www.fgks.org   »   [go: up one dir, main page]

Vitamin G Nr. 8: Dossierthema «Psychische Gesundheit»

Page 1

Für Health Professionals mit Weitblick

PSYCHISCHE GESUNDHEIT

Neue Berufsfelder für die Ergotherapie

Gezieltes Training gegen Arthrose

NR. 8 JUNI 2020

G


I N H A LT

DOSSIER:

PFLEGEN BIS ZUR ERSCHÖPFUNG 10 Die psychische Belastung ist im Gesundheitswesen deutlich höher als in vielen anderen Branchen. Das liegt einerseits in der Natur der Arbeit, anderseits an strukturellen Problemen.

PSYCHISCHE GESUNDHEIT

8

STIMMUNGSTIEF STATT BABYGLÜCK 16 Nach der Geburt sind Frauen besonders anfällig

für depressive Verstimmungen. Angehende Hebammen lernen im Studium, wie sie betroffene Mütter unterstützen können.

Die Berufe, die am Departement Gesundheit ausgebildet werden, befassen sich auf den ersten Blick hauptsächlich mit der körper­lichen Gesundheit. Doch die Psyche – die der Patientinnen und Patienten, aber auch die eigene – nimmt bei der Arbeit der Health Professionals eine zentrale Rolle ein.

RÜCKENLEIDEN SIND AUCH KOPFSACHE 18 Wie psychische Faktoren den Verlauf von Rücken-

FÜR PSYCHISCH 21 UNTERWEGS KRANKE MENSCHEN

SPEKTRUM

FORSCHUNG

4 News aus dem Departement

28 Dank Daten Krisen

Gesundheit

MEINUNG 5

Applaus reicht nicht aus

schmerzen beeinflussen, ist weitgehend unklar. Eine Langzeitstudie des Departements Gesundheit untersucht das Wechselspiel zwischen Psyche und Körper bei Schmerzen im unteren Rücken.

Ein neuer Dienst der Psychiatrischen Universitäts- klinik Zürich hilft Wohnheimen bei der Betreuung von Menschen mit einer psychischen Erkrankung.

hat kaum Neben­wirkungen

Angehörige kann die Pflege und Betreuung sterbender Menschen überfordern. Ein sensorbasiertes Monitoring-­ system soll helfen, häusliche Krisen zu verhindern.

Eine neues Trainingsprogramm aus Dänemark hilft, den Krank-­ heits­verlauf von Arthrose zu ver- langsamen oder gar zu stoppen.

Kunst und Psyche: Die Künstlerin Katja Habazin hat eine psychische Erkrankung. Sie malt ihre Bilder in den «Ateliers – Living Museum» der Psychiatrie St. Gallen Nord. Mehr dazu ab Seite 8. «I will survive» (Ausschnitt), Katja Habazin «Das Bild habe ich für einen Bekannten gemalt, als Auftragswerk. Für solche habe ich ein eigenes Konzept entwickelt: Ich bitte den Auftraggeber, mir Lieblingsfarbe und -song, Herkunft und die Quersumme des Geburtsdatums zu nennen. Ich lasse mich von den Komponenten inspirieren und setze die Bilder dann intuitiv um.»

2

V I TA M I N G N R.  8 J U N I 2020

32 Arthrose: Physiotherapie

früh­zeitig erkennen

Katharina Fierz und Beatrice Friedli fordern die Politik auf, in bessere Arbeitsbedingungen für Hebammen und Pflegefachleute STUDIUM zu investieren. 30 Ergotherapie­: Studierende erschliessen neue Berufs­ felder I M P O R T R ÄT Damit mehr Menschen von 6 Türen öffnen und einen der Ergotherapie profitieren Funken ent­fachen können, setzen Studentinnen Physiotherapie-Dozent Stefan des Bachelorstudiengangs am Jan kombiniert in seinem Unter- Departement Gesundheit neue richt Grundlagenwissen mit Pa- Ideen um – etwa mit Migran­ tientengeschichten. Für sein tinnen oder in Schulen. Lehrkonzept hat er den ZHAW- Lehrpreis 2019 gewonnen.

TITELSEITE:

WEITERBILDUNG

G E W U S S T W I E!

34 Aufwärmen, nicht bloss dehnen Vor dem Sport sollte der Körper auf Betriebstemperatur gebracht werden. Ein strukturiertes Aufwärmprogramm verringert das Verletzungsrisiko und erhöht die Leistungsfähigkeit. 35 A G E N DA

CAMPUS 36


EDITORIAL

DIE GESUNDHEIT DER PSYCHE IST SCHWER FASSBAR ich krank sein? Noch schwieriger wird es bei der psychischen Gesundheit. Für sie gibt es keinen objektiv feststellbaren «Ideal­ zustand», den man für einen Vergleich herbeiziehen könnte. Nach meinem Verständnis passt Gadamers Aussage deshalb besonders gut auf unsere psychische Gesundheit. Abgesehen von gravierenden psychischen Erkrankungen, deren Symptome sich auch gegen aussen bemerkbar machen und damit objektiv erhebbar sind, hängt die Frage nach der psychischen Gesundheit vom subjek­ tiven Urteil ab. An mir selbst beobachte ich im Alltag manchmal: Krank fühle ich mich nicht, aber vollständig gesund auch nicht. Doch wie verlässlich ist mein Urteil? Ist der Zustand unserer Psyche überhaupt für jemanden richtig fassbar? Die psychische Gesundheit steht für mich für all das an der menschlichen Existenz, was nicht in Zahlen und Fakten übersetzt, ja manchmal nicht einmal in Worte gefasst werden kann. Und dem versuchen wir in diesem Heft näherzukommen. Der Fokus liegt dabei auf den Berufen, die wir am Departement Gesundheit ausbilden: Wir zeigen auf, welche Rolle die Gesundheit der Psyche – die der Patienten und Patientinnen, aber auch die eigene – bei der Arbeit der Health Professionals spielt.

«Einen objektiv feststellbaren Idealzustand gibt es nicht.»

H

ans-Georg Gadamer, ein deut­ scher Philosoph, der 2002 im Alter von 102 Jahren gestorben ist, hat es einmal so ausgedrückt: «Gesundheit ist ein Zustand innerer Angemessenheit und Übereinstimmung mit sich selbst.» Aber was heisst das konkret? Und wer, ausser jeder für sich selbst, kann das erkennen oder gar messen? Bei der körperlichen Gesundheit scheint es auf den ersten Blick einfach: Liegt keine Erkrankung oder Verletzung vor, gilt man als gesund. Meine Kurzsich- Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre tigkeit bringt diese Annahme jedoch be- und einen Zustand innerer Angemessenreits ins Wanken. Ich sehe doch, wieso soll heit und Übereinstimmung.

Sie haben die Möglichkeit, ausgewählte Beiträge online zu lesen und zu diskutieren: blog.zhaw.ch/vitamin-g

Andreas Gerber-Grote

Direktor Departement Gesundheit

V I TA M I N G N R.  8 J U N I 2020 3


SPEKTRUM

BACHELORSTUDIENGANG

DIGITAL HEALTH LAB

GESUNDHEITS­F ÖRDERUNG UND PRÄVENTION: NEUE CO-LEITUNG

TIPPS UND APPS FÜR BESSEREN SCHLAF

der Universität Luzern für den Bereich Fernstudium und E-Learning verantwortlich. Davor dozierte sie unter anderem an der Universität Lund und an der Pädagogischen Hochschule Jönköping in Schweden und war an Forschungsprojekten im Bereich der Bio- und Medizinethik beteiligt. Ihr Leitungskollege Matthias Meyer engagiert sich seit 20 Jahren in der Gesundheitsförderung und Prävention – zunächst Karin Nordström Matthias Meyer ehrenamtlich, danach als Projekt- und Beim Bachelorstudiengang GesundheitsAbteilungsleiter bei Sucht Schweiz, als förderung und Prävention übernimmt selbständiger Berater für Suchtpolitik auf mit Karin Nordström und Matthias Meyer nationaler und internationaler Ebene ab dem 1. September 2020 ein neues sowie als Leiter des Gesundheitsamtes im Leitungsteam das Ruder. Dr. Karin NordKanton Zug. Die letzten sieben Jahre leiteström arbeitet seit vielen Jahren in verte der diplomierte Betriebswirt und Sozial­ schiedenen Funktionen und Bereichen der ökonom den MAS Nonprofit und Public Hochschullehre. Seit 2015 ist die promoManagement an der Fachhochschule vierte Ethikerin als Lehrbeauftragte an Nordwestschweiz.

FELLOWSHIPS DER ZHAW

FÖRDERUNG VON DIGITALISIERUNGS­P ROJEKTEN Welche Chancen und Risiken birgt die Digitalisierung für das Gesundheitswesen? Mit dieser Frage beschäftigen sich verschiedene Forschungsprojekte am Departement Gesundheit. Zwei davon werden nun mit einer DigitalisierungsFellowship der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) unterstützt. Eine Fellowship erhält einerseits Julia Dratva, Leiterin der Forschungs­ stelle Gesundheitswissenschaften, für das Projekt «Di­gi­tal Child Health Booklet», mit dem das Gesundheitsheft der

Schweizerischen Pädiatrischen Gesellschaft digitalisiert wird. Anderseits wird das Projekt «Chancen und Potenziale der Digitalisierung in der Geburtshilfe» von Michael Gemperle, Forscher am Institut für Hebammen, unterstützt. Mit der Fellowship kann ein Teil der Projektarbeit in einem interprofessionellen und hochschulübergreifenden Forschungscluster zur Digitalisierung getätigt werden. Das Cluster ist Bestandteil der gross ange­ legten «Digitalisierungsinitiative der Zürcher Hochschulen».

Über ein Drittel der Schweizer Bevölkerung leidet unter Ein- und Durchschlafstörungen – das zeigte 2017 die letzte Schweizerische Gesundheitsbefragung. Wer die Qualität seines Schlafes ver­ bessern möchte, findet im Internet unzählige Informationen zu dem Thema. Doch welche davon sind verlässlich und wissenschaftlich abgestützt? Orientierung im Informationsdschungel gibt die Forschungsstelle für Gesundheitswissen­ schaften mit einer neuen Informationsseite auf der Plattform «Digital Health Lab» der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Im Auftrag der Axa-Versicherung hat die Forschungsstelle eine Sammlung an wissenschaftlich fundierten Informationen und Tipps zum Thema Schlaf zusammengestellt. Zudem beurteilt die Forschungsstelle einige Schlaf-Apps nach ihrer Zweckmässigkeit, aber auch nach anderen Kriterien wie etwa die Einhaltung ethischer und wissenschaftlicher Standards, Transparenz und Nutzerfreundlichkeit. digitalhealthlab.ch

CORONA-PANDEMIE

ÜBER 400 STUDIERENDE MELDEN SICH FÜR SPITAL­E INSATZ Als sich im März aufgrund der CoronaPandemie ein Personalmangel in den Gesundheitseinrichtungen des Kantons Zürich abzeichnete, wurde kurzerhand eine Plattform für den Einsatz von Studierenden der Gesundheitsberufe ins Leben gerufen. Vertreterinnen des Departements Gesundheit der ZHAW, des Careum Bildungszentrums in Zürich, des Zentrums für Ausbildung im Gesund4

VITAMIN G NR . 8 J U N I 2 0 2 0

heitswesen (ZAG) sowie der Organisa­tion der Arbeitswelt Gesundheit Zürich erarbeiteten im Koordinationsstab Einsatz Zürcher Gesundheitsschulen (KEZG) ein Konzept, mit dem angehende Health Professionals bei Bedarf unbürokratisch in Spitälern und anderen Betrieben des kantonalen Gesundheitswesens eingesetzt werden können. Am Departement Gesundheit stellten sich über 400 Studie-

rende im Theoriesemester für einen freiwilligen Einsatz zur Verfügung. Bis Redaktionsschluss dieses Magazins waren über 40 Studierende für einen Einsatz aufgeboten worden, unter anderem vom Kantonsspital Winterthur, vom Kinderspital Zürich und von der Spitex Zürich Sihl. Der Einsatz umfasst maximal einen Tag pro Woche und wird begleitend zum Studium absolviert.


MEINUNG

AMBULANTE PFLEGE

WERK­ZEUGE GEGEN HÄUSLICHE KRISEN Fachpersonen der ambulanten Pflege treffen bei ihrer Arbeit immer wieder auf Menschen, die sich in akuten oder langwierigen Krisen befinden. Die Betroffenen in diesen Situationen zu unterstützen, gehört zu ihren heraus­forderndsten Aufgaben. Die Studienpublikation «Das Buchser Pflegeinventar für häusliche Krisensituationen (BLiCK)» gibt Fachpersonen wirk­same Werkzeuge für den Umgang mit Krisen an die Hand. Für das von André Fringer, Co-Leiter der Forschungsstelle Pflegewissenschaften am Departement Gesundheit, herausgegebene Werk wurden erstmals empirische Daten zu häuslichen Krisen erhoben. Entstanden ist eine Publikation, welche die häufigsten Krisen präsentiert sowie praktikable Interventionen zur Präven­ tion und zum Umgang mit diesen liefert.

«Das Buchser Pflege­­inventar für häusliche Krisensituationen (BLiCK)» André Fringer (Hrsg.) Hogrefe Verlag, Bern

HANDVERLETZUNGEN

ROBOTERTRAINING FÜR DIE HAND Handverletzungen machen einen grossen Anteil der verletzungsbedingten Behandlungen in Notaufnahmen aus. Die Forschungsstelle Ergotherapie am Departement Gesundheit untersucht in einem neuen Projekt, wie die Therapie bei Handverletzungen mit dem Roboter GripAble ergänzt werden kann. Der GripAble ist ein smarter Handgriff für das Trainieren von Bewegungen und Kraft. Er ist mit Sensoren ausgestattet und wird mit einem Tablet verbunden, um mit Handgelenk und Fingern Spiele zu steuern. Roboter wie GripAble werden bereits erfolgreich in der Rehabilitation nach Schlaganfällen eingesetzt, etwa bei halbseitigen Lähmungen. zhaw.ch/gesundheit/gripable

BEATRICE FRIEDLI

KATHARINA FIERZ

Leiterin Institut für Hebammen

Leiterin Institut für Pflege

APPL AUS ALLEIN REICHT NICHT AUS 2020 hätte das Jahr der Hebammen und Pflegefachkräfte werden sollen, initiiert von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). In Erinnerung bleiben wird es als Jahr, in dem die Corona-Pandemie auch die besten Gesundheitssysteme der Welt an den Rand des Kollapses gebracht hat. Und als Jahr, in dem allen klar geworden ist, dass Gesundheitsfachleute für die Gesellschaft unverzichtbar sind. Dass die Schweizer Bevölkerung im März den Gesundheitsfachpersonen für ihren Dauereinsatz gegen das Coronavirus applaudierte, war eine schöne, aber auch typische Geste: Gesellschaftliche Unterstützung und Anerkennung der Berufe sind zwar gross, schlagen sich aber nur bedingt in guten Rahmenbedingungen für ihre Ausübung nieder. Das macht auch diese Pandemie ein­mal mehr deutlich: Die Berufe, welche die Grundversorgung aufrechterhalten, werden über das Erträgliche belastet, diplomierte und spezialisierte Fachkräf­ te fehlen, gewisse Berufsgruppen wie die freipraktizierenden Hebammen hat man bei der Verteilung von Schutzmate­ rial «vergessen». Auch wenn die Pandemie das WHOJahr aus der Öffentlichkeit verdrängt hat – sie hat auch etwas Gutes: Sie zeigt die Notwendigkeit auf, Hebam-

men und Pflegefachpersonen Sorge zu tragen. Und sie verleiht den Forderungen der WHO Nachdruck, sich für die Anerkennung, eine exzellente Ausbildung und bessere Arbeitsbedingungen für diese Berufe einzusetzen. Für die Schweiz heisst das: Die Politik muss in die Attraktivität der Professionen investieren. So liesse sich die Verweildauer in den Berufen erhöhen und der Fachkräftemangel entschärfen. Dazu würden beispielsweise Versorgungsmodelle beitragen, in denen die Berufsleute ihr Potenzial voll ausschöpfen können – und in denen die damit einhergehende Verantwortung auch anerkannt wird. Wir fordern die Politik zu mutigem Handeln auf: Sie soll den Experimentierartikel annehmen, der Pilot­projekte für entsprechende Versorgungsmodelle ermöglicht.Und es braucht einen systematischen Einbezug der beiden Berufe bei der Gestaltung der künftigen Versorgung. Das Einsetzen einer Chief Nurse respektive Chief Midwife auf höchster Verwaltungsebene wäre hierfür ein Schritt in die richtige Richtung. Auf den Applaus müssen nun Taten folgen. blog.zhaw.ch/vitamin-g

VITAM IN G NR . 8 JUN I 2 0 2 0 5


I M P O RT R ÄT

TÜREN ÖFFNEN UND EINEN FUNKEN ENT­FACHEN Schmerz ist seine Leidenschaft, bei Krimis wird ihm langweilig: Physiotherapeut Stefan Jan unterrichtet seit 14 Jahren am Departement Gesundheit. Kürzlich hat er für seine beson­ deren Leistungen in der Lehre den ZHAWLehrpreis gewonnen. Der Dozent möchte bei den Studierenden die Neugierde wecken – «gelingt das, entwickeln sie sich weiter». VON MALOLO KESSLER

E

in Schulzimmer im Zürcher Unterland, Ende der 1970er-Jahre: Ein Lehrer marschiert strammen Schrittes durch die Tischreihen, an denen Sekundarschüler sitzen. Schaut links, rechts, gibt unvermittelt einem der Schüler eine Kopfnuss. «He, ich hab gar nichts gemacht», wehrt sich der Schüler. Der Lehrer erwidert bloss: «Du hast sicher einmal etwas gemacht, bei dem ich dich nicht erwischt habe.» Der Schüler von da-

6

VITAMIN G NR . 8 J U N I 2 02 0

Zürcher Hoch­ schule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Im September 2019 gewann er den ZHAW-Lehrpreis, mit dem besondere Leistungen in der Lehre ausgezeichnet werden. Das Thema dieses Mal: «Vermittlung von Grundlagewissen». Stefan Jans Konzept drehte sich um die funktionsorientierte muskuloskelettale Lernspirale in der Physiotherapieausbildung. Die Jury begründete seinen Sieg damit, dass er Grundlagenwissen mit didaktisch aufbereiteten Patientengeschichten kombiniert. So würden die Studierenden anhand einfacher Fallbeispiele lernen, dass ohne Grundlagenwissen ein Problem nicht beurteilt werden kann. Das Konzept untermauere die Wichtigkeit der praxisorientierten Vermittlung von Grundlagewissen, so die Jury. Über die Auszeichnung habe er sich sehr gefreut, sagt Stefan Jan. «Unser Siegerkonzept war aber eine Teamleistung, das ist mir wichtig zu erwähnen.»

mals, Stefan Jan, ist heute 57 Jahre alt. Er schmunzelt hinter seinem weissgrauen Siebentagebart, als er die Geschichte erzählt, und wird dann ernst. «Wir wurden zu unserer Schulzeit nicht wirklich gefördert. Die Lehrer waren teilweise miserabel, in die Schule zu gehen war eine Qual», sagt der Physiotherapeut. Heute geht er freiwillig und sehr gerne in die Schule: Ste- Down Under prägte sein Denken fan Jan unterrichtet seit 1991 selbst, seit 14 Sein Weg in die Physiotherapie war ziemJahren am Departement Gesundheit der lich gradlinig. Aufgewachsen ist Stefan Jan


I M P O RT R ÄT

in Wallisellen mit zwei Schwestern. Sein Vater, ein Flüchtling aus Ungarn, studierte Bauingenieurwissenschaften an der ETH Zürich, seine Mutter arbeitete als kaufmännische Angestellte. «Ich hatte eine sehr behütete Kindheit, das hat mich enorm geprägt», erzählt er. Sport hatte in seiner Familie einen hohen Stellenwert. Stefan Jan spielte Fussball, Eishockey, Squash, Handball, Badminton – «fascht alles, wo än Ballä hät». Er sei auch immer gut gewesen in all den Sportarten, aber eben nirgends so gut, dass es für eine Karriere gereicht hätte. Zwischendurch habe er auch mit einer Ausbildung zum Sportlehrer geliebäugelt. «Aber irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, mit 60 Jahren noch mit Kindern in einer Halle herumzurennen.» So fand er schliesslich zur Physiotherapie, damals noch eine Berufslehre. «Es war ein me­dizinischer Hilfsberuf, völlig anders als heute. Trotz hervorragender Lehrer wie Wolfgang Fasser oder Heinz Hagmann befriedigte mich die Ausbildung nicht ganz. Ich wollte mehr.» So reiste Stefan Jan 1989, gleich nach seinem Diplom an der Schule für Physiotherapie des Unispitals Zürich, nach Australien und knüpfte erste Kontakte mit der University of South Australia. Später absolvierte er dort ein Nachdiplomstu­ dium in Manipulati­ ver Physiotherapie. «Physiotherapie war in die­ser Zeit in Australien schon lange akademisch und hatte schon damals gesellschaftlich einen hohen Stellenwert in der Medizin.» Mit dabei: seine Frau, ebenfalls Physiotherapeutin. «Obschon der Studiengang als ‹divorce cour­ se› bekannt war, da er extrem aufwändig war, hat uns diese Zeit zusammengeschweisst.» Das Ehepaar hat heute eine 15-jährige Tochter und einen 13-jährigen Sohn. Stefan Jan sagt, das Studium in Australien sei für ihn ex­trem wichtig gewesen: «Es hat mein ganzes Denken, Sein und Wesen geprägt.» Nach der Rückkehr begann er, manuelle Therapie an der Schule für Physiotherapie im Unispital Zürich und in postgradu­ierten Weiterbildungen zu unterrichten. «Australien hat mir sehr viele Türen geöffnet.»

Behandeln kann erfüllend sein Türen öffnen: Das will Stefan Jan auch für die Studierenden. Gut 2000 angehende Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten hat er in seiner Karriere bereits unterrichtet. «Mein Wunsch ist, dass ich den Studierenden eine Türe öffnen, ihre Neugierde wecken kann. Das ist unbe­ zahlbar: Gelingt es, Neugierde zu wecken, beginnt man, sich weiterzuentwickeln. Wenn ich diesen Funken entfachen kann, ist alles gut.» Wenn es ums Dozieren geht, um seine Studierenden, kommt der Physiotherapeut aus dem Sprechen fast nicht mehr raus. Er spricht von intrinsischer Motivation, Freude, Spass und Leidenschaft. Davon, dass Behandeln nicht einfach Arbeit ist, sondern etwas Erfüllendes sein kann. «Natürlich ist es ein anstrengender Beruf. Aber ich mache es immer noch gerne. Wirklich gerne. Das ist ein Glück, dass ich das so sagen kann», sagt Stefan Jan. Auch der Fernunterricht aufgrund des Coronavirus bringt den Dozenten nicht aus dem Konzept: «Ich bin sehr com­ puteraffin, daher ist es für mich kein technisches Problem, den Online-Unterricht zu erarbeiten. Der Aufwand hin­ge­gen ist enorm hoch.» Nichtsdestotrotz: Die Situation habe ein­schneiden­de Konsequenzen für den Unterricht. «Physiotherapie hat auch sehr viel mit manuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu tun. Die Studierenden müssen angeleitet werden, Dinge in die Hand nehmen, Dozierende müssen korrigieren. Das geht nicht per Video.»

«Schmerz zu verstehen, ist unglaublich spannend.»

Unihockey bei den «Rollatoren» Stefan Jan ist ein rationaler, analytischer Mensch. Einer, der schon als Kind «ganze Bibliotheken» gelesen hat. Aber einer, dem es langweilig wird, muss er einen Krimi lesen – «ich lese lieber ein Fachbuch, das ist meine Welt.» Besonders in­ teressiert ihn das Thema Schmerz. «Beim Clinical Reasoning geht es, vereinfacht gesagt, ja immer um Diagnostik und The­rapie. Eines der Hauptsymptome von Beschwerden ist Schmerz. Schmerz zu verstehen, ist unglaublich spannend und her­ausfordernd.»

STEFAN JAN unterrichtet seit 2006 am Institut für Physiotherapie. Nach seiner Ausbildung zum Physiotherapeuten hat er an der University of South Australia ein Nach­ diplomstudium in Manipulativer Physio­ therapie absolviert. Er beschäftigt sich unter anderem mit Clinical Reaso­ning sowie Schmerz und Schmerz­ mechanismen. Nebst seiner Tätigkeit als Dozent arbeitet er in seiner Praxis für Manualtherapie in Zürich. Der 57-Jährige lebt mit seiner Frau, zwei Kindern und Hündin Jemma in Egg ZH.

Das Interesse am Schmerz kommt nicht von ungefähr: In Australien lernte Stefan Jan den renommierten Schmerzforscher David Butler kennen. Und wie jeder Mensch kennt der Physiotherapeut Schmerz auch aus persönlicher Erfah­rung. Sport, der ihn einst zu seinem Beruf geführt hat, mache er immer weniger. «Die Knie machen nicht mehr so mit.» Bis vor kurzem habe er aber noch Unihockey gespielt, in einer Seniorenkategorie mit dem Namen «Rollatoren». Ansonsten ist er viel im Garten seines Hauses in Egg, repariert Kaputtes, pflanzt Gemüse. Zudem hat die Familie seit kurzer Zeit einen Welpen.  «Meine Frau möchte sie zum Therapiehund ausbilden.» Stefan Jan selbst hat weitere Pläne mit Jemma: Sie ist ein Lagotto Romagnolo, ein Suchhund. Und so ist Stefan Jans Wunsch für die Zukunft, nebst dem Wohlbefinden seiner Familie, dass er als Ausgleich zu seinem Dozentendasein mit Jemma bald auf Trüffelsuche gehen kann. Und dann auch Trüffel findet – «ganz, ganz viele». //

VITAM I N G NR .  8 JUNI 202 0 7


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

«OHNE TITEL» (AUSSCHNITT), JOYE THEOBALD «In meiner Kunst widerspiegeln sich meine unterschied­lichen Stimmungen. Dieses Bild zum Beispiel hat einen direkten Zusammenhang zu den Panikattacken, mit denen ich zu kämpfen habe. Die Kunst ist für mich ein Rückzugsort und Ausgleich zum Alltag: Beim Malen kann ich abschalten, wenn mir die Welt zu viel wird.» 8

VITAMIN G NR . 8 J U N I 2 0 2 0


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

PSYCHISCHE GESUNDHEIT «Mens sana in corpore sano» – ein gesunder Geist in einem gesunden Körper: Die Redewendung wird gerne gebraucht, um die Wirkung einer gesunden Physis auf die Psyche zu unterstreichen. Doch der Effekt gilt auch in die andere Richtung; die psychische Gesundheit ist für das körperliche Wohlbefinden zentral. Das zeigt auch dieses Dossier: Bei der Arbeit von Health Professionals, die sich vornehmlich um die körperliche Gesundheit anderer kümmern, nimmt die Psyche eine wichtige Rolle ein.

Die Kunstwerke auf den ganzseitigen Dossierbildern stammen von Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Sie sind in den «Ateliers – Living Museum» der Psychiatrie St. Gallen Nord in Wil (SG) tätig. Ein Interview zur Kunsttherapie mit Rose Ehemann, der Leiterin der «Ateliers – Living Museum», können Sie auf dem Blog des «Vitamin G» lesen.

blog.zhaw.ch/vitamin-g

VITAM I N G NR .  8 JUN I 2 0 2 0 9


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

PFLEGEN BIS ZUR ERSCHÖPFUNG Die psychische Belastung ist im Gesundheitswesen deutlich höher als in vielen anderen Branchen. Das liegt einerseits in der Natur der Arbeit, anderseits an strukturellen Problemen. Während Letztere auf politischer Ebene gelöst werden müssen, haben Health Professionals auf individueller Ebene Möglichkeiten, mit psychisch belastenden Situationen umzugehen. Am Departement Gesundheit lernen Studierende, wie sie ihre eigene Psyche gesund halten. VON TOBIAS HÄNNI

E

lena Pagliarini ist vor Erschöpfung an ihrem Schreib­ tisch zusammengebrochen. Mundschutz, Haarnetz und Schutzanzug hat sie nicht einmal abgezogen, be­ vor sie – mit dem Kopf auf der Tischplatte – nach einer langen Schicht um sechs Uhr morgens eingeschlafen ist. Das Bild der italienischen Pflegefachfrau, die in einem Spital in der Stadt Cremona arbeitet, ging im März um die Welt – als Symbol für den Kampf gegen das Coronavirus. Für Gesund­ heitsfachleute rund um die Welt war und ist dieser Kampf eine immense Belastung – auch für die Psyche. Sie fühle sich nicht körperlich müde, sagte Elena Pagliarini dem «Corriere della Sera»: «Was mich fertig macht, ist die Angst.» Sie und ihre Kollegen kämpften «gegen einen Feind, den ich nicht kenne.» Und dieser Feind hat in den letzten Monaten ein Problem verschärft, das im Gesundheitswesen bereits bei «Normal­ betrieb» besonders ausgeprägt ist: die psychische Belastung. Wie Studien zeigen, treten psychische Er­ krankungen bei Angehörigen des Gesund­ heitswesens im Vergleich zu anderen Bran­ chen gehäuft auf. So stellten zwei amerika­ nische Gesundheitsbehörden, das National Institute for Occupational Safety and Health und das Center for Disease Control and Preven­ tion, bei Gesundheitsberufen eine erhöhte Rate an Stressfolgeerkran­ kungen wie Depressionen, Angststörungen oder Burn-out fest. Zudem zeigten sich bei Angehörigen die­ ser Berufe ein erhöhter Suchtmittelmissbrauch und ver­ gleichsweise mehr Suizide. In der Schweiz kam der Bericht «Gesundheit von Be­ schäftigten in Gesundheitsberufen» 2018 für den Kanton Zü­ rich zu ähnlichen Ergebnissen. So gab bei den Beschäftigten im kantonalen Gesundheitswesen über die Hälfte an, unter Schwäche, Müdigkeit und Energielosigkeit zu leiden – fast zwölf Prozent mehr als der Durchschnitt aller Erwerbstäti­ gen im Kanton. Die Symptome, die gemäss Bericht «Aus­ druck oder Folge von Stress und/oder psychischer Belas­ tung» beziehungsweise «Frühwarnsignale für eine psychi­

sche Erkrankung sein können», waren besonders ausgeprägt bei den Pflege­fachkräften (61 %). Auch der Anteil der Befrag­ ten mit Schlafstörungen oder Anzeichen von Depressivität ist bei den Gesundheitsberufen deutlich höher als beim Total der Erwerbstätigen. R I S I KO FA K TO R E N P R Ä G E N D I E A R B E I T

Dass die Arbeit im Gesundheitswesen von der Psyche einiges abverlangt, liegt zu einem Teil in ihrer Natur: Fachkräfte sind mit Schicksalsschlägen konfrontiert, mit der ganzen Band­ breite menschlicher Emotionen, mit Lebenskrisen und Tod. Für Tobias Spiller vom Universitätsspital Zürich (USZ) ist die Arbeit ausserdem durch jene «Hochrisikofaktoren» ge­prägt, die grundsätzlich ein Burn-out begünstigen können. «Erstens ist bei Gesundheitsberufen ein überdurchschnittli­ cher Einsatz bei der Arbeit typisch. Da es um Menschenleben geht, leisten Fachleute häufig einen Extraeffort; das verlangt auch das Berufsethos», sagt der Wissenschaft­ ler, der an der Klinik für Konsiliarpsy­ chiatrie und Psychosomatik des USZ das Phänomen Burn-out im Gesundheitswe­ sen genauer untersucht. Zweitens seien die Anforderungen hoch, die Handlungsspiel­ räume gleichzeitig tief. «Die meisten Tä­ tigkeiten sind klar vorgeschrieben. Die Autonomie des Ein­ zelnen ist also häufig eingeschränkt.» Zu guter Letzt seien die gesellschaftliche und betriebliche Wertschätzung sowie die Belohnung für die Arbeit vergleichsweise gering. Neben den berufsspezifischen können strukturelle Faktoren im Gesundheitswesen den psychischen Druck weiter erhöhen. «So zeigte beispielsweise eine amerikani­ sche Studie, dass die Burn-out-Rate bei Pflegefachpersonen in Spitälern eng mit der Anzahl Patientinnen und Patienten zusammenhängt», erklärt Spiller. Will heissen: Je höher die Patientenzahl pro Kopf, desto höher ist auch der Anteil an Pflegemitarbeitenden mit Burn-out.

«Bei Gesundheitsberufen ist ein überdurchschnittlicher Einsatz bei der Arbeit typisch.»

10

VITAMIN G NR . 8 J U N I 2 0 2 0


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

F R U S T, O H N M A C H T U N D S E L B S T Z W E I F E L

Für den Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und -fachmänner (SBK) ist der psychische Druck ebenfalls eng mit strukturellen Problemen verknüpft. «Es ist absolut klar, weshalb die psychische Belastung im Gesundheitswesen so hoch ist», sagt Pierre-André Wagner von der Geschäftsstelle in Bern. Der Personal- und damit der Zeitmangel führe zu einem «Moral Distress»: «Pflegefachpersonen sind auf­ grund fehlender Ressourcen nicht in der Lage, ihre Arbeit nach ihren Ansprüchen zu erledigen – sprich, sich genügend um die Patienten zu kümmern», sagt Wagner, der beim SBK den Rechtsdienst leitet und in der Berufspolitik tätig ist. Das führe zu Frust, Ohnmacht und Selbstzweifeln – und irgend­ wann zu einer psychischen Erkrankung. Verschärft werde diese Problematik teils noch dadurch, dass sich Mitarbeitende vorwerfen lassen müssten, nicht ge­ nügend resilient und flexibel zu sein. «Da werden masslose Ansprüche an die Flexibilität des Personals gestellt – etwa in­ dem Schichtpläne kurzfristig umgestellt werden», sagt Wag­ ner. «Doch wie sollen sich so Beruf und Privatleben verein­ baren lassen?» Um den Druck und damit auch die psychi­ sche Belastung von Gesundheitsfachpersonen zu verringern, brauche es deshalb zwingend Verbesserungen bei den Ar­ beitsbedingungen. «Genau das will der SBK mit der Pflege­ initiative erreichen», so Wagner. V O R L E S U N G E N Z U S T R E S S U N D T R A U M ATA

Während sie auf die strukturellen Probleme des Gesund­ heitswesens kaum Einfluss haben, können sich Gesundheits­ fachleute auf individueller Ebene einen hilfreichen und konstruktiven Umgang mit psychisch belastenden Situatio­ nen aneignen. Deshalb erhalten die Studierenden am De­ partement Gesundheit im Verlauf ihrer Ausbildung entspre­ chendes Wissen und Werkzeuge an die Hand. So werden beispielsweise im Bachelor Pflege bereits im ersten Studien­ jahr herausfordernde Situationen thematisiert, um die Stu­ dierenden darauf vorzubereiten. «Wir besprechen Themen wie Nähe und Distanz, Umgang mit Aggressionen oder se­ xuelle Übergriffe», sagt Studiengangleiterin Irène Ris. Für die Burn-out-Prophylaxe vermittelt der Pflegebachelor in diversen Modulen, dass «das Maximum nicht immer das Optimum bedeutet», wie Ris sagt. Studierende sollen ler­ nen, in der Praxis Ziele zu definieren, die sie unter den gege­ benen Bedingungen auch erreichen können. Auch im interprofessionellen Teil des Bachelorstudiums wird die psychische Gesundheit thematisiert. Etwa im stu­ diengangübergreifenden Modul «Herausfordernde Berufs­ praxis und Kooperation», in dem die Studierenden sich für verschiedene Themenwochen entscheiden. So geht die The­ menwoche «Krisen und Coping» vertieft auf Krisensitua­ tionen und psychische Belastungen ein, mit denen Gesund­ heitsfachleute konfrontiert sind. Auf dem Stundenplan ste­ hen beispielsweise Vorlesungen zu Stress und Traumata oder Workshops zu Burn-out sowie Angst und Panik. «Die Studie­ renden lernen dabei, wie sie mit Krisen bei ihren Patientinnen und Klienten, aber auch bei sich selbst umgehen können», erläutert Anita Manser Bonnard, die für diese Themenwoche verantwortlich ist. Dazu lernten sie konkrete Instrumente

Hohe emotionale Belastung: Die Arbeit im Gesundheitswesen verlangt der Psyche einiges ab.

und Übungen kennen, beispielsweise um selbstsicher aufzu­ treten, sich zu entspannen oder sich abzugrenzen. MITFÜHLEN, ABER NICHT MITLEIDEN

Das Abgrenzen wird auch in der Themenwoche «Beratung» vertieft behandelt. «Es geht darum, eine gesunde Distanz zu finden, um sich selbst nicht zu stark zu belasten», erklärt Ste­ phanie Rösner, Verantwortliche der Themenwoche. Das heisse nicht, keine Empathie zu zeigen. «Wir wollen den Stu­ dierenden aber vermitteln, dass Empathie bedeutet, mitzu­ fühlen, ohne selbst zu leiden.» Zentral sei, zwischen den Ge­ fühlen des Gegenübers und den eigenen zu unterscheiden. «Fehlt diese Unterscheidung, besteht die Gefahr der emotio­ nalen Überforderung», sagt Rösner. In der Themenwoche vermitteln sie und andere Dozierende auch gängige Inter­ ventionen, die in der Praxis zur Psychohygiene zum Einsatz kommen: beispielsweise die kollegiale Beratung (Intervisi­ on) oder die Supervision. «Solche Gefässe helfen, das eigene Fühlen, Denken und Handeln in Gesprächen zu reflektieren und damit eine gewisse Distanz einzunehmen.» Von ihren Patienten Abstand nehmen – allerdings phy­ sisch – musste Elena Pagliarini zwei Tage, nachdem sie schla­ fend am Schreibtisch fotografiert wurde. Die italienische Pflegefachfrau wurde positiv auf das Coronavirus getestet. Sie begab sich Mitte März in Selbstisolation. Anfang April war sie wieder genesen und sagte zu den Medien: «Ich kann es kaum erwarten, wieder arbeiten zu gehen.» //

blog.zhaw.ch/vitamin-g

VITAM I N G NR .  8 JUN I 2 0 2 0 11


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

«BEZIEHT MAN EINMAL EINE IV-RENTE, IST DAS NUR SCHWER UMKEHRBAR» Stress, Burn-out, Konflikte: Bei psychischen Problemen am Arbeitsplatz werden Betroffene häufig zu lange krankgeschrieben, stellt der Psychologe Niklas Baer fest. Das führe oft zum Jobverlust. Mit ergonomischen Massnahmen im psychischen Bereich liesse sich in vielen Fällen die Arbeitsfähigkeit erhalten, sagt der Eingliederungsexperte und externe Dozent am Departement Gesundheit. VON SUSANNE WENGER

Die zunehmenden Krankschreibungen aus psychischen Gründen sollten uns zu denken geben, sagt Niklas Baer, Psychologe und Experte für Arbeitsintegration.

Herr Baer, wann waren Sie bei der Arbeit das letzte Mal so richtig gestresst? Und wie gingen Sie damit um? Niklas Baer: Wir bauen unser Kompetenzzentrum WorkMed neu auf, das ist sehr viel Arbeit und ich trage hier Verantwortung. Ende 2019 war eine gewisse Grenze erreicht, nicht nur für mich, fürs ganze Team. Wir waren froh, dass die Weihnachtsferien kamen. Ich schlief viel und verbrachte Zeit mit der Familie. Das habe ich wirklich gebraucht. Stresserkrankungen nehmen bei Schweizer Erwerbstätigen in den letzten Jahren stark zu, wie die Versicherungen melden. Und mehr Leute sagen, sie seien gestresst bei der Arbeit, wie die letzte grosse Gesundheits12

VITAMIN G NR . 8 J U N I 2 0 2 0

befragung des Bundesamts für Statistik ergab. Woran liegt das? Sie formulieren es richtig: Mehr Leute sagen, sie seien gestresst bei der Arbeit. Wir müssen differenzieren. Dass psychische Erkrankungen zugenommen haben, lässt sich nicht belegen. Aber unser Umgang damit hat sich verändert. Wir reden offener über unsere Befindlichkeit. Das ist ein Fortschritt. Ich will Stresserkrankungen nicht bagatellisieren. Aber wir können davon ausgehen, dass es sie schon früher gab. Vielleicht sprachen die Leute weniger darüber. Sie bissen sich lieber durch? Genau. Früher biss man vielleicht eher auf die Zähne, um


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

nicht als «Jammeri»zu gelten. Ein solches Verhalten war positiv bewertet. Heute redet man offener über Belastungen. Ich will das nicht werten, es ist einfach eine Veränderung in der Gesellschaft. Es gibt heute auch sehr viel mehr Psychiaterinnen und Psychiater, die Menschen gehen mehr in Behandlung. Und jetzt kommt doch noch eine Bewertung: Dass man in Behandlung geht, finde ich gut. Problematisch finde ich, dass die Leute häufiger als früher und zudem relativ lange krankgeschrieben werden. Auch die Arbeitswelt hat sich verändert. Die Digitalisierung erhöht das Tempo, Zeit- und Leistungsdruck nehmen zu. Macht uns das krank? Insgesamt macht uns die Arbeitswelt offensichtlich nicht kränker als früher. Zeitdruck, Multitasking und Digitalisierung sind zwar Veränderungen, die uns fordern. Dafür werden wir in anderen Bereichen entlastet. Heute ist die Arbeitswelt nicht mehr so autoritär. Dank der Digitalisierung haben wir mehr Hilfsmittel zur Verfügung. Was oft vergessen geht: Wir wachsen mit den Veränderungen. Meine Kinder sind digital gewiefter als ich. Immer wieder neue Programme lernen stresst sie nicht, mich schon eher. Menschen können sich anpassen. Psychische Erkrankungen von Berufstätigen führen oft zu Jobverlust oder gar zu einer IV-Rente. Die Zahl der IV-Neurenten in der Schweiz ging zwar insgesamt zurück, doch fast die Hälfte ist auf psychische Erkrankungen zurückzuführen. Ist das alarmierend? Ich finde, wir sollten uns Gedanken darüber machen, was das heisst. Wenn Menschen zunehmend aus dem Arbeitsmarkt ausgegliedert werden, ist das alarmierend. Bezieht man einmal eine IV-Rente, ist das nur schwer wieder umkehrbar. Die zunehmenden Krankschreibungen aus psychischen Gründen sollten uns zu denken geben. Sie sind sozialpolitisch ein schlummernder Riese, menschlich, aber auch finanziell. Warum kommt es dazu? Eine Krankschreibung ist typischerweise das vorläufige Ende einer längeren unguten Entwicklung am Arbeitsplatz. Es gab Konflikte, Überforderung, eine stressige Situation eskalierte über Monate hinweg, vielleicht Jahre. Am Schluss kann die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter nicht mehr, geht zum Arzt und lässt sich krankschreiben. Mit Burn-out? Zum Beispiel. Das ist dann der Begriff, der gebraucht wird. Doch dahinter können ganz verschiedene Geschichten stecken. Häufig sind es Konfliktsituationen. Dann wird krankgeschrieben, obwohl die betroffene Person nicht grundsätzlich arbeitsunfähig ist. Sie kann oder will einfach nicht mehr an diesen bestimmten Arbeitsplatz zurück. Man nennt das eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit. Vieles gehört in diese Kategorie. Gibt es das Burn-out gar nicht? Doch. Diesem Moment der Eskalation kann man Burn-out sagen. Die Leute kommen nicht mehr aus dem Grübeln heraus, können sich nicht mehr erholen, schlafen nicht mehr

«Die meisten psychisch kranken Menschen können Leistung bringen.»

recht. Die Symptomatik eines Burn-outs ist das, was sich am Schluss zeigt. Es hat aber oft eine längere Vorgeschichte. Überforderung, mangelnde Wertschätzung des Chefs, Konflikte mit den Kollegen oder dem Chef, ein Job, der nicht den Fähigkeiten entspricht. Was ist hilfreicher als die Krankschreibung? Früh genug zu intervenieren, damit jemand den Arbeitsplatz behalten kann. Schon bevor die Situation sich so zuspitzt, dass die betroffene Person sagt: Ich kann unter gar keinen Umständen zurück. Bevor also zu viel Geschirr zerschlagen ist. Auch Frühintervention ist Eingliederung – mit sehr viel besseren Erfolgsaussichten als die Wiedereingliederungsversuche im Nachhinein. Wer muss dabei aktiv werden? Alle. Der Chef müsste den Mitarbeiter frühzeitig ansprechen und eine Lösung suchen, vielleicht auch mal eine externe Beratung beiziehen. Der betroffene Mitarbeiter sollte früh genug zum Chef gehen und sagen: Hör zu, ich habe ein Pro­ blem, ich weiss nicht mehr weiter. Und schliesslich könnte der Arzt den Patienten auf Schwierigkeiten bei der Arbeit ansprechen und ihm vorschlagen, einmal zu dritt mit dem Vorgesetzten zu reden. Alle sind gefragt. Das Problem ist nur: Kaum jemand machts. Woran liegt das? Der Mitarbeiter getraut sich nicht zu sagen, dass er psychische Probleme hat. Bei Rückenproblemen sagt er es am ersten Tag. Der Chef hat Hemmungen, psychische Auffälligkeiten anzusprechen. Gleichzeitig steigt der Ärger. Und der Arzt denkt häufig nicht daran, dass ein Telefonat mit dem Arbeitgeber des Patienten eine Option sein könnte. Der Patient kann nebendran sitzen und über Lautsprecher zuhören.

VITAM IN G NR .  8 JUNI 20 2 0 13


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

Auch die IV hat ja seit einiger Zeit Möglichkeiten der Frühintervention. Ja, das ist ein Weg, der 2008 mit der fünften IV-Revision gesetzlich geschaffen wurde. Der Arbeitgeber kann den Mitarbeiter unkompliziert melden. Dieser muss nicht einmal einverstanden sein, er muss es nur wissen. Doch nur gerade in fünf bis zehn Prozent der gravierenden Situationen kommt es zu einer IV-Meldung, wie wir 2015 in einer grossen Arbeitgeberbefragung erhoben haben. Das ist ganz klar zu wenig. Aus welchen Gründen wird dies nicht genutzt? Die Vorgesetzten haben viel zu lange das Gefühl, sie müssten Führungsprobleme mit einem Mitarbeiter selber lösen. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen schauten wir es genauer an und fanden heraus: Am Informationsstand liegt es nicht. Die meisten wissen, dass es die Möglichkeit einer Meldung an die IV gäbe, empfinden dies aber als illoyal gegenüber dem Mitarbeiter. Die IV wird noch nicht genügend als die professionelle Eingliederungsversiche­rung wahrgenommen, die sie heute ist. Das ist schade.

mithilfe der IV den Sprung in den Arbeitsmarkt schafft. Nochmals: Warum ist das so schwierig? Psychische Erkrankungen entfalten eine Dynamik, die aus verschiedenen Gründen gegen die Integration wirkt. Vieles läuft auf der Beziehungsebene, das macht es anspruchsvoller als ein Rückenleiden. Zudem spielt die Betriebskultur eine Rolle. Versteht der Arbeitgeber unter Gesundheitspräven­ tion mehr als Früchte im Pausenraum? Wie wird mit Fehlern, Defiziten und Problemen umgegangen? Können Mit­arbei­ tende darüber reden oder ist das ein Karrierekiller? Haben die Betriebe Kontakt zu psychologischen und psychiatrischen Fachpersonen? Werden Vorgesetz­te im Umgang mit betroffenen Mit­ arbeiten­ den geschult? Andere Länder, vor allem nordische, sind da wesentlich weiter als die Schweiz.

«Früher biss man vielleicht eher auf die Zähne.»

Wie geht Ihr Kompetenzzentrum vor, um den Arbeitsplatz einer psychisch kranken Person zu erhalten? Wir setzen unter anderem auf ergonomische Beratung. Damit meine ich nicht höhenverstellbare Schreibtische und ähnliche Sachen, sondern Anpassungen im psychischen Bereich. Jemand hat zum Beispiel eine Depression und dadurch Konzentrationsmängel. Dann kann man engmaschige Kon­ trollen der Arbeit vereinbaren, um Flüchtigkeitsfehler zu kompensieren. Oder jemand ist schwierig im Sozialverhalten: impulsiv, emotional instabil, schnell gereizt, nicht kritikfähig. Das ist nicht so selten. Eine belastende Situation für den Betroffenen, aber auch fürs Team, den Chef. Ergonomisch könnte hier mehr Einzelarbeit vorgesehen werden, vielleicht auch im Home-Office. Weniger Teamkontakte reduzieren den Stress. Bei kognitiven Problemen wiederum gibt es die Möglichkeit, Erinnerungsfunktionen des Smartphones zu nutzen. Und so weiter. Ergonomie bei psychischen Problemen ist ein unterschätztes Gebiet und könnte noch stark ausgebaut werden. Wieso hat ein Arbeitgeber ein Interesse daran? Weil die meisten psychisch kranken Menschen Leistung bringen können. Viele psychische Störungen wirken sich nicht gravierend auf die Arbeitsfähigkeit aus. Angststörungen zum Beispiel sind relativ häufig, viele Betroffene können sich damit arrangieren. Und jemand mit einer narzisstischen Störung kann zwar für das Team sehr anstrengend sein, läuft aber bei Präsentationen vor 500 Leuten zu Hochform auf und trifft schwierige Entscheidungen im Handumdrehen. Mitarbeitende mit psychischen Erkrankungen können gewisse Sachen sehr gut, andere weniger. Dort gilt es zu kompensieren und zu unterstützen. Sie haben im Auftrag des Bundes die Wiedereinglie­ derung bei psychisch kranken Menschen untersucht. Dabei zeigte sich, dass nur gerade jede, jeder Vierte 14

VITAMIN G NR . 8 J U N I 2 0 2 0

Was können wir alle tun, um bei der Arbeit gesund zu bleiben? Eine Arbeit wählen, die unseren Fähigkeiten entspricht, unabhängig vom Status, den sie uns einbringt. Authentisch sein: Einsatz zeigen, Freude haben an Leistung, aber auch sagen, wenn wir nicht weiterwissen. Nicht immer so tun, als ob wir alles im Griff hätten. Durch einen entspannteren Umgang mit dem Unperfekten wäre schon viel gewonnen. //

NIKLAS BAER ist promovierter Psychologe und Leiter des Kompetenzzentrums WorkMed der Psychiatrie Baselland in Liestal. WorkMed ging aus der früheren Fachstelle Rehabilitation hervor, die Baer leitete. Der 57-jährige Basler ist seit vielen Jahren ein national und inter­ national anerkannter Experte für Arbeitsintegration bei psychischen Erkrankungen. Als externer Dozent am ZHAW-Departement Gesundheit bringt er in den CAS «Best Practice in Ergotherapie – Psychiatrie» und «Best Practice in Ergotherapie – Berufliche Integration» sein Wissen ein. In seinen Lehrveranstaltungen geht es unter anderem um die im Interview erwähnten ergono­mischen Massnahmen. workmed.ch

Am 4. September 2020 gibt Niklas Baer an der ZHAW den Kurs «Arbeiten trotz psychischer Probleme» für Ergotherapeut/ -innen und Interessierte anderer Berufsgruppen.

Weitere Infos: zhaw.ch/gesundheit/weiterbildung


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

«OHNE TITEL», SIMON JETZER

«Die Farben der Pfauenskulptur unterscheiden sich von denen der echten Tiere. Das Kunstwerk sym­bolisiert, dass man sich trauen sollte, Dinge im Leben anders zu tun als gewohnt. Bei der kreativen Arbeit im Living Museum komme ich in einen Flow – eine Art Meditation, die mir ermöglicht, meine inneren Welten zu verarbeiten.»

VITAM IN G NR .  8 JUNI 20 2 0 15


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

W E N N DA S G LÜ C K S­G E F Ü H L T R OTZ B A BY AU S B L E I B T Nach der Geburt sind Frauen besonders anfällig für depressive Verstimmungen. Angehende Hebammen lernen im Studium am Departement Gesundheit, wie sie am besten auf psychische Probleme reagieren und betroffene Mütter unterstützen können. VON ANDREA SÖLDI

Stimmungstief statt Babyglück: 10 bis 15 Prozent der Mütter entwickeln nach der Geburt eine Wochenbettdepression.

M

ia war ein Wunschkind. Die Schwangerschaft war problemlos verlaufen. «Ich freute mich auf das Baby», erzählt Barbara Müller, die wie ihr Kind eigentlich anders heisst. Doch etwa zwei Wochen nach der Geburt habe sie sich zunehmend überfordert gefühlt. «Ich weinte viel und hatte Angst, mit meiner Tochter alleine zu sein. Die Verantwortung hat mich fast erdrückt.» Dazu kam der Schlafmangel. Obwohl Mia verglichen mit anderen Babys eher wenig aufwachte in der Nacht, fühlte sich die Mutter häufig müde. Nach dem Stillen konnte sie oft nicht wieder einschlafen. «Ich hatte massive Schuldgefühle, weil ich befürchtete, das Kind leide unter meinen psychischen Problemen», blickt die 38-Jährige zurück. Das habe alles noch schlimmer gemacht.

16

VITAMIN G NR . 8 J U N I 2 0 2 0

Es war schliesslich die Mütterberaterin, die erkannte, dass Barbara Müller Hilfe brauchte. Sie ermutigte sie, sich Entlastung zu organisieren. Fortan kam ihre Mutter regelmässig vorbei und nahm ihr das Baby ab. Zudem arbeitete sie mit ihrem Partner eine Art Dienstplan aus. Sie hielten genau fest, wer wann für Mia zuständig ist. So kam die junge Mutter regelmässig zu Pausen, in denen sie spazieren gehen oder ungestört Zeitung lesen konnte. Zudem nahm sie psychologische Beratung in Anspruch. M E H R A L S E I N B A BY B L U E S

Psychische Probleme im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt sind keine Seltenheit. Besonders häufig ist


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

die Wochenbettdepression - auch postnatale oder postpartale Depression genannt. Sie kommt bei 10 bis 15 Prozent aller Mütter vor – etwas häufiger als Depressionen in anderen Lebens­umständen. Bei Frauen, die schon früher Erfahrungen mit Depressionen gemacht haben, ist das Risiko grösser. Das Stimmungstief macht sich im Zeitraum von zwei Wochen bis etwa sechs Monaten nach der Geburt bemerkbar. Betroffene Frauen leiden unter verschiedenen Beschwerden, unter anderen etwa Antriebslosigkeit, Erschöpfung, Leeregefühl, der Unfähigkeit, sich zu freuen, Schlafstörungen und Ängsten. Nicht zu verwechseln ist eine postpartale Depression mit dem Babyblues, der aufgrund der hormonellen Umstellung bei rund drei Vierteln aller Frauen einige Tage nach der Geburt auftritt. Er äussert sich typischerweise durch unvermittelte Tränenausbrüche. In der Regel legt sich der Zustand innert weniger Tage von alleine wieder. Wie alle anderen Menschen können auch Frauen in der Schwangerschaft und nach der Geburt von diversen weiteren psychischen Erkrankungen betroffen sein: Schizophre­ nien, Angststörungen, Manien oder Borderline-Syndrom. «Wenn Frauen die Schwangerschaft als Belastung empfinden, kann das jegliche Art psychischer Erkrankungen verstärken», sagt Katrin Oberndörfer. Die Dozentin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), diplomierte Hebamme und Psychologin hat diverse Beiträge in Büchern und Fachzeitschriften zum Thema verfasst. Sie betont: Gefährdet seien nicht nur Frauen mit Partnerschaftsproblemen oder in schwierigen sozialen und finanziellen Verhältnissen: «Es kann bei jeder Mutter passieren.»

Mensch ihnen fremd erschien. Die damit verbundenen Schuldgefühle führen oft in eine Art Teufelskreis. UNTERSTÜTZEN BEIM HILFE ORGANISIEREN

Umso wichtiger ist es, dass Hebammen und andere Fachpersonen gut auf entsprechende Probleme vorbereitet sind. Studentinnen des Bachelorstudiengangs Hebamme am Departement Gesundheit befassen sich deshalb bereits in den ersten beiden Semestern mit psychologischen Grundlagen, später mit Psychopathologie und Behandlungsmöglich­keiten. Sie lernen Instrumente kennen wie etwa einen Fragebogen mit Kriterien, die auf eine Depression hinweisen und den Schweregrad ermitteln. Wenn eine Wöchnerin etwa Tränen in den Augen hat, viele Fragen stellt, unsicher und bedrückt wirkt und unter Schlafstörungen leidet, obwohl das Baby mehrere Stunden am Stück schläft, sollten die Hebammen hellhörig werden. Mit einer leichten Depression könne eine Hebamme oft alleine zurechtkommen, sagt Katrin Oberndörfer. Zum Beispiel, indem sie einfühlsam auf die Frau eingeht, sie dabei unterstützt, andere Personen um Entlastung zu bitten, und die Beziehung zum Kind fördert. Einfache Verhaltensweisen, die psychisch stabile Mütter meist intuitiv entwickeln, müssen bei depressiven Müttern manchmal angeleitet werden: etwa beim Wickeln mit dem Kind Blickkontakt zu halten und mit ihm zu sprechen. Hebammen können zudem anbieten, ihre Betreuungszeit zu verlängern. Bei mittleren und schwereren Depressionen müssten sie jedoch professionelle Hilfe organisieren, betont Oberndörfer. Sie sollten die Frauen motivieren und unterstützen, einen Arzt oder Psychologen aufzusuchen oder wenn nötig sogar in eine Klinik einzutreten. Wichtig sei zudem, stets die Suizidgefahr im Auge zu behalten und die Frauen direkt nach Suizidgedanken zu fragen. Ein absolutes Alarmzeichen ist, wenn die Frau eine Wochenbettpsychose mit verzerrter Wahrnehmung der Realität entwickelt. Das kann für das Kind gefährlich sein. Barbara Müller hatte das Glück, dass sie in den ersten Monaten mit dem Baby gut von ihrer Mutter und von Freundinnen unterstützt wurde. Da ihr Partner selbstständig erwerbend ist, konnte er länger zu Hause bleiben als die meisten Väter. «Am meisten hat es mir geholfen, wenn jemand mir sagte: Du kannst nichts dafür», erinnert sich Müller. Der Arzt schrieb sie nach dem Mutterschaftsurlaub noch für zwei Monate krank. «Es dauerte etwa ein Jahr, bis ich wieder mich selber war», blickt die junge Mutter zurück. Unterdessen ist Mia zwei Jahre alt und der kleinen Familie geht es gut. //

«Ich weinte viel und hatte Angst, mit meiner Tochter alleine zu sein.»

K I N D KÖ N N T E S C H A D E N N E H M E N

Eine psychische Erkrankung zu erkennen, sei oft nicht ganz einfach, weiss die Fachfrau. Denn besonders in der frühen Phase der Schwangerschaft ähneln deren Begleiterscheinungen jenen einer depressiven Verstimmung. Ein Grossteil der Frauen fühlt sich müde, manche auch antriebslos. Zudem kann sich eine Depression auch noch entwickeln, nachdem die regulären Wochenbettbesuche der Hebamme abgeschlossen sind. Doch das Erkennen von psychischen Erkrankungen der Mutter ist wichtig. Denn für das ungeborene oder neugeborene Kind können die Auswirkungen weitreichend sein: In wissenschaftlichen Studien findet man Hinweise darauf, dass gesundheitliche Komplikationen während der Schwangerschaft und bei Neugeborenen im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen der Mutter gehäuft auftreten. Zudem sind Kinder von nach der Geburt depressiven Müttern stärker gefährdet, später ein hyperaktives oder aggressives Verhalten zu entwickeln oder selber an Depressionen zu erkranken. Und sie weisen tendenziell einen tieferen Intelligenzquotienten auf. Bei der postpartalen Depression sind zudem Bindungsstörungen zum Kind häufiger als bei gesunden Müttern. Frauen mit entsprechenden Erfahrungen erzählen, dass sie ihr Baby in dieser Phase nicht lieben konnten und der kleine

Informationen und Unterstützung bei einer postnatalen Depression bietet der gleichnamige Verein: postnatale-depression.ch

VITAM IN G NR .  8 JUNI 20 2 0 17


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

RÜCKENSCHMERZEN SIND AU C H KO P F S AC H E Dass die Psyche bei Rückenschmerzen eine Rolle spielt, ist bekannt. Doch wie psychische Faktoren den Verlauf der Schmerzen beeinflussen und welche Rolle sie bei einer Chronifizierung spielen, ist weitgehend unklar. Sabina Hotz Boendermaker, Forscherin am Departement Gesundheit, untersucht das komplexe Wechselspiel zwischen Psyche und Körper bei Rückenschmerzen in einer Langzeitstudie. VON TOBIAS HÄNNI

G

eht es um den Rücken, spielt der Kopf eine grosse Rolle: Manchmal, wenn Sabina Hotz Boendermaker diese Aussage unterstreichen will, legt sie einen Kugelschreiber auf den Boden und bittet ihr Gegenüber, diesen aufzuheben. «Auch Fachleute überlegen dann oft intensiv, wie sie das rückenschonend tun können», sagt die promovierte Neurowissenschaftlerin, die am Departement Gesundheit zu Schmerzpsychologie lehrt und forscht. «Dabei gibt es eigentlich nichts nachzudenken – man bückt sich und hebt den Schreiber auf.» Das Experiment verdeutlicht, wie stark die Psyche involviert ist, wenn wir unseren Rücken bewegen. «Jeder hat gewisse Vorstellungen darüber, was gut für den Rücken ist und was nicht.» THERAPIEN FOKUSSIEREN AUF KÖ R P E R L I C H E E B E N E

Dass mit dem Rücken zahlreiche, auch fehlerhafte Vorstellungen verbunden sind, erstaunt nicht: Weltweit leiden geschätzte 80 Prozent aller Menschen mindestens einmal in ihrem Leben an Rückenschmerzen. Für einige wird aus der unerfreulichen Bekanntschaft ein ständiger Begleiter – 20 Prozent der Betroffenen entwickeln ein chronisches Rückenleiden. Doch trotz ihrer weiten Verbreitung bestehen zu den Ursachen von Rückenschmerzen sowie den Einflüssen und der Interaktion psychosozialer Faktoren noch Wissenslücken. Das wirkt sich laut Hotz Boendermaker auch auf die Behandlung aus. «Viele Therapien suchen die Ursache der Schmerzen ausschliesslich im körperlichen Bereich und finden somit lediglich auf dieser Ebene statt.» Sie sei zwar «dezidiert der Meinung», dass jedem Rückenschmerz ein muskuloskelettales Problem zugrunde liege. «Wie sich der Schmerz danach weiterentwickelt und ob er chronisch wird, hängt jedoch stark von psychosozialen Faktoren sowie von den durchgeführten Untersuchungen ab.» KO M P L E X E S F O R S C H U N G S F E L D

In einem laufenden Forschungsprojekt will die Wissenschaftlerin, Psychologin und Physiotherapeutin mehr über 18

VITAMIN G NR . 8 J U N I 2 0 2 0

die Zusammenhänge zwischen physischen und psychosozialen Faktoren bei Rückenleiden herausfinden. Der Fokus des vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Projekts liegt dabei auf Schmerzen im unteren Rücken. Dass bezüglich deren Entstehung und Verlauf Forschungsbedarf be­ steht, legen Zahlen zu den Diagnosen nahe: Bei nur 15 Prozent aller Fälle können die Schmerzen auf ein muskuloskelettales Problem zurückgeführt werden, beispielsweise auf einen eingeklemmten Nerv oder eine Wirbelfraktur. Bei allen anderen sind die Schmerzen unspezifisch, ihre Ursache ist unklar. Mit dem Projekt erhebt das Forschungsteam in einer weltweit ersten Langzeitstudie gleichzeitig somatische und psychosoziale Faktoren und bringt sie in einen Zusammenhang. Kein einfaches Unterfangen, denn Körper und Psyche beeinflussen sich in einer komplexen Wechselwirkung. WEDER ANGST NOCH DEPRESSION

Besonders gross ist die Forschungslücke zu dieser Wechselwirkung bei akuten oder episodischen, also wiederkehrenden Rückenschmerzen. «Diese Patienten sind das Daily Business für Physiotherapiepraxen», sagt Hotz Boendermaker. Zwar gibt es Studien über die Zusammenhänge von Körper und Psyche bei Rückenleiden. «Die meisten davon wurden jedoch mit Personen mit chronischen Rückenschmerzen durchgeführt.» Das Problem am Fokus auf diese Patientengruppe sei, dass die Studien in der Literatur sehr viel Gewicht erhielten und auch für die Behandlung nichtchronischer Rückenschmerzen herangezogen würden. Die Wissenschaftlerin schildert die Problematik am Beispiel der Bewegungsangst: «Chronische Schmerzpatienten entwickeln häufig eine Angst vor gewissen Bewegungen, weil sie durch diese eine Zunahme der Schmerzen befürchten.» Die vorherrschende Meinung sei deshalb, dass Rückenschmerzen über einen längeren Zeitraum zu Bewegungsangst und damit zu einer Vermeidung von körperlichen und sozialen Aktivitäten führten. Ebenfalls dominiert laut Hotz Boendermaker in der Wissenschaft die Annahme, dass Menschen, die über einen längeren Zeitraum von Schmerzen geplagt werden, depressiv werden. «Tatsächlich


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

trifft dies auf 30 bis 40 Prozent der Patienten mit chronischen Schmerzen zu. Doch diese Ergebnisse lassen sich nicht einfach so übertragen – das zeigen nun auch die ersten Ergebnisse unserer Studie.»

«Unsere Probanden bewegten sich weiter, trotz Schmerzen.»

E R WA R T U N G S H A LT U N G F Ü H R T Z U S T R E S S

Für diese haben die Forschenden bei rund 200 Probanden mit – teils wiederkehrenden – akuten Rückenschmerzen während eines Jahres mehrmals physische und psychische Tests durchgeführt. Dazu gehörten Fragebögen, beispielsweise zu Schmerzintensität, Bewegungsangst oder Depression, sowie klinische Tests, etwa die Kontrolle der Rumpfmuskulatur oder der sensorischen Wahrnehmung. Das Fazit: Weder eine Bewegungsangst noch eine Depression muss sich bei Patienten mit episodischen Schmerzen entwickeln. «Nur zwei der 200 Studienteilnehmenden wiesen Anzeichen einer Depression auf. Das ist nicht höher als der Durchschnitt in der Bevölkerung», sagt Hotz Boendermaker. Und eine Bewegungsangst sei bei keinem Studienteilnehmenden festgestellt worden. Im Gegenteil: «Unsere Probanden bewegten sich weiter, trotz Schmerzen.» Diese ersten Ergebnisse liefern wichtige Hinweis darauf, dass die Einstellung zum Schmerz sowie psychische Veranlagung und Zustand eines Menschen eine wichtige Rolle beim Verlauf eines Rückenleidens spielen. «Rückenpatienten mit einer vorbestehenden psychischen Erkrankung haben eine dünnere Haut – und empfinden die Schmerzen deshalb stärker», erklärt Hotz Boendermaker beispielhaft. Dies wirke sich wiederum negativ auf die Psyche aus – was letztlich einen Teufelskreis und damit eine Chronifizierung in Gang setzen könne. Auch die Erwartungshaltung beeinflusse den Verlauf des Schmerzes, vermutet Hotz Boendermaker. Erwarte ein Betroffener, dass der Schmerz weggehen müsse, sei er unter Dauerstress, eine Therapie zu finden, die helfen kann. «Das bringt Psyche und Körper noch mehr aus dem Gleichgewicht.»

SCHEINWERFER AUF SCHMERZ ABSTELLEN

Aus den ersten Ergebnissen der Langzeitstudie lassen sich laut Sabina Hotz Boendermaker wichtige Schlussfolgerungen für die Behandlung von Rückenschmerzen ableiten. «Grundsätzlich muss die Psyche viel stärker berücksichtigt werden – was auch bedeutet, psychische Faktoren und die Einstellung zum Schmerz bei jeder Patientin, jedem Patienten individuell abzuklären.» Werde der Schmerz zum zentralen Element im Leben des Betroffenen und überstrahle alles andere, könne es helfen, «diesen Scheinwerfer auf den Schmerz» abzustellen – zum Beispiel, indem man den Betroffenen die Angst vor ihm nehme und ihnen dazu etwa die Schmerzphysiologie erkläre. «Zu Beginn der Rückenschmerzen hat die Angst eine wichtige Schutzfunktion – wie ein Gips», sagt Hotz Boendermaker. «Wird sie jedoch pathologisch, ist sie ein Risikofaktor, der zu einer Chronifizierung beitragen kann.» //

SCHMERZEN VERÄNDERN DAS GEHIRN Wie sich Rückenschmerzen im Gehirn auswirken können, untersucht Sabina Hotz Boendermaker mit einem Teil der Probanden mit funktionellen MRI-Aufnahmen. «Wir wollen heraus­ finden, was episo­dische Schmerzen im Verlauf eines halben Jahres im Gehirn verändern.» Die Forschenden zeichneten auf, wie sich die schmerzfreie Mobilisation eines Rückenwirbels im Gehirn bemerkbar machte, und ver­glichen die MRI-Bilder mit denen gesunder Personen zu verschie­denen Zeitpunkten. Eine wichtige Erkenntnis: Die Aktivierungsmuster im Hirn ver­ändern sich viel rascher als bisher angenommen. «Bei den Probanden mit akuten Rückenschmerzen führte die Stimulation zu einer geringeren Wahrnehmung von Bewegungsempfin­ dungen im Rücken», so Hotz Boendermaker. Dafür seien Hirn­ areale stärker aktiviert worden, die für die Vorbereitung einer Rumpfbewegung verantwortlich sind. «Diese Bewegung

wäre eine natürliche Schutz­reaktion vor einer schmerzhaften Situation», sagt Hotz Boendermaker. «Die Aktivierung ist ein erster Hinweis auf eine veränderte Bewegungssteuerung im Gehirn, die bei anhaltenden Schmerzen möglicherweise zu mechanischen Problemen führt.» Mit dem MRI wurden zudem die Reaktionen aufgezeichnet, wenn gesunden Probanden und solchen mit Rückenschmerzen Videos von Aktivitäten, etwa einer Bückbewegung, gezeigt wurden. Bei Probanden, die überzeugt waren, dass die Aktivi­tät für den Rücken gefährlich sei, wurde das Angstsystem aktiviert – selbst wenn die Personen schmerzfrei waren. «Diese Ergebnisse zeigen deutlich, dass Überzeu­gungen selbst bei einfachen Aktivitäten eine Rolle spielen und sich bei Rückenschmerzen negativ auf die Heilung auswirken können», sagt Hotz Boendermaker.

VITAM IN G NR .  8 JUNI 20 2 0 19


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

«WÜSTE» (AUSSCHNITT), PIETRO MARTELLA

«Ich bin schon seit ungefähr 40 Jahren künstlerisch tätig, aber vor allem, seit ich seit einem Jahr ins Living Museum komme. Die Kunst gibt mir die Kraft und Zufriedenheit, um im Leben weiterzumachen, und hilft mir auch in meinen schwierigsten Tagen. Sie steht für das, was auch dieses Bild symbolisiert: für Hoffnung.»

20

VITAMIN G NR . 8 J U N I 2 0 2 0


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

U N T E R W E G S F Ü R P SYC H I S C H KRANKE MENSCHEN In Wohnheimen leben vermehrt Menschen, die psychisch erkrankt sind. Der Mobile Dienst für Wohnversorgung der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich hilft dabei, sie optimal zu behandeln. «Wir sind fachlich breit aufgestellt, arbeiten nieder­schwellig und flexibel», sagt Co-Leiterin Rahel Fröbel. Die Advanced Practice Nurse gibt ihr Wissen auch an Pflegestudierende am Departement Gesundheit weiter. VON EVELINE RUTZ

Rahel Fröbel auf dem Weg zu einer Fallbesprechung: Die Pflegefachfrau berät Wohnheime im Umgang mit Menschen, die psychisch erkrankt sind.

R

ahel Fröbel ist unterwegs. Von der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK), wo sie ihr Büro hat, geht sie den Hang hinunter in Richtung Zollikon. Im Rucksack trägt sie ihren Laptop, Unterlagen und eine Flasche Wasser mit. «Einen typischen Arbeitstag kenne ich nicht», sagt die Co-Leiterin des Mobilen Dienstes für Wohnversorgung (MDW). Am frühen Morgen erledige sie meist administrative Aufgaben, danach nehme sie Termine ausser Haus wahr. Gerate ein Klient in eine Krise, könne sich der geplante Ablauf jedoch rasch ändern. Je nachdem sei ihre Einschätzung dann per Telefon oder vor Ort gefragt. «Ein Notfalldienst sind wir aber nicht», sagt die 31-Jährige. «Wir arbei­ ten zu Bürozeiten.» Heute wird sie für eine Fallbesprechung im Wohnhaus Lengg erwartet, das Menschen mit kognitiven und psychischen Beeinträchtigungen ein Zuhause bietet und von der

Schweizerischen Epilepsie-Stiftung betrieben wird. Im Gemeinschaftsraum steht ein Flip-Chart bereit, am grossen Holztisch nehmen nach und nach Pflegende, Sozialpädagogen, Fachangestellte Betreuung sowie der Wohnhausleiter Platz. Rahel Fröbel und eine Sonderpädagogin leiten das Gespräch, das einem 48-jährigen Bewohner gilt. Er hat Epilepsie, leidet unter Schlafstörungen und neigt zu aggressivem Verhalten. Detailliert tauschen sich die Fachpersonen über seinen Zustand aus. WA R N S I G N A L E E R K E N N E N

«Reagiert er aufbrausend, wenn er überfordert ist?», will Rahel Fröbel wissen und rät dazu, auf seine Körpersprache zu achten. «Einige Menschen drehen ihre Gliedmassen leicht nach innen, wenn ihnen etwas zu schnell geht – wenn sie ko-

VITAM IN G NR .  8 JUNI 20 2 0 21


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

Sozialpädagogen mit entsprechenden Erfahrungen zu finden, ist allerdings schwierig. «Der Markt ist ausgetrocknet.» S E I T 2 017 I M E I N S AT Z

Wertvolle Aussenperspektive: In den Sitzungen mit den Wohnheim-Teams bringt Rahel Fröbel ihre Expertise als Advanced Practice Nurse ein.

gnitiv nicht folgen können.» Auch beim fehlenden Schlaf hakt sie nach. «Ist er am Abend überhaupt müde? Würde ihm allenfalls mehr Bewegung guttun?» Das Team überlegt, was es dazu beitragen kann, den häufig frustrierten Mann zu aktivieren. Und es nimmt sich vor, mit ihm zu erarbeiten, was für ihn ein gutes Leben ausmacht und wie er sich einem solchen annähern könnte. Einen Zugang zum Einzelgänger zu finden, scheint allerdings schwierig. Bisherige Bemühungen hat er meist abgeblockt. «Ich höre oft von Patienten, dass wir sie nicht psychologisieren sollen», gibt Rahel Fröbel zu bedenken. «Sie möchten über alltägliche Dinge sprechen können, ohne gleich analysiert zu werden.» Die Runde ist sich einig, dass das Gespräch sensibel aufgegleist werden muss. Abschliessend legt sie fest, bis wann die vereinbarten Massnahmen umgesetzt werden sollen.

Der aufsuchende Dienst der PUK hat seine Arbeit vor drei Jahren aufgenommen. «Wir sind mit einem Papier gestartet», erinnert sich Rahel Fröbel, die davor auf der Akutstation der PUK tätig war. Sie hat zwar nicht an der Konzeptionierung mitgewirkt, ist jedoch seit Beginn als Co-Leiterin tätig. Als solche hat sie die neuen Angebote in der Praxis umgesetzt und weiterentwickelt, Prozesse definiert und das interprofessionell zusammengesetzte Team geführt. «Die bestehende Versorgung ist fragmentiert», stellt die Advanced Practice Nurse fest. Viele Wohnheime seien gar nicht auf Menschen mit komplexen und schweren psychischen Erkrankungen ausgerichtet; selbstständig lebende Personen seien mit mehreren Fachpersonen konfrontiert. «Wir bieten alles aus einer Hand», sagt sie. «Wir sind fachlich breit aufgestellt, arbeiten niederschwellig und flexibel.» D E R P L AT Z S O L L E R H A LT E N B L E I B E N

Zurzeit sind die Mitarbeitenden des MDW im Rahmen eines Konsiliar- und Liaisondienstes in sieben Einrichtungen präsent. Sie machen ambulante Abklärungen, beraten, tria­gieren und supervisieren. Drei Psychiater halten regelmässig Visiten ab. Wenn nötig, führen sie vor Ort eine intensivierte me­dizinische Behandlung durch. Dadurch soll verhindert werden, dass Bewohner in schwierigen Phasen in die Klinik eingewiesen werden müssen und ihren Wohnplatz verlieren. Auch nach einer stationären Therapie oder wenn jemand erstmals in ein Heim zieht, kommt der mobile Dienst zum Einsatz. «Übertritte sind fragile Situationen», sagt Rahel Fröbel. «Wir begleiten sie und schaffen so Kontinuität.» Zur ihren Aufgaben zählen auch Schulungen. Im Wohnhaus Lengg hat die Masterabsolventin unter anderem über Schizophrenie, affektive Störungen sowie Suchterkrankun­gen referiert. «Mitarbeitende, die keine Vorkenntnisse mitbringen, sind im Umgang mit psychisch Erkrankten manchmal un­ sicher», sagt Markus Bai. Derartige Weiterbildungen würden dabei helfen, Vorbehalte abzubauen. Der Wohnhausleiter be­ grüsst die Vernetzung und die interprofes­sionelle Zusammenarbeit, die mit dem mobilen Dienst ausgebaut werden. «Im Interesse unserer Klienten muss es zwingend weiter in diese Richtung gehen.»

«Ich höre oft von Patienten, dass wir sie nicht psycholo­ gisieren sollen.»

INPUTS AUS EINER AUSSENSICHT

«Ich bringe meine pflegerische und psychiatrische Sicht ein», sagt Rahel Fröbel, die an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und an der Berner Fachhochschule Pflege studiert hat. Sie arbeite kreativ und rege gerne zu Diskussionen an. «Sie gibt uns aus einer Aussenperspektive wertvolle Hinweise», ergänzt Markus Bai, Leiter des Wohnhauses. «Sie kann ihre fundierten theoretischen und praktischen Kenntnisse gut mit einer konkreten Situation verbinden.» Wohnheime hätten zunehmend mit Menschen zu tun, die psychisch beeinträchtigt seien, so Bai. Sie stünden unter Druck, auch anspruchsvollere Klienten aufzunehmen, da es nicht genügend speziell auf sie ausgerichtete Plätze gebe. «Wir versuchen, damit einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten.» Dank der Unterstützung des mobilen Dienstes der PUK könne das Team die gestiegenen fachlichen Anforderungen erfüllen. Markus Bai bemüht sich daneben, das psychiatrische Wissen innerhalb des Betriebs auszubauen. Pflegefachleute und 22

VITAMIN G NR . 8 J U N I 2 0 2 0

R E L AT I V F R Ü H I N E I N E R E I G E N E N W O H N U N G

Zur Angebotspalette des MDW gehört zudem das WohnCoaching. Vier Mitarbeitende unterstützen einerseits psychisch erkrankte Personen, die in einer eigenen Wohnung leben. «Wir können Symptome einer psychischen Erkrankung auffangen», sagt Rahel Fröbel und erzählt von einem schizophrenen Mann, der sich vom Vermieter verfolgt fühlte, was Konflikte auslöste. Und sie beraten andererseits Menschen,


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

die nach einem Heimaufenthalt wieder selbstständig wohnen möchten. Dabei lassen sie sich vom Ansatz «first place, then train» leiten. Das heisst, Betroffene wechseln im Vergleich zu anderen Konzepten relativ früh in eine eigene Bleibe und werden dabei begleitet. «Das bringt in vielen Fällen eine psychische Stabilisierung», sagt die Advanced Practice Nurse und verweist auf die soziale Inklusion, die damit ebenfalls angestrebt wird. KO N TA K T Z U D E N PAT I E N T E N

Rahel Fröbel arbeitet an einer Evaluation des Wohncoachings mit, die vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert wird. Zusammen mit dem Co-Leiter schreibt sie zudem gerade einen Bericht für die kantonale Gesundheitsdirektion, welche die Finanzierung des Modellprojekts MDW jeweils für zwei Jahre festlegt. «Ich habe auch mit den politischen Prozessen, den rechtlichen Grundlagen und dem Marketing zu tun», sagt Fröbel. Sie schätzt die Vielseitigkeit ihres

Berufsalltags. Obwohl die Wahl-Winterthurerin eine Leitungsfunktion ausübt und als Supervisorin, Coach und Dozentin tätig ist, hat sie nach wie vor Kontakt mit Patienten. «Das ist für das Ausüben einer APN-Rolle zentral», sagt sie. «So habe ich weiterhin einen Praxisbezug und kann die anderen Tätigkeiten glaubwürdig ausführen.» Seit Herbst 2019 gibt Rahel Fröbel ihr Wissen als Dozentin und seit Anfang Jahr als Modulverantwortliche an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) weiter (siehe Zweittext). Sie pendelt daher nicht nur zwischen ihrem Büro im einstigen Burghölzli, den Wohnheimen und privaten Wohnungen, sondern auch zwischen der Zürcher Klinik und der Hochschule in Winterthur hin und her. Sie sieht dies als Bereicherung: «Ich nehme von jeder Arbeitsstelle für die andere etwas mit.» //

blog.zhaw.ch/vitamin-g

STUDIERENDE SOLLEN SICH WERT­S CHÄTZENDE HALTUNG ANEIGNEN Pflegestudierende am Departement Gesundheit werden in einem Pflichtmodul auf den Umgang mit psychisch kranken Menschen vorbereitet. Sie sollen sich nicht nur Fachwissen und praktische Fähigkeiten, sondern auch eine wert­schätzende Haltung aneignen. Eine Frau, die unter Panikattacken leidet, entbindet ein Kind; ein depressiver Mann wird auf eine Operation vorbereitet: Nicht nur in der Psychiatrie haben Pflegefachpersonen mit Menschen zu tun, die psychisch erkrankt sind. Auch auf somatischen Abteilungen treffen sie Betroffene an. «Viele Fachpersonen in der Pflege haben Berührungsängste», sagt Rahel Fröbel, die an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK) tätig ist. Sie spricht von einer «grossen Verunsicherung» und «gewissen Vorurteilen». Seit Anfang Jahr leitet die Advanced Practice Nurse am Departement Gesundheit das Bachelormodul «Pflege von psychisch kranken Menschen». Darin gibt sie viel Fachwissen weiter. Die Studierenden lernen etwa die psychiatrische Diagnostik, rechtliche Aspekte sowie häufige Störungen, Behandlungsmethoden und pflegerische Interventionen kennen. Sie befassen sich zudem mit zentralen Konzepten, psychotherapeutischen Ansätzen und Clinical Assessments.

Hinzu kommen praktische Übungen, beispielsweise zur pat­ ientenzentrierten Kommunikation, oder der Besuch einer psychiatrischen Klinik. V O R B E H A LT E A B B A U E N

«Besonders wichtig ist es mir, eine wertschätzende Haltung zu vermitteln», sagt Rahel Fröbel. Pflegende sollen Betroffenen unvoreingenommen begegnen. Fabian Gautschi, stellvertretender Modulleiter, teilt dieses Anliegen. «Wir möchten Vorbehalte abbauen und das Interesse für psychische Beschwerden wecken.» Das Pflegepersonal sei zunehmend mit Mehrfacherkrankungen konfrontiert, sagt der 30-Jährige, der bei der psychiatrischen Spitex Limmat Aare Reuss arbeitet. Es sei wichtig, sich über den eigenen Fachbereich hinaus auszutauschen. «Man muss über das eigene Gärtchen hinausdenken.» Auch wer nicht in der Psychiatrie tätig sei, benötige psychiatrisches Basiswissen. So könne zum Beispiel Multiple Sklerose mit Antriebs- oder Schlaflosigkeit einhergehen. Das zweiwöchige Blockmodul findet im dritten Semester statt und ist für die Studierenden obligatorisch. Im Verlauf des Studiums können sie ihre Fachkenntnisse in der Pflege psychisch kranker Menschen noch weiter vertiefen – je nach Praktikumsort, Fallbearbeitungen in anderen Modulen und Thema der Bachelorarbeit. Bis zu 55 ETCS-Punkte, also fast ein Drittel der Studiumsleistung, sind für diese Vertiefung möglich.

VITAM IN G NR .  8 JUNI 20 2 0 23


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

DIE PSYCHE VON KINDERN UND JUGEND­L ICHEN STÄRKEN Bei Kindern und Jugendlichen sind psychische Probleme oftmals schwer zu erkennen. Um Jugendliche, Eltern und Fachpersonen für die psychische Gesundheit zu sensibilisieren, haben das Institut für Gesundheitswissenschaften und das Psychologische Institut der ZHAW in einem gemeinsamen Projekt Flyer und Broschüren zum Thema erarbeitet. VON MARION LOHER, ILLUSTRATIONEN: MALIN WIDÉN

Bunt illustriert und mit lebensnahen Tipps: Ein neuer Flyer der Departemente Gesundheit und Angewandte Psychologie zeigt Eltern, wie sie die psychische Gesundheit ihrer Tochter oder ihres Sohnes verbessern können.

B

auchweh, Kopfschmerzen oder Hautausschläge: Wenn die Kinderseele aus dem Gleichgewicht gerät, können körperliche Beschwerden auftreten. «Kinder drücken ihre psychischen Probleme oft mit physischen Schmerzen aus, weil sie für ihren Körper, im Gegensatz zu ihren Gefühlen, bereits Begriffe kennen», sagt Agnes von Wyl, Leiterin der Fachgruppe Klinische Psychologie und

24

VITAMIN G NR . 8 J U N I 2 0 2 0

Gesundheitspsychologie am Psychologischen Institut der ZHAW. Bei Jugendlichen sei es noch schwieriger, psychische Probleme zu erkennen: «Sie äussern sich meist nicht zu ihrer seelischen Not.» Oft wird bei körperlichen Beschwerden nicht sofort an eine psychische Störung gedacht. So bleibt diese meist lange unentdeckt – mit Folgen. «Unbehandelte psychische Störun-


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

gen können bei Kindern und Jugendlichen schwerwiegende Auswirkungen haben, beispielsweise in Form schlechter schulischer Leistungen oder sozialer Probleme», sagt Frank Wieber, stellvertretender Leiter der Forschungsstelle Gesundheitswissenschaften am gleichnamigen ZHAW-Institut. «Sie können aber auch dazu führen, dass eine in der Kindheit und Jugend bereits bestehende sozioökonomische Benachteiligung im Erwachsenenalter anhält.» Deshalb ist es wichtig, dass Probleme frühzeitig erkannt und mit der Kinderärztin besprochen werden. Hierfür müsse aber sowohl bei den Eltern als auch bei den Fachpersonen das Bewusstsein für psychische Beeinträchtigungen bei vordergründig vor allem körperlichen Leiden geschaffen werden. Und da ge­be es durchaus noch «Luft nach oben», sind sich die Wissenschaftlerin und der Wissenschaftler einig. «Es geht zum Beispiel darum, dass Kinderärzte bei Jugendlichen mit Bauchweh auch daran denken, dass diese womöglich gemobbt werden», illustriert Agnes von Wyl. U N T E R S C H I E D L I C H E S A LT E R , UNTERSCHIEDLICHE BEDÜRFNISSE

Um die Sensibilisierung für die psychische Gesundheit in den Kinderarztpraxen zu fördern, haben die beiden ZHAWInstitute in einem vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) finanzierten Projekt zusammengespannt. Die For­schenden erarbeiteten ein Massnahmenpaket, das aus einem Flyer für Kinder und deren Eltern, aus einer Broschüre für Jugendliche sowie aus fachlichen Hintergrundinformationen für Kinderärztinnen und -ärzte besteht. Diese fachlichen Informa­ tionen sind Arbeitsinstrumente, die den Ärztinnen und Ärzten den Gesprächseinstieg mit Eltern oder Jugendlichen erleichtern und bei Verdacht auf eine psychische Störung Screening-Verfahren zur weiteren Abklärung empfehlen. Weil Kinder und Jugendliche unterschiedliche Bedürfnisse

Die von den Departementen erarbeitete Broschüre für Jugendliche thematisiert unter anderem Abhängigkeit.

«Betonen Sie die Stärken Ihres Kindes»: Einer der Tipps, mit dem Eltern das Selbstbild des Kindes fördern können.

haben, war für die beiden Altersgruppen separates Material nötig. «Mit dem Flyer und der Broschüre sollen Fachpersonen, Eltern und junge Erwachsene konkrete Anregungen erhalten, die psychische Gesundheit zu stärken und so für das Thema sensibilisiert werden», so Frank Wieber. Mit seinem Team der Forschungsstelle Gesundheitswissenschaften hat Wieber das Merkblatt für die Sechs- bis Zwölfjährigen entwickelt. Entstanden ist ein bunter Flyer mit Illustrationen, der in erster Linie den Eltern helfen soll, die psychische Gesundheit ihrer Kinder zu verbessern. Dazu gibt es lebensnahe Tipps zu Einstellungen und Verhaltensweisen, auf die die Eltern bei ihren Kindern achten sollen. So heisst es beispielsweise unter «Mein Kind hat ein positives Bild von sich»: «Erkennen Sie die Stärken Ihres Kindes – und betonen Sie diese Stärken.» Für den Wissenschaftler war wichtig, dass die Informationen niederschwellig vermittelt werden. «So wie der Alltag zahlreiche Gelegenheiten bietet, die psychische Gesundheit zu stärken, bieten auch die regelmässigen kinderärztlichen Termine gute Möglichkeiten, um die Gesundheitskompetenz von Eltern zu stärken und psychische Beeinträchtigungen frühzeitig zu erkennen», sagt Wieber. Für die Erarbeitung des Flyers führten die Forschen­den eine Literaturrecherche durch, deren Ziel es war, Forschungsergebnisse zu wirksamen Elementen oder Interventionen im Bereich psychischer Gesundheitsförderung und Prävention zu sammeln. Die Wirkfaktoren wurden gebündelt und daraus zehn Punkte mit Tipps abgeleitet. In einer Fokusgruppe mit Vertretern der Kinderärzte Schweiz wurde das Ganze diskutiert, und die Forschenden holten Rückmeldungen von relevanten Fachorganisationen ein. Um einen Einblick in die Bewertung und Nutzung der Ratschläge zu erhalten, befragten sie zudem 72 Eltern von sechs- bis zwölfjährigen Kindern per Online-Umfrage. «Ihre Rückmeldungen zur Relevanz der Tipps und deren Anwendung im Alltag waren sehr positiv, was uns in unserem Vorhaben bestärkt hat», resümiert Frank Wieber.

VITAM IN G NR .  8 JUNI 20 2 0 25


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

KO N K R E T E W E R K Z E U G E F Ü R J U G E N D L I C H E

Agnes von Wyl und ihre Mitarbeitenden am Psychologischen Institut haben die Broschüre für Jugendliche im Alter zwischen 12 und 18 Jahren erarbeitet. Die 24 Seiten umfassende Publikation trägt den Titel «Heb der Sorg!» und richtet sich direkt an die Jugendlichen. Sie geht auf die wichtigsten Probleme ein und gibt den Jugendlichen konkrete Werkzeuge an die Hand, damit sie schwierige Situationen erkennen und bewältigen oder sie mit der Kinderärztin oder dem Kinderarzt besprechen können. So gibt es beispielsweise Tipps, wie Stress am besten abgebaut werden kann und wie mit Liebeskummer, der Trennung der Eltern oder dem Tod eines geliebten Menschen umgegangen wird. Der «Werkzeugkasten» beinhaltet aber auch «Mythen und Fakten zur psychischen Gesundheit», einen Onlinesucht-Kurztest sowie Adressen, wo sich die Jugendlichen Hilfe holen können. Nebst der Literaturrecherche zu psychosozialen Interventionen diente dem Projektteam vor allem das US-amerikanische «Adolescent Provider Toolkit» als Grundlage. Dieses enthält sowohl Informationen für Gesundheitsfachpersonen und Eltern als auch psychoedukative Module mit praktischen Übungen. «Wir haben jene Teile rausgenommen, die wir für relevant hielten, liessen sie auf Deutsch übersetzen und passten sie dem Schweizer Kontext an», sagt Agnes von Wyl. «Die Module ergänzten wir mit Themen, die in den letzten Jahren wichtiger geworden sind, wie etwa die Onlinesucht.» Damit der Werkzeug­ kasten die Zielgruppe tatsächlich anspricht und ihre Themen und Bedürfnisse aufgreift, wurden zwei Fokusgruppen mit Ju­gendlichen durch­­geführt. Wie beim Flyer für Kinder diskutierten die Wissenschaftler die Inhalte zudem mit Vertretern von Kinderärzte Schweiz und holten Rückmeldungen von verschiedenen Fach­gesellschaften ein. WEITERE PROJEKTE GEPLANT

Ab diesem Sommer sollen Flyer und Broschüre digital sowie in gedruckter Form verfügbar sein. Als Erstes ist geplant, die Broschüren in den Wartezimmern von Kinderärztinnen und Kinderärzten aufzulegen. «Selbstverständlich würden wir uns freuen – und es wäre sinnvoll –, wenn das Informationsmaterial auch in Schulen, Jugendzentren und anderen Institutionen erhältlich ist», sagt Agnes von Wyl. Für die Zukunft plant das interdepartementale Foschungs­team bereits weitere Projekte zur Förderung der psychischen Gesundheit. //

Umgang mit dem Tod: Die Broschüre für Jugendliche geht auch auf schwierige Situa­t ionen ein.

26

VITAMIN G NR . 8 J U N I 2 0 2 0

ANGSTSTÖRUNGEN RASCHER ERKENNEN Das Gemeinschaftsprojekt des Psychologischen Instituts und des Instituts für Gesundheitswissenschaften der ZHAW hat das Ziel, Hausärztinnen und Kinderärzte bei der Erkennung und Behandlung psychischer Erkrankungen bei Erwachsenen und Kindern sowie bei der Förderung der psychischen Gesundheit zu unterstützen. Gemeinsam mit Fachpersonen aus der Hausarztmedizin, Psychologie und Psychiatrie werden in einem Teilprojekt Empfehlungen zur Erkennung von psychischen Störungen erarbeitet, die in der Primärversorgung am häufigsten auftreten. Insbesondere die Erkennung von Depressionen und Angststörungen anhand von Screening-Instrumenten sowie die Gesprächsführung und die Förderung der Psychotherapiemotivation bei Patientinnen und Patienten mit einer solchen psychischen Störung sind wesentliche Bestandteile dieser Empfehlungen.

«Unbehandelte psychische Störungen können schwerwie­ gende Aus­w irkungen haben.»


DOSSIER|PSYCHISCHE GESUNDHEIT

«KOLIBRI» (AUSSCHNITT), PAUL HESS «Wenn ich an einem Kunstwerk arbeite, baut sich die Angst ab, die sonst per­ manent da ist. Und ich fühle die Zeit wieder fliessen. Wegen meiner Erkrankung habe ich normalerweise kein Zeitgefühl mehr. Manchmal gelingt es mir, meine Gefühle ins Bild einzubringen. Hier ist es die Zerbrechlichkeit: Der Kolibri steht für Leben und Tod zugleich.» VITAM IN G NR .  8 JUNI 20 2 0 27


FORSCHUNG

DANK DATEN KRISEN FRÜH­Z EITIG ERKENNEN Die Pflege und Betreuung von sterbenden Menschen kann Angehörige überfordern. Oft ziehen sie professionelle Hilfe erst bei, wenn es bereits zu spät ist. Die Forschungsstelle Pflegewissenschaft am Departement Gesund­heit entwickelt mit Partnern ein sensorbasiertes Monitoringsystem, mit dem Anzeichen häus­ licher Krisensituationen frühzeitig erkannt werden sollen, um solche zu verhindern. VON MARION LOHER

D

ie Bevölkerung wird immer älter, die Zahl der chronisch kranken Menschen nimmt stetig zu. Die meisten Personen, die sich am Ende ihres Lebens befinden, wünschen sich, in ihren eigenen vier Wänden sterben zu können. Viele Angehörige möchten ihren Liebsten diesen letzten Wunsch erfüllen und sind deshalb besonders wertvoll in der Betreuung von sterbenden Menschen. Die Angehörigen helfen mit, dass diese Personen so lange wie möglich zuhause bleiben können und entlasten damit das Gesundheitssystem auch finanziell. So beträgt laut Bundesstatistik allein der Wert der Familienbetreuung in der Schweiz mehr als 3,5 Milliarden Franken pro Jahr. Allerdings kann die häusliche Pflege und Betreuung von sterbenden Menschen die Angehörigen aufgrund von instabilen und komplexen Symptomentwicklungen überfordern. Sie fühlen sich gestresst und sind sowohl körperlich als auch psychisch erschöpft, was zu Krisen in den eigenen vier Wänden oder gar zu einer ungeplanten Spitaleinweisung des Patienten oder der Patientin führen kann. «Krisen in der häuslichen palliativen Pflege können sich unbemerkt entwickeln», sagt Eleonore Arrer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Angewandte Pflegewissenschaft an der Fachhochschule St. Gallen (FHS). «Oft wird professionelle Hilfe erst beigezogen, wenn es bereits zu spät ist.»

28

VITAMIN G NR . 8 J U N I 2 02 0

Zusätzliche Sicherheit für Angehörige So weit soll es nicht kommen – dank der Mobilen Palliative Care. Schweizweit macht sie etwa 20 Prozent der gesamten Palliative-Care-Versorgung aus. «Die Dienste der Mobilen Palliative Care stellen den Übergang von der Grund- zur spezialisierten Versorgung dar», sagt André Fringer, Professor für familienzentrierte Pflege und CoLeiter der Forschungsstelle Pflegewissenschaft am Departement Gesundheit. «Die Mobile Palliative Care springt dort ein, wo Hausärzte, Spitex und Versorgende aufgrund von instabilen Situationen, die für Angehörige und Betroffene eine Krise darstellen, nicht mehr weiterkommen.» Moderne Technologien, mit denen beispiels­weise patientenbezogene Daten erfasst werden, sollen die Fachpersonen in ihrer Arbeit unterstützen. Solche sensorbasierten Monitoringsysteme messen mehrmals täglich die Vitalparameter der Patientinnen und Patienten, um daraus Rückschlüsse auf Lebensqualität, Krankheitsübergänge und akute Ereignisse zu ziehen. Diese Daten können dabei helfen, Anzeichen einer Krise frühzeitig zu erkennen. Allerdings gibt es bislang kein derar­ tiges international anerkanntes Monitoringsystem. Um diese Lücke zu schliessen, hat die ZHAW-Forschungsstelle Pflegewissen-

schaft mit den Instituten für Angewandte Pflegewissenschaft und für Informationsund Prozessmanagement der FHS St. Gallen sowie dem Palliativen Brückendienst der Krebsliga Ostschweiz ein Forschungsprojekt lanciert. Dabei wird ein entsprechendes Monitoring entwickelt. «Mithilfe dieser Technologie sollen Symptom- und Situationskrisen in der häuslichen palliativen Pflege künftig frühzeitig erkannt werden, so dass die Mobile Palliative Care präventiv intervenieren kann», sagt Fringer, der das Forschungsprojekt leitet. «Zusätzlich soll das Monitoringsystem den Angehörigen in Phasen grosser Herausforderungen Sicherheit bieten.» Gerade in Zeiten einer Krise, wie aktuell jene aufgrund des Coronavirus, werde deutlich, welch ein Gewinn ein solches System für die ambulante und spezialisierte häusliche Pflege und Betreuung für hoch vulnerable Personen und Gruppen sein könne. Das Forschungsteam arbeitet mit einem Oberarm-Monitoring: Den Studienteilnehmenden wird ein Band mit einem integrierten Sensor um den Oberarm gelegt. Dieser Sensor misst mehrere Vitalfunktionen wie Puls und Atemfrequenz. Gleichzeitig halten die Teilnehmenden ihr subjektives Be­ finden in einem Tagebuch fest. «Uns interessiert, ob sich aus der systematischen Beobachtung der Symptome Muster identifizieren lassen, die mit der subjektiv empfundenen Unsicherheit und den krisenhaften Situationen übereinstimmen oder so sichtbar werden», sagt Projektleiter Fringer. Ein beschleunigter Puls, eine flache Atmung oder ein tiefer Schlaf seien solche Symptome, welche die Angehörigen oft beunruhigten, was dann zu einer Krise führen könne.

«Der Sensor ist kein Ersatz f ür die Pflege.»

Mit viel Empathie vorgehen Mit der Datenerhebung ist im Frühling 2018 begonnen worden, sie dauert noch bis diesen Frühsommer an. Die Daten werden laufend ausgewertet, um am Schluss einen Gesamtüberblick über mög­


FORSCHUNG

Überforderte Ange­h örige: Mit einem sensorbasierten Monitoringsystem könnte die mobile Palliative Care bei Krisen in der häuslichen Pflege frühzeitig inter­ venieren.

liche Symptomverläufe und Muster zu bekommen. Studienteilnehmende zu finden, war bislang die grösste Herausforderung. «Familien, die zuhause spezialisierte Palliative Care in Anspruch nehmen, befinden sich in einer herausfordernden Lebenssituation», erklärt Eleonore Arrer. Ausserdem sei es ein Unterschied, ob die Untersuchung im klinischen Setting oder in der häuslichen Umgebung stattfinde. «Die eigenen vier Wände sind ein sehr privater Bereich, vor allem wenn es um das Lebensende geht. In dieser Phase verschieben sich die Prioritäten: Die Patientinnen und Patienten sowie die Angehörigen wollen möglichst viel Zeit miteinander verbringen. Sie fokussieren sich auf das Wesentliche und möchten nicht unbedingt an einer Studie teilnehmen.» Eine erste Erkenntnis der Forschenden ist denn auch, dass bei einer allfälligen nächsten Untersuchung mögliche Teilnehmende früher angefragt werden. Dann allenfalls, wenn sie den palliativen Status noch nicht erreicht haben. «Sicherlich ist die Situation dann auch herausfordernd», so die Projektmitarbeite­ rin. «Die Patientinnen und Patienten erleben in dieser Zeit viele Veränderungen, die Ungewissheit, Instabilität und auch Krisen mit sich bringen. Möglicherweise sind sie dann aber noch offener für ein Forschungsprojekt, da sie sich zu jenem

Zeitpunkt in einem geschützten klinischen Rahmen befinden.» Wichtig sei, dass man behutsam und mit viel Empathie vorgehe. Nicht den Menschen ablösen In Gesprächen mit Gesundheitsfachpersonen und einer Nutzerin des Monitoringsystems wurde deutlich: Der Mehrwert des Systems liegt in der Unterstützung der Angehörigen und im Nutzen von mobilen Diensten. «Allerdings», so Eleonore Arrer, «wurde auch angemerkt, dass der Sensor nicht bei allen chronisch kranken Menschen, die sich an ihrem Lebensende befinden, angewendet werden sollte. Und auch nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit, sondern nur dann, wenn es sinnvoll und zielführend ist.» Projektleiter André Fringer betont, dass die Digitalisierung nicht eingesetzt werde, um den Menschen abzulösen. «Der Sensor ist kein Ersatz für die Pflege. Er soll lediglich den professionellen Umgang mit häuslichen Krisen unterstützen.» Der Abschluss der Studie wird diesen Sommer erwartet. Aber, fügt Fringer an, die Corona-Pandemie erschwere den geplanten Projektabschluss. «Die Menschen sind zusätzlich herausgefordert. Sie sind unsicher und haben Angst. Dies wirkt sich leider nachteilig auf die Zahl der Teilnehmenden aus.» //

MOBILE PALLIATIVE CARE Leitung Prof. Dr. André Fringer, Institut für Pflege, ZHAW Projektmitarbeiterin Eleonore Arrer, Institut für Angewandte Pflegewissenschaft, FHS St. Gallen Partner Palliativer Brückendienst Krebsliga Ostschweiz Spitex RehaEx Institut für Informations- und Prozess­ management IPM-FHS, FHS St. Gallen Institut für Angewandte Pflegewissenschaft IPW-FHS, FHS St. Gallen Finanzierung Gebert Rüf Stiftung Projektdauer Frühling 2017 bis Sommer 2020

VITAM I N G NR .  8 JUNI 202 0 29


STUDIUM

ERGOTHERAPIE­: STUDIERENDE ERSCHLIESSEN NEUE BERUFS­F ELDER Die Gesellschaft soll mehr von der Ergotherapie profitieren. Bereits während der Ausbildung setzen Studentinnen des Bachelorstudiengangs Ergotherapie am Departement Gesundheit deshalb neue Ideen um – etwa mit Migrantinnen oder in Schulen. VON ANDREA SÖLDI

T

ypischerweise findet Ergothera­ pie in einer Praxis, im Spital oder in einer Rehabilitationsklinik statt. Doch Ergotherapeutinnen möchten ihre Tätigkeit auch auf neue Ge­ sellschaftsbereiche ausweiten: Sie sind überzeugt, dass ihre Kenntnisse zum Bei­ spiel in der Prävention oder in Institutio­ nen wie Frauenhäusern oder Asylunter­ künften von grossem Nutzen sein können. Im Bachelorstudiengang Ergotherapie am Depar­ tement Gesundheit er­ halten Stu­den­tinnen des­ halb im Rahmen der Projekt­werk­­statt «Be­tätigung er­ möglichen» die Gelegenheit, sich in neue Be­rufsfelder hineinzuwagen. «Ergothera­ peutinnen sind Expertinnen für Betäti­ gung», erklärt Modulverantwortliche Diet­ linde Ar­benz. «Und im Alltag spielen Akti­ vitäten eine wichtige Rolle – entweder, weil wir sie privat gerne ausüben, oder für den Beruf.»

Kommunikation. Bereits beim Anfragen der Organisationen, mit denen die Studie­ renden zusammenarbeiten möchten, ist viel kommunikatives Geschick gefragt. Kommt ein Projekt in einem Bereich zu­ stande, in dem Ergotherapie kaum be­ kannt ist, müssen die Studierenden Auf­ klärungsarbeit leisten. «Es gilt, die eigene Profession zu vertreten», erklärt Dietlinde Arbenz. «Eine Kompetenz, die auch im späteren Berufsleben im­ mer wieder gefragt ist.» Anders als etwa bei der Physiotherapie hätten vie­ le Menschen nur vage Vorstellungen von Sinn und Methoden der Ergo­ therapie. Mit der Projekt­ werkstatt wolle man deshalb nicht nur eine Lernsituation für Studierende schaf­ fen, sondern die Bekanntheit und Legitima­tion des Berufes fördern und ihn in neuen Bereichen etablieren. Zwar seien Ergotherapeutinnen nicht auf zusätzliche Arbeit angewiesen, beteuert die Dozentin. So würden Berufseinsteigerinnen prob­ lemlos eine Stelle finden. «Doch wir möchten der Gesellschaft noch mehr bie­ ten als bisher.» Im Laufe des achtwöchigen Projekts sollen die Studierenden eine klientenzent­ rierte therapeutische Beziehung aufbauen und ihre Kommunikationstechniken lau­ fend anpassen. Obwohl sie sich als Per­ sönlichkeit stark einbringen, müssen sie die professionelle Distanz aufrechterhal­ ten. «Das ist manchmal eine Grat­ wanderung, die viel Reflexion erfordert», sagt Arbenz. Am Schluss des Projekts

«Wir möchten der Gesellschaft noch mehr bieten als bisher.»

Aufklärungsarbeit gehört dazu Die angehenden Ergotherapeutinnen überlegen sich im Rahmen des Moduls, wo es Menschen gibt, die in ihrer Betäti­ gung eingeschränkt sind, und entwickeln Ideen, um sie zu unterstützen. Dabei sol­ len sie sich laut Dietlinde Arbenz bewusst von ihren persönlichen Interessen und Fä­ higkeiten leiten lassen. In Gruppen erar­ beiten die Studierenden eigene Konzepte, die auf bisherigen Lerninhalten und wis­ senschaftlichen Erkenntnissen aufbauen. Ein wichtiges Lernziel des Moduls ist die 30

VITA M I N G NR . 8 J UN I 2 0 2 0

schreiben die Studierenden einen kurzen Bericht. Aufgrund dieser Texte wurden bereits diverse Artikel in lokalen Medien veröffentlicht – eine weitere Chance, den Beruf bekannter zu machen. Viele Ideen haben Bestand Das Modul wird seit 2013 durchgeführt. Einige der früheren Projekte konnten sich längerfristig halten. So ist zum Beispiel das Spiel «Lebensmittelchaos», das Kin­ der mit dem Thema Lebensmittelintole­ ranzen vertraut macht, heute im Handel erhältlich. Es wurde 2015 mit dem Award des aha Allergiezentrums ausgezeichnet. Derweil arbeitet die Rehab Klinik Basel mit einem Flyer, der hilfreiche Apps für Patienten auflistet. Studierende haben sie zusammengetragen und von Paraplegi­ kern testen lassen. Andere haben für Schulen Pultaufsätze entwickelt, mit de­ nen Kinder stehend lernen können. Damit kommt mehr Bewegung in den Unterricht. Bei manchen Projektpartnern würden lei­ der die Kapazitäten fehlen, um die tollen Ideen selber weiterzuführen, bedauert Dietlinde Arbenz. Zurzeit findet die Projektwerkstatt im dritten Semester statt. Mit dem neuen Curriculum, das im September 2020 star­ tet, wird sie ins sechste Semester verscho­ ben. Damit wollen die Verantwortlichen das Modul auf ein anspruchsvolleres Ni­ veau heben. Die Konzepte sollen künftig noch stärker wissenschaftlich abgestützt sein und mit Bachelorarbeiten kombiniert werden können. Durch diese vertiefte Auseinandersetzung sollen die Ideen eine nachhaltigere Wirkung entfalten. //


STUDIUM

Veloausfahrt für Menschen mit Demenz Das Leben von Menschen mit Demenz ist oft eintönig. Um ihnen etwas Abwechslung zu bieten, hat die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich das Pilotprojekt Velokumpel lanciert. Dabei nehmen Freiwillige demente Personen mit speziellen Tandem-Velos auf einen Ausflug mit. Die Grund­lagen für das Projekt haben Ergotherapie-Studentinnen erarbeitet. Sie haben sich Anpassungen an den Velos wie etwa Sicherheitsgurten ausgedacht sowie Informationen für die Begleitpersonen zusammengestellt. Der erste Testlauf wurde letztes Jahr von Mitgliedern des Bike-Treffs Wald in der Pflegeresidenz Villa Böcklin durchgeführt. «Ein wichtiges Ziel ist es, gesunde und demente Menschen miteinander in Kontakt zu bringen und das Verständnis zu fördern», erklärt Studentin Jana Alscher. Wegen der eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten habe man auf die zunächst geplante Auswertung per Fragebogen verzichtet. «Doch die Freude stand den alten Menschen ins Gesicht geschrieben.»

Dank Freiwilligen und speziellen Tandem-Fahrrädern ermöglicht das Projekt Velokumpel Menschen mit Demenz einen Veloausflug.

Die Folgen einer Gehirnverletzung nachvollziehen Sich einhändig anziehen? Der Parcours zeigt die alltäglichen Hürden von Menschen mit einer Gehirn­ver­letzung auf.

Wie fühlt es sich an, wenn ein Arm gelähmt ist? Wenn man nicht sagen kann, was man möchte? Und wie kann man einhändig Schuhe binden? Es sind solche Schwierigkeiten, mit denen Menschen mit einer Hirnverletzung im Alltag zu kämpfen haben. «Diese Herausforderungen sind für Aussenstehende nur schwer zu verstehen», sagt Tamara Wyss. 2016 hat die damalige Studentin zusammen mit zwei Kolleginnen einen Erlebnisparcours entwickelt, in dem man die Folgen einer Gehirnverletzung nachvollziehen kann. Teilnehmende müssen etwa versuchen, mit einer Baumnuss im Mund zu sprechen oder sich einhändig einen Pullover anzuziehen. Zu­dem erzählen Menschen mit einer Hirnverletzung von ihrem Erleben. Der Parcours wurde auch zusammen mit Betroffenen erarbeitet. «Besonders schön war für uns ihr Feedback», sagt Tamara Wyss. «Sie fühlten sich verstanden.» Der Parcours wird von der Patientenorganisation Fragile Suisse mit Unterstützung aktueller Studentinnen an verschiedenen Anlässen eingesetzt.

Integration durch Sprache und Aktivität Spielerisch die sprachlichen Fähig­ keiten verbessern: Ergotherapie-Studen­ tinnen boten Migran­ tinnen verschiedene Akti­v itäten an.

Personen, die schlecht Deutsch sprechen, bleiben oft von gesellschaftlichen Aktivitäten ausgeschlossen. Dies kann zu Depressionen und Rückzug führen. Dieser Tendenz will das Projekt «Lernen mit Kopf, Herz und Hand» entgegenwirken. Im Anschluss an einen Deutschkurs boten Ergo­therapieStudentinnen Migrantinnen Aktivitäten an. Zum Beispiel besuchten sie mit den Teilnehmerinnen ein Sprachcafé oder wiesen sie auf Unterstützungsangebote für die Arbeitssuche hin. Vor Weihnachten backten sie zusammen Guetsli und tauschten sich dabei über kulturelle Gepflogenheiten aus. «So konnten die Migrantinnen ihre sprachlichen Fähigkeiten praktisch anwenden und verbessern», blickt Studentin Cécile Mönch zurück. Einige hätten sich später getraut, die Bibliothek zu besuchen oder sich für einen Job zu bewerben. Das Projekt wurde mit dem Verein Solinetz sowie der Kirche Fluntern durchgeführt. Letztere bietet die Aktivitäten mit Unterstützung neuer Studentinnen weiter an.

VITAMIN G NR .  8 JUNI 20 2 0 31


WEITERBILDUNG

PHYSIOTHERAPIE HAT BEI ARTHROSE KAUM NEBEN­W IRKUNGEN Durch gezieltes Training kann der Krank­­heits­­­verlauf von Knie- oder Hüftarthrose verlangsamt oder sogar gestoppt werden. In Dänemark wurde dazu das Programm «Good Life with Osteoarthritis in Denmark» (GLA:D) entwickelt: In kleinen Gruppen machen Betroffene gemeinsam Übungen, um trotz Arthrose in Bewegung zu bleiben. Und das mit Erfolg. Nun können sich auch Physiotherapeuten in der Schweiz für GLA:D zertifizieren. VON URSINA HULMANN

R

eto Moser fühlt sich oft wie eingerostet. Er ist 60 Jahre alt und hat früher viel Sport gemacht. Doch heute hat er nach langem Sitzen oder Liegen Mühe mit Aufstehen, die ersten Schritte schmerzen ihn. Reto Moser

32

VITAMI N G NR . 8 J U N I 2 02 0

hat Kniearthrose. Und er ist mit seinen Beschwerden nicht allein: In der Schweiz leidet jede fünfte Person über 50 Jahren an Hüft- oder Kniearthrose (siehe Kasten «Schmerzhafte Abnutzung der Knorpel»). Die Gelenkserkrankung ist aufgrund der

höheren Lebenserwartung und der intensiveren Beanspruchung der Gelenke durch vermehrte Freizeitaktivitäten in den letzten Jahrzehnten häufiger geworden. Häufig gibt es nur Medikamente Allerdings hinkt die Behandlung dieser Entwicklung hinterher. «Während Patienten mit Bluthochdruck regelmässig ärztlich überwacht werden, sind Arthrosepatientinnen oft mit ihrer Diagnose alleine», sagt Omega E. Huber, Leiterin Weiterbildung Physiotherapie am Departement Gesundheit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Laut Huber erhalten die meisten Betroffenen gegen ihre Beschwerden lediglich Schmerzmittel. Das Problem an den Medikamenten, die bei Arthrose normalerweise zum Einsatz kämen: Paracetamol wirke kaum und Antirheumatika hätten oft starke Nebenwirkungen. «Obwohl man aus der Forschung seit längerem weiss, dass aktive Übungen hel-


WEITERBILDUNG

Trainieren statt operieren: Mit dem physiotherapeutischen Programm «Good Life with Osteoarthritis in Denmark» können Schmerzen bei Hüft- und Kniearthrose reduziert werden.

fen, die Koordination und die Kraft aufzubauen, werden Arthrosepatienten leider noch viel zu häufig nur mit Medikamenten behandelt», führt Omega E. Huber aus. Sie vermutet, dass die Behandlung mit Medikamenten im ersten Moment einfacher erscheint als regelmässiges Training. Und sie fügt an: «Oftmals wird auch zu früh operiert.» Operationen seien jedoch mit Risiken und Komplikationen verbunden, wie zum Beispiel mit Embolien oder Infektionen. Zudem sei das Ergebnis nicht immer befriedigend. Mit dem dänischen Programm «Good Life with Osteoarthritis in Denmark» (GLA:D) hat Omega E. Huber nun zusammen mit Kolleginnen aus Forschung und Lehre einen physiotherapeutischen Ansatz zur Behandlung von Arthrose in die Schweiz gebracht, der weder Nebenwirkungen noch Risiken mit sich bringt. Zum ersten Mal von GLA:D gehört hat Huber 2013, im Rahmen ihrer Doktorarbeit zum Thema Kniearthrose. Ihre dänische Doktormutter erzählte ihr vom damals neuen Programm, das inzwischen in verschiedenen Ländern eingesetzt wird, unter anderen in Kanada, Australien und China. Angepasste Dosierung der Übungen «In Dänemark gab es viele Patienten, die aktiv etwas gegen ihre Arthrose machen wollten. So ist 2013 GLA:D entstanden», berichtet Omega E. Huber. Ein wichtiger Teil des Programms sind die Auswertungen der Daten, die von GLA:D-Therapeuten standardmässig erhoben werden. Diese zeigen: Die Schmerzen können reduziert, die Gelenksfunktion kann länger­fristig verbessert werden. Patientinnen und Patienten, die an GLA:D teilnehmen, brauchen weniger Schmerzmittel und werden seltener wegen ihrer Arthrose krankgeschrieben. Auch Begleiterkrankungen und das allgemeine Wohlbefinden können positiv beeinflusst werden. Das Programm für Patienten mit Hüftund Kniearthrose beinhaltet standardisierte Übungen, die auf aktuellen Forschungsergebnissen basieren. «Die Übungen sind zwar vorgegeben. Die Phy­ siotherapeutinnen haben aber die wichtige Aufgabe, die Intensität des Trainings zu steuern», so Huber. Die Dosierung sei

sehr individuell, vergleichbar mit der Einnahme von Medikamenten: Zu intensive Übungen führen zu Schmerzen, während sie bei einer zu tiefen Intensität kaum einen Effekt haben. Das Programm erfordere von den Therapeuten deshalb ein vertieftes medizinisches und therapeutisches Hintergrundwissen. Wichtig sei auch, dass sich die Therapeutin oder der Therapeut für jeden Patienten genügend Zeit nehmen könne, erklärt Huber: «Das Training findet deshalb in kleinen Gruppen mit höchstens sechs Personen statt.» Ein Vorteil des Gruppentrainings sei, dass sich die Betroffenen gegenseitig austauschen und motivieren können. Durch die Standardisierung ist das Programm stets gleich aufgebaut: Es beginnt mit drei Einzelsitzungen zur Anamnese und der Einführung in die Übun­ gen. Danach absolvieren die Patientinnen und Patienten zwei Gruppensitzungen mit Beratung und Instruktion sowie zwölf Gruppensitzungen mit neuromuskulärem Übungsprogramm. Zu diesem gehören ne­ ben den eigentlichen Übungen wie Rumpfbeugen, Ausfallschritten oder Beckenheben eine Aufwärmphase auf dem Ergometer sowie ein abschliessendes Dehnen. Jede Übung gibt es in vier Schwierigkeits­ graden, die bei jedem Patienten individuell gesteigert werden können. Zum Abschluss des Programms steht eine Einzelsitzung mit Austrittsuntersuch an. Guter Muskelaufbau entlastet Gelenke Nach dem Austrittsgespräch verfügen die Patientinnen und Patienten über ausreichende Kompetenzen, um das Training weiterzuführen und ihre Knie- oder Hüftarthrose selbständig zu managen. «Es ist zwar zeitaufwändig und erfordert eine gewisse Selbstdisziplin. Aber es empfiehlt sich, die Übungen zuhause weiterzuführen», rät Omega E. Huber. Auch andere körperliche Aktivitäten, wie lange Spaziergänge, Schwimmen oder Fahrradfahren, würden den Betroffenen helfen, länger mobil zu bleiben. Denn durch Bewegung werde Gelenkschmiere produziert, die reibungsmindernd wirke. «Ein guter Muskelaufbau entlastet zudem die Gelenke und schützt sie vor Über- und Fehlbelastungen», sagt Omega E. Huber. //

ARTHROSE: SCHMERZHAFTE ABNUTZUNG DER KNORPEL Gelenkflächen sind von einer dünnen Knorpelschicht überzogen. Die Abnutzung des Knorpels durch krankhaften Verschleiss wird Arthrose genannt. Im schlimmsten Fall reiben Knochen auf Knochen, was sehr schmerzhaft sein kann. Der Knorpelschaden kann nicht rückgängig gemacht werden. Aber durch gezieltes Training mit adäquater Belastung wird der noch bestehende Knorpel gestärkt – der Krankheitsverlauf kann damit verlangsamt oder sogar unterbrochen werden. Zu viel, aber auch zu wenig Belastung kann Ur­sache für Arthrose sein. Auch eine Fehlstellung der Gelenke, Übergewicht oder altersbedingte Abnutzung können die Krankheit auslösen.

IN ZWEI TAGEN ZUM GLA:D-ZERTIFIKAT Physiotherapeutinnen und -therapeuten, die das Programm in ihrer Praxis anbieten wollen, können in einem zweitägigen Kurs das «GLA:D Schweiz»-Zertifikat erwerben. Im praktischen Teil lernen die Teil­ nehmenden die Übungen mit den verschiedenen Dosierungsmöglichkeiten kennen. Arthrose und der neuste Forschungstand dazu sind Schwerpunkte im theoretischen Teil. Zudem werden den Kursteilnehmenden die Grundlagen für die organisatorische Umsetzung des Programms sowie für die Datenerhebung zur Qualitätskontrolle und für die Forschung vermittelt. Das Programm wird bei ärztlicher Verordnung von der Krankenkasse bezahlt. Die nächsten Kursdaten Der Kurs «GLA:D Schweiz» findet voraussichtlich an folgenden Daten statt: 27. und 28. November 2020 29. und 30. Januar 2021 Mehr Infos unter gladschweiz.ch

VITAM I N G NR .  8 JUNI 202 0 33


Gewusst wie !

AUFWÄRMEN, NICHT BLOSS DEHNEN: DIE RICHTIGE VORBEREITUNG AUF DEN SPORT

E

s ist eine Frage, die seitlich senken, Rumpf streWer Sport treibt, sollte seinen Körper vor sich wohl jede Hobcken oder zur Seite neigen, dem Training auf Betriebstemperatur bringen. Ein bysportlerin, jeder Knie nach vorne anheben, strukturiertes Aufwärmprogramm verringert nicht Hobbysportler schon usw. Dauer: 2–3 Minuten. nur das Verletzungsrisiko, sondern erhöht gestellt hat: Wie bereite ich meinen Körper auf das Trai2. Aerobes Grunderwärmen: auch die Leistungsfähigkeit des Körpers, sagt ning vor? Irrtümlicherweise Betriebstemperatur und Atem­ Physiotherapeutin Agnès Verbay*. werden bei dieser Frage Auffrequenz werden, zum Beiwärmen und Dehnen oft spiel auf dem Ergometer, so gleichgesetzt. Doch es ist wichtig, zwi- eine bessere Kraftentwicklung. Zudem erhöht, dass man dabei noch ganze Sätze schen den Begriffen zu unterscheiden. werden das Herz-Kreislauf- und das Herz- sprechen kann. Richtwert für den Puls: Denn: Ein gutes Aufwärmprogramm ist Lungen-System stimuliert, die Energiebe- Nicht über 170 Schläge minus das halbe nicht nur entscheidend für die körper­ - reitstellung wird aktiviert, die Reaktions- Alter. Dauer: fünf (Schnellkraftsportarten) liche Leistungsfähigkeit, es reduziert auch fähigkeit verbessert und der Stoffwechsel bis 15 Minuten (Ausdaueraktivitäten). das Verletzungsrisiko. Dehnen vermindert angeregt. dieses Risiko dagegen nicht, wie Studien 3. Kurzes dynamisches Dehnen und Bewebelegen. Im Gegenteil: Insbesondere beim Strukturiert und in mehreren Phasen gen der sportartbezogenen Hauptmuskeln statischen Dehnen kann sich die Muskula- Grundsätzlich kann zwischen allgemei- und -gelenke. tur zu fest entspannen und danach weni- nem und sportspezifischem Aufwärmen ger Kraft entwickeln; die Verletzungsge- unterschieden werden. Beim all­ge­meinen 4. Spezifisches Aufwärmen: Inhalt, Auffahr nimmt zu. Eine bessere Bilanz weist Aufwärmen soll der gesamte Körper bean- bau und Dauer dieser Phase hängt vom ausdas dynamische Dehnen auf: Es hilft, die sprucht werden, um die Durch­blutung zu geübten Sport ab. Bei SchnellkraftsportarReaktionsbereitschaft der Muskulatur und steigern und den Herz-Kreislauf zu akti- ten beispielsweise werden Tempo, Distanz die Beweglichkeit zu verbessern. Doch das vieren. Das spezifische Aufwärmen orien- und Intensität der Übungen langsam hochallein reicht nicht aus, um den Körper auf tiert sich dagegen an den Anforderungen gefahren. Um Verletzungen vorzubeugen, den Sport vorzubereiten. einer bestimmten Sportart. Das Warm-up werden zusätzlich Kraftübungen integriert, kann 15 bis 30 Minuten dauern. Ältere inklusive Training der Rumpfstabilität. Widerstände in Muskeln verringern Sportlerinnen und Sportler sollten sich et*Agnès Verbay, MME, PT OMT Stattdessen sollte mit einem Aufwärm­ was mehr Zeit nehmen, da die AufwärmSvomp, ist Physiotherapiedozentin programm der Körper wortwörtlich auf prozesse im Körper langsamer ablaufen im Bereich muskuloskelettales System Betriebstemperatur gebracht werden: Es und das Bindegewebe steifer ist. am Departement Gesundheit. erhöht die Temperatur und verringert die Widerstände in Muskeln, Sehnen und Ge- 1. Grosse, kontrollierte und langsame Gelenken. Dies wiederum reduziert die Ge- lenksbewegungen: zum Beispiel Schulterblog.zhaw.ch/vitamin-g fahr von Überdehnungen und ermöglicht gürtelkreisen, Arme vorne anheben und 34

VITAMIN G NR . 8 J U N I 2 02 0


AGENDA

Sa, 26. Sept. 2020 // 9.00–16.00 Uhr

Tag der offenen Tür am ZHAW-Departement Gesundheit

Das Departement Gesundheit bezieht diesen Sommer das «Haus Adeline Favre» auf dem Winterthurer Sulzer­ areal. Der neue Campus wird im Sep­ tember mit einem Tag der offenen Tür gefeiert: An verschiedenen Posten können Gross und Klein ausprobieren, anfassen, entdecken und erfahren, was die Welt der Gesundheit umfasst. So können Sie beispielsweise die Hürden des Älterwerdens erleben, den Therapieroboter GripAble testen oder im Rollstuhl einen Parcours meistern. Ausserdem erwarten Sie Beratungen zu Bewegung und Yoga im Büro, Vor­ lesungen zu aktuellen Gesundheits­ themen und vieles mehr.

Sa, 26. Sept. 2020 // 9.30–12.15 Uhr

Infoveranstaltung Bachelor­s tudiengänge

Interessieren Sie sich für einen Ge­ sundheitsberuf? An der Infoveranstal­ tung, die am Tag der offenen Tür statt­ findet, werden die Bachelorstudien­ gänge Ergotherapie, Gesundheits­­förderung und Prävention, Hebamme, Pflege und Physiotherapie vorgestellt.

Sa, 26. Sept. 2020 //14.00–16.00 Uhr

Infoveranstaltung Weiter­bildungsangebot

Spielen Sie mit dem Gedanken, eine Weiterbildung zu machen? Möchten Sie die Führung eines Teams über­ nehmen oder sich spezialisieren? Am berufsübergreifenden Infoanlass, der am Tag der offenen Tür statt­findet, stellen wir Weiterbildungs­ möglich­keiten am Departement Gesundheit vor.

Veranstaltungsort: ZHAW Gesundheit, Katharina-Sulzer-Platz 9, 8400 Winterthur (wenn nicht anders vermerkt)

Jeweils donnerstags ab 17.30 Uhr: 22.10./29.10./5.11./12.11/19.11 und 26.11.2020

«Fokus Gesundheit»

Mit der öffentlichen Vortragsreihe «Fokus Gesundheit» lädt das Departe­ ment Gesundheit herzlich dazu ein, den Neubau «Haus Adeline Favre» sowie Praxis und Forschungsarbeit der Gesundheitsberufe kennenzulernen. In sechs öffentlichen Vorlesungen im Oktober und November 2020 beleuch­ ten Expertinnen und Experten ver­ schiedene Gesundheitsthemen – von der Geburt über Kinder- und Jugend­ gesundheit im Internet, Rückenge­ sundheit und Caring Communities bis zum Lebensende – und geben span­ nende Einblicke in den Neubau. De­ tails zu den einzelnen Referaten finden Sie auf unserer Homepage.

Di, 3. Nov. 2020 // 17.30-19.00 Uhr

Ergotherapie: Antrittsvorlesungen von Verena Klamroth-Marganska und Christina Schulze

Prof. Dr. Verena Klamroth-Marganska forscht bereits seit über zwölf Jahren zum Einsatz von Robotik in Medizin und Therapie und zu optimiertem mo­ torischen Lernen. In ihrer Antrittsvor­ lesung referiert sie über Roboter als Therapeutinnen und Cybathleten als Patienten. Prof. Dr. Christina Schulze widmet sich in ihrer Forschung den Themen Spiel, Partizipation und Inklu­ sion bei Kindern und Jugendlichen. Sie thematisiert in ihrer Antrittsvorlesung Barrieren von Spielplätzen und erläu­ tert, wie diese gar nicht erst enstehen.

Bitte beachten Sie: Die Präsenzveranstaltungen finden vorbehältlich der weiteren Entwicklung in Zu­sammenhang mit der Corona-Pan­demie statt. Auf unserer Website finden Sie laufend aktua­ lisierte Infor­mation zu den Veran­ staltungen.

IMPRESSUM VITAMIN G Für Health Professionals mit Weitblick Nr. 8/ Juni 2020 Herausgeber ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften Departement Gesundheit Kommunikation Technikumstrasse 71 8401 Winterthur kommunikation.gesundheit@zhaw.ch zhaw.ch/gesundheit Redaktion Tobias Hänni (Leitung), Inge Corti, Annina Dinkel, Bianca Flotiront, Carol Flückiger, Ursina Hulmann, José Santos, Cordula Stegen Redaktionelle Mitarbeit Malolo Kessler, Marion Loher, Eveline Rutz, Andrea Söldi, Susanne Wenger Art Direction und Layout Partner & Partner, Winterthur Druck ZT Medien AG, Zofingen Korrektorat Ingrid Essig, Winterthur Fotos und Illustrationen «Ateliers – Living Museum» der Psychiatrie St. Gallen Nord (S. 1, 2, 8, 15, 20, 27), Conradin Frei (S. 12–14), Tobias Hänni (S. 36), Hogrefe Verlag (S. 5), Fabian Stamm (S.  21–22), Malin Widén (S. 24– 26), Chavela Zink (S. 6–7), Tyler Olson – stock.adobe.com (S. 11), iStockphoto. com/Andrey Popov (S. 4), iStockphoto. com/monkeybusinessimages (S. 16), iStockphoto.com/Kerrick (S. 19), iStockphoto.com/Katarzyna Bialasiewicz (S. 29), iStockphoto.com/FatCamera (S. 32), iStockphoto.com/Nicky Lloyd (S. 34), von den Abgebildeten zur Ver­ fügung gestellt / Bildarchiv Departement Gesundheit (übrige) Auflage 6000 Erscheinungsweise 2-mal jährlich Das Magazin kann kostenlos abonniert werden: zhaw.ch/gesundheit/vitamin-g ISSN 2504-1835 © Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck von Artikeln mit Genehmigung der ­Redaktion.

Nähere Informationen: zhaw.ch/ gesundheit/veranstaltungen

VITAMI N G NR .  8 JUNI 2 02 0 35


CAMPUS

Weitere Impressionen: instagram.com/ zhawgesundheit

IM GRÜNEN BEREICH Auch wenn das Departement Gesundheit derzeit geschlossen ist, unterrichtet wird weiterhin: André Fringer, Co-Leiter des Masterstudiengangs Pflege, hält eine Vorlesung vor dem Greenscreen.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.