäischen Doktoratprogramms P4Play am Institut für Ergotherapie zum Spiel von Kindern forschen. VON MARION LOHER

O

b drinnen oder draussen, mit Bauklötzen oder beim «Fangis», allein oder mit anderen: Spielen ist für Kinder und ihre Entwicklung elementar. Insbesondere das freie Spiel, jenes also, bei dem die Erwachsenen nicht mitbestimmen, wird als zentrale Beschäftigung im Alltag eines Kindes verstanden. Dabei können die Kinder ihren Bewegungsdrang ausleben und verschiedene Fähigkeiten wie Geschicklichkeit, Kraft und Koordination erproben. Gleichzeitig werden in der Interaktion mit anderen Kindern wichtige soziale Kompetenzen erworben: Sie lernen zu teilen, zu streiten und sich wieder zu versöhnen. Die Sinneseindrücke und Erlebnisse, die durch das Spielen entstehen, fördern die Entwicklung des kindlichen Gehirns. Spielen ist ein Grundbedürfnis, die UN-Kinderrechtskonvention hält deshalb in ihrem Regelwerk das Recht des Kindes auf Spiel und altersgerechte Freizeitbeschäftigung fest. Trotzdem haben nicht alle Kinder die Möglichkeit, zu spielen. Zum einen, weil ihnen aufgrund einer körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung oder wegen ihrer Herkunft oder ihres Geschlechts der Zugang zum Spiel erschwert ist, und zum andern, weil es im öffentlichen Raum an geeigneten Plätzen fehlt oder diese nicht genutzt werden können. Dazu kommt, dass der Ruf des kindlichen Spiels in den vergangenen Jahren gelitten hat. Von vielen Erziehungsberechtigten wird es vielmehr als banaler Zeitvertreib gesehen und weniger als pädagogisch wertvolle Frühförderung. Damit sich dies ändert, muss in der Gesellschaft das Verständnis für das Spiel verbessert werden: Man muss wissen, was genau es ist und welche Faktoren es unterschützen oder einschränken können.

Daneben arbeiten fünfzehn Partnerorganisationen mit – unter anderen NGOs und öffentliche Institutionen. Das übergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forschern ist es, neues Wissen über das kindliche Spiel und die Konsequenzen mangelnder Spielmöglichkeiten zu generieren. Daraus sollen kreative und innovative Lösungen entwickelt und Barrieren abgebaut werden, damit alle Kinder ihr Recht auf Spiel ausleben können. DA S K I N D L I C H E S P I E L F Ö R D E R N

Christina Schulze, Professorin am Institut für Ergotherapie, hat das P4Play-Programm mitentwickelt und gemeinsam mit den Institutspartnerinnen und -partnern in Irland, Schweden und Schottland acht Doktoratsstellen für Nachwuchsforschende geschaffen. Die acht Studierenden sind an den vier Universitäten und Hochschulen angestellt und widmen sich mit ihren Projekten der Untersuchung und Förderung des kindlichen Spiels. Jeweils zwei Studierende forschen wäh-

«Was muss ein Spielplatz bieten, damit er einen hohen Spielwert hat?»

WISSEN GENERIEREN, BARRIEREN ABBAUEN

Hier leistet das transeuropäische Doktoratsprogramm P4Play, das als Marie-Skłodowska-Curie-Massnahme von der EU finanziert wird (siehe Zweittext nächste Seite), einen wichtigen Beitrag. Beteiligt an diesem Forschungsprogramm ist ein Konsortium aus Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten von vier verschiedenen Universitäten und Hochschulen. Eine davon ist die ZHAW mit ihrem Institut für Ergotherapie.

Doktorand Thomas Morgenthaler ent­wickelt ein Messinstrument zur Bewertung von Spielplätzen.

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gramm ist im März 2021 gestartet und wird voraussichtlich bis 2024 dauern. Die Idee für das P4Play-Programm ist aus einem früheren Projekt, dem «Play for Children with Disabilities» heraus entstanden, bei dem bereits einige Ergotherapeutinnen und -therapeuten aus dem europäischen Konsortium mitgearbeitet haben. «Schon damals haben wir uns mit dem Thema Kind, Spiel und möglichen Barrieren für Kinder mit Beeinträchtigung auseinandergesetzt und realisiert, dass das Gebiet sehr fragmentiert ist und die verschiedenen Disziplinen, die es betrifft, nicht wirklich gut zusammenarbeiten», sagt Christina Schulze. Daraufhin beantragten die Forschenden die Unterstützung durch die Marie-Skło­dows­kaCurie-Massnahmen, damit ein entsprechendes Doktorat aufgebaut werden kann. P4Play ist demnach nicht nur ein Forschungs-, sondern auch ein Bildungsprogramm. «Die individuellen Forschungsprojekte zum Thema Spiel sind nur ein Teil des Doktorats. Für die Studierenden geht es auch darum, sich in der Betätigungswissenschaft, der sogenannten Occupational Science, weiterzuentwickeln», so die Professorin. Grundsätzlich soll ein nachhaltiges Programm erarbeitet werden, das Doktorierende dazu bringt, innovati­ ve Forschung und Praxis in der Ergotherapie voranzutreiben. R E C H T A U F S P I E L WA H R N E H M E N

Ines Wenger und Thomas Morgenthaler sind zwei der acht Doktorierenden, die am P4Play-Programm teilnehmen. Beide haben in ihrem Beruf als Ergotherapeutin respektive Ergotherapeut während mehreren Jahren mit Kindern gearbeitet. Und beiden ist es ein grosses Anliegen, dass alle Kinder ihr Recht Auf Spielplätzen leben Kinder ihren Bewegungsdrang aus und erwerben wichtige soziale Kompetenzen. Doch gerade für Kinder mit einer Beeinträchtigung ist der Zugang auf Spiel wahrnehmen können. Morgenthanicht immer gewährleistet. ler hat vergangenes Jahr den Europäischen Master of Science in Ergotherapie abgeschlossen. In seinem P4Play-Projekt geht es rend rund 36 Monaten in einem der vier Bereiche People, um die Evaluation des Spiels von Kindern auf öffentlichen Place, Policy und Practice, mit denen sich das P4Play-ProSpielplätzen. «Mich beschäftigt vor allem die Frage, was ein gramm befasst. Dabei müssen die Doktorierenden an zwei Spielplatz bieten muss, damit er für die Kinder einen hohen Universitäten oder Hochschulen jeweils Spielwert hat», sagt der Doktorand. mindestens ein Jahr sowie rund vier MoUm diese Frage beantworten zu könnate bei einer Partnerinstitution verbrinnen, will Morgenthaler ein praktikables gen. Christina Schulze betreut als Superund valides Messinstrument entwickeln. visorin die Doktorierenden, die an der Hierfür untersucht er zunächst bereits ZHAW arbeiten. Innerhalb von People, bestehende Instrumente und eruiert in Place, Policy und Practice werden Aspekeiner systematischen Literaturrecherche te wie die Spielcharakteristiken armutsFaktoren der Umwelt, die sich auf den betroffener Kinder, das Spiel von Kindern mit MigrationshinSpielwert öffentlicher Spielplätze beziehen. Der Fokus liegt tergrund im schulischen Umfeld, die Auswirkungen der dabei auf Kindern mit Beeinträchtigung. Thomas MorgenGenderdebatte oder die Nutzung von Spielplätzen aus Sicht thaler durchforstet aber nicht nur die Literatur, sondern geht von Kindern mit Beeinträchtigung untersucht. Das Proauch selbst in die Praxis hinaus. «Ich möchte mir vor Ort ein

«Das freie Spiel ist die wichtigste Beschäftigung im frühkindlichen Alter.»

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Bild von den Spielplätzen machen», sagt er. Die Erkenntnisse aus dem ersten Teil seiner Untersuchung dienen als Basis für ein Pilot-Assessment, das seine Arbeit schliesslich komplettiert. Bei den hierfür benötigten Daten wird ihn seine Partnerinstitution, eine niederländische Non-Profit-Organisation, unterstützen.

genthaler wünschen sich, dass die Richtlinien und Messinstrumente, die sie in ihren Forschungsprojekten erarbeiten, künftig bei der Gestaltung und Nutzung von öffentlichen Spielplätzen berücksichtigt werden. Ihre Supervisorin Christina Schulze sagt: «Das freie Spiel ist die wichtigste Beschäftigung im frühkindlichen Alter. Da dürfen keine Unterschiede zwischen den Kindern gemacht werden.» //

S OZ I A L E B A R R I E R E N A L S G R O S S E S HINDERNIS

blog.zhaw.ch/vitamin-g

Um inklusive Spielplätze geht es auch in Ines Wengers P4Play-Projekt. Die Absolventin des Europäischen Masters of Science in Ergotherapie untersucht die Gestaltung von Spielplätzen (Universal Design) und deren Einfluss auf Spielwert und Inklusion. Wenger beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit diesem Thema. Bereits in einer früheren Studie hat sie zu den Erfahrungen von Kindern mit und ohne Beeinträchtigung auf hindernisfreien Spielplätzen in der Schweiz geforscht. Eine wichtige Erkenntnis daraus ist für sie: «Die soziale Barriere ist ein grosses Hindernis für Kinder mit Beeinträchtigung.» In einer weiteren Studie hat die Doktorandin Personen befragt, welche die Spielplätze bauen, und auch jene, die täglich mit Kindern mit Beeinträchtigung zu tun haben. Im aktuellen Forschungsprojekt nutzt Ines Wenger einmal mehr partizipative Methoden, um herauszufinden, welche Faktoren positiv und welche hinderlich sind für Kinder mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen. Die Erkenntnisse werden mit Best-Practice-Modellen aus Schweden, Irland und der Schweiz illustriert und in einem «Good Practice»-Leitfaden zusammengefasst. «Alle Kinder, egal ob mit oder ohne Beeinträchtigung, sollten Zugang zum Spiel haben», sagt sie. «Doch das ist heute leider nicht der Fall.» Ines Wenger und Thomas Mor-

«Alle Kinder sollten Zugang zum Spiel haben.»

Ines Wenger untersucht, wie sich die Gestaltung von Spielplätzen unter anderem auf die Inklusion auswirkt.

TALENTE ENTWICKELN, FORSCHUNG VORANTREIBEN Die Marie-Skłodowska-Curie-Massnahmen (engl.: Marie Skłodowska-Curie Actions, MSCA) sind das Referenz­ programm der Europäischen Union für die Ausbildung von Doktoranden und Postdoktoranden. Damit will die EU die internationale und sektorübergreifende Karriere von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern fördern. Gleichzeitig soll der Forschungsstandort Europa interessanter gestaltet und ein starker Pool von europäischen Forschenden geschaffen werden. Die Massnahmen sind Teil des europäischen Rahmenprogramms für Forschung und Innovation. Benannt wurden sie nach der zweifachen Nobelpreisträgerin Marie Skłodowska Curie. Bei den MSCA gibt es keine vorgegebenen wissenschaftlichen Disziplinen oder Gebiete. Die Forschenden sind bei der Antragstellung frei in der Wahl ihres Forschungs­themas. Die Massnahmen lassen sich in fünf Bereiche unterteilen. Jeder der Bereiche adressiert unterschiedliche Aspekte innerhalb der Gesamtzielsetzung:

• • •

Ausbildung von Doktorandinnen und Doktoranden (MSCA Doctoral Networks) Individualförderung von Postdocs (MSCA Postdoctoral Fellowships) Kofinanzierung für Mobilitätsprogramme (MSCA Cofund) Personalaustausch (MSCA Staff Exchanges) Europäische Nacht der Wissenschaften (MSCA and Citizens)

Nebst dieser Gliederung wird auch zwischen institutionellen und individuellen Massnahmen unterschieden, je nachdem also, ob der Antrag durch eine respektive mehrere Einrichtungen oder durch individuelle Forschende in Kooperation mit der Gasteinrichtung gestellt wird. Die Zielgruppen der MSCA sind Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Unternehmen und andere sozioökonomische Akteure mit ihren Nachwuchsforscherinnen und -forschern, Doktoranden, aber auch erfahrenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie dem Personal aus Technik und Management.

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WENN  LERNEN  ZUR  VIRTUELLEN  CHALLENGE WIRD Ob virtuelles Lernspiel oder analoges «Mensch ärgere dich nicht»: Spiele sind im Studium beliebte Lernhilfen, vor allem beim Büffeln von Vokabeln und Repetieren des Unterrichtsstoffs. «Sie nehmen dem Auswendiglernen die Langeweile», sagt Nina Badertscher, Dozentin am Institut für Pflege. Sie und ihr Team stecken mitten im Aufbau des neuen digitalen Lernspiels AnaKing. VO N M A R I O N LO H E R

Punkte sammeln, Challenges freischalten und in der Rangliste aufsteigen: AnaKing vermittelt Pflegestudie­ renden mit Puzzles, Memory-Karten und weiteren Spielen die menschliche Anatomie.

F

ür viele Studierende ist es eine lästige Pflicht: Fachwörter büffeln. Doch gerade zu Beginn des Studiums braucht es dieses Auswendiglernen, um ein solides Grundlagenwissen zu erlangen. So auch im Bachelorstudiengang Pflege am Departement Gesundheit. Hier gehören Anatomie, Physiologie und Pathologie zu den wichtigsten Grundlagenfächern, auf denen das weitere Studium aufbaut. Doch sie beinhalten auch Unmengen von Fremdwörtern, medizinischen Ausdrücken und lateinischen Begriffen, die für einige Studierende komplettes Neuland sind oder bei denen sich andere je nach Vorbildung noch nicht sattelfest fühlen. Für viele bedeutet es deshalb: lernen, lernen, lernen, bis der Kopf raucht. «Das Interesse der Studierenden an den Fächern ist sehr gross, die Motivation für das Büffeln der Vokabeln hingegen meistens eher mässig», sagt Nina Badertscher, Ärztin und

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Dozentin für Anatomie, Physiologie und Pathologie im Bachelorstudiengang Pflege. Sie hat sich deshalb Gedanken darüber gemacht, wie das Auswendiglernen attraktiver gestaltet werden kann, und kam über ihre beiden Kinder, die gerne mit spielerischen Apps lernen, auf den Gamification-Ansatz. «Wenn es bei Kindern funktioniert, sollte es das doch auch bei den Studierenden», sagte sich die Dozentin und legte los. Sie erstellte eine Projektskizze, wie sie sich das Lernspiel vorstellte, präsentierte das Ganze ihren Vorgesetzten – und stiess auf Begeisterung. « KÖ N I G I N D E R A N ATO M I E » W E R D E N

Das war vor eineinhalb Jahren. In der Zwischenzeit ist das Spiel vom Team um Nina Badertscher weiterentwickelt worden und eine externe Firma hat die Programmierung über-


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nommen. Das Lernspiel steht als Webapplikation zur Verfügung. «Uns war wichtig, dass es sowohl auf dem Laptop und Computer als auch unterwegs auf dem Handy oder Tablet genutzt werden kann», sagt Badertscher, welche die operative Projektleitung innehat. Die administrative Verantwortung trägt Sara Häusermann, Leiterin Entwicklung und Pädagogik im Bachelor Pflege. Das Lernspiel hat mittlerweile auch einen Namen. Es heisst AnaKing, was so viel wie «König der Anatomie» bedeutet. Die erste Version wird derzeit hauptsächlich mit Inhalten aus der Anatomie und der Physiologie «gefüttert» und besteht aus Spielen und Challenges. Die jeweilige Challenge wird erst dann freigeschaltet, wenn sich die Studierenden das Grundlagenwissen über die Spiele erarbeitet haben. Geplant sind zahlreiche Lerninhalte zu verschiedenen Organsystemen wie dem Bewegungsapparat, dem Herz-Kreislauf- oder dem Nervensystem. Das Wissen wird über vier Spielformate vermittelt: Puzzle, Memory und Multiple-Choice-Fragen mit Text oder mit Bild. Letzteres kommt beispielsweise bei einer Frage zum Thema «Achsen und Ebenen am menschlichen Körper» zum Einsatz. Auf einem Bild, auf dem ein dreidimensionaler Mensch dargestellt ist, zeigt ein Pfeil auf die gesuchte Achse oder Ebene. Darunter werden Lösungen wie «Horizontalachse» oder «Frontalebene» vorgeschlagen, aus denen die Studierenden dann auswählen können. Beim

Puzzle muss beispielsweise zum lateinischen Begriff «lateral» oder «okzipital» das richtige deutsche Wort und beim Memory das passende Begriffspärchen gefunden werden. V I E L A U F WA N D, G R O S S E R V O RT E I L

Das interaktive Spiel wird laufend mit neuen Inhalten aus den Bereichen Anatomie, Physiologie und Pathologie gefüllt. Dies übernehmen Badertscher und ihr Team selbst. Ein riesiger Aufwand, wie die Projektleiterin gestehen muss. Doch es hat einen grossen Vorteil: «Das Lernspiel kann so sehr genau auf unsere Studierenden und die zu erlernenden Inhalte zugeschnitten werden.» Dies war auch ein Grund dafür, weshalb sie keine bestehende SpielApp übernehmen wollte. «Bei den meisten stimmte die Flughöhe der Wissensvermittlung nicht. Oft war diese auf Medizinstudierende angepasst, nicht aber auf angehende Pflegefachkräfte.»

«AnaKing ist ein zeit­g emässer Schritt in Richtung Digita­l isierung.»

V E R E I N FA C H T E S « M E N S C H Ä R G E R E D I C H N I C H T»

Bei Dozentin Uschi Heinrich und ihrem Modul «Repetition pflegerischer Grundlagen im sechsten Semester» entwickeln die Studierenden den Inhalt des Spiels selbst. Während einer Lektion stellen sie in Gruppen Fragen zu verschiedenen Themen aller Fachgebiete aus dem Bereich Pflege zusammen

HÜPFENDE KÄRTCHEN UND FIKTIVE KULTUREN Digitale und analoge Spiele kommen am Departement Gesundheit auch andernorts zum Einsatz, beispiels­weise im Bachelorstudiengang Hebamme oder während der interprofes­sionellen Winter School. Im Bachelorstudiengang Hebamme werden im E-Learning spielerische Elemente genutzt, um die reine Wissensvermittlung aufzulockern. «Wir benutzen eine Software, mit der sich viele Inhalte spielerisch umsetzen lassen», sagt Fach­ bereichsleiterin und E-Learning-Verantwortliche Katja Geiger. So gibt es Kärtchen mit Begriffen aus der Medizin, die mithilfe der Drag-and-Drop-Funktion richtig zugeordnet werden müssen. Ist die Zuordnung falsch, spicken die Kärtchen weg, ist sie korrekt, «hüpfen» die Kärtchen. In einem anderen Spiel müssen die Studierenden bestimmte Struk­turen aus der Anatomie auf Bildern erkennen. Werden die rich­ tigen angeklickt, ploppt ein Textfenster mit zusätzlichen Informationen auf. Die meisten dieser spielerischen Lernhilfen gibt es für die angehenden Hebammen seit Ausbruch der Corona-Pandemie und dem Lockdown im Frühling 2020. «Als wir auf Fernunterricht umstellen mussten, haben wir ge­merkt, dass wir den Studierenden mehr bieten müssen, um sie bei der Stange zu halten, als nur Texte und PowerPoint-Präsen­tationen», sagt Katja Geiger. Seither unterstützen die digitalen Tools die Studierenden beim selbständigen Lernen.

Interkulturelles Simulationstraining Während der internationalen und interprofessionellen Winter School kommen Spiele ebenfalls zum Einsatz. Es sind hauptsächlich verschiedene Simulationsspiele, die mit den Teil­neh­­menden vor Ort durchgeführt werden. Eines davon ist das weltweit bekannte interkulturelle Simulationstraining Alba­­tros. Dabei werden die Teilnehmenden, ohne Vorwissen zu haben, in eine Situation hinein­ge­steckt. Sie beobachten das Verhalten einer Frau und eines Mannes, die aus einer fiktiven Kultur, der sogenannten Albatros-Kultur, stammen. Anschliessend sprechen die Teilnehmenden über das, was sie gesehen und wie sie sich in bestimmen Situationen gefühlt haben. «Sie erfahren dabei, wie schwierig es ist, in die eigenen Beschreibungen keine Interpretationen einfliessen zu lassen», sagt Susan Schärli-Lim, die am Institut für Pflege für die International Relations verantwortlich ist. Die Übung soll den Teilnehmenden helfen, den eigenen, automatisch ablaufenden Bewertungsprozess zu reflektieren und ein besseres Verständnis für die Situation von Menschen aus einer ihnen fremden Kultur zu entwickeln.

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gendwann zu digitalisieren, so dass sie allein oder gemeinsam gespielt werden können. «Beim Spielen entspannt man sich schneller und findet so leichter Zugang zum Unterrichtsstoff», ist Heinrich überzeugt. Das zeigten auch die Reaktionen der Studierenden. «Praktisch alle machen mit – auch jene, die sonst nicht so viel mit Spielen am Hut haben.» E R S T E R P R A X I S T E S T B E S TA N D E N

Studentin ärgere dich nicht: Ein Lernspiel, das im Bachelor­ studiengang Pflege zum Einsatz kommt – angelehnt an das klassische Brettspiel.

und schreiben diese auf Kärtchen. Die Antwort kommt auf die Rückseite. Dabei geht es um Fragen, wie etwa die Wand der Harnblase aufgebaut ist oder der weibliche Zyklus funktioniert, wie das Blut ins Herz kommt oder mit Menschen mit einer demenziellen Erkrankung kommuniziert wird. «Mit dieser Methode reaktivieren die Studierenden automatisch ihr Wissen aus den vorangegangenen Semestern», sagt Uschi Heinrich. In der zweiten Lektion werden die Karten unter den Gruppen getauscht. Zudem bekommen sie ein Spielbrett, Figuren und Würfel, und es wird analog des altbekannten «Mensch ärgere dich nicht»-Spiels gespielt. Damit es nicht zu lange dauert, werden die Regeln vereinfacht und solche wie «Eine Runde aussetzen» oder «Nur mit der Zahl sechs kommt man raus» weggelassen. Als der Präsenzunterricht während des Lockdowns im Frühling 2020 komplett ausfiel, entwickelte Uschi Heinrich innert kurzer Zeit eine einfache virtuelle Version des Spiels sowie eine weitere analoge Ausgabe für die Studierenden des zweiten Semesters. Allerdings liegt der Fokus der Fragen im zweiten Semester nicht auf dem Reaktivieren von Wissen, sondern auf der Vorbereitung aufs Praktikum. Gleichzeitig lernen die jungen Frauen und Männer, einen Begriff oder einen Vorgang in einer Fachsprache zu erklären. Das sei gerade am Anfang des Studiums nicht einfach und benötige viel Übung, so die Dozentin. Das «Mensch ärgere dich nicht»-Spiel gibt es mittlerweile für die sechs Fachbereiche Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie, Pharmakologie, Pflegetechniken und Laborwerte. Ziel ist es, diese Spiele ir-

Ähnlich sieht es auch ihre Kollegin Nina Badertscher. «Spiele steigern die Lernmotivation. Sie sind lässig, niederschwellig und nehmen dem Auswendiglernen etwas die Schwere und Langeweile.» Gerade durch digitale Lernspiele wie AnaKing erhofft sie sich einen grösseren Lerneffekt. «Im Gegensatz zum Buch hat man das Handy immer dabei und lernt eher einmal, wenn man auf den Bus oder den Zug wartet.» Allerdings sollen solche elektronischen Tools die Vorlesungen und den Unterricht vor Ort nicht ersetzen, sondern lediglich ergänzen. Geplant ist dies im Rahmen der Blended-Learning-Strategie im Fach Anatomie, die derzeit im Aufbau ist. Im Herbstsemester 2022 soll das interaktive Lernspiel von Nina Badertscher betriebsbereit sein und den Studierenden zur Verfügung stehen. Noch aber wird programmiert, entwickelt und an Details gefeilt. Im Laufe dieses Herbstsemesters soll AnaKing mit einer grösseren Gruppe Studierender auf seine Handhabung und Funktionalität sowie auf Design und Kreativität geprüft werden. Einen ersten Praxistest hat das Lernspiel bereits bestanden: Im vergangenen Frühling durften ein paar auserwählte Studierende den Prototyp ausprobieren – und sie waren voll des Lobes. «Das neue Anatomiespiel bietet eine vielfältige und umfassende Möglichkeit, den Stoff Anatomie/ Physiologie und Pathologie/Pathophysiologie zu lernen, zu wiederholen und mei­ner Meinung nach auch wirklich zu verinnerlichen», schreibt beispielsweise Studentin Chiara Massei in ihrer Rückmeldung, und Jimmy Ribeiro bezeichnet die Applikation als «übersichtlich und einfach zu bedienen». Es sei ein guter Lösungsansatz für ein effi­ zientes Lernen, der Lerneffekt könne durchaus positiv beeinflusst werden. Student Alexander Moser, der AnaKing ebenfalls ausprobieren durfte, meint: «AnaKing ist aus meiner Sicht ein zeitgemässer Schritt in Richtung Digitalisierung. Es bietet die Möglichkeit, theoretische Inhalte auf moderne und spielerische Weise zu erlernen.» Zudem besitze es viel Entwicklungs- und Erweiterungspotenzial, um Studierenden eine neue Art von Lernen zu bieten. Ideen, wie das Lernspiel künftig erweitert werden kann und soll, hat Projektleiterin Nina Badertscher genug. «Ich kann mir gut vorstellen, dass weitere Themenbereiche des Studiengangs in die Spiele aufgenommen und die Challenges ausgebaut werden.» Doch das ist vorerst noch Zukunftsmusik. Momentan ist sie damit beschäftigt, dem Lernspiel so viel Wissen wie möglich aus der «Wunderwelt des menschlichen Körpers» einzuspeisen. //

«Spiele nehmen dem Auswendiglernen etwas die Schwere und Langeweile.»

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«WIR  ‹THEÄTERLEN› NICHT  EINFACH» Was macht eine Schauspielerin am Institut für Hebammen? Sie übt mit den Studierenden, wie sie adäquat auf ihre Klientinnen reagieren können. Die Winterthurerin Anna-Katharina Diener erzählt, warum sie solche Einsätze übernimmt und was sie dabei erlebt. VO N C A RO L E S C H E I D E G G E R

S

ie kann eine ratsuchende Schwangere sein, eine ängstliche Wöchnerin oder eine Frau, bei der eine körperliche Untersuchung ansteht. In diese Rollen schlüpft Anna-Katharina Diener problemlos. Logisch, denn sie ist ausgebildete Schauspielerin. Und doch sind diese Rollen aussergewöhnlich. Damit die Studentinnen ihr Wissen nicht nur aus der Theorie haben, stehen im Bachelorstudiengang Hebamme auch Simu­ la­tionen auf dem Programm. Während des Unterrichts oder bei Prüfungen sind dann Schauspielerinnen wie Anna-Katharina Diener im Einsatz. «In den Unterrichtsmodulen geht es häufig um Beratungssituationen, etwa in Bezug auf die Geburt oder das Wochenbett», erzählt die Winterthurerin. Als Vorgabe erhält sie einige Informationen: Alter, Beruf, Schwangerschaftswoche, momentane Stimmung – und ob die Frau, die sie darstellt, beispielsweise eher ängstlich oder sehr forsch ist. «Das ist meine Grundlage, danach entwickle ich die Person selbst weiter. Es ist viel Improvisation, was spannend ist für mich», sagt Anna-Katharina Diener. Bei Prüfungen sind die Rollenvorgaben kriteriengeleitet und viel enger, damit alle Kandidatinnen eine vergleichbare Prüfung erleben. Die Schauspielerin muss dann ihre persönlichen Emotionen zurücknehmen. S T U D E N T I N N E N S I N D A U F G E R E GT

In den Trainingssequenzen des praktischen Unterrichts ist oft eine «Eisbrecherin» von Nöten, um ein möglichst entspanntes Lernklima zu schaffen. «Am Anfang besteht immer eine Hemmschwelle: Die Teilnehmerinnen haben Angst, weil sie sich exponieren müssen. Aber wenn sich mal die erste ge-

«Es freut mich, wenn ich einen kleinen Teil zur Ausbildung von Hebammen beitragen kann», sagt Schauspielerin Anna-Katharina Diener.

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meldet hat, dann läuft es», sagt Anna-Katharina Diener weiter. Die Studentinnen würden dieses Lernsetting sehr ernst nehmen. «Die Rollen sind ja nicht herbeigezaubert, sondern von den Dozierenden eingebracht worden, die ähnliche Situationen in der Praxis erlebt haben. Wir ‹theäterlen› nicht einfach.» Das zeige sich auch in der Reaktion der Studentinnen, insbesondere in den Prüfungssituationen. «Manchmal sind sie so aufgeregt, dass sie zittern und kaum ihre Handschuhe anziehen können», schildert die 35-Jährige. INTERESSANT UND SINNVOLL

Anna-Katharina Diener kam zu ihrem ersten Einsatz als Simulationsperson, als sie noch an der Schauspielschule in Zürich studierte. Danach zog sie für drei Jahre nach Deutschland: In Ingoldstadt und in Göttingen hatte sie feste Engagements am Theater. «In Göttingen hatte ich das Glück, dass ich für Erwachsene und Kinder spielen durfte – ich war in Stücken von Tschechow und Horváth dabei, aber auch bei Kinderstücken wie ‹Pettersson und Findus›. Eine tolle und sehr strenge Zeit.» Nach der Rückkehr in die Schweiz meldete sie sich erneut für Einsätze am Institut für Hebammen. «Es ist ein Nebenjob, in dem ich meine Erfahrungen gut einsetzen kann. Und es ist eine interessante und sinnvolle Arbeit», sagt sie. Den Studierenden werde in der Ausbildung viel mitgegeben. «Die theoretischen Inputs sind sehr wichtig, aber die künftigen Hebammen müssen ja auch auf die Menschen und ihre Nöte eingehen können.»

PLASTISCHE SCHILDERUNGEN EINER GEBURT

Auf ihre Einsätze als Simulationsperson bereitet sie sich vor wie für andere Engagements: «Ich versetze mich in die Rolle, fühle mich in die Person hinein und agiere in ihrem Sinne.» Als es bei einem Einsatz darum ging, eine Frau in den Wehen darzustellen, griff die noch kinderlose Schauspielerin auf Unterstützung aus ihrem Umfeld zurück: «Ich befragte meine Mutter und meine Freundinnen. Meine Mutter fand, sie könne sich gar nicht mehr genau erinnern. Die Freundinnen, bei denen die Geburten weniger lange zurücklagen, erzählten mir ihre Erfahrungen aber sehr plastisch.» Nach den Simulationssequenzen im Unterricht gibt Anna-Katharina Diener den Studierenden und Dozierenden eine Rückmeldung. Sie selbst erhält ebenfalls Feedback, was sie sehr nützlich findet. Derzeit spielt sie nicht am Theater. Sie hat nach der Zeit in Deutschland einen neuen Weg eingeschlagen: Mit 30 Jahren begann sie eine Lehre als Buchhändlerin und arbeitet nun Teilzeit in einer Winterthurer Buchhandlung. Daneben hat sie sich ein weiteres Standbein aufgebaut: Sie veranstaltet unter dem Namen «wortgewaltig» Lesungen für Kinder und Erwachsene und arbeitet als Sprecherin. Einen Einsatz am Institut für Hebammen möchte sie nach einer durch Corona bedingten Pause gern wieder übernehmen: «Ich freue mich, wenn ich einen kleinen Teil zur Ausbildung von Hebammen beitragen kann. Schliesslich bin ich auch froh, wenn ich auf eine gut ausgebildete Person treffe, sollte ich einmal selbst eine Hebamme benötigen.» //

«Es ist viel Improvi­ sation, was spannend ist für mich.»

DER SINN VON SIMULATIONEN Simulationstrainings sind ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung am Departement Gesundheit. Die Studentinnen und Studenten lernen mit lebensechten Modellen und Simulationspersonen den Umgang mit Praxissituationen – in einem geschützten Rahmen und trotzdem nah an der Realität. Sogenannte Simulationspersonen kommen am ZHAWDepar­tement Gesundheit vor allem in den Bachelorstudiengängen in verschiedenen Zusammenhängen zum Einsatz, etwa für das Training von Beratungsgesprächen oder während Prüfungen. In die Rollen schlüpfen sowohl Profials auch Laienschauspielerinnen und -schauspieler oder aus­gebildete Fach­personen aus den Gesundheitsberufen. «Mit Simulationspersonen können die Studierenden in einem geschützten Rahmen und dennoch realitätsnah Situationen üben, die im späteren Berufsleben auf sie zukommen werden», sagt Katja Hoffmann-Gessner, Modulverantwortliche im Bachelorstudiengang Hebamme. Wichtig seien auch die Rückmeldungen, welche die Studierenden erhielten, ergänzt Sara Häusermann, Leiterin Entwicklung und Pädagogik im Bachelorstudiengang Pflege. «In der Praxis wagen es manche Patientinnen und Patienten nicht, offenes Feedback zu geben. Deshalb ist es umso wich­tiger, dass im Studium auch kritische Rückmeldungen ihren Platz haben. Die Studierenden sollen sich nicht nur in technischer Hinsicht 30

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weiterentwickeln, sondern auch in der Kommuni­kation», so Häusermann. Im Unterricht werden die Simulationspersonen zum Teil durch technische Hilfsmittel oder lebensechte Modelle unterstützt und er­gänzt. Ein Monitor zeigt beispielsweise tiefe Blutdruckwerte an, gleichzeitig klagt die Simulationsperson über Schwindel. Oder die Studierenden üben mit einem Mo­dell das Management von belastenden Sym­ ptomen, wäh­rend Schauspieler und Schauspielerinnen die Rolle von Ange­hörigen über­nehmen. In der Ergotherapieausbildung werden Simulationsperso­­nen für Beratungsgespräche und Alltagshand­lungen wie die Zu­be­reitung eines Menüs eingesetzt. «Für uns ist die Ein­ weisung von Schauspielerinnen zwar aufwendig, aber auch sehr lohnend», sagt Maria Auer, stellver­tre­tende Leiterin des Bachelorstudiengangs Ergo­therapie. «Dank ihnen können die Studierenden all­tägliche Situatio­nen, die in der Ergo­therapie wichtig sind, trainieren.»


Spiel in der Ausbildung: Simulationen, Brettspiele oder digitale Lern-Games – in der Ausbildung eignen sich spielerische Ansätze beispielsweise, um angehende Gesundheitsfachpersonen auf Situationen in der Praxis vorzubereiten oder das Auswendiglernen von Fach­ begriffen und das Verinnerlichen des Unterrichtsstoffs spannender zu gestalten.


FORSCHUNG

MEHR PERSONAL AUSBILDEN REICHT NICHT Neun von zehn Pflegefachpersonen möchten längerfristig im Beruf bleiben. Dafür erwarten sie jedoch deutliche Verbesserungen bei den Arbeits­ bedingungen, insbesondere bei der Vereinbarkeit des Berufs mit dem Privat- und Familienleben. Dies zeigt eine Langzeitstudie, in der die frühen Karrieren von Pflegenden untersucht wurden. VON TOBIAS HÄNNI

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ie Aussichten stimmen wenig optimistisch: Der Schweiz droht im Pflegebereich in den nächsten Jahren eine grosse Personallücke. Was sich seit Jahren abzeichnet, bestätigte zuletzt der Anfang September veröffentliche «Nationale Versorgungsbericht 2021» zum Gesundheitspersonal in der Schweiz. Der vom Schweizerischen Gesundheitsobservatorium Obsan publizierte Bericht rechnet – in einem mittleren Szenario – damit, dass bis 2029 rund 20 000 Pflegende sämtlicher Ausbildungsstufen im Gesundheitswesen fehlen werden. Zwar seien die Ausbildungszahlen in

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den letzten Jahren deutlich gestiegen, dies reiche jedoch nicht, um die Lücke zwischen Angebot und Bedarf zu schliessen, heisst es im Bericht. Es brauche, so die Verfasser, Rahmenbedingungen, um das Personal im Beruf zu halten. Zu einem ähnlichen Schluss kommt eine Langzeitstudie des ZHAW-Instituts für Gesundheitswissenschaften, welche die frühen Berufskarrieren von Pflegenden untersucht hat. «Mit besseren Arbeitsbedingungen können Pflegende länger im Beruf gehalten werden», so das Fazit von Studienleiter René Schaffert. Für die Studie wurden diplomierte Pflegefachpersonen

FH und HF, die 2011/12 ihren Abschluss an einer Höheren Fachschule oder einer Fachhochschule gemacht haben, bis 2019 insgesamt drei Mal befragt. Über 600 Pflegefachpersonen nahmen an der letzten Befragung 2018/2019 teil. Für ergänzende Auswertungen sind ausserdem Daten zu den Berufslaufbahnen von Fachfrauen/ -männern Gesundheit (FaGe) der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung (EHB) eingeflossen. Grosse Diskrepanz bei Vereinbarkeit «Sechs Jahre nach dem Berufseinstieg können sich neun von zehn diplomierten Pflegenden vorstellen, auch die nächsten zehn Jahre in der Pflege zu arbeiten. Dafür setzen die meisten von ihnen jedoch bessere Arbeitsbedingungen voraus», fasst Schaffert zusammen. Der Anteil der Studienteilnehmenden, die nicht mehr im Pflegebereich tätig sind, ist nach sechs Jahren zwar noch überschaubar: Fünf Prozent haben zu diesem Zeitpunkt in einen anderen Beruf gewechselt, weitere fünf Prozent sind nicht erwerbstätig, dies hauptsächlich aus familiären Gründen. «Bereits zu diesem Zeitpunkt lässt sich


FORSCHUNG

Der Pflegeberuf schlägt auf die Gesundheit: Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmenden gab an, sich bei der Arbeit oft müde und angespannt zu fühlen.

aber erkennen, weshalb Pflegende aus dem Beruf aussteigen oder den Ausstieg erwägen: Die aktuellen Bedingungen sind zu belastend und stehen im Widerspruch zu zentralen Bedürfnissen der Pflegenden», sagt René Schaffert. Besonders deutlich zeigt sich dies bei der Vereinbarkeit des Berufs mit dem Privat- und Familienleben. Zeit fürs Privat­ leben zu haben sowie Beruf und Familie gut vereinbaren zu können, beurteilten die Teilnehmenden mit Blick auf ihre berufliche Zukunft als die beiden wichtigsten von insgesamt zwölf Aspekten. Dieser Erwartung steht allerdings die wahrgenommene Realität im Berufsalltag entgegen: Bei der Beurteilung des Berufs landeten die beiden Aspekte auf dem zweitbeziehungsweise dem drittletzten Platz. «Diese wahrgenommene Diskrepanz korreliert mit der beruflichen Zufriedenheit und der Häufigkeit von Gedanken an einen Berufsausstieg», so Schaffert. Je grösser die wahrgenommene Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität, desto unzufriedener sei eine Pflegefachperson im Beruf und desto häufiger denke sie an den Ausstieg.

toren. Bei der wahrgenommenen beruflichen Realität landet er jedoch auf dem letzten Platz der zwölf abgefragten Aspekte. «Für Pflegende steht der Lohn nicht im Mittelpunkt. Aber sie empfinden ihn als zu tief für das, was sie leisten», so Schaffert. Bedürfnis nach mehr Anerkennung Diese Empfindungen verdeutlichen auch die Antworten auf die Frage nach den Bedingungen für einen längerfristigen Verbleib im Beruf. Fast 90 Prozent der Teil­ nehmen­ den, die darauf geantwortet haben, nannten einen besseren Lohn als Bedingung. Über die finanzielle Anerkennung hinaus erwarten 57 Prozent mehr Unterstützung durch das Management. «Dies lässt auf ein ausgeprägtes Bedürfnis nach stärkerer Wertschätzung durch Betriebe und Gesellschaft schliessen», sagt Schaffert. Eine deutliche Mehrheit von 72  Prozent setzt für einen längerfristigen Verbleib in der Pflege zudem eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie voraus, weitere 62 Prozent fordern weniger Zeitdruck bei der Arbeit. Dass die Forderung nach weniger Zeitdruck nicht unbegründet ist, zeigt sich in den gesundheitlichen Auswirkungen des Pflegeberufs: In der letzten Befragung der Langzeitstudie gaben 55 Prozent der Pflegenden an, sich wegen der beruflichen Belastungen während der Arbeit oft müde und angespannt zu fühlen, 54 Prozent fühlen sich durch diese ausserdem bei Akti­vitäten im Privatleben spürbar eingeschränkt. Die negativen Auswirkungen der Arbeit spiegeln sich auch in den Gründen für die Teilzeitarbeit wider. Von den Teil-

«Die aktuellen Bedingungen in der Pflege sind zu belastend.»

Lohn für die Leistung zu tief Grosse Diskrepanzen zwischen Erwartung und Realität offenbart die Langzeitstudie auch bei anderen Aspekten des Pflegeberufs, etwa bei der Möglichkeit, das Potenzial der eigenen Fähigkeiten im Job auszuschöpfen, oder beim Lohn. Letzterer befindet sich bei den Erwartungen zwar im Mittelfeld, gehört für die Studienteilnehmenden also nicht zu den wichtigsten Fak-

GEGEN DEN FACHKRÄFTEMANGEL «Berufskarrieren Pflege: Längsschnittstudie nach dem Berufseinstieg» ist Teil des sechsteiligen Standortprojekts «Fachkräfte erforschen: Berufskarrieren und Berufsverweildauer Gesundheitsberufe» des ZHAW-Departements Gesundheit. Das Projekt wird im Rahmen des Competence Network Health Workforce (CNHW) durchgeführt, des Kompetenznetzwerks von fünf Schweizer Hochschulen, die Gesundheitsberufe ausbilden. Das Netzwerk soll dazu beitragen, den Fachkräftemangel im Schweizer Gesundheitswesen zu entschärfen. www.cnhw.ch

BERUFSKARRIEREN PFLEGE: LÄNGSSCHNITTSTUDIE NACH DEM BERUFSEINSTIEG Projektleiter: René Schaffert Projektmitglieder: Dominik Robin, Andreas Bänziger Projektpartner: Schweizerisches Observatorium für die Berufsbildung OBS EHB

nehmenden, die Teilzeit tätig sind – sechs Jahre nach dem Berufseinstieg sind das bereits 40 Prozent –, gab rund ein Drittel an, eine Vollzeitanstellung sei körperlich und psychisch zu anstrengend. Mehr Möglichkeiten für Teilzeitarbeit Die Studienteilnehmenden hatten auch die Möglichkeit, konkrete Massnahmen für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen vorzuschlagen. Mit Blick auf eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben wurden dabei am häufigsten genannt: ein grösseres Angebot an niedrigprozentigen Teilzeitarbeitsmodellen, mehr Regelmässigkeit und Berücksichtigung individueller Wünsche bei der Einsatzplanung sowie passendere Angebote für die Kinderbetreuung. In Bezug auf die stärkere Unterstützung der Pflege durch das Management schlagen die Teilnehmenden eine höhere Sichtbarkeit der Leitungspersonen auf den Abteilungen vor sowie eine offene und transparente Kommunikation. «Mit der Umsetzung dieser und weiterer gezielter Massnahmen wie etwa einer Verringerung der Arbeitsbelastungen oder höheren Löhnen liesse sich der Berufsver­ bleib in der Pflege verlängern», ist René Schaffert überzeugt. Der indirekte Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative, über die Ende November abgestimmt wird, reicht für den Soziologen nicht aus, um den Personalmangel in der Pflege zu entschärfen. «Der Gegenvorschlag setzt vor allem auf eine Ausbildungsoffensive, geht im Gegensatz zur Initiative aber nicht auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ein. Das ist wenig nachhaltig.» //

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Gemeinsam am Patientenbett: Auf der interprofessionel­ len Ausbildungs­ station ZIPAS am Kantonsspital Winter­ thur lernen angehen­ de Gesundheits­ fachpersonen von-, mit- und über­ einander.

FÜR MEHR VERSTÄNDNIS   ZWISCHEN DEN GESUND­ HEITS­B ERUFEN Am Kantonsspital Winterthur managen Aus­ zubildende verschiedener Gesundheitsberufe gemeinsam zwei Patientenzimmer. Das Aus­ bildungsmodell ZIPAS sensibilisiert sie für die interprofessionelle Zusammenarbeit, die im Gesundheitswesen immer wichtiger wird. VO N E V E L I N E RU TZ

«E

s rasselt ein bisschen», sagt Medizinstudentin Sophie Strasser zur Patientin im Spitalbett. «Sie haben immer noch ein wenig Wasser auf der Lunge.» Nicht nur die angehende Ärztin, sondern auch ein Pflegestudent und eine zukünftige Physiotherapeutin hören die ältere Frau mit dem Stethoskop ab. Nach der Visite tauschen sie sich auf dem Gang aus. Sophie Strasser legt schliesslich fest, das Medikament gegen Lungenödeme höher zu dosieren. «Schauen wir mal, ob das eine weitere Verbesserung bringt», meint sie.

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«Wir sind ein motiviertes Team», sagt sie später, als sie im Stationsbüro einen Bericht verfasst. «Wir geben uns gegenseitig unser Wissen weiter.» Darauf zielt das Ausbildungsmodell Zürcher interprofessionelle klinische Ausbildungsstation ZIPAS (siehe Box) ab. «Die Teilnehmenden sollen ein besseres Verständnis und eine Offenheit für andere medizinische Berufsgruppen entwickeln», sagt Seraina Beerli, stellvertretende Leiterin Berufsbildung am Kantonsspital Winterthur (KSW). «Sie sollen von- und miteinander lernen.»

Ein Austausch auf Augenhöhe Am KSW sind Anfang November, als dieser Bericht entstand, sieben Auszubildende der Medizin, der Pflege und der Physiotherapie für zwei Zimmer auf der allgemeinmedizinischen Abteilung zuständig. Sie organisieren sich selbst und versorgen Patientinnen und Patienten eigenständig. Zur Seite stehen ihnen drei Supervisorinnen, so genannte Facilitatorinnen. «Wir arbeiten auf Augenhöhe zusammen und profitieren von­einander», sagt Lionel Fend, der an der ZHAW Pflege studiert. Er hat unter anderem an den Röntgenrapporten, die sonst der Ärzteschaft vorbehalten sind, spannende Einblicke erhalten. Im Gegenzug hat er mit den künftigen Ärztinnen geübt, einen Venenkatheter zu legen und Blut abzunehmen. «Die Pflegenden haben darin mehr Routine als wir», sagt Paula von der Lage, die in Zürich Medizin studiert. An diesem Morgen nun unterstützt sie ihre Kollegin von der Physiotherapie bei einem Geh­ training. Mit einer Patientin gehen sie den langen Korridor entlang und eine Treppe hoch. Auf dem Rückweg übernimmt es Paula von der Lage, die betagte Frau zu si-


STUDIUM

chern. «Wir geben einander bewusst Auf- behalten, sagt Marion Huber vom De­pargaben ab», sagt sie. Die gegenseitige Wert- tement Gesundheit der ZHAW. Sie müssschätzung nehme dadurch zu. ten kreative Lösungen zulassen. «Die Teilnehmenden lernen, indem sie selbstgesteuJedes Team geht seinen eigenen Weg ert handeln und ihr Handeln reflektieren.» Die Stichworte «Wertschätzung», «Kon- Marion Huber hat im ZIPAS-Projektverfliktfähigkeit» und «Kreativität» sind auch bund die Expertengruppe geleitet, welche an einer Pinwand im Stationsbüro zu lesen. die Lernziele definiert hat. Sie begleitet Sie benennen drei interprofessionelle Kom- ZIPAS zudem wissenschaftlich und bepetenzen, die das ZIPAS-Team in dieser richtet von positiven Effekten. So ist die Woche besonders stark gewichtet. Am fachübergreifende Kooperation mit besseEnde des Durchgangs soll es sich in zwölf ren Handlungsabläufen und kürzeren Kom­ interprofessionellen Fähigkeiten verbessert munikationswegen verbunden. Die Bürohaben. «Die Teilnehmenden ergänzen ei- kratie nimmt ab. Das Personal schätzt den nander und entwickeln sich zusammen Austausch und ist motiviert. Die Patienweiter», sagt Seraina Beerli. Sie hat am tinnen werden qualitativ hochstehend verKSW zwei Testläufe der ZIPAS begleitet sorgt und fühlen sich sicher. Sie bleiben und freut sich nun über den Regelbetrieb. im Durchschnitt weniger lang im Spital, Jede Gruppe funktioniere anders, jede gehe als dies auf vergleichbaren Stationen der ihren eigenen Weg, sagt sie. Fall ist. Die Kosten nehmen dadurch ten«Die Lernenden sollen befähigt wer- denziell ab. den, selbst zu einer Lösung zu gelangen», Seraina Beerli bestätigt diese Befunde sagt Facilitatorin Vanessa Vega, die als Be- aus dem Spitalalltag. «Die Patienten sind rufsbildnerin Pflege am KSW tätig ist. Sie froh, wenn sie nicht immer wieder die gleihält sich bewusst im Hintergrund. «Ich prä- chen Fragen beantworten müssen.» Dopsentiere keine Ideen, sondern stelle Fra- pelspurigkeiten kämen seltener vor. Posigen.» Nur wenn es um die Patientensicher- tiv äussern sich auch die Teilnehmenden. heit geht, wird sie von sich aus aktiv. Sie «Wir werden diese Sensibilität für andere weist etwa darauf hin, dass ein Antibioti- Berufsgruppen mitnehmen», sagt Lionel kum intravenös abgegeben werden kann, Fend. Er fände es gut, wenn alle Pflegeohne dass dafür zuerst der Katheter gespült studierenden eine solche Praxiserfahrung werden muss. «Beim Spülen besteht immer machen könnten. ein gewisses Infektionsrisiko», erklärt sie. «Das gegenseitige Verständnis ist enorm wertvoll», pflichtet ihm Sophie Personal und Patienten sind zufriedener Strasser bei. Sie schätzt es, im Rahmen Die Facilitatoren müssten über ein breites von ZIPAS selbstständig arbeiten und VerFachwissen verfügen und den Überblick antwortung übernehmen zu können. Sie ist

überzeugt, dass die Patienten und das Gesundheitswesen als Ganzes von mehr Vernetzung profitieren würden. Viele Fachleute betonen, dass Interprofessionalität angesichts der steigenden Kosten, der de­­mografischen Entwicklung sowie des Fachkräftemangels gestärkt werden müsse. «Sie kann ein wichtiger Baustein sein, um diese Herausforderungen zu meistern», sagt ZIPAS-Projektleiter Gert Ulrich von Care­ um. Das KSW will ihr künftig noch mehr Gewicht geben. Das Spital kann sich vorstellen, ZIPAS auf weiteren Abteilungen einzurichten. // blog.zhaw.ch/vitamin-g

INTERPROFES­ SIONELLE AUS­ BILDUNGSSTATION Die Umsetzung der interprofes­sionellen Ausbildungsstation im Kantonsspital Winterthur erfolgt nach dem Modell der Zürcher interprofessionellen Aus­ bildungsstation ZIPAS. Lernende und Studierende aus unterschiedlichen Gesundheitsberufen und Bildungs­stufen betreuen dort unter Supervision in interprofessionellen Teams Patient­in­ nen und Patienten. zipas.ch

MODELL IST SCHWEIZWEIT EINMALIG UND WECKT INTERESSE Dass Auszubildende verschiedener Gesundheitsberufe gemeinsam und interprofessionell klinische Patienten betreuen, ist in der Schweiz neu. 2019 hat das Universitätsspital Zürich mit ZIPAS gestartet. Es betreibt Stationen auf der Chirurgie und der Inneren Medizin. Am Kantonsspital Winterthur fand nun der erste reguläre Durchgang statt. Die Universitätsklinik Balgrist und das Kinderspital Zürich sind am Pilotieren. «Wir haben bereits Anfragen aus anderen Kantonen erhalten», sagt Projektleiter Gert Ulrich. Das ZIPAS-Konzept ist so aus­ gelegt, dass es auf weitere Medizinbereiche, Abteilungen und Spitäler ausgeweitet werden kann. Sechs Institutionen haben es gemeinsam entwickelt: Das Careum Bildungszentrum, die Careum Stiftung, die Medizini­sche Fakultät der Universität Zürich, das Universitätsspital Zürich, das Zentrum für Ausbildung im Gesundheitswesen

und das Departement Gesundheit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Sie haben sich dafür in Schweden inspirieren lassen, wo ähnliche Modelle seit den 1990er-Jahren umgesetzt werden. Zwei Mal haben Delegationen des ZIPAS-Projektverbundes Kliniken in Stockholm besucht. «Wir in Zürich haben einen breiteren, theoriebasierten An­satz gewählt», erklärt Ulrich. Das Projektteam hat sich dazu intensiv mit den Grundlagen befasst. Es hat unter anderem Lernziele definiert, Schulungskonzepte erstellt, die Machbarkeit getestet und Pilotphasen wissenschaftlich evaluiert. So hat es ein Manual erarbeitet, von dem nun auch andere Spitäler profitieren können. «Alle sechs Institutionen haben ihre Expertise eingebracht», sagt Gert Ulrich. «Diese gemeinsame Herangehensweise ist innovativ und gewinnbringend.» Im ZIPAS-Projektverbund sind dadurch Ideen für weitere fachübergreifende Kooperationen entstanden.

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WEITERBILDUNG

Mit feinen Nadeln Blockaden lösen: Im CAS Inte­g ra­t ive und komplementäre Behandlungsansätze lernen Teilnehmende unter anderem die Akupunktur näher kennen.

MIT KOM­PLEMEN­TÄREN HEILMETHODEN DIE BEHANDLUNG BE­R EICHERN Akupunktur, Wickel, Heilkräuter oder Globuli: In der Schweiz nehmen die Therapien mit komplementären Heilmethoden zu. Ein neues CAS am Departement Gesundheit vermittelt das Wissen zu den vier in der Grundversicherung enthaltenen integrativen Behandlungsansätzen. VO N U R S I N A H U L M A N N

S

eit Jahrtausenden nutzen Men­ schen Pflanzen, um Beschwer­ den zu lindern. In den westli­ chen Ländern hat sich zwar die Schulmedizin durchgesetzt, viele schul­ medizinische Arzneimittel wurden jedoch auf Grundlage von Pflanzen entwickelt. Das Schmerzmittel Aspirin zum Beispiel entstand auf der Basis eines Wirkstoffs der Weidenrinde. Trotzdem ist das Wissen über

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die Pflanzenheilkunde bei uns zum Teil ver­ loren gegangen. In anderen Kulturen ist die traditionelle Heilkunde hingegen leben­ dig geblieben: Im asiatischen Raum gehö­ ren etwa Behandlungen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) zur Grund­ versorgung. Die Schulmedizin ist funktionsbasiert, orientiert sich an der Krankheit und setzt unter anderem auf Medikamente, die je­

doch oft Nebenwirkungen haben. Kom­ plementäre Heilmethoden (siehe Kasten) sind hingegen ganzheitlich. Diese und weitere Gründe führen dazu, dass in der Schweiz die Behandlungen mit diesen Heilmethoden seit Jahren stetig zuneh­ men, wie etwa die Gesundheitsbefragung des Bundesamts für Statistik zeigt. Sara Kohler, Pflegefachfrau und Leiterin des neuen CAS Integrative und komplemen­ täre Behandlungsansätze, führt aus: «In der Onkologie beispielsweise nehmen 40 bis 50 Prozent aller Patientinnen und Patien­ ten komplementäre Behandlungen in An­ spruch, bei Brustkrebspatientinnen sind es bis zu 90 Prozent.» Heilkräutergarten und rhythmische Einreibungen Da immer mehr Menschen komplemen­ täre Heilmethoden in Ergänzung zur Schul­medizin nutzen, sollen Gesundheitsfach­ personen in der Weiterbildung fundiertes Wissen über den Einsatz, den Nutzen und die Risiken der Behandlungsgrundlagen erhalten. Vier Ansätze, deren Leistungen in der Schweiz seit 2017 durch die Grund­ versicherung abgedeckt sind, stehen dabei im Fokus: die Anthroposophische Medi­ zin, die Homöopathie, die Phytotherapie und die Traditionelle Chinesische Medizin. Neben den theoretischen Grundlagen gehören auch praktische Erfahrungen zum CAS. So ist ein Besuch im Heilpflan­ zengarten geplant, Ohr-Akupunktur oder rhythmische Einreibungen werden unter Anleitung aneinander durchgeführt. In ei­ nem Workshadowing haben die Teilneh­ menden ausserdem Gelegenheit, sich mit der ausgewählten Behandlungsmethode in der Praxis vertraut zu machen. Zudem ler­ nen sie, die komplementären Ansätze in den eigenen fachlichen Kontext zu über­ tragen, um Patientinnen und Patienten gut beraten zu können. «Wir hoffen, dass sich das Angebot herumspricht, wir auch eher skeptische Personen erreichen und so mehr Offenheit gegenüber komple­ mentären Heilmethoden entsteht» so Sara


WEITERBILDUNG

Kohler über die Ziele der Weiterbildung. mich in diese Richtung weitergebildet», Kohler. Die Wärme und die Berührungen Das CAS ist für alle Berufsgruppen im Ge­ erzählt sie. Neben der medikamentösen bei einer Fusseinreibung helfen ihnen, zur sundheitswesen offen. Therapie habe sie als Pflegefachperson mit Ruhe zu kommen. // den komplementären Heilmethoden mehr Patienten über komplementäre Möglichkeiten zur Verfügung. Bei Schlaf­ Mehr Infos zum CAS: Heilmethoden aufklären störungen etwa Fusseinreibungen mit La­ bit.ly/3BRwLGk Medizinerinnen und Mediziner sind oft vendelöl. Lavendel hat eine beruhigende zurückhaltend gegenüber komplementä­ Wirkung, eine Fusseinreibung hilft, zu ent­ Online-Infoveranstaltungen zum CAS: 30. November 2021 und ren Behandlungen, das zeigt sich auch in spannen und Gedanken in die Füsse abzu­ 22. Februar 2022 17.30 –19.00 Uhr der wissenschaftlichen Literatur. Viele sei­ leiten. «Bei kranken Personen kommen en vorsichtig, da sie selbst nicht viel zu den viele Schlafstörungen davon, dass die Ge­ Anmeldung unter: zhaw.ch/gesundheit/veranstaltungen Heilmethoden wissen, sagt Sara Kohler. Die danken sich im Kreis drehen», sagt Sara fehlende wissenschaftliche Evidenz ist ein weiterer Kritikpunkt. Die grösste Sorge ist aber die Angst vor Interaktionen mit Arz­neimitteln. «Diese Angst ist nicht ganz un­begründet», erklärt Kohler. So können etwa phytotherapeutische Behandlungen gefährliche Interaktionen Im Volksmund wird komplementäre und alternative Medizin oft gleichbedeutend hervorrufen. Johanniskraut zum Beispiel verwendet. Die komplementäre Medizin arbeitet aber immer in Verbindung mit hat unter anderem eine stimmungsaufhel­ der Schulmedizin, während die alternative Medizin die Schulmedizin ersetzt. Bei lende Wirkung. Eine Behandlung mit der der integrativen Medizin wiederum sind komplementäre Behandlungsmethoden Heilpflanze kann aber die Wirkung der integraler Bestandteil der Therapie, sie gehören also von Anfang an zum Antibaby-Pille ausser Kraft setzen. Die Behandlungskonzept. Einnahme erhöht zudem die Lichtsensibi­ lität, was bei Strahlentherapien zu Ver­ brennungen der Haut und weiteren Ne­ ren in mehreren Schritten verdünnt. Anthroposophische Medizin benwirkungen führen kann. «Dieses Bei­ Je höher die Verdünnung, desto stärker Rudolf Steiner, der Begründer der Anthrospiel zeigt deutlich, wie wichtig es ist, die Heilkraft. posophie, entwickelte gemeinsam mit Patientinnen und Patienten über komple­ der Ärztin Ita Wegmann auch die Anthro­mentäre Heilmethoden aufzuklären und Phytotherapie po­sophische Medizin. Diese basiert auf gut zu beraten», führt Sara Kohler aus. Die Pflanzenheilkunde oder Phytothe­ra­pie der Schulmedizin und wird durch das «Da so viele Menschen komplementäre ist eine der ältesten medizinischen The­ ganzheitliche Verständnis der Anthropo­ Medizin in Anspruch nehmen, wäre es bei­ sophie ergänzt. Das Ziel ist, die gesunden rapien. Sie wird in allen Kulturen auf allen nahe fahrlässig, dies zu unterlassen.» Kontinenten praktiziert und nutzt die heilen­ Kräfte des Menschen zu aktivieren, seine Es gebe Naturheilärzte, die haarsträu­ de Wirkung von Kräutern und Heilpflanzen, Selbstheilungskräfte zu unterstützen und bende Angebote machen, erzählt Sara so den Krankheits­prozess positiv zu beein- um körperliche und seelische Beschwerden Kohler. Zum Beispiel Kuren, die den Krebs zu lindern. Die pflanzlichen Wirk­stoffe flussen. The­rapeutische Behandlungsmeaushungern sollen. «Besonders schlimm werden extrahiert und zu Tees, Tinkturen, thoden sind zum Bei­spiel rhythmische daran ist, dass sie den Patientinnen und Salben oder Ölen verarbeitet. Einreibungen, Wickel oder Kompressen, Patienten sagen, dass sie etwa keine Che­ aber auch Thera­pien für den Geist, zum motherapie machen dürfen und ihren Traditionelle Chinesische Beispiel Musik- oder Maltherapie, gehöArzt nicht informieren sollen», führt sie Medizin (TCM) ren dazu. aus. «Das ist gefährlich und ich möchte Als TCM wird jene Heilkunde bezeich­mich ganz klar davon distanzieren. Solche net, die sich in China über mehr als 2000 Homöopathie Angebote meine ich nicht, wenn ich von Jahre entwickelt hat. Vereinfacht erklärt, Die Homöopathie wurde vor über 200 komplementärer und integrativer Medi­ be­ruht TCM auf einem System von LebensJahren vom Arzt und Apotheker Samuel zin spreche.» energien im Körper (Qi), die auf MeridiaHahnemann entwickelt. Es handelt sich nen, also Leitbahnen im Körper, zirkulieren um eine ganzheitliche The­rapie, die Durch ganzheitliche Methoden Er­­krankungen nicht als isolierte, orga­ni­sche und Einfluss auf sämt­liche Körperfunktionen mehr Möglichkeiten Störungen betrachtet, sondern als Blockie- haben. Wird dieser Energiefluss durch Sara Kohler selbst ist durch Zufall zur An­ eine Krankheit ge­stört und in ein Ungleichrung der Lebenskraft. Dabei gilt der throposophischen Medizin gekommen. Sie gewicht gebracht, können mit gezielten Grund­­satz, «Ähnliches durch Ähn­li­ches hat mehrere Jahre als Pflegefachfrau und zu heilen»: Eine Substanz, die bei einem Behandlungen Blockaden gelöst werden. Fachverantwortliche in der Klinik Arles­ Behandlungselemente der TCM sind unter gesunden Menschen Beschwerden ausheim gearbeitet. In dieser wird die Schul­ anderem Akupunktur und Akupressur, löst, hilft, einen kranken Menschen gemedizin durch ganzheitliche Methoden Tuina-Therapie, Pflanzenheilkunde, Diätetik sund zu machen. Um homöopathische der Anthroposophischen Medizin ergänzt. sowie Qigong, eine Meditations-, Kon­ Mittel herzustellen, werden Substanzen «Mir hat die Art gefallen, wie dort den zentrations- und Be­wegungsform. nach einem vorgeschriebenen Verfah­Menschen begegnet wird. Darum habe ich

IN VERBINDUNG MIT DER SCHULMEDIZIN

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Gewusst wie !

DEN ALLTAG MIT EINER HAND MEISTERN

E

in verstauchtes Handpliziertes sein: So kann beiEinfache Tätigkeiten werden zur Herausforderung, gelenk, ein gebrochener spielsweise ein Joghurtbecher in wenn man, etwa nach einem Unfall, nur eine Arm oder Finger, eine eine Tasse gestellt werden, daHand benutzen kann. Zum Glück gibt es ausgekugelte Schulter: mit der Becher nicht gehalten diverse Tipps, Strategien und Hilfsmittel, die einem werden muss und trotzdem Es kommt häufig vor, dass Menhelfen, selbstständig zu bleiben. Ergotherapeutin schen nach einem Unfall einige nicht kippt beim Essen. Lassen Wochen oder sogar Monate eine Sie Ihrer Kreativität freien Lauf Cécile Küng* stellt ein paar von ihnen vor. Hand nicht oder nur eingeund probieren Sie aus. Geeigneschränkt gebrauchen können. te Hilfsmittel finden Sie immer Andere müssen, etwa nach einem Schlag- im Sitzen. So müssen Sie sich nicht auf häufiger auch in Haushaltsabteilungen anfall, ihren Alltag dauerhaft einhändig das Gleichgewicht konzentrieren – das von Warenhäusern. Dort werden unter meistern. Wer die Erfahrung selbst schon entspannt. Auch eine ergotherapeutische anderem Schneidebretter oder Schüsseln gemacht hat, weiss: Mit nur einer Hand Beratung kann hilfreich sein, gerade bei mit Antirutschbelag verkauft, die nicht werden ganz alltägliche Handlungen wie einer längerfristigen oder dauerhaften mehr mit einer Hand fixiert werden müsdas Binden der Schuhe zu einem schwieri- Einschränkung. sen und nach den Grundprinzipien des gen und nervenaufreibenden UnterfanBesonders effektiv ist zudem das Ler- universellen Designs entwickelt worden gen. Gerade Menschen, die den Alltag auf nen von Peers: Sie finden online zahlreiche sind. Wenn Sie im Warenhaus nicht fündig Dauer mit einer Hand bewältigen müssen, von Betroffenen zur Verfügung gestellte werden, schauen Sie in spezialisierten entwickeln im Laufe der Zeit jedoch viel- Informationen oder Videotutorials zum Fachhandelsgeschäften oder beispielsfältige und kreative Strategien oder ge- Thema (z. B. auf leben-mit-einer-hand.de). weise im Onlineshop der Rheumaliga brauchen Hilfsmittel, um im Alltag mög- Über den untenstehenden QR-Code ge- nach oder lassen Sie sich in der Ergotheralichst selbständig zu sein. langen Sie auf eine Sammlung von Filmen, pie beraten. Die Zahl von benutzerfreunddie Ergotherapiestudierende der ZHAW lichen, ästhetischen Hilfsmitteln hat in Seien Sie geduldig mit sich gemeinsam mit Menschen mit einer Halb- den letzten Jahren stark zugenommen. // Wenn Sie zum Beispiel nach einer Verlet- seitenlähmung produziert haben. Die kurzung Ihren Alltag möglichst rasch einhän- zen Clips zeigen anschaulich, wie alltägli* Cécile Küng ist Dozentin sowie dig meistern wollen, sollten Sie ein paar che Handlungen wie Socken anziehen oder Modulverantwortliche im Bachelor­ grundlegende Tipps beherzigen. Einhand- einen Reissverschluss schliessen mit nur studiengang Ergotherapie und als strategien sind anspruchsvoll – achten Sie einer Hand gelingen. Ergotherapeutin in einer Praxis beim Erlernen deshalb auf gute Lichtverin Einsiedeln tätig. hältnisse sowie eine ruhige Umgebung Hilfsmittel kann Gold wert sein und planen Sie genügend Zeit ein. Seien Nicht zuletzt können Hilfsmittel den AllSie geduldig mit sich selbst und wiederho- tag ungemein erleichtern und viel Zeit len Sie die Tätigkeit immer wieder auf die und Nerven sparen. Vielleicht haben Sie gleiche Art – auf diese Weise werden Sie selbst, Angehörige oder Freunde eine Idee Videotutorials «Alltags­tipps einhändig»: schneller und geschickter. Und: Üben Sie für ein Hilfsmittel. Das muss nichts Kom38

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Fr, 26. Nov. 2021 // 12.15 – 16.15 Uhr

Sa, 19. März 2022 // 9.00 – 16.30 Uhr

MAS in Action!

Symposium Pädiatrie

Absolvierende des Masters of Advan­ ced Studies (MAS) in Ergotherapie und verschiedener MAS in Pflege präsentieren ihre Abschlussarbeiten. Diese beziehen sich auf Projekte zur Weiterentwicklung des Fachbereichs in der Praxis, welche die Absolventinnen konzipiert, geleitet und evaluiert haben. Am Anlass geben sie Einblick in die Organisation, den Verlauf und die Umsetzung der Projekte.

Do/Fr, 10. – 11. Feb. 2022, ganztägig, online und vor Ort

Konferenz «Chancengleich­heit – Equality & Equity in Childbirth»

Die 6. Internationale Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft DGHWi lädt Hebammen und weitere Gesundheitsfachleute aus Forschung, Praxis und Lehre zum fachlichen Austausch und zur Vernetzung ein. Dieses Mal befasst sich der Anlass mit der Chancengleichheit bei der Geburt.

Mi, 2. März 2022 // 17.45 – 19.00 Uhr, online

Infoveranstaltung DoubleDegree Pflege und Hebamme

Das ZHAW-Departement Gesundheit und die Universität Witten/Herdecke eröffnen Masterstudierenden Pflege und Hebammen mit einem DoubleDegree-Abkommen ab dem Herbstsemester 2022/23 neue Karrierewege. An der Online-Infoveranstaltung wird das Masterstudium im Detail vorgestellt.

Sa, 5. März 2022 // 9.00 – 16.30 Uhr

6. Winterthur Ergo-Gipfel: «Voll und ganz zufrieden? Qualität im Fokus»

Ergotherapeutinnen und -therapeuten sollen bei ihrer Arbeit qualitätsorientiert wirken. Doch was macht Qualität eigentlich aus? Welchen Nutzen haben Qualitätsmanagementsysteme? Und wie können Kompetenzen und Er­folge auch nach aussen sichtbar gemacht werden? Am 6. Winterthurer ErgoGipfel wird das Thema Qualität aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet.

Im Fokus des dritten Symposiums Pädiatrie der ZHAW und des Vereins physiopaed steht der Einsatz von Elektrorollstühlen und neuer Technologien bei Kindern mit beeinträchtigter Funktionsfähigkeit. Nationale und inter­ nationale Referentinnen aus Wissenschaft und Praxis präsentieren aktuelles Wissen, zudem erwartet Teilneh­mende eine Podiumsdiskussion und ein innova­tiver Technowalk.

Sa, 2. April 2022 // 9.00 – 16.30 Uhr

Interprofessionelles Symposium zur Advanced Practice «Alles, was Recht ist» – das zweite interprofessionelle Symposium zur Advanced Practice (AP) befasst sich mit rechtlichen Fragen: Welche Möglichkeiten bestehen mit der aktuellen Gesetzgebung, um AP zu etablieren? Und welche gesetzlichen An­pas­sungen bräuchte es noch dafür? In Referaten, Podiumsdiskussionen und weiteren Formaten wird solchen Fragen mit Expertinnen und Experten aus Recht, Politik, Versicherungswesen, Berufsverbänden und weiteren Bereichen nachgegangen. Nach einem interprofessionellen Teil diskutieren die einzelnen Berufe, darunter Ergo- und Physiotherapie, Hebammen und Pflege, rechtliche und andere Aspekte der AP in einem monoprofessionellen Teil.

Bitte beachten Sie: Seit dem 13. September 2021 gilt für alle Veranstaltungen am ZHAWDepartement Gesundheit die Covid-Zertifikatspflicht. Mit dem Zertifikat entfällt die Abstands- und Maskentragpflicht. Bei Fragen zu bevorstehenden Veranstaltungen wenden Sie sich an die Kommunikationsstelle: kommunikation. gesundheit@zhaw.ch

IMPRESSUM VITA MIN G Für Health Professionals mit Weitblick Nr. 11/ November 2021 Herausgeber ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften Departement Gesundheit Kommunikation Katharina-Sulzer-Platz 9 CH-8400 Winterthur kommunikation.gesundheit@zhaw.ch zhaw.ch/gesundheit Redaktion Tobias Hänni (Leitung), Annina Dinkel, Bianca Flotiront, Carol Flückiger, Ursina Hulmann, José Santos, Carol Scheidegger, Cordula Stegen Redaktionelle Mitarbeit Marion Loher, Eveline Rutz, Andrea Söldi, Susanne Wenger Art Direction und Layout Partner & Partner, Winterthur Druck ZT Medien AG, Zofingen Korrektorat Ingrid Essig, Winterthur Fotos und Illustrationen Corina Vögele (Illustrationen: S. 1, 2, 10, 18, 22, 31), Conradin Frei (S. 6, 15 –16), Philipp Funk (S. 40), Tobias Hänni (S. 4, 28), Gion Pfander (S. 7 – 8), Chavela Zink (S. 29, 34 – 35), Hogrefe Verlag, Bern (S. 4), iStockphoto.com/LightFieldStudios (S. 5), iStockphoto.com/Cecilie_Arcurs (S. 12), iStockphoto.com/aquaArts studio (S. 14), iStockphoto.com/monkeybusinessimages (S. 24), iStockphoto.com/Mariakray (S. 36), stock.adobe.com/Tyler Olson (S. 32), stock.adobe.com/LoloStock (S. 38), von den Abgebildeten zur Ver­ fügung gestellt / Bildarchiv Departement Gesundheit (übrige). Auflage 6000

Veranstaltungsort: ZHAW-Departement Gesundheit, Katharina-Sulzer-Platz 9, 8400 Winterthur (wenn nicht anders vermerkt)

Mehr Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen unter: zhaw.ch/gesundheit/ veranstaltungen

Erscheinungsweise 2-mal jährlich Das Magazin kann kostenlos abonniert werden: zhaw.ch/gesundheit/vitamin-g ISSN 2504-1835 © Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck von Artikeln mit Genehmigung der ­Redaktion.

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CAMPUS

Weitere Impressionen: instagram.com/ zhawgesundheit

BACK TO CAMPUS Seit der Eröffnung im Sommer 2020 herrschte im Haus Adeline Favre meistens gähnende Leere. Nun ist der neue Campus endlich belebt − wie hier in einer Vorlesung im Bachelorstudiengang Hebamme.


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