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Vitamin G Nr. 6/2019 – Dossierthema «Advanced Practice: neue Rollen im Gesundheitswesen»

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Für Health Professionals mit Weitblick

ADVANCED PRACTICE – NEUE ROLLEN IM GESUNDHEITSWESEN

Studieren als Spitzensportlerin

Hightech-Leggins statt Rollator

NR. 6 MAI 2019

G


INHALT

DOSSIER:

ROLLEN FÜR 10 NEUE HEALTH PROFESSIONALS

ADVANCED PR ACTICE Health Professionals in Advanced-Practice-Rollen entwickeln die klinische Praxis weiter, betreuen eigenverant­ wortlich Patienten mit komplexen Krankheitsbildern und überneh­ men Aufgaben von Ärzten oder anderen Profes­sionen im Gesund­ heitswesen. Ein Einblick in die vielfältige Thematik.

8 SPEKTRUM

Späte Akademisierung der Berufe, fehlende gesetzliche Rahmenbedingungen: Im Vergleich zu anderen Ländern steht die Entwicklung der Advanced Practice in der Schweiz noch am Anfang.

PRACTICE FÜR 15 ADVANCED BESSERE KARRIERECHANCEN

Viele Physiotherapeutinnen und Physiothera­ peuten steigen aus dem Beruf aus. Die Advanced Practice soll das Arbeitsgebiet attraktiver machen.

EIGENINITIATIVE 22 MIT DEN BERUF WEITERBRINGEN

Zwei Ergotherapeutinnen haben ein Konzept für die Behandlung arbeitsbedingter Beschwerden der oberen Extremität entwickelt.

MIT DOKTORTITEL UND BODENHAFTUNG 25 Zwischen Forschung, Lehre und Praxis: Elisabeth Kurth ist Geschäftsführerin und Forscherin, lehrt an der ZHAW und betreut Wöchnerinnen.

FORSCHUNG

4 News aus dem Departement

36 Kompass für die Behandlung

Gesundheit

MEINUNG 5

Aufwind für die hebammengeleitete Geburt

Susanne Grylka über die Vorteile eines Modells, das nun auch von 32 Hightech-Hosen für einen sicheren Gang der Politik Unterstützung erhält. ZHAW-Forschende haben eine Leggins entwickelt, die Gehstock und Rollator I M P O R T R ÄT ersetzen könnte. Zwischen Stadion und Studium

Die Physiotherapie-Studentin Julia Stierli spielt Fussball auf höchstem Niveau.

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TITELSEITE: Gabriela Schmid-Mohler ist Pflegeexpertin APN (Advanced Practice Nurse) und Pflegewissenschaftlerin am Zentrum für klinische Pflegewissenschaft und an der Klinik für Pneumologie des Universitätsspitals Zürich. Dort entwickelt sie zurzeit ein pflegegeleitetes Ver­sor­­­gungs­programm für Patientinnen und Patienten mit der Lungen­erkrankung COPD, setzt dieses im klinischen Alltag um und begleitet es wissenschaftlich. «An der APN-Rolle interessiert mich besonders, dass ich in einem Gebiet arbeiten kann, wo Forschung und Praxis ineinander übergehen und sich ge­gen­­seitig beein­ flussen», sagt sie im Porträt auf Seite 20.

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WEITERBILDUNG räumlicher Störungen

Hirnverletzungen führen häufig zu räumlichen Störungen. Ergotherapeutin Kathrin Imhof hat in ihrer MAS-Abschluss­ arbeit einen Prozess für deren Behandlung entwickelt.

STUDIUM

34 «Schnittstellen werden zu Nahtstellen» Im Masterstudium besuchen Hebammen, Physiotherapeuten und Pflegende künftig gemein- sam Module. Interprofessionalität und Advanced Practice erhalten in den Studiengängen mehr Gewicht.

G E W U S S T W I E!

38 Wie man sich Blutsauger

vom Leib hält

Nun lauern die Zecken wieder in Wäldern und Wiesen. Tipps zum Schutz vor den Parasiten.

39 A G E N DA CAMPUS 40


EDITORIAL

ALTE ROLLENBILDER HINTERFRAGEN

«In Mitteleuropa trifft die erweiterte Berufspraxis auf Skepsis.»

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Doch es braucht diese neuen Rollen. Heu­ te schon, künftig aber noch mehr. Für die gute Versorgung einer wachsenden Zahl von alten und hochbetagten Menschen, die oft mehrere chronische Krankheiten zugleich haben. Für die effektive und res­ sourcenschonende Behandlung von Volks­ krankheiten wie beispielsweise Rücken­ leiden. Oder für eine natürliche Geburts­ hilfe, die über Jahrhunderte in den Händen und der Verantwortung von Hebammen lag und ihnen erst im 20. Jahrhundert ent­ rissen wurde. Hier und da tauchen Advan­ ced Practitioner auch im Schwei­ zer Gesundheitssystem schon auf. Dabei zeigt sich: Sie werden von vielen Ärztinnen und Ärzten als kompetente Kolleginnen und Kol­ legen wahrgenommen und nicht als Konkurrenz. Wie Advanced Practice in der Schweiz bereits gelebt wird und wohin sich die vertrauten Berufsbilder entwickeln können, zeigt Ihnen dieses Magazin. Es ist ein kleiner Ausschnitt aus einer vielfälti­ gen Thematik. Ich hoffe, dass Ihnen dieser Einblick hilft, inskünftig fixe Vorstellungen über die Rollen, Kompetenzen und Auf­gabenfelder von Gesundheitsfachleuten zu hinterfragen.

arf eine Hebamme eine Ge­ burt leiten? Soll eine Pflege­ fachperson einen Eintrittssta­ tus erheben und Medikamen­ te verschreiben? Kann ein Physiotherapeut ohne ärztliche Überweisung Menschen mit Rückenschmerzen behandeln? All das ist in vielen Ländern heute unter dem Be­ griff der Advanced Practice gang und gäbe. In Mitteleuropa begegnen wir dieser er­ weiterten Berufspraxis jedoch mit Skepsis. Wir haben Mühe damit, dass Gesundheits­ fachpersonen neue Rollen einnehmen und mit erweiterten Kompetenzen und ent­ sprechendem Wissen selbstständig Patien­ tinnen und Patienten mit einer komplexen Krankengeschichte betreuen oder ihren Be­ Andreas Gerber-Grote Direktor Departement Gesundheit ruf weiterentwickeln.

Sie haben die Möglichkeit, ausgewählte Beiträge online zu lesen und zu diskutieren: blog.zhaw.ch/vitamin-g

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SPEKTRUM

DOKUMENTARFILM

HANDBUCH

PFLEGEFORSCHUNG

GEBURTSHILFE IM 17. JAHRHUNDERT

TRAUMATA BEI MIGRANTEN

PALLIATIVE CARE IN SCHWEIZER HEIMEN

Wie sah der Arbeitsalltag einer Hebam­ me im 17. Jahrhundert aus? Herausfor­ dernd und gefährlich, wie der Dokumen­ tarfilm «Ein Tag in Köln 1629» der ZDFReihe «Terra X» zeigt. Die aufwendig produzierte Geschichts-Doku zeigt das Leben der Kölner Hebamme Anna Stein zwischen Glaube, Aberglaube und Wissenschaft zur Zeit des Dreissigjähri­ gen Krieges. Die freie Reichsstadt bleibt zwar von direkten Kampfhandlungen ver­schont, dennoch schlägt der Krieg auch hier tiefe Wunden. Mangelernäh­ rung und Krankheiten sind an der Tages­ ordnung und treiben die Kindersterb­ lichkeit in die Höhe. Anne Stein ist des­ halb rund um die Uhr im Einsatz, um sich um das Wohl von Müttern und Kin­ dern zu kümmern. Dabei läuft sie Ge­ fahr, Opfer der Hexenverfolgung zu werden, falls bei einer Geburt etwas schief­ geht: Zwischen 1627 und 1630 wurde ein Drittel aller Todesurteile in Köln gegen Hebammen aus­gesprochen. Im Film kommen immer wieder Expertinnen und Experten zu Wort, darunter auch Medizin­ ­historikerin und Hebamme Christine Loytved, die am Departement Gesund­ heit doziert. «Ein Tag in Köln 1629» ist auf Youtube verfügbar: bit.ly/2IEWxWt

Weltweit sind über 65 Millionen Men­ schen auf der Flucht, weil sie in ihrer Heimat von Gewalt, Misshandlung und Tod bedroht sind. Viele davon sind schwer traumatisiert und leiden unter psychischen und körperlichen Folgen der erlebten Gewalt. Das stellt Fach­ personen, die im Asyl- und Flüchtlings­ wesen tätig sind, vor grosse Heraus­ forderungen. Hilfestellung bietet das interdisziplinäre Handbuch «Trauma – Flucht – Asyl». Es vermittelt den ak­ tuellen Stand der Best Practice in der Arbeit mit traumatisierten Migranten. Themen wie Psychotherapie im engeren Sinn, weitere The­rapie­verfahren, me­ dizinische Betreuung, Abklärung/Früherkennung, Dolmetschen, Kulturver­ mittlung oder Rechts­beratung werden von ausgewiesenen Experten für das jeweilige Gebiet dar­gestellt und mit Fallbeispielen illus­triert. An dem Buch hat auch Brigitte Fiechter Lienert, Phy­ siotherapeutin und ZHAW-Dozentin, mitgearbeitet. Im Ka­pitel «Körperorien­ tierte Ansätze» beschreibt sie, wie kör­ perliche Be­schwer­den, die im Zusam­ menhang mit Traumata stehen, mit physiotherapeutischen Massnahmen behan­delt werden können. Trauma – Flucht – Asyl – Ein interdisziplinäres Handbuch für Beratung, Betreuung und Behandlung Thomas Meier, Naser Morina, Matthis Schick, Ulrich Schnyder (Hrsg.) Hogrefe, Bern, 2019

Die Palliative Care soll im Schweizer Gesundheitswesen stärker verankert werden. Vergangenen Sommer hat der Ständerat den Bundesrat mit einem Bericht beauftragt, auf dessen Grundlage die Betreuung und Behandlung von Menschen am Lebensende verbessert werden soll. Der Bericht soll aufzeigen, wie die allgemeine Palliative Care in der Grundversorgung sowie die spezialisier­ te Palliative Care nach­haltig gefördert werden können. Dazu gehört auch ein Überblick über die bestehende Palliativ­ versorgung in Schweizer Alters- und Pflegeheimen. Allerdings gibt es derzeit keine Daten über die Versorgungslage in den Heimen. Abhilfe soll hier das Pro­ jekt «Palliative Care in long-term care facilities (Carlo)» schaffen, das die For­ schungsstelle für Pflegewissenschaften am ZHAW-Departement Gesundheit im Auftrag des Bundes durchführt. In Zusammenarbeit mit der Fachhoch­ schule Westschweiz sowie den Heim­ verbänden Curaviva und Senesuisse wur­den im April schweizweit Heimleitun­ gen zur Verankerung der Palliative Care in ihrem Betrieb befragt. Die repräsen­ tative Online-Umfrage wird im Sommer ausgewertet. Die Re­sultate dienen einer ersten Einschätzung zur Palliativ­ ver­sorgung in den Heimen und fliessen in den bundesrätlichen Bericht ein.

SWISS PUBLIC HEALTH CONFERENCE

GESUNDHEIT VON KINDERN UND JUGENDLICHEN «Child and Adolescent Public Health» – unter diesem Titel steht die Swiss Public Health Conference (SPHC), die am 28. und 29. August in Winterthur statt­ findet. Die Tagung, die das erste Mal vom ZHAW-Departement Gesundheit durch­ geführt wird, geht den Zusammenhängen 4

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zwischen Gesundheitsförderung und Prävention bei Kindern und Jugendlichen und deren Gesundheit und Zufriedenheit im späteren Leben nach. Die SPHC öffnet das Feld dabei für eine Vielfalt an Themen im Bereich Kinder- und Jugend­ gesundheit: mentale, soziale und wirt­

schaftliche Faktoren, aber auch Ernäh­ rung, Umwelt sowie Gesundheitssysteme, -kommunikation und -informations­ technologien. Weitere Infos und Anmeldung sphc.ch


MEINUNG

JUBIL ÄUM

RUNDER GEBURTSTAG FÜR MASTERSTUDIENGANG

Vor 20 Jahren entstand mit dem Euro­ päischen Master of Science in Ergothe­ rapie ein einzigartiger Kooperations­studien­­gang. 1999 hoben die University of Brighton (UK), das University College Absalon (DK), die Amsterdam Universi­ ty of Applied Sciences (NL) und das Karolinska Institut (SE) den Masterstu­ diengang aus der Taufe. 2009 trat die ZHAW als fünfter Partner der Ko­opera­ tion bei. «Der Europäische Master of Science ermöglichte es unserer kleinen Berufsgruppe, eine akademische Weiter­ entwicklung anzubieten», sagt ZHAWStudiengangleiterin Claudia Galli zum zehnjährigen Jubi­läum des ZHAWBeitritts. Seit Beginn haben 230 Ergo­ therapeutinnen und -therapeuten den «Euro­master» absolviert. Rund 60 Pro­ zent von ihnen stammen aus den Län­ dern der Partnerhochschulen, weitere 30 aus anderen euro­päischen Ländern und die restlichen zehn Prozent aus aller Welt. Die Zahl der Abschlüsse von Schweizerinnen und Schweizern ist in dieser Zeit auf 75 gestiegen. Doch wo sind diese Absolvierenden heute tätig? Laut Claudia Galli arbeiten sie häufig in erweiterten Funk­tionen (Ad­ vanced Prac­tice), etwa als Therapie-Ex­ pertinnen, die Klienten behandeln, aber auch zusätzliche Aufgaben übernehmen – zum Beispiel in der Qualitätssiche­ rung. Oder sie haben in ihrer Institution die Fachführung inne und ent­wickeln Angebote evidenzbasiert weiter. Viele Absolventinnen arbeiten auch in Lehre oder Forschung an einer Hochschule oder sind wissenschaftlich an einer grossen Insti­tution wie einem Universitätsspital tätig. Dabei steigt die Zahl derjenigen, die doktorieren, stetig an. zhaw.ch/gesundheit/master/ ergotherapie

DR. SUSANNE GRYLKA Stellvertretende Leiterin der Forschungsstelle Hebammenwissenschaft

DIE HEBAMMENGELEITETE GEBURT BEKOMMT AUFWIND

S

eit einigen Jahren ist die hebam­ mengeleitete Geburtshilfe in der Schweiz ein politisches und viel beachtetes Thema. Bei der Zürcher und der Berner Kantonsregierung wurden Postulate zu ihrer Förderung eingereicht, die sich auf neuste wissenschaftliche Erkenntnisse berufen. Für die Forschung ist schon lange klar: Geburten, die von Hebammen geleitet werden, sind sicher und die Mütter und ihre Kinder profi­ tieren davon. In einer systematischen Übersichtsarbeit belegte die renommier­ te Hebammenforscherin Jane Sandall 2016, dass Frauen, die in solchen Mo­ dellen gebären, ein geringeres Risiko für Kindsverlust und Frühgeburt aufwie­ sen. Sie gebaren häufiger spontan und mit weniger Interventionen während der Geburt. In der Schweiz wird oft zu viel und zu früh in den natürlichen Geburtspro­ zess eingegriffen. Eine physiologische, also natürliche Geburt braucht ihre Zeit, bringt jedoch viele kurz- und langfris­ tige Vorteile für die mütterliche und kindliche Gesundheit. Dies wurde 2018 auch in einer viel beachteten Se­rie der hochrangigen Wissenschaftszeitschrift

«The Lancet» diskutiert. Andere Studi­ en zeigen, dass Hebammen, die Frauen in der Schwangerschaft sowie während und nach der Geburt selbständig be­ treuen, zufriedener sind und dass die Frauen und die Gesundheitsfachperso­ nen dieser Form von Geburtshilfe posi­ tiv gegenüberstehen. Alles Gründe, sol­ che Modelle zu unterstützen. Untersuchungen aus unserer For­ schungsgruppe zeigen jedoch, dass 2016 in den Zürcher Institutionen mit Gebur­ tenabteilungen inklusive Geburtshäuser lediglich etwa vier Prozent der Frauen eine hebammengeleitete Geburt hatten. Immerhin: Aus der Praxis gibt es ver­ mehrt Nachrichten, dass weitere Hebam­men-Ge­bär­zimmer eröffnet werden und die aus­schliesslich von Hebammen be­ treuten Geburten zunehmen. Dies ist ein wich­tiger Schritt in die richtige Rich­ tung. Es gibt jedoch noch Luft nach oben. Spitäler und Po­litik sind gefordert, hebammengeleitete und damit physio­ logische Geburten weiter zu fördern. //

blog.zhaw.ch/vitamin-g

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I M P O R T R ÄT

M

uri im Kanton Aargau. Ein 7500-Seelen-Dorf, ein­ ge­bettet in die sanfte Hügellandschaft des Mit­tel­ landes, irgendwo zwischen Zürich, Aarau und Luzern. Eine Gemeinde mit Kloster und Kino, einem Schwimmbad und Schulen, Industrie und Vereinen. Hier, im Garten ihres Elternhauses, hat Anfang der 2000er-Jahre die Karriere von Julia Stierli begonnen. Hier spielte sie täglich mit ihrem Bruder Fussball, bis sie mit acht Jahren – «endlich», wie sie sagt – in den FC durfte. Ganz zufällig war das Interesse der StierliKinder am Ballsport nicht: «Ich wurde schon in eine fussballverrückte Familie hineingeboren, bereits mein Vater und mein Onkel spielten lange beim FC Muri», erzählt die 22-Jährige heute. Sie sitzt an diesem Samstagmorgen im Café Spitz beim Landesmuseum in Zürich, die langen Haare offen, vor sich eine heisse Schokolade, neben sich die Sporttasche. Mittlerweile gehören Fussballschuhe und Schienbeinschoner zu ihrem Alltag: Julia Stierli spielt bei den Frauen des FC Zürich und seit zwei Jahren für die Nationalmannschaft.

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ZWISCHEN STADION UND STUDIUM Julia Stierli spielt Fussball, seit sie sich erinnern kann. Und das inzwischen auf Spitzenniveau: Die 22-Jährige ist Nationalspielerin und mehrfache Schweizer­ meisterin mit dem FC Zürich. Sie erzählt, wie sie den Sport und ihr PhysiotherapieStudium an der ZHAW unter einen Hut bringt. VO N M A LO LO K ESS L E R

Mit den Buben trainiert Den Plan, Profi zu werden, hatte Julia Stierli nicht. «Ich hatte und habe einfach Freude am Fussballspielen. Ich gebe gerne mein Bestes», erzählt sie. Und dieses Beste war gut: Kaum begann sie beim FC Muri zu spielen, wurde die Verteidigerin von den Trainern gefördert. «Ich konnte damals auch mit der Bubenmannschaft trainieren,

davon habe ich sehr profitiert.» Später, als Jugendliche, schaffte Julia Stierli die Aufnahme ins Ausbildungszentrum Huttwil. Dort trainieren die begabtesten Fussballerinnen des Landes, parallel besuchen sie die Schule. Danach absolvierte sie das Sportgymnasium in Aarau und wechselte vom FC Muri zum FC Aarau. Auch dort spielte Julia Stierli in der U14- und der U15-Mann-


I M P O R T R ÄT

Einer ihrer Höhepunkte im letzten Jahr: Julia Stierli im Achtelfinal-Hinspiel der Champions-League gegen den FC Bayern München.

schaft mit den Jungs – nicht immer ganz einfach in jenem Alter, aber der Trainer habe sie sehr unterstützt, sagt die Fussballerin. Später wechselte sie zum Frauenteam des FC Aarau, seit 2014 spielt sie nun für den FC Zürich in der Nationalliga A. Drei Mal wurde sie mit ihrem Team bereits Schweizermeisterin, drei Mal Cupsiegerin. Auch auf einige Champions-LeagueEinsätze kann Julia Stierli zurückblicken: «Die Champions-League-Spiele finden im Letzigrund vor bis zu 6000 Zuschauerinnen und Zuschauern statt, das ist für mich immer ein Höhepunkt.» Für die Frauen-Nationalmannschaft stand Julia Stierli schon bei neun Länderspielen im Einsatz, Erfahrungen hierfür sammelte sie in den Juniorinnen-Nationalteams. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr der Erfolg mit der U19: «Wir haben uns 2016 für die Europameisterschaft in der Slowakei qualifiziert. Das Turnier dort zu erleben, war grossartig.» Weniger grossartige Momente in ihrer Karriere fallen ihr nicht gerade ein. «Aber unschöne Momente vergisst man tendenziell etwas einfacher», sagt sie und lacht, wie so oft an diesem Vormittag. So wenig sie den Plan hatte, Profi zu werden, so wenig hat sie ein konkretes Karriereziel. «Meine Hauptmotivation ist einfach die Freude am Spielen.»

vorbei, weil ihr die Hochschule «eine Speziallösung anbietet», wie sie sagt. Die Fussballspielerin absolviert pro Semester jeweils nur die Hälfte aller Module. Denn: Julia Stierli trainiert fünf Mal pro Woche und hat an den Wochenenden jeweils Match. «So geht es im Moment gut, beides zu kombinieren. Wenn dann Praktika anstehen, könnte es organisatorisch schwieriger werden», sagt sie. «Aber das klappt dann schon, ich nehme alles Schritt für Schritt.» So hat die Aargauerin auch noch keine konkreten Pläne für die Zeit nach dem Studium. Dafür sei es auch noch zu früh: «Physiotherapie hat so viele Facetten, die ich erst kennenlernen möchte.» Zumindest das Aufgabengebiet von Physiotherapeutinnen im Spitzensport kennt sie schon gut, wenn auch von der Seite als Patientin. «Das ist für mich natürlich spannend: Die Physiotherapeuten bei uns wissen, was ich studiere. Deshalb tauschen wir uns manchmal aus», erzählt sie. «Ich beobachte sie gerne, dabei lerne ich auch.»

Jahrzehnten mit ihrem Bruder Fussball zu spielen begonnen hatte. Er hat im Gegensatz zu ihr irgendwann mit dem Sport aufgehört. «Ich glaube, als ich besser wurde als er», sagt Julia Stierli. Noch ein Lachen, ernst ist es ihr nicht. «Auf jeden Fall spielt er jetzt Unihockey.» //

«Physiotherapie hat viele Facetten, die ich kennen­ lernen möchte.»

Faszination für den Bewegungsapparat Im Schweizer Frauenfussball ist Profispielerin zu sein keine Vollzeitbeschäftigung. Was sie studieren und dereinst arbeiten möchte, wusste Julia Stierli nach dem Gymnasium aber lange nicht. Sie liebäugelte zuerst mit einem Biologie-Studium. «Meine Faszination für den Bewegungsapparat brachte mich dann schliesslich zur Physiotherapie», sagt sie. «In diesem Beruf kann ich mit Menschen arbeiten und aktiv sein. Man hat zudem nie ausgelernt.» Mittlerweile studiert Julia Stierli im zweiten Semester an der ZHAW. Studium und Spitzensport gehen nur aneinander

Schneesport und FCB Bleibt zwischen Studium und Spitzensport noch Zeit, treibt Julia Stierli gerne Schneesport. Und sie schaut auch gerne anderen beim Fussballspielen zu, vor allem dem FC Basel. «Ich weiss zwar nicht, ob ich das so sagen darf.» Die FCZ-Spielerin lacht. «Aber ich mag einfach guten Fussball, ich schaue auch gerne von erfahrenen Spielern etwas ab.» Hätte sie irgendwann etwas mehr Zeit, würde Julia Stierli die Schweiz bereisen. «Dank des Fussballs war ich schon an allen möglichen Orten in ganz Europa, das ist toll. Aber es gibt sehr viele schöne Orte in der Schweiz, die ich noch nicht gesehen habe.» Was sie hingegen derzeit oft sieht, ist die Strecke zwischen Muri, Zürich und Winterthur: Julia Stierli wohnt noch immer, wo ihre Karriere einst begonnen hatte. An derselben Strasse, wo sie vor gut zwei

JULIA STIERLI wurde 1997 geboren und ist in Muri AG aufgewachsen. Sie begann mit acht Jahren beim FC Muri zu trainieren und besuchte später das Sport­gymnasium in Aarau. Nach einigen Saisons beim FC Aarau spielt sie seit 2014 bei den FC Zürich Frauen und ist seit zwei Jahren Kadermitglied der Nationalmannschaft. Die Spitzenfussballerin studiert im zwei­ten Semester Physio­therapie an der ZHAW.

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Barbara Aegler ist Inhaberin und Geschäftsführerin der Praxis für Handrehabilitation und Ergotherapie in Zürich und unterrichtet als externe Lehrbeauftragte am Departement Gesundheit. Zusammen mit ihrer Berufskollegin Jacqueline Bürki hat die Ergotherapeutin ein eigenes Konzept für die Behandlung arbeitsbedingter Beschwerden der oberen Extremität entwickelt. «Wir bringen neues Wissen aus der internationalen Gesundheitsforschung in unsere praktische Arbeit ein», sagt Barbara Aegler. Bericht Seiten 22 – 23


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A D VA N C E D PRACTICE Sie soll die Gesundheitsberufe attraktiver machen, den Fachkräftemangel entschärfen und der immer komplexeren Versorgung einer alternden Gesellschaft gerecht werden: Die Advanced Practice gilt als Hoffnungsträger, wenn es darum geht, die Herausforderungen im Gesundheitswesen zu meistern. In der Schweiz fasst die Erweiterung der Gesundheitsberufe um neue Rollen, Aufgaben und Kompetenzen erst allmählich Fuss. Dieses Dossier gibt einen Einblick in diese Entwicklung und zeigt exemplarisch neue Rollen für Health Professionals auf.

Die Porträtbilder zum Dossierthema zeigen Gesundheitsfachpersonen, die im Sinne der Advanced Practice in erweiterten Berufsrollen tätig sind.

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NEUE ROLLEN FÜR HEALTH PROFESSIONAL S Gesundheitsberufe haben sich die letzten Jahrzehnte in verschiedenen Ländern in Richtung Advanced Practice erweitert. Die Schweiz hinkt dieser Entwicklung hinterher. Das liegt an der späten Akademisierung der Berufe – und an fehlenden gesetzlichen Rahmenbedingungen. VON TOBIAS HÄNNI

W

er in Kanada an einer schweren Grippe erkrankt, geht vermutlich nicht zum Arzt. Stattdessen besucht die Person ein Community Health Center, in denen Pflegefachpersonen statt Ärztinnen oder Ärzte die Primärversorgung übernehmen. Diese Advanced Practice Nurses (APN), im Fall der Primärversorgung Nurse Practitioners, diagnostizieren, behandeln und versorgen Patientinnen und Patienten in eigener Verantwortung und übernehmen somit vielerorts ärztliche Aufgaben. Ins­besondere wegen des Mangels an Allgemeinmedizinern in ländlichen Gebieten gehörte Kanada zusammen mit den USA zu den ersten Ländern, die Modelle der erweiterten Berufspraxis für Pflegende (Advanced Nursing Practice, ANP) entwickelt haben. Bereits in den 1960erJahren wurden erste Programme eingeführt, mit denen den Nurse Practitioners mehr Aufgaben und Kompetenzen übertragen wurden. Der Mangel an medizinischem Fachpersonal und eine alternde Bevölkerung mit ihren Begleiterscheinungen – insbesondere die Zunahme gleichzeitig auftretender, chronischer Erkrankungen – haben in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass Modelle der Advanced Practice (AP) auch in anderen Ländern Einzug gehalten haben. In Europa haben sich Pflegende und Angehörige anderer Gesundheitsberufe mit einer erweiterten Berufspraxis vor allem in Grossbritannien, Irland und in Skandinavien etabliert. Was unter AP verstanden wird, unterscheidet sich dabei von Land zu Land, aber auch von Beruf zu Beruf (siehe Kasten). S PÄT E A K A D E M I S I E R U N G I N D E R S C H W E I Z

Im Vergleich zu anderen Ländern steht die Entwicklung der AP in der Schweiz noch am Anfang. Das liegt für Claudia Galli, Präsidentin des Schweizerischen Verbands der Berufsorganisationen im Gesundheitswesen, vor allem an der späten Akademisierung der Gesundheitsberufe. «Diese werden erst seit knapp 15 Jahren als Bachelor an Fachhochschulen unterrichtet. Masterstudiengänge gibt es noch weniger lang.» Auch wenn nicht unumstritten, gelte ein Masterabschluss (MSc) als eine der Grundvoraussetzungen, um eine AP-Rolle ausüben zu können. Einen weiteren, «banaleren» Grund sieht die Leiterin des Europäischen Masterstudiengangs Ergotherapie an der 10

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ZHAW in der überschaubaren Grösse des Schweizer Gesundheitswesens. «Als kleines Land hat die Schweiz einen vergleichsweise geringen Bedarf nach erweiterter Berufspraxis», sagt sie. Mit der zunehmenden Überlastung des Gesundheitssystems aufgrund des Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklung ist AP in den letzten Jahren aber auch hierzulande verstärkt in den Fokus gerückt. Weitere, berufsinterne Treiber für diese Entwicklung sieht Claudia Galli einerseits in der Zunahme der fachlichen Expertise durch die Akademisierung auf BSc-, MSc- und auch PhDLevel, anderseits im Versuch, die Attraktivität der Gesundheitsberufe mit neuen Rollen und damit klinischen Karrieremöglichkeiten zu erhöhen. Darüber hinaus haben auch die positiven Erfahrungen im Ausland dazu geführt, dass AP in der Schweiz allmählich Fuss fasst. «Untersuchungen zeigen, dass der Einsatz von AP-Fachleuten kostensenkend wirkt, der Zugang zur Versorgung niederschwelliger und diese selbst patientenorientierter ist.» In der Schweiz ist man in den meisten Gesundheitsberufen noch weit davon entfernt, die Effekte der AP untersuchen zu können. Einen Grossteil der Professionen beschäftigt derzeit noch die Frage, was AP im Kontext der Schweiz überhaupt bedeutet. Zwar gibt es in der Praxis bereits zahlreiche Beispiele erweiterter und innovativer Profile. Eine einheitliche Definition von AP und der Rollen und Kompetenzen, die diese umfasst, besteht hingegen nicht. «Das macht das Konzept zurzeit schwer fassbar», sagt Galli. Der Prozess einer gemeinsamen Definition ist in den verschiedenen Berufsgruppen jedoch in vollem Gange (zur Physiotherapie siehe Seiten 15–16): Zwischen Berufsverbänden und Fachhochschulen laufen laut Galli Bemühungen, sich auf ein einheitliches Verständnis von AP zu einigen und entsprechende Profile aufzubauen. UNTERSCHIEDLICHSTE ROLLEN IN DER PFLEGE

Am weitesten fortgeschritten in dieser Hinsicht ist die Pflege. 2012 hat die IG Swiss ANP die erweiterte Rolle unter dem Berufstitel Pflegeexpertin APN für die Branche definiert. Eine Pflegeexpertin APN ist demnach eine «registrierte Pflegefachperson, welche sich durch akademische Ausbildung Expertenwissen, Fähigkeiten zur Entscheidungsfindung bei hoch komplexen Sachverhalten und klinische Kompetenzen


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für eine erweiterte pflegerische Praxis angeeignet hat». APN sind gemäss dieser Definition fähig, in unterschiedlichsten Settings «vertiefte und erweiterte Rollen zu übernehmen und diese in eigener Verantwortung und in interprofessionellen Teams auszufüllen». Als Kernkompetenz gilt dabei die direkte klinische Praxis. Dazu kommen weitere Fähig­ keiten: Expertencoaching, Beratung, ethische Entscheidungsfindung, interdisziplinäre Zusammenarbeit, klinische und fachspezifische Leadership sowie Forschungskompetenz. Voraussetzung für den Titel als Pflegeexpertin APN ist ein Masterabschluss in Pflegewissenschaft sowie der Nachweis kontinuierlicher Weiterbildung und regelmässiger klinischer Praxis. Die Rolle von Pflegeexpertinnen und Pflegeexperten APN ist je nach Kontext sehr unterschiedlich ausgestaltet. So übernehmen APN beispielsweise Aufgaben in der Praxisentwicklung, indem sie auf Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse neue Leitlinien und Standards ausarbeiten und diese in den Arbeitsalltag einführen, die Kolleginnen bei der Umsetzung unterstützen und den Prozess sowie das Ergebnis evaluieren. «AP-Rollen bewegen sich auf einem Kontinuum zwischen zwei Hauptprofilen», sagt Katharina Fierz, die am Departement Gesundheit das Institut für Pflege leitet und die Entwicklung von ANP-Rollen als Arbeitsschwerpunkt hat. Auf der einen Seite gibt es die Clinical Nurse Specialists (CNS), die für die Versorgung einer definierten Patientengruppe oder für ein bestimmtes Krankheitsbild zuständig sind und einen Schwerpunkt in der Praxisentwicklung setzen. «Das sind Spezialisten in einem klar umrissenen Bereich, beispielsweise der Pflegeexperte für Delir bei Demenz», illustriert Fierz. Auf der anderen Seite des Spektrums stehen die Nurse Practitioners (NP), die etwa in einer Praxisgemeinschaft Aufgaben übernehmen, die bislang Ärztinnen und Ärzten vorbehalten waren. In vielen Akutspitälern gibt es laut Fierz auch Mischformen dieser Profile, beispielsweise die Pflegeexpertin ANP, die eine ambulante Sprechstunde führt und für die umfassende Nachsorge ehemaliger Patientinnen und Patienten zuständig ist. «Die Rolle der CNS ist in der Schweiz inzwischen sehr verbreitet, in den Spitälern wie auch in der Spitex», sagt Katharina Fierz. NP gebe es dagegen erst vereinzelt, oftmals im Rahmen von Pilotprojekten. «Das liegt an der strengeren Anforderung von 500 bis 700 Stunden supervisierter klinischer Praxis für die Ausübung einer NP-Rolle. Die Masterstudiengänge in der Schweiz konnten diese bisher nicht bieten.» Die Fachhochschulen und Universitäten würden die Studiengänge nun entsprechend anpassen, so Fierz. «Ab nächstem Herbst bieten wir an der ZHAW im Pflegemaster einen NP-Schwerpunkt an.» E S F E H LT D I E G E S E T Z L I C H E R E G L E M E N T I E R U N G

Eine einheitliche Definition von AP und die entsprechende Ausbildung reichen allerdings nicht aus, dass sich AP in der Praxis etablieren kann. Eine der grössten Hindernisse für die weitere Verbreitung in der Schweiz ist die fehlende gesetz­ liche Reglementierung. Die Bemühungen scheiterten, die Masterstufe der Gesundheitsberufe und damit auch erweiterte Berufsrollen im 2016 verabschiedeten Gesundheitsbe-

rufegesetz (GesBG) festzuhalten. «Die Berufsverbände standen damals gemeinsam dafür ein. Das Problem war jedoch, dass die Berufe hinsichtlich AP unterschiedlich weit entwickelt sind», sagt Claudia Galli. Zudem habe es in der Politik und bei den Krankenkassen grosse Widerstände gegen die Akademisierung und die Erweiterung der Berufsrollen gegeben, die auch weiterhin bestünden. «Es wird kritisiert, dass sie das Gesundheitswesen verteuern.» Diese Bedenken hält Galli für unbegründet: Studien zeigten, dass die Kosten nicht steigen, wenn eine Behandlung von einer AP-Fachperson geleitet werde. Auch in der Ausbildung sei keine Kostenexplosion zu befürchten. «Es ist nicht das Ziel von Berufsverbänden und Fachhochschulen, sämt­liche Ge­sundheits­fach­personen zu Advan­ced Practitioners auszu­bilden.» 2020 wird das GesBG in Kraft treten, frühestens 2025 kann eine Revision beantragt werden. Bei der Pflege wird es laut Katharina Fierz «dann einen neuen Versuch geben, das Konzept der Advanced Practice im Gesetz zu verankern». Eine Regulierung auf Gesetzesebene sei zwingend, solle ein Wildwuchs bei der Ausbildung verhindert werden. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind auch aus finanzieller Sicht zentral. «Erst wenn es klar definierte AP-Rollen gibt, besteht eine Chance, diese in den Verordnungen zum Krankenversicherungsgesetz abzubilden», erklärt Galli. Und erst dadurch könnten Leistungen, die mit einer Erweiterung der klinischen Kompetenzen einhergingen, ohne ärztliche Verordnung erbracht und den Krankenkassen verrechnet werden. Dies sei insbesondere für die Entwicklung der AP-Profile im ambulanten Bereich zentral. «Im stationären Sektor werden AP-Leistungen ohnehin meist ärztlich verordnet und können über die Fallpauschalen abgerechnet werden.» Ambulanter und stationärer Bereich unterscheiden sich auch im Hinblick auf den Lohn, den man als AP-Fachperson erwarten kann. «Stationär wird dann ein höherer Lohn gezahlt, wenn man mehr Kompetenzen hat und weitere Funktionen übernimmt», sagt Galli. Ambulant wirke sich eine AP-Rolle dagegen nicht positiv auf das Einkommen aus. «Zumindest so lange nicht, bis zusätzliche Leistungen in die Tarifverträge zwischen den Berufsverbänden und den Krankenkassen aufgenommen werden.» //

Ein Begriff, viele Definitionen Eine Definition von Advanced Practice (AP), die für alle Länder und Berufsgruppen zutreffen würde, gibt es nicht. Je nach Kontext umfasst AP unterschied­liche Rollen, Kompe­ tenzen und Anforderungen. Wegen der unter­schied­lichen Ausprägungen ist auch eine trennscharfe Abgrenzung zu anderen Begriffen wie etwa «Extended Scope of Practice» schwierig. Dieser beschreibt Tätigkeiten und Rollen, die über das traditionelle Berufsfeld hinausgehen und nor­maler­ weise anderen Berufen zugeordnet sind. Da solche Rollen teils aber auch als Advanced Practice gelten, sind die Übergänge zwischen den zwei Modellen fliessend.

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D O S S I E R | A D VA N C E D P R A C T I C E – N E U E R O L L E N I M G E S U N D H E I T S W E S E N

« KO M M U N I KAT I O N AU F AU G E N H Ö H E I ST W I C H T I G » Der Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH begrüsst mehr Zusammen­arbeit mit hoch qualifizierten Health Professionals. Dabei müssten die Rahmenbedingungen stimmen, unterstreicht FMH-Vorstandsmitglied und Hausarzt Carlos Quinto. VON SUSANNE WENGER

Health Professionals mit erweiterten Kompetenzen könnten helfen, den Ärztemangel in der ambulanten Grundversorgung aufzufangen, sagt Carlos Quinto vom Ärzteverband FMH.

Herr Quinto, können Sie sich vorstellen, hier in Ihrer Gemeinschaftspraxis im ländlichen Baselbiet mit einer Pflegeexpertin – einer Advanced Practice Nurse APN – zusammenzuarbeiten? Grundsätzlich ja, vor allem bei älteren Patientinnen und Patienten und solchen mit chronischen Erkrankungen. Ich mache Hausbesuche und gehe auch in Pflegeheimen vorbei. Für diesen aufsuchenden Teil kann ich mir eine Aufgabenteilung mit einer APN durchaus vorstellen. Ich müsste sie gut kennen und mich auf ihre Erfahrung und Kompetenz verlassen können. Im Moment wäre sie aber in unserer Praxis nicht genügend ausgelastet. 12

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In einem FMH-Papier ist zu lesen, dass die Ärzteschaft neuen interprofessionellen Versorgungsmodellen positiv gegenübersteht. Warum braucht es diese aus Ihrer Sicht? Weil die demografische Entwicklung das Gesundheitswesen vor neue Herausforderungen stellt. Die Zahl älterer Menschen mit mehrfachem Unterstützungsbedarf wächst. Um die Versorgungsqualität zu sichern und unnötige Mehrkosten zu vermeiden, sind Koordination und Zusammenarbeit angezeigt. Auch die Patientin, der Patient selber und die Angehörigen sind als Teil des Versorgungsteams zu betrachten. Wie eine solche integrierte Versorgung aussehen könnte,


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wird im Kanton Basel-Landschaft derzeit im Projekt «Inspire» erforscht, unter Leitung einer Pflegewissenschaftlerin. Da sind auch wir Ärztinnen und Ärzte an Bord. Kommt dazu: Der Hausärztemangel wird in der Schweiz noch einige Jahre spürbar bleiben und 2025 seinen Höhepunkt erreichen. Vor allem ländliche Gebiete und Randregionen sind betroffen. Nichtärztliche Gesundheitsfachkräfte mit erweiterten Kompetenzen könnten also den Ärztemangel in der ambulanten Grundversorgung auffangen helfen? Ja, als eine von verschiedenen Massnahmen, je nach Versorgungssituation, Tarifstruktur und Patienten vor Ort. Es gibt nicht ein Modell, das für alle Regionen passt. Der Kanton Uri mit geringer Ärztedichte und grossen Distanzen testet ge­ rade den Einsatz von APN. Wie genau sich Health Professionals mit MasterAbschlüssen ins Gesundheitssystem einfügen, muss zuerst geprüft und entwickelt werden. In der ambulanten Grundversorgung ist ein struktureller Wandel im Gang. Für Einzelpraxen finden sich kaum mehr Nachfolger. Viele Ärztinnen und Ärzte wollen in Gruppenpraxen Teilzeit arbeiten. Zu gross dürfen die Teams aber nicht sein. Ältere Menschen mit mehreren chronischen Erkrankungen wollen nicht jedes Mal von jemand anderem behandelt werden. Sie schätzen Beziehungskonstanz.

voll kommunizieren, die Sichtweise der anderen Profession würdigen und deren Können vertrauen. Und die überzeugt sind, mit vereinten Kräften das beste Resultat für den Patienten zu erzielen. Dennoch sieht die FMH bei der Aufgabenteilung mit den Gesundheitsberufen offenbar Grenzen. Verantwortung und Haftung liegen immer noch bei den Ärztinnen und Ärzten. Daher finden wir es sinnvoll, dass die Fäden auch bei ihnen zusammenlaufen. Dies besonders bei medizinisch komplexen Patienten mit mehreren Erkrankungen, die es zu managen gilt. Je nach Problematik, die bei einem Patienten gerade im Vordergrund steht, können aber andere Professionen nach Absprache temporär den Lead über­nehmen – von der Pflege über die Soziale Arbeit bis zur Psychologin und weiteren Medizinal- und Gesundheits­-­ be­rufen. Wichtig ist Kommunikation auf Augenhöhe, damit die Informationen fliessen. Dabei müssen spontane, informelle Absprachen möglich sein. Interpro­ fessionelle Zusammenarbeit kann nicht top-down verordnet und sie darf nicht überreguliert werden. Was wirklich niemand im Gesundheitswesen braucht, ist noch mehr sinnlose Administration.

«Health Professionals mit erweiterten Kompetenzen konnten bisher gar nicht richtig durchstarten.»

Health Professionals mit erweiterten Kompetenzen können Aufgaben übernehmen, die ins ursprünglich ärztliche Gebiet hineinreichen. Stimmen Sie zu? Wenn Diagnose und Therapierahmen feststehen und ein chronisch kranker Patient einigermassen stabil ist, müsste ich ihn tatsächlich nicht jedes Mal selber sehen. In der Praxis könnten in erster Linie medizinische Praxisassistentinnen, die sich zur medizinischen Praxiskoordinatorin klinischer Richtung MPK weitergebildet haben, Aufgaben übernehmen. Das wäre am günstigsten, vorausgesetzt, im Tarif werden entsprechende Positionen vorhanden sein. Geht es vor allem um pflegerische Aspekte, sind ohnehin die Pflegenden die kompetenten Ansprechpersonen. Nach dem Gesetz muss ich als Arzt minutiös erfasste Pflegeleistungen und -stufen in Heimen visieren, was unsinnig ist. Die Pflege sollte dies eigenverantwortlich tun können. Die FMH unterstützt die Pflegeinitiative, die das verlangt. Wie schwer fällt es den Ärzten, Aufgaben abzugeben und die traditionellen Hierarchien im Gesundheits­ wesen hinter sich zu lassen? Das hängt von der Persönlichkeit und dem Behandlungssetting ab. Ein Stück weit ist es auch eine Generationenfrage. In der Praxis tendieren wir zu flacheren Hierarchien. In gewissen stationären Settings geht es hierarchischer zu und her. Das hat auch mit den Aufgaben dort zu tun, gerade im Akutbereich, wo das Tempo hoch ist. Ich selbst absolvierte einen Teil meiner Ausbildung in den Niederlanden. Dort bekam ich mit, wie selbstverständlich interprofessionelle Teams funktionieren können: kleine, konstante Teams, die respekt-

Wie muss sich das Gesundheitswesen verändern, damit neue Versorgungsmodelle gelingen? Interprofessionalität beginnt in der Ausbildung, das ist sicher noch ausbaufähig. In der Praxis braucht sie Zeit, die abgegolten werden muss. Den Ärzten wird seit 2018 pro Patient und Quartal gerade mal noch eine halbe Stunde für sämtliche Koordinationsleistungen zugestanden. In den Tarifsystemen nichtärztlicher Berufe gibt es dafür offenbar gar keine klaren Positionen. Im Bildungssystem qualifizieren wir Gesundheitsberufe höher, bilden das aber noch nicht in den Tarifsystemen ab. Das ist ein ökonomisches Unding. Zumal ja unter dem Strich von einer kostendämpfenden Wirkung auszugehen wäre. Health Professionals mit erweiterten Kompetenzen konnten bisher gar nicht richtig durchstarten. Der Experimentierartikel würde hier die Chance bieten, innovative Versorgungsmodelle in Kantonen und Regionen zu testen. Allerdings entstehen nur dann brauchbare Lösungen, wenn alle involvierten Berufsleute adäquat partizipieren. //

Carlos Quinto ist Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und in einer Gemeinschaftspraxis in Pfeffingen (BL) tätig. Der 53-Jährige hat zudem einen Lehrauftrag am Universitären Zentrum für Hausarzt­ medizin beider Basel inne. Im FMH-Zentralvorstand, in dem er seit 2016 Mitglied ist, betreut er das Dossier Public Health und Gesundheitsberufe.

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Olivia Näf ist an der Klinik Wald der Zürcher RehaZentren als Therapieexpertin tätig. In dieser Funktion übernimmt sie Aufgaben ausserhalb ihrer traditionellen Rolle als Physiotherapeutin. So arbeitet sie beispielsweise neue Rehabilitationspfade aus, mit denen die Behandlungen besser geplant werden können, oder schult Mitarbeitende im Umgang mit einem digitalen Austrittsbericht. Neben Konzept- und Projektaufgaben, bei denen sie unter anderem mit der Informatikabteilung der Klinik zusammenarbeitet, ist Olivia Näf nach wie vor an der Behandlungs­ liege tätig. «Es gefällt mir, neue Ideen umzusetzen, daneben jedoch weiter im Kontakt mit den Patien­ten zu sein», sagt die 29-Jährige. Porträt Seite 17


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M I T A DVA N C E D P R ACT I C E Z U B E S S E R E N KA R R I E R E C H A N C E N Mangels Entwicklungsmöglichkeiten steigt ein grosser Teil der Physiotherapeutinnen und -therapeuten aus dem Beruf aus. Um diesen langfristig attraktiver zu machen, treibt eine Interessengemeinschaft die Entwicklung der Advanced Practice in der Physiotherapie voran. VON TOBIAS HÄNNI

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ehört die Therapieexpertin, die nach Operationen Wunden kontrolliert und Fäden zieht, dazu? Der Fachteamleiter, der am Spital Sprechstunden durchführt? Oder der selbstständige Physiotherapeut, der sich auf die Ultraschall-Diagnostik spezialisiert hat? Am schweizweit ersten Symposium zur Advanced Practice Physiotherapy (APP) an der ZHAW Anfang Jahr herrschte Uneinigkeit darüber, welche Rollen und Aufgabenfelder in der Physiotherapie zu einer erweiterten Berufspraxis (Advanced Practice, AP) gehören. «Würden wir euch fragen, was AP ist, kämen wohl zehn verschiedene Definitionen zurück», sagte Peter Oesch von der Interessengemeinschaft Physiotherapie Reha­bilitation (IGPTR) zum Auftakt der Ver­anstaltung. Um das zu ändern, hat die IGPTR mit dem Berufsverband physioswiss und dem Institut für Physiotherapie am ZHAW-Departement Gesundheit vergangenen Sommer die IG Swiss APP ins Leben gerufen. Die Durchführung des APP-Symposiums war die erste gemeinsame Aktivität mit dem Ziel, ein einheitliches Verständnis von APP aufzubauen. «Bislang gibt es in der Schweiz weder eine allgemeingültige Definition noch ein verbindliches Rahmenkonzept», sagt Astrid Schämann, die das ZHAW-Institut für Physiotherapie leitet und dieses in der IG Swiss APP vertritt. Im Verlauf dieses Jahres werde die Interessengemeinschaft deshalb eine solche Definition ausarbeiten. Als Grundlage dient dabei ein Positionspapier von physioswiss aus dem Jahr 2016, das Advanced Practice Physiotherapists als «klinisch tätige PhysiotherapeutInnen» bezeichnet, «welche sich durch entsprechende Aus- und/oder Weiterbildungen sowie reflektiertes Handeln hohe Expertenkompetenzen angeeignet haben und diese in hochkomplexen Patientensituationen gewinnbringend einbringen». APP übernehmen in ihrer erweiterten Position Führung und Verantwortung und vertreten in interprofessionellen Teams die physiotherapeutische Sichtweise, heisst es weiter. Ausserdem seien sie fähig, qualitätssichernde Massnahmen umzu-

setzen, Entwicklungen zu antizipieren und aufgrund ihres forschungsbasierten Wissens neue Produkte, Verfahren, Prozesse und Dienstleistungen zu implementieren. DEN BERUF AUF LANGE SICHT AT T R A K T I V E R M A C H E N

Zu einem gemeinsamen Verständnis von APP beitragen soll auch die Studie «Entwicklung von APP-Modellen in der Schweiz», welche die Physiotherapie-Institute der ZHAW und der Fachhochschule Westschweiz durchführen. Das Kooperationsprojekt ist Teil des Kompetenzzentrums «Com­ petence Network Health Workforce», in dem sämtliche Schweizer Fachhochschulen mit Gesundheitsstudiengängen Grundlagen­ wissen zum und Massnahmen gegen den Fachkräftemangel erarbeiten. «Es ist herausfordernd, mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen dem steigenden Behandlungsbedarf im Gesundheitswesen gerecht zu werden», erklärt Irina Nast, Professorin für Physiotherapie an der ZHAW und CoLeiterin der Studie. Die Entwicklung der AP biete die Chance, die drohenden Versorgungslücken zu schliessen, Kompetenzen sinnvoller zu verteilen und knappe Ressourcen effizienter einzusetzen. Die Erweiterung der Physiotherapie um neue Rollen und Aufgaben drängt sich laut Nast aber auch aus einem anderen Grund auf. «35 Prozent der Physiotherapeutinnen und -therapeuten in der Schweiz steigen aus dem Beruf aus.» Einige davon kehrten der Profession zwar nur vorübergehend den Rücken, etwa wegen einer Weiterbildung oder einer Babypause. «Das erklärt aber nur einen Teil der Ausstiege», sagt Nast. Wer berufstätig bleibe, aber den Beruf oder die Branche wechsle, kehre meist nicht mehr zurück. «Ein wichtiger Grund dafür ist ein wahrgenommener Mangel an Karriere­ perspektiven in der klinischen Praxis», sagt die Wissenschaftlerin mit Verweis auf eine 2016 im Auftrag von physioswiss durchgeführte Befragung.

«Es gibt viele Mediziner, die den Mehrwert der Advanced Practice erkennen.»

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G E S E T Z E S L A G E M U S S A N G E PA S S T W E R D E N

Warum braucht es Advanced Practice in der Physiotherapie? Am gut besuchten ersten APP-Symposium wurden diese und andere Fragen diskutiert.

Die Studie «Entwicklung von APP-Modellen in der Schweiz» soll zu erweiterten Karriereperspektiven und damit zu einer längeren Verweildauer im Beruf beitragen. Dazu wurde auch untersucht, welche Profile international entstanden sind. «Unter dem Schirmbegriff APP gibt es unterschiedliche Rollen», fasst Nast die Ergebnisse zusammen. Häufig seien Advanced Practice Physiotherapists in postoperativen Nachkontrollen tätig, verantwortlich für die Qualitätssicherung oder die Koordination von Behandlungen, würden im Erstkontakt autonom praktizieren oder erweiterte therapeutische Interventionen wie Injektionen und kleinere chirurgische Ein­ griffe vornehmen. Die Auswertung internationaler Literatur zeigt auch, dass APP «Wartezeiten, Behandlungskosten und die Arbeitsbelastung von Spezialisten reduziert, die Patientenzufriedenheit dagegen erhöht», so Nast. IN DER PRAXIS GELEBT

Die Studie hat in der Literatur auch Faktoren identifiziert, die für die Entwicklung der Advanced Practice besonders förderlich sind. «Besonders wichtig ist die Haltung der Ärzteschaft. Vor allem dann, wenn APP-Rollen mit der Übernahme ärztlicher Aufgaben einhergehen», sagt Nast. Eine enge Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten sei deshalb zwingend notwendig, sollen sich APP-Rollen etablieren. Advanced Practice Physiotherapists seien in den Spitälern oft schon gelebte Realität – und damit auch die Kooperation zwischen Ärzteschaft und Physiotherapie, sagt Astrid Schämann und verweist auf das Berner Inselspital, das APProfile für Physiotherapeuten und andere Gesundheitsfachleute systematisch entwickelt hat. «Es gibt viele Mediziner, die den Mehrwert der AP erkennen und die Übertragung von mehr Kompetenzen und Verantwortlichkeit an die Gesundheitsberufe befürworten.» Laut Schämann hat ein Teil der Ärzteschaft jedoch nach wie vor Vorbehalte gegenüber der AP: etwa, dass diese zu Doppelspurigkeiten und damit zu einem höheren Aufwand führe. «Um diese Skepsis aus der Welt zu schaffen, müssen wir Überzeugungsarbeit leisten und den Nutzen bereits gelebter Rollen transparent machen», sagt Schämann. Für eine grössere Akzeptanz gelte es zudem, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu klären. 16

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Denn während APP-Rollen in der Praxis zwar schon gelebt und die dafür notwendigen Kompetenzen an den Fachhochschulen vermittelt werden, ist die Advanced Practice auf Gesetzesstufe weder national noch kantonal reglementiert. Auch für die Pflege, in der sie am weitesten entwickelt ist, hat laut Astrid Schämann bislang «einzig der Kanton Waadt festgelegt, dass Pflegende medizinische Diagnosen stellen sowie Medikamente verschreiben und überprüfen dürfen». Die Schaffung gesetzlicher Grundlagen ist nicht nur zentral, um die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten von APPRollen rechtlich abzusichern. Sondern auch, um erweiterte Tätigkeiten – insbesondere die Ausübung ärztlicher Aufgaben – den Krankenkassen verrechnen zu können. Dafür bieten sich grundsätzlich zwei Modelle an, wie Ueli Kieser, Professor für Sozialversicherungs- und öffentliches Gesundheitsrecht an der Universität St. Gallen, am APP-Symposium ausführte. Beim Delegationsmodell übertrage ein Arzt die Ausübung einer Leistung an eine nichtärztliche Fachperson. «Die Verantwortlichkeit für die Leistung liegt weiterhin beim Arzt, die Fachperson führt die Leistung als dessen Hilfsperson aus», erklärte Kieser. Auch die Befugnis zum Abrechnen der Leistung bleibe im Delegationsmodell in ärztlicher Hand. Im Anordnungsmodell, das typischerweise in der Physiotherapie zur Anwendung komme, werde die Verantwortlichkeit dagegen zwischen Arzt und nichtärztlicher Fachperson geteilt. Letztere habe dabei mehr Autonomie und könne die Leistungen selbstständig gemäss geltendem Tarifvertrag mit den Krankenkassen abrechnen. Damit Advanced Practice Physiotherapists autonom Aufgaben ausführen und verrechnen können, die über ihr bisheriges Tätigkeitsfeld hinausgehen, müssen diese in die entsprechende Verordnung des Krankenversicherungsgesetzes und den Tarifvertrag aufgenommen werden. «Ohne diese Anpassung können Physiotherapeuten nur mit einer ärztlichen Delegation ausserhalb des in der Verordnung festgehaltenen Aufgabenspektrums tätig werden», so Kieser. Neben der Definition von Advanced Practice und der Verrechnung zusätzlicher Tätigkeiten ist auch die Frage der notwendigen Ausbildung für eine APP-Rolle noch nicht abschliessend geklärt, wie sich am Symposium zeigte. «Ob es für Advanced Practice einen Masterabschluss braucht, muss erst noch ausdiskutiert werden», sagte Peter Oesch von der IGPTR. Auch Astrid Schämann sieht diesbezüglich noch Diskussionsbedarf, sagt aber auch: «Künftig ist ein Masterstudium meiner Meinung nach zwingende Voraussetzung, um eine APP-Rolle einnehmen zu können.» Erst auf dieser Bildungsstufe würden die für die APP nötigen Kompetenzen in Wissenschaft und Forschung vermittelt (siehe Roundtable-Gespräch Seiten 34–35). Allerdings sollte es aus Astrid Schämanns Sicht für Physiotherapeutinnen und -therapeuten, die beispielsweise einen MAS absolviert haben, zumindest in einer Übergangsphase die Möglichkeit geben, sich die zusätzlichen wissenschaftlichen Kompetenzen anzueignen, um in einer APP-Rolle tätig sein zu können. «Über die kli­ nische Expertise und entsprechende Spezialisierungen ver­ fügen sie hinlänglich.» //


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WENN DIE PHYSIO­T HERAPEUTIN MIT DER IT ZUSAMMENARBEITET Olivia Näf übernimmt Aufgaben ausserhalb ihrer traditionellen Rolle als Physiotherapeutin. Sie setzt als Therapieexpertin an der Klinik Wald der Zürcher RehaZentren neue Konzepte um und leitet Projekte. VON EVELINE RUTZ

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livia Näf arbeitet soter fasst die digitalen Einträge autowohl an der Behandmatisch zusammen. «Er nimmt uns lungsliege als auch am viel Arbeit ab», sagt Olivia Näf, die Computer. Sie theraihr Team entsprechend geschult piert Patienten, entwickelt Therahat. Zurzeit entwickelt sie unter anpiekonzepte und setzt Projekte um. derem ein einheitliches Verfahren, «Meine Tätigkeit ist extrem vielseiwie neue Mitarbeitende eingearbeitig», sagt die Physiotherapeutin, die tet werden. Es soll für alle Fachbean der ZHAW den Master gemacht reiche der Therapie gleich gestaltet hat und nun in einer Advancedsein sowie Zusatzseiten für die jePractice-Rolle tätig ist. «Es gefällt weiligen Spezifikationen enthalten. mir, neue Ideen umzusetzen, daneben jedoch weiter im Kontakt mit THEORIE UND PRAXIS den Patienten zu sein.» ERGÄNZEN SICH Die 29-Jährige ist seit fünf Jahren Olivia Näf regt in der Klinik Wald Verbesserungen an und vereinheitlicht Prozesse. Die Physiotherapeutin ist daneben in der Klinik Wald der Zürcher Rehaweiter praktisch tätig. In der Regel Zentren tätig, in der Menschen mit steht sie ab Mittag an der Behandlungsliege, in der Turnhalle neurologischen Erkrankungen, mit muskuloskelettalen Prooder in einem der hellen Trainingsräume, wo modernste blemen, nach Herzoperationen oder mit Lungenkrankheiten Geräte eingesetzt werden. Im Austausch mit Kolleginnen behandelt werden; seit letztem September hat sie die Funk­ und Patienten identifiziert sie Verbesserungspotenzial. Am tion einer Therapieexpertin inne. Als solche ist sie für die BeSchreibtisch entwirft sie theoretische Lösungsansätze, die reiche Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Ernährungssie dann wiederum in der Praxis überprüft. Zwischen dem und Diabetesberatung sowie Sporttherapie zuständig. Sie Bereichsleiter Therapie und den Therapeutinnen beziehungsregt Verbesserungen an, entscheidet mit, welche Trainingsweise Therapeuten nimmt sie oft eine vermittelnde Rolle geräte angeschafft werden, und vereinheitlicht Prozesse. ein. «Ich sehe beide Seiten», sagt sie. Das Masterstudium habe sie gut auf ihre heutigen AufgaT E A M S C H U L U N G F Ü R D I G I TA L E W E R K Z E U G E ben vorbereitet. Sie habe gelernt, wissenschaftlich zu arbeiEben hat sie neue Rehabilitationspfade ausgearbeitet, mit ten, ein grösseres Projekt zu verfolgen und vor vielen Leuten denen die Behandlung besser geplant werden kann. «Ziel ist, zu sprechen. Sie profitiere zudem vom Netzwerk, das sie dass eintretende Patienten schneller therapiert werden könwährend der Ausbildung aufgebaut habe. «Ich bin neugierig nen als bisher», sagt Olivia Näf. Insbesondere neurologische und verfolge Innovationen», sagt Olivia Näf. Die TherapieFälle seien komplex. Jemand könne zwar relativ mobil sein, expertin besucht regelmässig Kongresse und Messen, an deallerdings starke kognitive Probleme aufweisen. Entsprenen unter anderem neue Trainingsgeräte vorgestellt werden. chend individuell müsse die Therapie aufgegleist werden. Für den Therapieraum «Virtual Reality», in dem computerNoch funktionieren die Rehapfade im Dokumentationsgestützt trainiert werden kann, hat sie sich davon inspirieren system nicht zu ihrer vollen Zufriedenheit. «Es ist etwas lassen. langsam», sagt sie zu Aline Santamaria von der IT-Abteilung. «Ich habe eine zusätzliche Herausforderung gesucht», Gemeinsam schauen sich die Frauen die Testversion an. Sie sagt Olivia Näf, die täglich von der Stadt an die Grenze des diskutieren neben der Geschwindigkeit die Farbgebung und Kantons Zürich pendelt. Sie habe nie ausschliesslich mit legen letzte Anpassungen fest. Patienten arbeiten wollen. In ihrer jetzigen Funktion kann Bereits zum Einsatz kommt hingegen der digitalisierte sie darüber hinaus konzeptionell wirken. Ihre Erfahrungen Austrittsbericht. Das Personal muss die Fortschritte eines gibt sie ab und zu als Dozentin weiter. «Ich bin rundum zuKlienten nun nicht mehr von Hand darstellen. Der Compufrieden», sagt sie. //

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Manuel Stadtmann arbeitet im Ambulatorium für Traumafolgestörungen der Integrierten Psychiatrie Winterthur (ipw). Der Pflegeexperte APN führt eigenverantwortlich Einzel- und Gruppentherapien mit Patientinnen und Patienten durch, die unter trauma­tischen Erlebnissen wie sexuellem Missbrauch, körperlicher Gewalt oder Kriegserfahrungen leiden. «Viele Patienten be­gleite ich über eine längere Zeit. Ich freue mich über kleine und grosse Fortschritte», sagt Manuel Stadtmann. Parallel zur Arbeit in der ipw verfasst er seine Dissertation über komplexe post­trauma­tische Belastungsstörungen. Porträt Seite 20


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D I E V I E L FA LT D E R A DVA N C E D P R ACT I C E IN DER PFLEGE Sie sind Expertinnen und Experten für Patienten mit komplexen Krankheitsbildern, kombinieren Praxis und Forschung oder übernehmen neue Aufgaben: Advanced Practice Nurses (APN) kommen in verschiedensten Bereichen des Schweizer Gesundheitswesens zum Einsatz. Vier Beispiele. AUFGEZEICHNET VON CAROL FLÜCKIGER, URSINA HULMANN UND TOBIAS HÄNNI

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ch habe als Advanced Practice Nurse (APN) zwei Hüte an. Zu 80 Prozent arbeite ich als Fachverantwortlicher Pflege auf der Intensivstation am Universitätsspital Basel, wo ich in der Rolle eines Clinical Nurse Specialist die klinische Praxis weiterentwickle. Zu meinen Hauptaufgaben gehören die Unterstützung und das Coaching des Pflegeteams, insbesondere bei Patientinnen und Patienten, die länger auf der Lukas Weibel Intensivstation und in einem chronisch-kritischen Zustand Fachverantwortlicher sind. Bei diesen komplexen Fällen versuche ich, die VerPflege Intensivstation/ sorgung aus pflegerischer Sicht Pflegeexperte APN gemeinsam mit dem PflegeHerzinsuffizienz, team zu optimieren. Zu meinen Uni­versitätsspital Basel Aufgaben gehört auch, die Pflegenden zu entlasten: Ich MScN, DAS ANP plus löse sie ab oder unterstütze sie dabei, wenn sie zum Beispiel eine Wunddokumentation erstellen müssen. Neben komplexen Einzelfällen gehört auch die übergeordnete Entwicklung der Intensivstation hinsichtlich der Pflege in meinen Verantwortungsbereich: Wohin bringen wir das Team, welche Themen wollen wir vorantreiben, wo wollen wir besonders stark sein? Ein solches Projekt war beispielsweise die konsequente Anwendung der Frühmobilisation von Pa­tienten auf der Intensivstation. Nicht zuletzt bin ich in der klinischen Praxis tätig: Einen Tag pro Woche arbeite ich direkt in der Pflege von Patienten.

In meiner zweiten Rolle arbeite ich zu 20 Prozent als Pflegeexperte APN Herzinsuffizienz. Dabei leite ich einerseits ein Schulungsteam von Pflegenden, die stationär Menschen mit dieser Krankheit betreuen. Anderseits führe ich in der Abteilung für kardiovaskuläre Prävention ambulante Sprechstunden für Betroffene durch und betreue diese nach der Entlassung aus dem Spital. Dabei erfasse ich die Krankengeschichte der Patienten, beurteile ihre körperliche Verfassung und schule sie im Umgang mit der Herzinsuffizienz. Am Schluss der Sprechstunde stelle ich den Patienten mit meinen Schlussfolgerungen dem leitenden Arzt vor und mache diesem eine Empfehlung für die medikamentöse Behandlung. Meine Rolle entspricht dem Profil eines Nurse Practitioner, wobei meine Kompetenzen im Vergleich zu ausländischen Pendants etwas eingeschränkt sind: Medikamente darf ich nicht selber verschreiben. Trotzdem kann ich in der Sprechstunde mit sehr viel Eigenständigkeit und Verantwortung arbeiten – was mir überaus gut gefällt. Auch dass ich in dieser Funktion eine Pionierrolle einnehme, empfinde ich als reizvoll. Denn dass APNs Sprechstunden halten, kommt in der Schweiz noch kaum vor. Das führt dazu, dass mich Patienten beim ersten Termin mit «Herr Doktor» ansprechen. Wenn ich ihnen erkläre, dass ich kein Arzt bin, löst das manchmal Bedenken aus, die aber rasch verfliegen. Denn mit meinem pflegerischen Hintergrund begegne ich den Patienten auf Augenhöhe und kenne die praktischen Probleme, etwa bei der Medikation: Welche Lösungen es zum Beispiel gibt, wenn eine Patientin Gicht in den Händen hat und die Tabletten nur mit Mühe aus der Verpackung nehmen kann. Skeptische Blicke ernte ich manchmal von Ärzten, die neu bei uns tätig sind und sich wundern, weshalb ich als APN Arztberichte schreibe und Empfehlungen abgebe. Meistens reicht dann aber ein Gespräch, in dem ich meine Rolle und meine Kompetenzen erkläre. Oder sie hören die positiven Rückmeldungen der Patienten. //

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A Manuel Stadtmann

Pflegeexperte APN, Ambulatorium für Trauma­folge­störungen, Integrierte Psychiatrie Winterthur (ipw) MSc

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ls Pflegeexperte APN am Ambulatorium für Traumafolgestörungen der Integrierten Psychiatrie Winterthur (ipw) führe ich in Eigen­ ver­ant­wor­tung Einzel- und Gruppentherapien durch. Dabei begleite ich Patientinnen und Patienten nach sexuellem Missbrauch, körperlicher Gewalt oder traumatischen Erfahrungen in der Kindheit. Einige wenige meiner Patienten kommen aus Kriegsgebieten. Solche einschneidenden Erlebnisse können zum Teil auch noch viele Jahre später zu Traumafolgestörungen führen, beispielsweise zu Angstund Ohnmachtsgefühlen, Alpträumen oder Depressionen. Die Therapie soll im Alltag zu einem besseren Umgang mit diesen Symptomen führen. Während der Therapie bespreche ich mit den Betroffe-

erzeit entwickle ich ein pflegegeleitetes Versorgungsprogramm für Patientinnen und Patienten mit der Lungenkrankheit COPD. Neben dem Sichten der aktuellen Literatur führe ich dazu Gespräche mit Berufspersonen und Betroffenen. Das Ziel ist, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern und Wiedereintritte ins Spital zu vermeiden. Falls ein Wiedereintritt nicht verhindert werden kann, begleitet neu eine APN während drei Monaten die Patientin oder den Patienten. Im Ausland gibt es bereits ähnliche Programme. Da die Struk­turen unterschiedlich sind, müssen sie jedoch für das Schweizer Gesundheitswesen angepasst werden. Ich bin diplomierte Pflegefachfrau, habe in Basel Pflegewissenschaften studiert, das Studium 2008 abgeschlossen und anschliessend zum Thema krankheitsbezogene Belastung bei Cystischer Fibrose doktoriert. 2009 habe ich am Universitätsspital Zürich als APN angefangen zu arbeiten und zunächst ein Selbstmanagementprogramm für Patientinnen und Patienten nach einer Nierentransplantation entwickelt und eingeführt. An der APN-Rolle fasziniert mich besonders, dass ich in einem Gebiet arbeiten kann, wo Forschung und Praxis ineinanderübergehen und sich gegenseitig beeinflussen. Eine wichtige Aufgabe einer APN ist es, Programme zu entwickeln, diese im klinischen Alltag umzusetzen und wissenschaftlich zu begleiten. So kann ich viel Positives für die Pati-

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nen unter anderem die Medikation und unterbreite dem Oberarzt diesbezüglich Vorschläge. Parallel zur Arbeit in der Integrierten Psychiatrie Winterthur schreibe ich an meiner Dissertation über komplexe posttraumatische Belastungsstörungen und untersuche dabei, wie Patienten und ihre Angehörigen im Alltag mit diesen umgehen. Mein Arbeitgeber ermöglicht mir, Daten dazu zu erheben. Nach meinem Masterabschluss an der Universität Basel wollte ich klinisch tätig sein, gleichzeitig aber auch forschen. Die ipw untersuchte in einem Vorprojekt neue Rollen von APNs. An diesem habe ich mitgearbeitet und dabei mein derzeitiges Berufsprofil entwickelt. Das brauchte viel Geduld und Durchhaltewillen. Das Projekt war erfolgreich, nun habe ich seit drei Jahren eine feste Stelle hier. Im Team von Psychologen und Psychiaterinnen wurde ich dank meines Fachwissens rasch kollegial aufgenommen. In der eigenen Berufsgruppe führte mein neues Aufgabenfeld dagegen häufiger zu Fragen: Was sind meine Kompetenzen, wie weit kann ich selbst entscheiden? Meine Rolle ist sehr vielseitig, das gefällt mir. Ich begleite Menschen, die Schlimmes erlebt haben, und lerne dabei unterschiedliche Lebensgeschichten und Charakteren kennen. Jede Therapie ist individuell, das finde ich sehr spannend. Viele Patienten begleite ich über eine längere Zeit. Ich freue mich über kleine und grosse Fortschritte. Besonders befriedigend ist es, wenn jemand seine Arbeit wiederaufnehmen kann oder bereit für einen selbstständigen Alltag ist. //

enten anregen. Das Berufsbild der APN ist in der Schweiz noch wenig bekannt. Viele wissen nicht, was eine APN ist und was man von ihr erwarten kann. Deshalb muss ich meine Rolle immer wieder erklären und beschreiben, was sich für den Patienten und die Berufs­ personen ändert, wenn eine APN in der Versorgung dazukommt. Von den Ärzten werde ich gut akzeptiert, wir kommunizieren auf Augenhöhe. Ein Problem sehe ich darin, dass APNs viele administrative Tätigkeiten übernehmen. Diese gehören eigentlich nicht zu ihrem Aufgabenbereich. Für mich stehen stets die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten im Vordergrund. Bei vielen bestehen mehrere gesundheit­liche und soziale Probleme gleichzeitig.

Gabriela Schmid-Mohler

Pflegeexpertin APN/ Pflegewissen­schaft­le­rin, Zentrum klinische Pflegewissenschaft und Klinik für Pneumologie, Universitätsspital Zürich MScN, PhD


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Zum Beispiel haben sie COPD, eine Herzinsuffizienz, sind älter, leben alleine und haben ein Suchtverhalten. In Bera­ tungsgesprächen unterstütze ich sie und fördere ihre Selbständigkeit: Ich arbeite mit ihnen zusammen heraus, wie sie mit ihrer Krankheit umgehen und die Symptome handhaben können. Daneben koordiniere ich die Schnittstellen ih-

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rüezi, ich bin Pflegeexpertin APN. Das heisst, ich bin eine Pflegefachfrau, die weiterstudiert hat und nun zusätzlich einige Aufgaben ausführt, für die üblicherweise ein Arzt, eine Psychologin oder eine Sozialarbeiterin zuständig ist.» So stelle ich mich den Patientinnen und Patienten jeweils vor. Diese Erklärung wird eigentlich immer posi­tiv aufgenommen. Vor allem Corina Wyler dann, wenn die Leute merken, dass ich mehr Zeit für sie Pflegeexpertin APN, habe und andere Fragen stelle als ein Arzt. Praxisgemeinschaft Seit drei Jahren arbeite Bauma ich in der Praxisgemeinschaft Bauma, einer Hausarztpraxis MScN, DAS ANP plus, PhD im Zürcher Oberland. Dort habe ich während der Weiterbildung «DAS ANP plus» ein Praktikum zur Vertie­fung meiner klinischen Assessmentfähigkeiten absolviert. Da es so gut funktionierte, haben wir uns entschieden, die Zusammenarbeit weiterzuführen. Ich führe Erstkonsultationen durch, beurteilte Patienten bei Kontrollterminen, triagiere Notfälle, leite Röntgen- und Laboruntersuchungen ein und passe Medikamentenverordnungen an – immer mit ärztlicher Rücksprache und, wenn vorhanden, anhand von festgelegten Richtlinien. Zu meiner Tätigkeit als APN gehören auch viele psychosoziale und präventive Aufgaben, wie zum Beispiel das Austrittsmanagement. Heute Morgen etwa habe ich mit einem Patienten, seiner Partnerin und den behandelnden Fachkräften in der psychiatrischen Klinik den Austritt besprochen. So kann die Übergangszeit optimal begleitet werden, bis der Patient wieder im Alltag Fuss gefasst hat. Meine Hauptaufgabe als Pflegeexpertin APN besteht darin, Patientinnen und Patienten mit einem komplexen

rer Behandlung mit anderen Fachpersonen, wie mit der Physiotherapie oder der Ernährungsberatung. Zurzeit habe ich für diesen Teil meiner Arbeit kaum Zeit, da ich viel im Büro bin und am COPD-Versorgungsprogramm arbeite. Wenn dieses dann umgesetzt wird, werde ich wieder direkt mit Patientinnen und Patienten arbeiten. Darauf freue ich mich. //

Krankheitsbild zu betreuen. Bei diesen Fällen kommen zu der physischen Erkrankung oft auch psychosoziale Faktoren dazu. Die ärztliche Konsultationszeit von 15 Minuten reicht hier nicht aus, um vertieft auf die Betroffenen einzugehen. Aufgrund der ländlichen Umgebung und des Alters oder der Krankheit ist es für viele Patienten ein erheblicher Aufwand, in die Praxis zu kommen. Häufig gehe ich deshalb auf Hausbesuch. Bei einem solchen erhalte ich, neben dem physischen Zustand des Patienten, wichtige Hinweise auf seine Wohnsituation, die Hygieneverhältnisse, die Sturzgefahr und das soziale Umfeld. Dieser «Spitex-Blick» verschafft mir einen wichtigen Gesamteindruck. Zu wissen, wie es bei einem Patienten Zuhause aussieht, ist viel wert, um die Therapie möglichst individuell abstimmen und umsetzen zu können. Pflegeexpertinnen APN werden zunehmend wichtiger, insbesondere in Hausarztpraxen. Früher wurden Menschen mit Demenz in der Familie betreut, psychisch Erkrankte vom Umfeld besser getragen – das hat sich geändert. Gleichzeitig steigt die Zahl chronisch kranker Menschen, sehr alter Personen und von Suchtpatienten. Es braucht neue Versorgungsmodelle, um diesem Wandel gerecht zu werden und einer Kostenexplosion entgegenzuwirken. Eine Möglichkeit ist der Einsatz von Pflegeexperten APN. Sie ersetzen in der Hausarztpraxis keinen Arzt, sondern arbeiten als Ergänzung eng mit diesem zusammen. Als Pflegeexpertin nehme ich zudem die Rolle eines Zwischenglieds ein und tausche mich mit Praxisassistenten, Psychologen, Physio­thera­peuten, mit der Spitex sowie der Pflege im Altersheim aus. Diese Zusammenarbeit schätze ich sehr – es wird nie langweilig. Das breite Tätigkeitsfeld in einer Hausarztpraxis – junge und alte Men schen, akute und chronische Erkrankungen, Suchtpatienten – ist eine Herausforderung. Als APN braucht man ein breites medizinisches und pflegerisches Wissen. Man muss eigenständig und reflektiert handeln, Verantwortung übernehmen und offen dafür sein, immer wieder Neues zu lernen. //

«Meine Hauptaufgabe als Pflegeexpertin APN besteht darin, Patientinnen und Patienten mit einem komplexen Krankheitsbild zu betreuen.»

blog.zhaw.ch/vitamin-g

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M I T E I G E N I N I T I AT I V E D E N BERUF WEITERBRINGEN Um arbeitsbedingte Beschwerden an der oberen Extremität nachhaltig zu behandeln, haben die Ergotherapeutinnen Barbara Aegler und Jacqueline Bürki ein eigenes Konzept erarbeitet. Sie schliessen damit eine Lücke in der Versorgung und entwickeln die Ergotherapie im Sinne der Advanced Practice weiter. VON EVELINE RUTZ

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er viel am Computer arbeitet, dabei eine ungünstige Haltung einnimmt und stark unter Druck steht, ist gefährdet. Aber auch bei Menschen, die praktisch arbeiten, wie Landschaftsgärtnerinnen, Köche oder Coiffeusen, können sich Schmerzen im Nacken, in den Schultern, Armen und Händen entwickeln. Laut dem Bundesamt für Statistik sind solche Beschwerden der dritthäufigste Grund, warum Menschen der Arbeit fernbleiben. «Wir haben in unseren Praxen sehr viele Patienten mit arbeitsbedingten Überlastungssyndromen», sagt Barbara Aegler. «Ihre Zahl hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen», ergänzt Jacqueline Bürki. Die beiden Ergotherapeutinnen, die sich über den Berufsverband kennengelernt haben, verfolgen bei arbeitsbedingten Beschwerden der oberen Extremität – sogenannten work related upper extremity disorders (WRUED) – einen eigenen Therapieansatz. Mit ihrem Konzept «SOS – Selbstwirksam ohne Schmerz» setzen sie stark auf Partizipation. Sie wollen ihre Patienten dazu befähigen, für ihre Gesundheit sowie belastende Lebensumstände Lösungen und Strategien zu erkennen und umzusetzen; sie sollen sich aus der Opferrolle befreien und Verantwortung für ihren Weg übernehmen. Die Therapeutinnen stehen ihnen dabei als unabhängige Sparringpartnerinnen zur Seite. Dabei behandeln sie nicht nur die funktionellen Beschwerden der Betroffenen, sondern beziehen berufliche und familiäre Faktoren ein. Je nachdem setzen sie Massnahmen zur beruflichen Integration um, agieren als Jobcoaches und erweitern damit ihre Berufspraxis. Nur so könne man der Problematik umfassend gerecht werden und langfristig etwas bewirken, sagen sie.

internationalen Gesundheitsforschung in unsere praktische Arbeit ein», sagt Aegler, Inhaberin der Praxis für Handrehabilitation und Ergotherapie in Zürich. Sie leisteten Übersetzungsarbeit, indem sie die Erkenntnisse im Schweizer Gesundheitswesen und im Arbeitsalltag umsetzten. Dabei stelle sich auch die Frage, welche Rolle den Fachleuten der Ergotherapie zukomme. Projekte wie das «SOS»-Konzept brächten den Beruf weiter und würden zu einem attraktiven Arbeitsumfeld beitragen. «Wir sind Unternehmerinnen und gehen eine Lücke in der Versorgung an», ergänzt Jacqueline Bürki, Inhaberin der Praxen für Ergotherapie ergobern Bern und ergoteam Murten sowie Leiterin des Tageszentrums für hirnverletzte Menschen rehapunkt in Bern. Sie eigneten sich zusätzliches Wissen an, übernähmen neue Aufgaben und evaluierten ihre Arbeit. Die Ergotherapeutinnen haben für ihren Ansatz ein Logo entwickelt und gehen dessen Vermarktung gezielt an, indem sie in Fachmagazinen publizieren, referieren und Workshops durchführen. Sie haben das Konzept unter anderem am letztjährigen Kongress der Schweizerischen Gesellschaften für Handchirurgie und –rehabilitation vorgestellt und werden es im Juni am internationalen Handkongress in Berlin präsentieren. «Es ist schön, dass es auf Interesse stösst», freuen sie sich. Die beiden Frauen würden sich von Hochschulen, Universitätsspitälern und vom Berufsverband vermehrt ähnliche Projekte wünschen. «Da liegt einiges mehr drin», sind sie überzeugt. Als Private würden sie ein Stück weit Narrenfreiheit geniessen und könnten entsprechend innovativ sein, sagen sie. «Wir engagieren uns stark, um unseren Beruf weiterzuentwickeln.»

UNTERNEHMERINNEN, D I E Ü B E R S E T Z U N G S A R B E I T L E I ST E N

Die Praxisinhaberinnen und ihre Teams arbeiten seit einem Jahr nach dem Konzept «SOS – Selbstwirksam ohne Schmerz». Sie wollen sich nun noch einmal ein Jahr Zeit geben, damit es sich festigen kann. Viele WRUED-Betroffene

«Als Private geniessen wir ein Stück Narrenfreiheit und können innovativ sein.»

Jacqueline Bürki und Barbara Aegler verstehen ihre Tätigkeit als Advanced Practice. «Wir bringen neues Wissen aus der 22

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BETROFFENE SIND MASSIV GESTRESST


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litten unter einer angespannten Situation am Arbeitsplatz, sagt Barbara Aegler, die als externe Lehrbeauftragte an der ZHAW tätig ist. «Wenn sie zu uns kommen, sind sie massiv gestresst und besorgt.» Sie hätten Angst davor, den Anforderungen nicht mehr zu genügen, gönnten sich kaum Pausen und lehnten selbst kleinste Veränderungen erst einmal ab. «Da ist viel Fingerspitzengefühl gefragt.» In einem ersten Gespräch versuchen die Ergotherapeutinnen, den Ursachen der Schmerzen auf den Grund zu gehen. Sie analysieren die Situation aus medizinischer, psychosozialer und arbeitsspezifischer Sicht und legen Reha­bili­tationsziele fest. Besteht ihrer Ansicht nach Handlungsbedarf am Arbeitsplatz, beantragen sie bei der Invalidenversicherung frühzeitig eine entsprechende Kostengutsprache. Seit diese dem Grundsatz «Eingliederung vor Rente» folgt, wird sie früher aktiv und übernimmt auch präventive Massnahmen. Die Krankenkassen kommen ausschliesslich für die Behandlung der physischen Beschwerden auf.

viele Informationen», sagt Barbara Aegler. Je nachdem werden daraufhin ergonomische Aspekte oder die Arbeitsorganisation besprochen. Standortgespräche werden gemeinsam vorbereitet. «Es braucht meist eine Veränderung», so Aegler. Die Betroffenen müssten, wollen sie ihre Schmerzen dauerhaft loswerden, aus der Überlastung herauskommen. Und sie müssten geduldig sein. Eine Schmerzproblematik lasse sich nicht von heute auf morgen beheben. Manche Betriebe verlangten ihren Mitarbeitenden sehr viel ab, stellt die erfahrene Handspezialistin fest. «Es steht und fällt mit der Firmenkultur.» Nicht selten gehen in ihrer Praxis Angestellte des gleichen Unternehmens ein und aus. Neben arbeitsplatzspezifischen kommen im Therapieansatz von Barbara Aegler und Jacqueline Bürki weiterhin ergotherapeutische Massnahmen zum Zug. Die WRUED-Betroffenen trainieren alltägliche Bewegungen und werden unter anderem dazu angeleitet, ihre Köperhaltung zu verbessern und den Fokus auf positive, gesundheitsstärkende Tätigkeiten zu legen. Und sie sollen sich häufiger fragen, was ihnen guttut. «Die Rückmeldungen sind positiv», sagt Jacqueline Bürki. Der interdisziplinäre, vernetzte Ansatz und die offene Kommunikation kämen gut an. «Dass wir die Dinge beim Namen nennen, ist zwar manchmal nicht ganz einfach auszuhalten – es macht unsere Klienten jedoch handlungsfähig.» //

«Wenn Betroffene zu uns kommen, sind sie massiv gestresst und besorgt.»

EIN AUGENSCHEIN VOR ORT

Ist ein Engagement in der Berufsintegration angezeigt, begleiten die Ergotherapeutinnen ihre Klienten an den Arbeitsplatz. «Die Ängste der Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterscheiden sich nicht stark», sagt Jacqueline Bürki. Beide Seiten wünschten sich möglichst wenig Arbeitsausfälle und eine nachhaltige Genesung. «Wir nehmen sie ernst, informieren und geben ihnen Sicherheit.» Manchmal genügt es, dass die Betroffenen ihren Arbeitsplatz filmen. «Das gibt uns schon

Weitere Informationen zum «SOS»-Konzept: www.handrehabilitation.ch/weiterbildung www.ergobern.ch

Jacqueline Bürki (links) und Barbara Aegler setzen bei ihrem Konzept «SOS – Selbstwirksam ohne Schmerz» stark auf die Partizipation der Betroffenen.

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Elisabeth Kurth unterrichtet am Institut für He­bammen am Departement Gesundheit, führt das Hebammen-Netzwerk «Familystart» beider Basel und forscht am Schweizerischen Tropenund Public Health-Institut. Darüber hinaus begleitet sie Familien während Schwangerschaft und Ge­burt. «Ich mache alles wahnsinnig gern», sagt die 50-Jährige, die 2003 als erste Hebamme an einer Schweizer Universität promoviert hat. Porträt auf den folgenden Seiten


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H E B A M M E M I T D O K TO RT I T E L UND BODENHAFTUNG Elisabeth Kurth ist die erste Hebamme, die an einer Schweizer Universität promovierte. Heute forscht und lehrt sie, leitet in Basel ein Hebammen-Netzwerk und betreut immer noch selber Familien mit Neugeborenen. «Das ergibt befruchtende Wechselwirkungen», sagt sie. VON SUSANNE WENGER

«Wenn wir qualitativ hochwertige Betreuung bieten wollen, müssen wir unsere Praxis selber erforschen», ist Hebamme Elisabeth Kurth überzeugt.

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en 3. März 2010 wird Elisabeth Kurth nicht mehr vergessen. Es war der Tag, an dem sie ihre Dissertation an der Universität Basel öffentlich verteidigte. «Kurzfristig musste ein grösserer Raum organisiert werden», erinnert sie sich. Neben dem international zusammengesetzten professoralen Komitee waren auch zahlreiche Hebammen erschienen, um sich die Forschungsergebnisse zum Thema «Schreiende Babys, müde Mütter – Hürden beim Start als Familie» anzuhören. Denn dass so etwas von einer Berufskollegin untersucht wurde, die den akademischen Weg eingeschlagen hatte, war ein Novum für das Schweizer Hebammenwesen.

«Es war ein Meilenstein für den ganzen Berufsstand», blickt Elisabeth Kurth mit feinem Lächeln zurück. Zu Beginn des Vortrags spielte sie das Schreien eines Neugeborenen ab. «Alle waren heilfroh, als ich wieder abstellte.» Danach legte sie dar, was sie in ihrer Doktorarbeit bei 7700 Mutter-KindPaaren in der Schweiz herausgefunden hatte. Dass Säuglingsschreien und mütterliche Erschöpfung in den ersten drei Monaten nach der Geburt zusammenhängen. Dass Babys mehr schreien als üblich, wenn die Familie zusätzlichem Stress ausgesetzt ist, etwa weil die Mutter eine Depression hat oder das familiäre Netz fehlt. Und dass das Schreien abnimmt, wenn die Eltern beim zweiten Kind schon erfahrener sind.

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auch hierzulande zu etablieren, was der angelsächsische Raum schon länger kannte: Hebammenforschung. E I N E R A D I O S E N D U N G M I T F O LG E N

Neun Jahre später sitzt die 50-jährige Dr. phil. am Esstisch ihrer Kleinbasler Altbauwohnung und erzählt, wie alles kam. Aufgewachsen bei Bern, Gymnasium, Matur. Austausch­auf­ enthalt in Dänemark, wo sie bei einem Schnuppereinsatz im Spital erstmals einer Geburt beiwohnte: «Ich war unglaublich fasziniert.» Ausbildung im Berner Frauenspital als Hebamme, dann dreizehn Jahre Anstellung in einem Emmentaler Spital. 500 Babys half Elisabeth Kurth dort auf die Welt, dann hatte sie Lust, sich weiterzuentwickeln. «Eines Tages hörte ich eine Radiosendung über das neue Institut für Pflegewissenschaft an der Uni Basel.» Dabei sei eine Studie erwähnt worden, die nachwies, dass die Trennung von Wöchnerin und Säugling im Spital schädliche Folgen hat. «Dass die Pflegeforschung so konkrete Ergebnisse hervorbrachte, fand ich interessant», sagt Elisabeth Kurth. Sie hatte sich das alles viel theoretischer vorgestellt. Prompt meldete sie sich zum Studium in Basel an, erwarb berufsbegleitend Bachelor und Master in Pflegewissenschaft. Den Hebammen-Master gab es damals noch nicht. Dann bot ihr die Uni eine Assistenz- und Doktoratsstelle an. U N G E W Ö H N L I C H E S P O RT F O L I O ? « N E I N » Auf Hausbesuch bei einer eritreischen Wöchnerin: Elisabeth Kurth pendelt zwischen Forschung, Lehre und Praxis.

«Die Daten zeigten eine Versorgungslücke auf», resümiert die Forscherin: «Frauen werden nicht genügend beraten, wenn sie mit dem Baby nach Hause zurückkehren.» Die Erschöpfung der Mütter sei nicht naturgegeben. Diese bräuchten mehr Unterstützung und Wissensvermittlung, gerade auch im Umgang mit den weinenden Babys. Die Verteidigung der Dissertation gelang. Elisabeth Kurth erhielt den Doktortitel in Pflegewissenschaften. Sie war damit die erste Hebamme, die an einer Schweizer Universität promovierte. Und dank Fachfrauen wie ihr begann sich nun allmählich

Heute pendelt Elisabeth Kurth zwischen Forschung, Lehre und Praxis. Sie nimmt einen Lehrauftrag am Institut für Hebammen der ZHAW in Winterthur wahr. Sie forscht zu Hebammen-Themen am Schweizerischen Tropen- und PublicHealth-Institut in Basel. Sie ist Geschäftsführerin von «Fami­ lystart» beider Basel, einem Netzwerk frei praktizierender Hebammen. Und sie lässt es sich nicht nehmen, als Hebamme selber noch Wöchnerinnen und Neugeborene zu begleiten, meist in mehrfach belasteten Familien. Ein ungewöhnliches Portfolio? Eigentlich nicht, findet sie: «Ich mache alles wahnsinnig gern.» Und zum Vergleich: In der Medizin sei eine solche Kombination der Tätigkeits­ gebiete üblich. Der Arzt mit Leitungsfunktion, der an der Hochschule lehrt und forscht und Patienten betreut. «Bei uns Hebammen und Pflegenden mit höherer Ausbildung ist

ADVANCED PRACTICE IN DER DER GEBURTSHILFE Was die Advanced Practice Midwifery (APM) betrifft, steht die Diskussion in der Schweiz erst ganz am Anfang. Von einem anerkannten Berufsbild für APM ist man hierzulande noch weit entfernt. In der spezialisierten Praxis, in leitenden Positionen und in der Lehre finden 26

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Hebammen mit erweiterten Kompetenzen dennoch bereits Einsatzfelder. Dazu gehört auch eine eigenständigere Rolle im Gebärsaal: die hebammen­ geleitete Geburt, wie sie inzwischen auch an einzelnen Schweizer Spitälern angeboten wird. Dabei betreuen

Hebammen die ganze Geburt selbst­ verantwortlich. Elisabeth Kurth verweist auf internationale Forschung, die die Vorteile dieses Versorgungsmodells belegt: zufriedenere Mütter, weniger Interventionen wie Dammschnitte und Periduralanästhesien, tiefere Kosten.


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das noch neu», sagt sie. Sie habe sich das selber so zusammengestellt. Der Transfer sei in alle Richtungen «sehr befruchtend». Aus der Praxis ergäben sich Fragestellungen für die Forschung. Umgekehrt könnten Forschungsresultate in Ausbildung und Praxis einfliessen. PIONIERPROJEKT AUFGEBAUT

Ganz konkret beim Angebot «Familystart», das Elisabeth Kurth 2012 aufbauen half. Es sorgt in den Kantonen BaselStadt und Basel-Landschaft dafür, dass alle Familien mit Neugeborenen professionelle Betreuung durch Hebammen erhalten. «Auch Familien in weniger privilegierten Verhältnissen», wie die Initiantin erklärt. Vierzig Prozent der Familien organisieren sich die Hebamme nicht selber, weil sie nicht gut Deutsch können «oder sonst zu wenig Ressourcen und Energie haben», sagt Elisabeth Kurth. In diesen Fällen kommt das Netzwerk zum Tragen. Es umfasst sechzig Hebammen und finanziert sich durch Verträge mit den Geburtskliniken. Die Hebammen-Hausbesuche werden durch die Grundversicherung abgegolten. Das pionierhafte Projekt wirkt der Versorgungslücke bei der nachgeburtlichen Betreuung entgegen. «97 Prozent der Familien in der Region Basel erhalten heute ab Tag eins nach Spitalaustritt Hausbesuche von einer Hebamme», sagt Geschäftsführerin Kurth. Das sei umso wichtiger, als die Einführung der Fallkostenpauschalen in den Schweizer Spitälern das Wochenbett verkürzt habe. Früher blieben Mutter und Kind bei einer Normalgeburt fünf Tage stationär, heute sind es noch zwei bis drei. «Ohne eine Nachbetreuung kann der frühe Austritt zu Komplikationen führen», weiss die Forscherin. Es sei eine fragile, intensive Phase, in der fast jede Familie Unterstützung brauche. Dabei können erst noch Gesundheitskosten gesenkt werden, wie eine Evaluation ergab. Obwohl mit «Familystart» mehr Frauen durch eine Hebamme begleitet wurden, stiegen die Kosten bei den Müttern nicht an. Bei den Babys gingen sie sogar zurück. «Vorher suchten die Eltern schneller den Spitalnotfall auf, wenn mit dem Säugling etwas war», erklärt Elisabeth Kurth den Effekt. «Heute rufen sie zuerst die Hebamme an.» Diese leistet nicht nur die nötige medizinische Grundversorgung. Sie vermittelt bei Bedarf auch Hilfe und Entlastung im Alltag, besonders, wenn sie Familien in schwierigen Situationen antrifft (siehe Zweittext).

WENN HEBAMMEN SOZIALE NOTLAGEN VORFINDEN Immer wieder treffen Hebammen Familien in schwie­ rigen Situationen an. Überforderung bei der Versorgung des Babys, finanzielle Notlagen, verschimmelte Wohnungen, häusliche Gewalt: alles schon dage­ wesen. «In so einem Umfeld kann sich ein Neugebo­ renes nicht gut entwickeln», stellt Forscherin und Hebamme Elisabeth Kurth fest. Jetzt untersucht sie, wie frei praktizierende Hebammen bei der Betreuung von Familien in Risikokonstellationen unterstützt werden können. Fachlich, aber auch finanziell, denn: «Hebammen erbringen in solchen Fällen oft Koordina­ tionsleistungen, die ihnen nicht abge­ golten werden.» Am Forschungsprojekt «Sorgsam – Support am Lebensstart» ist auch die ZHAW beteiligt. Dominique Strebel, Hebamme im Masterstudium, verfasst ihre Masterarbeit im Rahmen des Projekts. «Ich befrage mit einem Leitfaden-Interview Hebammen», erklärt sie. Sie will deren Erfahrungen erheben und dabei auch ein in Basel bereits bestehendes Coaching-Projekt für Hebammen evaluieren: «So kann ich als Masterstudentin etwas dazu bei­ tragen, unseren Beruf weiterzuentwickeln und die Betreuung von Familien zu optimieren.»

«Der Transfer zwischen Praxis und Forschung ist in beide Richtungen sehr befruchtend.»

«FORSCHUNG ÖFFNET UNS NEUE TÜREN»

An der ZHAW unterrichtet Elisabeth Kurth im Master-Studiengang für Hebammen. Studierte Hebammen – ob es das jetzt wirklich auch noch brauche? Diese Frage hört Elisabeth Kurth hin und wieder. Sie antwortet nicht pikiert, sondern auf ihre wohltuend sachliche Art: «Wenn wir Hebammen qualitativ hochwertige Betreuung bieten wollen, müssen wir unsere Praxis auch selber erforschen.» Hebammen mit wissenschaftlichem Background könnten die Profession voranbringen. Die Medizin mache riesige Fortschritte, alles werde

komplexer. Ohne eigene wissensbasierte Expertise für ihren Bereich würden die Hebammen auf Assistenzfunktionen reduziert. Überdies stärkten sie ihre Position im Gesundheitswesen, wenn sie in der Lage seien, Wirksamkeit und Kosteneffizienz ihrer Arbeit zu belegen. «Die Forschung öffnet uns neue Türen», sagt Elisabeth Kurth. Und mitunter bestätige sie alte Weisheiten. Wie die, dass eine Frau nach der Geburt Ruhe braucht. Früher hatten die Familien eine Abwarterin: «Das war eine Frau, die während des Wochenbettes den Haushalt führte und sich um Mutter und Kind kümmerte.» Und heute? «Ein längerer Mutterschaftsurlaub und die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs würden schon viel bringen», sagt die Wissenschaftlerin. In der Freizeit kocht sie gerne für Freunde, spielt Viola da gamba – ein Streichinstrument – und geht zum «Bal Folk». Das seien Tanzanlässe zu Live-Musik, erklärt sie. So tankt Elisabeth Kurth neue Energie, um sich wieder mit vollem Engagement dafür einzusetzen, dass Babys und ihre Familien gut starten können: «Das lohnt sich, auch für die Gesellschaft.» //

blog.zhaw.ch/vitamin-g

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ZWISCHEN ÄRZTESCHAFT UND PFLEGETEAM Sie leiten Visiten oder verordnen Laborunter­suchungen: Als klinische Fachspezialistinnen und -spezialisten übernehmen Pflegefachpersonen in Spitälern ärztliche Aufgaben. Das Rüstzeug dazu erhalten sie am Departement Gesundheit. VON ANDREA SÖLDI

Milica Trifkovic auf Visite bei einem Patienten: Die 28-Jährige arbeitet seit eineinhalb Jahren als klinische Fachspezialistin am Kantonsspital Winterthur. Dort wurde das Berufsprofil vor fünf Jahren eingeführt.

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in 83-Jähriger klagt über Schmerzen im Oberbauch, die in letzter Zeit stärker geworden sind. Was könnte die Ursache sein? Welche bildgebenden Untersuchungen sind nötig und sinnvoll? Mit solchen Fragen haben sich die Studierenden des Weiterbildungslehrgangs «CAS Klinische Fachspezialistin / Klinischer Fachspezialist» bereits vor dem Kurstag Ende Februar befasst. Nun sitzen sie im Schulzimmer des ZHAW-Departements Gesundheit in

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Vierergruppen zusammen, diskutieren ihre Lösungsansätze und halten sie auf einem Flipchartbogen fest. «Mit einer Computertomografie kann man die Situation dank der Schnittbilder viel genauer beurteilen als mit einem Ultraschall», wirft Milica Trifkovic ein. Die Röntgenstrahlen und das Kontrastmittel der Computertomografie (CT) seien aber belastend für die Niere, hält ihre Kollegin entgegen. Zudem sei eine Ultraschalluntersuchung einfacher und günstiger.


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Mit dem CAS bereiten sich Pflegefachpersonen auf ihre neuen Aufgaben als klinische Fachspezialisten vor. Die Funk­ tion, die vor fünf Jahren am Kantonsspital Winterthur (KSW) eingeführt wurde, liegt im Graubereich zwischen dem ärzt­ lichen und dem pflegerischen Sektor. Die Pflegefachpersonen mit erweiterten Aufgaben sind dem Ärzteteam zugeordnet, ihre Kompetenzen werden auf einem speziellen Delegationsformular definiert. Sie vertreten Ärztinnen und Ärzte auf der Station, indem sie zum Beispiel Visiten leiten, den Heilungsverlauf von Wunden einschätzen, Laboruntersuchungen und Medikamente verordnen sowie Austrittsberichte schreiben. Die Funktion der klinischen Fachspezialisten entspricht derjenigen von sogenannten Physician Assistants in den USA und Deutschland beziehungsweise Physician Associates in Grossbritannien. In den USA wurde sie bereits in den 1960er-Jahren eingeführt. In der Schweiz verfügen klinische Fachspezialisten bis anhin nicht zwingend über einen Masterabschluss und üben vorwiegend ärztlich delegierte Tätigkeiten aus. Das unterscheidet sie von Gesundheitsfachkräften in Advanced-Prac­ tice-Rollen, die grundsätzlich über mehr Auto­nomie verfügen. Der Übergang sei aber fliessend, sagt Anita Manser, Leiterin Weiterbildung des Instituts für Gesundheitswissenschaften an der ZHAW. Da beide Gruppen in der Schweiz bislang nicht separat abrechnen können, findet sie eine klare Abgrenzung nicht sonderlich relevant. «Im Fokus sollte stets das Wohl der Patienten stehen.»

andere Ursachen wie etwa Tumoren denken müsse, habe man zuerst ein CT gemacht. Der Nutzen der Untersuchung überwiege in so einem Fall die Risiken der Strahlenbelastung. L E H R G A N G S TÖ S S T A U F I N T E R E S S E

Im Modul «Medizinische Grundlagen», zu dem die bildgebende Diagnostik gehört, wird vorwiegend gemäss dem Modell Flipped Classroom gearbeitet: Die Studierenden bereiten sich anhand von Fallbeispielen vor und befassen sich mit Fachliteratur. An den Kurstagen werden die Themen besprochen. «So können unterschiedliche Wissensstände teilweise ausgeglichen werden», erklärt Anita Manser. Denn Erfahrungen und Alter der Teilnehmenden seien sehr verschieden. Während einige bereits eine Zusatzausbildung wie etwa Intensivpflege oder Anästhesie genossen haben, verfügen andere über einen Bachelor- oder Masterabschluss. Die Inhalte können je nach Bedürfnissen und Lücken individuell zusammengestellt werden. Im zweiten Modul, in dem es um Gesprächsführung geht, kommen Schauspieler und Videoaufnahmen zum Einsatz. So üben die Studierenden den Umgang mit Patienten und ihren Angehörigen. Für diese Aufgabe sind sie im Spital meist hauptverantwortlich. «Punkto Kommunikation sind Pflegefachpersonen meist besser ausgebildet als Ärzte», hält Manser fest. Im dritten Modul befassen sich die Studierenden dann mit organisatorischen und administrativen Aspekten und arbeiten an einem selbst gewählten Projekt – etwa einer Rollenbeschreibung oder einem Merkblatt für ihre Funk­tion. Der Lehrgang wurde in enger Zusammenarbeit mit dem KSW erarbeitet. Ein Jahr sei aber zu kurz, um sämtliche nötigen Inhalte zu vermitteln, sagt Manser. Das Departement Gesundheit plant nun, das CAS zu einem Master of Advanced Studies auszubauen. Der aktuelle Lehrgang hat im September begonnen und wird bereits zum dritten Mal durchgeführt. Sämtliche 24 Plätze sind besetzt. Stammten zu Beginn die meisten Teilnehmenden aus Winterthur, so kommen sie heute aus allen deutschsprachigen Landesteilen an die ZHAW. Denn diverse Kliniken haben das Modell unterdessen übernommen. Das schweizweit bis jetzt einzigartige CAS sei deshalb sehr gefragt, sagt Manser. Die neue Funktion bedeute eine zusätzliche Entwicklungsmöglichkeit für Pflegende. «Sie steht nicht in Konkurrenz mit der Ausbildung zur Pflegeexpertin, sondern zieht Personen mit anderen Interessen an», entgegnet sie auf die verschiedentlich geäusserte Kritik, mit der Übernahme ärztlicher Aufgaben heize man den Personalmangel in Pflegeberufen zusätzlich an.

«Ich verstehe mich als Brückenbauerin zwischen Ärzteschaft und Pflegefach­ personen.»

S I C H E R H E I T KO M M T M I T E R FA H R U N G

Milica Trifkovic arbeitet bereits seit eineinhalb Jahren als klinische Fachspezialistin im KSW, abwechslungsweise auf der Traumatologie und der Orthopädie. «Am Anfang habe ich stets lange überlegt, bevor ich mich für eine Massnahme entschied», sagt die 28-Jährige. «Unterdessen fühle ich mich sehr sicher.» Bei Unklarheiten studiert sie die Fachliteratur und hält Rücksprache mit dem Oberarzt, dem sie direkt unterstellt ist. Sie habe gelernt, worauf man etwa bei einer Oberschenkel­fraktur oder nach dem Einsatz einer Hüftprothese achten müsse. Dass in ihrem Fachgebiet ein Grossteil der Behandlungsverläufe nach einem bestimmten Schema gehandhabt wird, kommt der Pflegefachfrau mit Bachelor­ abschluss entgegen. Weitere Kenntnisse eignet sie sich derzeit in der Weiterbildung an der ZHAW an. Im Kurs «Bildgebende Diagnostik» an der ZHAW erörtert Joachim Hohmann unterdessen den Fall des Patienten mit Oberbauchschmerzen. Der leitende Arzt der Radiologie am KSW projiziert ein CT-Bild auf die Leinwand. Auf einer schwarzen, runden Fläche sind graue und weisse Strukturen sichtbar – Knochen und Organe. Die Gallenblase erscheint dunkelgrau, die Wand dicker als gewöhnlich. «Könnte es da einen Stein haben?», fragt Hohmann in die Runde. Bei Verdacht auf Gallensteine sowie Entzündungen der Gallenblase sei in der Regel der Ultraschall die Methode der Wahl, erklärt der Spezialist. Doch weil man bei einem 83-Jährigen auch an

KO N S TA N Z W I R D G E S C H ÄT Z T

Tatsächlich entsprang der Gedanke ursprünglich dem Bestreben, Assistenzärzte zu entlasten. Damit sich diese besser auf ihre Ausbildung, etwa im Operationssaal, konzentrieren können, begann man auf der Chirurgie des KSW vor fünf Jah-

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ren, mehr Aufgaben an Pflegefachleute zu übertragen. Gleichzeitig habe man die beruflichen Chancen von Pflegenden sowie die Prozesse auf den Abteilungen verbessern wollen, sagt Markus Wepf, Pflege­leiter des Departements Chirurgie. Unterdessen arbeiten im KSW 20 klinische Fachspezialistinnen und Fachspezialisten, vorwiegend auf der Chirurgie und Medizin, zwei davon aber auch auf dem Notfall. Ein grosser Vorteil sei die grössere Konstanz, sagt Wepf. «Assistenzärzte bleiben jeweils nur ein paar Monate an derselben Stelle und müssen sich immer wieder neu einar­beiten.» Einige Stationen wie etwa die Traumatologie werden heute hauptsächlich von den klinischen Fachspezialisten betreut. Vonseiten der Pflegeteams werde es geschätzt, dass man längerfristig die gleiche Ansprechperson habe. Aufgrund ihres fachlichen Hintergrunds kennen Fachspezialistinnen zudem die pflegerischen Arbeitsabläufe bestens. Die klinischen Fachspezialisten erhalten zu Beginn einen Lohn, der demjenigen von Pflegefachpersonen mit Bachelor entspricht. Später können sie eine Lohnklasse aufsteigen. Sie verdienen zwar weniger als Assistenzärzte, arbeiten dafür aber nur 42 Stunden pro Woche statt 50. Der Stellenplan sei bei der Einführung etwas aufgestockt worden, sagt Wepf. Unterdessen konnten einige Arztstellen abgebaut werden. Als Ausbildungsspital könne man aber nicht beliebig zurück-

fahren, betont der Pflegeleiter. «Es handelt sich nicht um ein Sparprojekt.» Regelmässig schauen sich auch Delegationen anderer Spitäler das Modell im KSW an. Und im Herbst ist ein Symposium geplant, an dem sich diverse Player austauschen können. «Es braucht viel Kommunikation sowie ein professionelles Change-Management, um die starren Rollenbilder zu überwinden», schildert Wepf die Erfahrungen mit der Einführung der neuen Funktion. Auch im Berner Inselspital arbeiten mittlerweile zwei klinische Fachspezialisten. Eine davon ist Joëlle Mory, die derzeit den Lehrgang an der ZHAW absolviert. Neben dem 100-Prozent-Pensum sei die Weiterbildung fordernd, sagt die 29-Jährige. «Sie ist aber auch sehr hilfreich.» Mory ist auf der Traumatologie und Orthopädie des Inselspitals unter anderem für den Eintrittsstatus bei geplanten Behandlungen zuständig und fingiert als wichtigste Ansprechperson für die Patienten. «Ich suchte eine neue Herausforderung und wollte weg von der Schichtarbeit und der Pflege am Bett», begründet Mory, wieso sie die Chance ergriffen hat. «Ich verstehe mich als Brückenbauerin, die versucht, zwischen Ärzteschaft und Pflegefachpersonen zu vermitteln.» //

«Es braucht ein pro­ fessionelles ChangeManagement, um die starren Rollenbilder zu überwinden.»

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KOMPETENZEN FÜR NEUE ROLLE ERWERBEN Das «Certificate of Advanced Studies (CAS) Klinische Fachspezialistin/Klinischer Fachspezialist» besteht aus drei Modulen mit je neun Pflichttagen. Im Modul I werden medizinische Grundlagen ver­­­schie­dener Fach­ gebiete ver­mittelt. Neben dem obliga­torischen Kurs Labor­dia­gnostik können aus weiteren 15 Themen 7 aus­gewählt werden. Das Modul II widmet sich der Kommunikation sowie der Koordina­tion vom Eintritt bis zum Austritt. Im Modul III werden be­triebliche, wirt­ schaft­liche, organisatorische und administrative Aspekte thema­tisiert. Das CAS wird mit 15 ECTS-Punkten honoriert und dauert mindestens ein Jahr. Der Lehrgang wendet sich an ausge­bildete Pflege­ fachpersonen und andere Berufsgruppen aus dem Gesundheits­bereich mit einem Bachelorabschluss. Andere Interessierte wie etwa Gesundheitsfach­personen HF oder Praxis­koor­dinato­rin­nen können sich für eine Sur-Dossier-Aufnahme be­werben. In der Regel wird der Besuch vorgän­giger Module verlangt. Die Belegung von Tageskursen und Einzel­modulen ist auch ohne Auflagen möglich. Im Kurs Labordiagnostik lernen klinische Fachspezialisten unter anderem, CT-, Ultraschall- und Röntgenbilder zu analysieren.

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zhaw.ch/gesundheit/weiterbildung


Milica Trifkovic ist als klinische Fachspezialistin am Kantonsspital Winterthur tätig. An der Klinik für Traumatologie und Orthopädie übernimmt die 28-Jährige delegierte ärztliche Aufgaben. Sie führt beispielsweise Visiten bei Patienten durch oder verordnet Laboruntersuchungen. «Bei Un­klar­heiten studiere ich die Fachliteratur oder halte Rücksprache mit dem Oberarzt», sagt Milica Trifkovic. Derzeit absolviert sie das «Certificate of Advanced Practice Klinische Fachspezialistin/ Klinischer Fachspezialist» an der ZHAW. Bericht Seiten 28–30


FORSCHUNG

Proband Max Wiederkehr (links) testet die Leggins im Bewegungslabor des Departements Gesundheit, Co-Projektleiter Markus Wirz unterstützt ihn dabei.

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HIGHTECH-HOSEN FÜR EINEN SICHEREN GANG Menschen mit eingeschränkter Mobilität sind häufig auf eine Gehhilfe angewiesen. Forschende der ZHAW haben die letzten drei Jahre lang an einer Leggins gearbeitet, die dereinst Gehstock und Rollator ablösen könnte. VON TOBIAS HÄNNI

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eit zwölf Jahren geht Max Wiederkehr wie auf Stelzen. Bei einer komplizierten und riskanten Tumoroperation wurde sein Rückenmark irreparabel beschädigt, seither hat der 72-Jährige eine inkomplette Paraplegie. «Am Anfang konnte ich meine Beine überhaupt nicht mehr bewegen», erzählt der Dietiker. Heute kann er wieder Gehen – dank drei Monaten intensivster Therapie. «Mein Gang ist jedoch instabil, mein rechtes Bein schlenkert nach aussen», sagt Wiederkehr. Ausserdem fehlt ihm das Gefühl in den Beinen, weshalb er das Gehen mit Stelzenlaufen vergleicht. Mit seiner inkompletten Querschnittlähmung gehört Max Wiederkehr zu jenen Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Und diese Gruppe wächst: Mit der Alterung der Gesellschaft nimmt auch die Zahl der Personen mit Gehbeschwerden zu. Alleine in Europa sind derzeit 40 Millionen Menschen altersbedingt, wegen eines Unfalls oder angeborener Behinderungen auf eine Gehhilfe angewiesen. Bloss: Diese Hilfen, Rollatoren zum Beispiel, sind sperrig und wenig flexibel. An einer besseren Lösung haben die vergangenen drei Jahre Physiotherapeuten und Bewegungswissenschaftlerinnen des Departements Gesundheit sowie Ingenieure der School of Engineering der ZHAW getüftelt – gemeinsam mit Partnern aus Deutschland, Island, Italien, Irland, Spanien, den Niederlanden und der Schweiz. Im Rahmen des EU-Forschungsprogramms Horizon 2020 hat das interdisziplinäre und internationale Forscherteam mit dem Projekt XoSoft den Prototyp einer intelligenten Leggins entwickelt, die Menschen mit eingeschränkter Mobilität im Alltag unterstützen soll. Probanden für die Entwicklung zentral Während des Projekts war die Zusammenarbeit mit Betroffenen elementar. Auch Max Wiederkehr hat als Versuchsperson massgeblich zur Entwicklung des weichen Exoskeletts beigetragen, wie Eveline Graf, Co-Projektleiterin am Institut für Physiotherapie des Departements Gesundheit, sagt. Im departementseigenen Bewegungslabor wurden die Versionen des Prototyps und die Software regelmässig mit Wiederkehr und weiteren Probanden ge-


FORSCHUNG

testet, wobei das Gangbild mit und ohne Leggins analysiert wurde. «Die Inputs und Bedürfnisse der Testpersonen sind laufend in die weitere Entwicklung der Leggins eingeflossen», sagt Graf. Ebenso die Rückmeldungen aus Kliniken in Deutschland und den Niederlanden, wo der Prototyp mit Patienten getestet wurde. «Dieser benutzerzentrierte Ansatz fehlt bei solchen technischen Projekten häufig», ergänzt Markus Wirz, Co-Projekt­ l­ eiter und Leiter der Forschungsstelle Physio­therapiewissenschaft. Das habe zur Folge, dass Produkte oft an den Nutzern und deren Bedürfnissen vorbei entwickelt werden. Bei XoSoft wurde die Nutzersicht von Anfang an miteinbezogen – auch dank der engen Zusammenarbeit zwischen dem Departement Gesundheit und der School of Engineering, an der ein Teil der Technik entwickelt und in die Leggins integriert wurde. «Diese Zusammenarbeit war sehr wichtig. Weil wir auf keine Erfahrungen mit weichen Exoskeletten zurückgreifen konnten, mussten wir mit den Probanden vieles einfach ausprobieren», sagt Konrad Stadler vom Institut für Mechatronische Systeme an der School of Engineering. Es habe zahlreiche Zyklen mit Tests und Anpassungen gegeben. Dabei musste das 40-köpfige Forscherteam auch viele Fragen zur Alltagstauglichkeit und Benutzerfreundlichkeit der Leggins klären: Wie müssen sie geschneidert sein, damit sie bei älteren Menschen mit verminderter Muskulatur nicht runterrutschen? Wie können sie eng ansitzen und von Menschen mit wenig Kraft in den Händen trotzdem leicht angezogen werden? Und wie lassen sie sich trotz der eingebauten Elektronik waschen? Gummibänder unterstützen Gelenke Aus der dreijährigen Entwicklung ist ein Prototyp hervorgegangen, der zwar noch nicht alltagstauglich ist, mit dem im Labor der Gang der Testpersonen aber unterstützt und stabilisiert werden konnte. In den Stoff der Hose und in Schuhsohlen eingenähte Sensoren erfassen dabei die Bewegungen der einzelnen Gliedmassen. Die integrierte Software – ein lern­fähiger Algorithmus – wertet die Daten der Sensoren aus und löst je nach Bewegung im rich-

tigen Moment sogenannte Aktuatoren aus: über die Gelenke laufende Gummibänder, die sich im Zusammenspiel mit Kupplungen an- oder entspannen und dabei die Gelenke stützen, entlasten oder stabilisieren. «In den Gummibändern wird mittels der Kupplungen die Energie gespeichert, die durch die Bewegung selbst entsteht», erklärt Konrad Stadler die Funktionsweise. Dadurch brauche die Leggins weniger Energie als bestehende steife Exoskelette. Ganz ohne äussere Energiezufuhr kommt jedoch auch die Leggins nicht aus: Der Prototyp ist mit einem Schlauch an einen externen Kompressor angeschlossen, der mit Druckluft das für die Kupplung notwendige Vakuum erzeugt. «Unsere Priorität lag darauf, zu zeigen, dass ein weiches Exoskelett mit Bändern und Kupplungen funktionieren kann», sagt Stadler. Mit der Optimierung der Kupplungen liesse sich in einem nächsten Schritt die benötigte externe Energie aber wohl deut­lich verringern – so dass dafür beispielsweise eine tragbare Druckluftpatrone ausreichen würde. «Wir sehen zahlreiche Möglichkeiten, die Leggins weiter zu verbessern und die Komponenten zu verkleinern.» Derzeit kein passender Call Ob und wann die Hightech-Leggins weiterentwickelt und eventuell zur Marktreife gebracht wird, steht derzeit in den Sternen. Im März wurde das Projekt XoSoft mit einem letzten Konsortiumsmeeting abgeschlossen. «Momentan gibt es im Rahmen von Horizon2020 keine passenden Calls, mit denen sich das Projekt in gleicher Weise fortführen liesse», sagt Eveline Graf. Unabhängig davon wird das daraus gewonnene Wissen vom Departement Gesundheit und der School of Engineering weiterverwendet – im Rahmen gemeinsamer studentischer Arbeiten werden alternative Lösungen entwickelt und erprobt. Max Wiederkehr hofft darauf, dass an der Leggins möglichst bald weitergearbeitet wird. «Mein Gang hat sich mit dem Prototyp verbessert – auch wenn der Effekt noch klein ist», sagt er. Die Technologie stecke noch in den Kinderschuhen, «doch der erste Computer war ja auch so gross wie ein Einfamilienhaus». //

XOSOFT Modulares Soft-Exoskelett zur Unterstützung von Menschen mit eingeschränkter Mobilität Leitung (ZHAW-Institut für Physiotherapie) Eveline Graf Markus Wirz Team (ZHAW-Institut für Physiotherapie) Christoph Bauer Carole Pauli Partner ZHAW Institut für Mechatronische Systeme Istituto Italiano di Tecnologia (IT) University of Limerick (IRL) Saxion University of Applied Sciences (NL) Consejo Superior de Investigaciones Cientificas (ES) Össur hf (IS) accelopment AG (CH) Roessingh R & D (NL) Waldkrankenhaus St. Marien (D) Finanzierung EU-Forschungsprogramm Horizon 2020, ICT-Robotics (5,4 Millionen Franken)

Ein Video zum XoSoft-Projekt finden

Sie auf dem Youtube-Kanal der ZHAW:

bit.ly/2W6k0mu

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STUDIUM

«SCHNITTSTELLEN WERDEN ZU NAHTSTELLEN» Im Sommer 2018 hat das ZHAW-Departement Gesundheit die Kooperationen mit anderen Schweizer Hochschulen durch eine interprofessionelle Ausrichtung ihrer Masterstudiengänge Hebamme, Pflege und Physiotherapie ersetzt. Die Studiengangleitenden erklären, was das ab dem kommenden Herbstsemester für Neue­ rungen mit sich bringt. VON JOSÉ SANTOS

Was nützt es einer Physiotherapeutin, wenn sie zusammen mit einer Hebamme studiert? Karin Niedermann: Indem wir auf Masterstufe die Denk- und Arbeitsweisen der anderen Gesundheitsberufe kennenlernen, verstehen wir besser, wofür wir als Physiotherapeutinnen selber verantwortlich sind und wo eine Arbeit oder ein Entscheid Sache der Pflege, der Hebamme oder weiterer Professionen ist. Wenn es uns gelingt, das interdisziplinäre Studium zu leben, dann ist das für alle eine Bereicherung. Wie profitieren Pflege und Hebammen von den anderen Berufsgruppen? André Fringer: Die Berufsgruppen durchlaufen gegenwärtig alle eine weitere Phase der Professionalisierung. Und in der Profes34

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Wie profitiert die Patientin oder der Klient von der interprofessionellen Aus­bildung? Brendel: Unsere Absolventinnen und Absolventen werden die Versorgungswege kürzer machen und Zuständigkeiten rascher klären. Wenn ich als Hebamme etwas bei einer Frau entdecke und weiss, wie ich es den Kollegen der Physiotherapie oder Pflege weitergeben muss, ohne dass die Frau nochmals alles erklären muss, werden die Schnittstellen zu Nahtstellen. Eine Berufsgruppe macht die Anamnese und gibt diese an die anderen weiter. Alles geht schneller und die Patienten merken, dass sionalisierung bedeutet Sprache «Macht». sie im ganzen System gut aufgehoben sind. Über eine eigene Sprache können sich Disziplinen voneinander abgrenzen. Heute – Wo findet die Interprofessionalität im sich schnell verändernden Gesund- kon­kret statt? heitswesen – geht es aber darum, Umwege Fringer: Zuerst einmal in der Forschung. über verschiedene Sprachen abzubauen. Weil unsere drei Disziplinen keine eigeDie Gesundheitsberufe sollen die gleiche nen Forschungsmethoden haben, sondern Sprache sprechen. sich aus den Sozial- und Naturwissenschaften bedienen, können die StudierenKarin Brendel: Den konsequent interpro- den ihre Methodenkompetenzen gut gefessionellen Ansatz, den wir in den drei meinsam entwickeln. Masterstudiengängen verfolgen, sehe ich als grosse Chance und als Vorstufe für eine Niedermann: Dann auch in der Advanced weitere Entwicklung: Mein Wunsch ist es, Practice (AP). Tatsache ist: Es gibt heute dass auch die Ärzte mit unseren drei Pro- schon in allen drei Professionen Leute, die fessionen zusammen studieren. Insbeson- in der Praxis AP-Rollen ausüben. Zum Beidere für Hebammen wäre es wichtig, dass spiel werden im Inselspital Bern übergeÄrzte Teile ihres Studiums mit uns absol- ordnet AP-Rollen implementiert und Stelvieren würden. lenbeschriebe formuliert. Im MSc legen


STUDIUM

Karin Brendel, Karin Niedermann und André Fringer (von links) im Gespräch über die Neuausrichtung der Masterstudien­g änge Hebamme, Physiotherapie und Pflege.

DIE GESPRÄCHSTEILNEHMER

wir mit zwei ganzen Modulen nun einen Schwerpunkt auf AP. Damit schaffen wir auch Fakten. Das Gesundheitsberufege­­ setz wird diese Entwicklungen irgendwann anerkennen und die MSc-Stufe reglementieren müssen. Dafür wollen wir Vorarbeit leisten.

Gibt es mit dem MSc-Abschluss zugleich den Titel APP, APM, APN? Niedermann: Die Praxis will APNs oder APPs. Unsere Botschaft ist, dass der MScAbschluss eine zentrale Voraussetzung ist, um AP-Rollen in der Praxis zu übernehmen.

Bleiben wir bei der Advanced Practi­ce: Sind die drei Berufe hier nicht unterschiedlich weit? Fringer: Das stimmt, Hebammen, Pflege und Physiotherapie stehen an unterschiedlichen Punkten. Aber alle sprechen von AP, wir haben ein gemeinsames Interesse. Wenn wir mit einer gemeinsa­men Sprache die AP für alle drei Berufsgruppen entwickeln, werden unsere Ab­solventinnen zu Advokaten für die Transformation des Gesund­heitswesens.

Gibt es erste Rückmeldungen aus der Praxis? Fringer: In der Pflege haben wir das neue Masterkonzept Praxisinstitutionen wie dem KSW, der Spitex Zürich oder dem Kantonsspital St. Gallen vorgestellt und das Curriculum mit den Bedürfnissen der Praxis gespiegelt. Die Rückmeldungen waren überwiegend positiv.

Prof. Dr. André Fringer, Co-Studiengangleiter MSc Pflege

Karin Brendel, Studiengangleiterin MSc Hebamme

«Die Gesundheitsberufe sollen die gleiche Sprache sprechen.»

Niedermann: AP ist mehr, als einfach Aufgaben der Ärzteschaft zu übernehmen. Dazu gehören auch Verantwortung und Kompetenzen. So ist es zum Beispiel in der Orthopädie nicht getan, wenn der Physiotherapeut nach einer Operation die Fäden ziehen darf. Er muss die Verantwortung für postopera­tives Management bekommen und entscheiden können: Ja, der Patient kann wieder Sport treiben oder arbeiten.

Prof. Dr. Karin Das klingt nach wunNiedermann, derbarer Eintracht. Studiengangleiterin Kann der MSc alle An­ MSc Physio­therapie forderungen erfüllen? Fringer: Nein, schliesslich ist das Vollzeitstudium auf drei, das Teilzeitstudium auf sechs Semester beschränkt. Betriebswirtschaftliche Führungskompetenzen oder auch gesundheitsökonomische Themen müssen in nachfolgenden Weiterbildungen erworben werden. pie-, Trainings- und Beratungszen­trum Thetriz lanciert. Wie kann man Die Masterstudiengänge beinhalten sich das gemeinsame Studieren im neu mehr digitale Lernformen. Was ge­ Thetriz vorstellen? hört dazu? Brendel: Im Thetriz möchten wir die Niedermann: Die Wissensvermittlung fin- Schwangerenvorsorge anbieten und BScdet nicht mehr primär im Unterricht statt und MSc-Studierende in konkrete Geund die Studierenden verarbeiten das Ge- burtsvorbereitung und -vorsorge einbinlernte dann daheim. Vielmehr ist es nun den. Dies soll in Form von Kursen gescheumgekehrt. Das Wissen wird im zeitlich hen, in denen die Studierenden Lektionen und örtlich unabhängigen e-Learning ver- über­nehmen. mittelt, im Unterricht werden anschliessend Fragen und Fallbeispiele interaktiv Niedermann: Mit einem Ambulatorium behandelt. So möchten wir das Blended wie Thetriz haben wir eine grosse Chance, Learning etablieren. Beratung und Behandlung von Echtpatienten in den Unterricht zu integrieren. Im Brendel: Die Studierenden sind im Blended Peer-Learning lernen BSc- und MSc-StuLearning jedoch nicht gänzlich auf sich allei- dierende zusammen am Patienten. Zune gestellt. Über Foren findet bereits in die- dem trainieren Dozierende und Studieser Lernphase ein Austausch mit den Dozie- rende ihre Feedbackkultur. // renden und anderen Studierenden statt.

Wo bleibt bei so vielen Gemeinsamkeiten der professionsspezifische Anteil? Niedermann: Abgesehen von den Forschungsmethoden und der AP sind die übrigen Module professionsspezifisch. Wir bleiben drei eigenständige Professionen. Ich vergleiche das gerne mit dem Hausbau. Niemand würde behaupten, es komme nicht darauf an, ob eine Arbeit vom Schreiner, Elektriker oder Bodenleger gemacht werde. Aber auch auf dem Bau müssen Schnittstellen als Nahtstellen bearbeitet werden. Und wie auf dem Bau gibt es im Gesundheitswesen das Konzept, dass die Berufe zwar Arbeiten von einander übernehmen können, es Im Haus Adeline-Favre, dem künftiaber immer klar sein muss, wer dafür zu- gen Standort des Departements Geständig ist. sundheit, wird das ambulante Thera-

Das vollständige Gespräch finden Sie auf: blog.zhaw.ch/vitamin-g

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WEITERBILDUNG

KOMPASS FÜR DIE BEHAND­LUNG RÄUM­­L ICHER STÖRUNGEN Nach einer Hirnverletzung können viele Betroffene Distanzen nicht mehr richtig ein­schätzen – was sie im Alltag stark behindert. Ergothera­peutin Kathrin Imhof hat sich in ihrer MAS-Abschluss­arbeit dem wenig beachteten Thema ge­widmet und einen Prozess zur Befundung und Behand­­lung entwickelt. VON ANDREA SÖLDI

Wie weit weg ist die Tür? Eine Hirnverletzung kann dazu führen, dass Betroffene Entfernungen nicht mehr abschätzen können.

S

ie kommen anderen Menschen unangenehm nahe oder verschütten beim Trinken ihren Kaffee. Dies sind nur zwei von vielen Auffälligkeiten, die bei Menschen mit Hirnverletzungen auftreten können. Wer das Krankheitsbild nicht kennt, wird angesichts solcher Verhaltensweisen irritiert sein. Selbst unter medizinischen Fachpersonen sei man sich der räumlichen Störungen bei Hirnverletzten oft zu wenig bewusst, hat Kathrin Imhof die Erfahrung gemacht. «Dies führt häufig zu Missverständnissen, welche die Beziehung zu Therapeuten belasten», sagt die Ergotherapeutin, die 2018 an der ZHAW einen Master of Advanced Studies in Ergotherapie mit Spezialisierung in Neurologie abgeschlossen hat. In ihrer Masterarbeit mit dem Titel «Er ist nicht distanzlos – er ist die Distanz los» hat sie sich damit auseinandergesetzt, wie die Störung erkannt und behandelt werden kann. Aufgrund ihrer Erkenntnisse wird sie 2020 an der ZHAW ei-

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nen zweitägigen Weiterbildungskurs an­bieten, der an drei verschiedene Zertifikatslehrgänge für Ergo- und Physiotherapeuten angerechnet werden kann. «Defizite behutsam aufzeigen» Mit der alternden Bvölkerung kommt es zu immer mehr Hirnverletzungen. Schlaganfälle und Hirnblutungen führen häufig zu Halbseitenlähmungen. Bei rund der Hälfte der Betroffenen treten in der Folge räumliche Störungen auf, die im Alltag mit grossen Einschränkungen verbunden sind. Dennoch hat Imhof in der Fachliteratur kaum vertiefte Anleitungen zum Umgang mit den Symptomen gefunden. Im gesamten deutschsprachigen Raum ist sie zudem nur auf einen einzigen Kurs zu räumlichen Störungen in Deutschland gestossen. Deshalb hat sich Imhof in ihrer Arbeit zusätzlich auf Aussagen von zwei Expertinnen gestützt – beides Ergotherapeutinnen, die über viel Erfahrung mit entsprechenden Patienten verfügen. Auf dieser

Basis hat Imhof einen ergotherapeutischen Prozess entwickelt. Im Rahmen ihrer Recherche hat sie einen Beobachtungsleitfaden entdeckt, der Therapeutinnen dabei unter­stützt, das Ausmass einer räumlichen Störung zu erheben. Fähigkeiten wie das Ablesen der Uhrzeit, das Einschätzen von Entfernungen oder der Breite einer Tür werden auf einer Skala von 0 bis 3 bewertet und zu einer Gesamtpunktzahl zusammengezählt. Das Instrument sei auf den Klinikalltag abgestimmt und die Anwendung in kurzer Zeit durchführbar, betont Imhof. «Wenn das Erstellen des Befunds zu lange dauert, werden die Patienten ungeduldig.» Der Leitfaden stützt sich bewusst nur auf die Fremdeinschätzung, weil Betroffene selber ihre Schwierigkeiten meist kaum wahrnehmen. Dies mache auch den Umgang mit ihnen anspruchsvoll, sagt Kathrin Imhof, die seit bald zehn Jahren in der Rehabilitation von Menschen mit neurologischen Erkrankungen arbeitet. «Man sollte den Patienten ihre Defizite behutsam


WEITERBILDUNG

aufzeigen und an ihrer Krankheitseinsicht arbeiten.» Versucht eine Person zum Beispiel, vom Rollstuhl aus ins Bett zu steigen, und ist noch zu weit weg, besteht die Gefahr, dass sie stürzt. Um den Abstand zu veranschaulichen, kann eine Fach­ person dann zum Beispiel ein Messband einsetzen oder selber zwischen Bett und Rollstuhl stehen und sagen: «Sehen Sie, ich passe hier dazwischen. Sie sind noch zu weit weg.» Üben für den Alltag Um den Betroffenen selber Mittel in die Hand zu geben, Distanzen zu erfassen, hat Imhof geeignete Interventionen entwickelt. Gemeinsam mit den Therapeuten erarbeiten die Patienten Strategien, die sich an den alltagspraktischen Zielen orientieren, welche sie erreichen möchten – etwa sich wieder selbstständig anzukleiden oder die Toilette aufzusuchen. Bei Letzterem können sie zum Beispiel lernen, eine Handbreit zwischen Rollstuhl und Klo ab-

zumessen. Die Wirksamkeit solcher Massnahmen sei aber wissenschaftlich nicht vollends belegt, ist sich Imhof bewusst. Randomisierte, kontrollierte Studien, wie sie etwa bei neuen Medikamenten gemacht werden, seien in diesem Bereich schwierig durchzuführen. An ihrem Arbeitsplatz in der Klinik Adelheid im zugerischen Unterägeri versucht die Ergotherapeutin, das Gelernte so oft wie möglich in der Praxis anzuwenden. Demnächst möchte sie ihre Teamkollegen instruieren und die Sensibilität für die Symptome erhöhen. Bis zu den beiden Unterrichtstagen an der ZHAW, die Anfang 2020 anstehen, will sie noch mehr praktische Erfahrungen sammeln und ihre didaktischen Fähigkeiten vertiefen. Dass das Departement Gesundheit sie angefragt hat, aus ihren Erkenntnissen eine Weiterbildung zu gestalten, hat die 34-Jährige überaus gefreut. «Es ist super, dass meine Arbeit nicht einfach in einer Schublade verschwindet.» //

Prozess zur Erkennung und Behandlung von Störungen Der zweitägige Kurs «Räumliche Störungen mit­hilfe des SEEP-RS erkennen und behandeln» wird am 25.1. und 13.3.2020 am ZHAW-Departement Gesundheit in Winterthur durchgeführt. Teilnehmende werden in den SEEP-RS, den standardisierten evidenzbasierten ergotherapeu­ tischen Prozess zur Befundung und Behandlung von Erwachsenen mit räumlichen Störungen, eingeführt. Der Kurs ist bewusst so aufgebaut, dass die Teilnehmenden den Prozess nach dem ersten Kurstag in der Praxis ausprobieren und ihre Erfahrungen am zweiten Kurstag überprüfen und vertiefen können. Die Weiterbildung ist Teil des CAS «Best Practice in Ergotherapie» der Fachrichtungen Neurologie und Geriatrie sowie der beiden CAS «Stroke – Fokus Therapie» und «Stroke – Fokus Therapie plus» und kann an diese angerechnet werden.

Detaillierte Informationen: zhaw.ch/de/gesundheit/weiterbildung

MASTER OF ADVANCED STUDIES (MAS) IN ERGOTHERAPIE M it dem MAS erlangen Ergotherapeutin­nen und -the­rapeuten Fachführungskompetenz in einer von sechs Spezialisierungen und bilden sich in einem interprofessio­nellen The­­ma weiter. Der MAS setzt sich aus drei Certi­ficates of Advanced Studies (CAS) und einer Master­arbeit zusammen. Als Grundstein besuchen alle Teilnehmenden eines der Pflichtmodule «Projekt- und Qualitätsmanagement» oder «Gesundheitswissenschaften» sowie das CAS «Ergotherapie heute und morgen». Darin aktualisieren sie ihr Wissen über die menschliche Betätigung und stärken ihre Auftritts- und Kommunikationskompeten­zen. Darauf aufbauend wählen sie eines der fünf CAS Best Practice in Ergotherapie (Berufliche Integration, Geriatrie, Neurologie, Pädiatrie, Psychiatrie) oder das CAS Handtherapie und legen damit ihre Spezialisierung fest. Mit der Wahl des dritten, meist interprofessionellen CAS schärfen die Teilnehmenden ihr Profil weiter. Zur Auswahl stehen CAS zu Themen wie Schmerz, Chronic und Palliative Care oder Geschäftsführung von Praxen. Mit der abschliessenden Masterarbeit bearbeiten die Teilnehmenden eine praxisrelevante Fragestellung ihrer Spezialisierung nach wissenschaftlichen Kriterien.

MAS

60 ECTS

CAS I

15 ECTS

CAS II 15 ECTS

Folgende Wahlpflicht-CAS stehen zur Verfügung

CAS Ergotherapie heute und morgen 10 ECTS

+

Modul Gesundheits­ wissenschaften 5 ECTS -oder Modul Projektund Qualitäts­ mangement 5 ECTS

Berufsspezifische Vertiefung Fachliche Vertiefung Interprofessionelle Vertiefung

CAS Best Practice in Ergotherapie – Berufl. Inte­gration CAS Best Practice in Ergotherapie – Geriatrie CAS Best Practice in Ergotherapie – Neurologie CAS Best Practice in Ergotherapie – Pädiatrie CAS Best Practice in Ergotherapie – Psychiatrie CAS Handtherapie

CAS III 15 ECTS

Mastermodul 15 ECTS

Folgende Wahlpflicht-CAS stehen zur Verfügung

CAS Geschäfts­ führung von Praxen CAS Betriebliche Ergonomie CAS Chronic/ Palliative Care – Fokus Therapie

Masterarbeit Planung, Durchführung, Evalutation und Dokumentation eines Projekts – passend zur gewählten Spezia­ lisierung

CAS Schmerz Basic CAS Stroke – Fokus Therapie plus CAS Handtherapie CAS Best Practice in Ergotherapie (Fachrichtung nach Wahl)

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Gewusst wie !

ZECKEN – WIE MAN SICH DIE BLUTSAUGER VOM LEIB HÄLT

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urz nach den Hasel­ dings eine spitz zulaufende Die Zahl der durch Zecken verursachten nusspollen sind die Ze­ Pinzette. Packen Sie die Zecke In­fektionskrankheiten steigt seit Jahren an. cken das zweite jähr­ damit ganz vorne am Stech­ Die ZHAW-Zeckenexperten Werner Tischhauser* lich wiederkehrende Natur­the­ apparat. Erhöhen Sie den Zug und Jürg Grunder* erklären, wie man sich vor ma in den Medien. Das megleichmässig und senkrecht diale Interesse an den Tier­ ­ zur Stichstelle, bis die Zecke den Parasiten schützt. Und wie man eine Zecke chen kommt nicht von unge­ sich löst, und desinfizieren Sie entfernt, wenn man trotzdem gestochen wird. fähr – Zecken führen nachweis­ die Stichstelle. Diese sollten lich zu mehr Infektionskrank­ Sie danach regelmässig kont­ heiten als früher. Wegen günstiger UmKindern am Haaransatz und am Hals mit rollieren: Rötet sich die Haut kreisförmig, ­weltbedingungen nimmt ihr Verbreitungs­ der Hand einreiben. Erneuern Sie den ist eine Abklärung beim Arzt nötig. Das gebiet stetig zu. Zecken findet man gehäuft Schutz regelmässig. Als Faustregel gilt: Gleiche gilt, wenn wenige Tage nach dem im Unterholz und in der lockeren Boden­ Teilen Sie die auf dem Produkt angege­ Stich grippeähnliche Symptome wie Fieber, schicht aus Laub und Zweigen von Misch­ bene Wirkdauer durch zwei. Kopf- und Gliederschmerzen auftreten. wäldern sowie an wechselfeuchten Wald­ – Suchen Sie offene Haut und die Kleidung Weitere nützliche Informationen zum rändern, aber auch auf Wie­sen, in Gärten regelmässig auf Zecken ab, während Sie Schutz vor Zecken, darunter auch eine Ge­ und Parks im Siedlungs­gebiet. draussen sind. Kontrollieren Sie zu Hau­ fahrenpotenzialkarte für die ganze Schweiz, se Ihren ganzen Körper, lassen Sie sich bietet die App «Zecke» für das Smartphone. Lange Kleidung und Schutzspray bei schlecht einsehbaren Stellen helfen. Bei einem Stich erinnert das Zeckentage­ Die Parasiten sind von April bis Juni be­ Bei Kindern führen die Eltern diese Ze­ buch der App an die Kontrolle nach 5, 10 sonders aktiv. Wer sich in dieser Zeit in ckenkontrolle durch. und 28 Tagen. // Risikogebieten aufhält, kann sich mit ein – Zum Schutz vor der Frühsommer-Me­nin­ * Werner Tischhauser und Jürg paar einfachen Massnahmen vor Zecken goenzephalitis (FSME) empfiehlt das Bun­ Grunder arbeiten am ZHAW-Institut schützen: desamt für Gesundheit schweizweit die für Umwelt und natürliche Ressourcen – Tragen Sie geschlossene Schuhe sowie FSME-Schutzimpfung, die es auch mit in Wädenswil. Die Zeckenexperten Kleidung mit langen Ärmeln und langen einer Langzeitwirkung von zehn Jahren und Entwickler der App «Zecke» Hosen. Stülpen Sie die Socken über die gibt. Eine Impfung gegen Borreliose be­ wollen die Bevölkerung zum ge­ Hosenbeine. Kinder sollten einen Hut steht nicht. sunden Umgang mit dem Zecken­ oder eine andere Kopfbedeckung tragen. risiko befähigen. – Sprühen Sie offene Haut mit einem Ze­ Zecke entfernen, Stichstelle beobachten ckenschutzmittel ein. Tragen Sie das Re­ Sollten Sie von einer Zecke gestochen wer­ zecke-tique-tick.ch pellent auch auf die Kleidung bei Fuss­ den, muss diese so rasch wie möglich ent­ knöcheln und Handgelenken auf, um den fernt werden. Entfernen Sie die Zecke not­ blog.zhaw.ch/vitamin-g Zugang zur Haut zu «versperren». Bei falls mit den Fingernägeln, besser ist aller­

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AGENDA

Do, 6. Juni 2019 // 17.30–18.30 Uhr

Mi und Do, 28. und 29. August 2019

After Work Lecture «Defining the Old»

Swiss Public Health Conference 2019

Angela Kydd, Professorin an der Robert Gordon University in Aber­ deen, spricht an ihrer After Work Lec­ ture darüber, wie sich durch die höhere Lebenserwartung der Altersbegriff ver­ ändert und sich die Altersdiskriminie­ rung nach hinten verschiebt. Die Abendveranstaltung findet auf Eng­ lisch statt.

Fr, 28. Juni 2019 // 8.30–16.30 Uhr

Tag der Bachelorarbeiten

Die Absolvenntinnen und Absolventen der fünf Studiengänge Ergotherapie, Gesundheits­förderung und Präven­ tion, Hebamme, Pflege und Physiothe­ rapie stellen an diesem Tag ihre Bache­ lorarbeiten vor. Die Arbeiten werden in unterschiedlichen Formaten wie Pos­ tern, Roundtables oder Science Slams präsentiert.

Mo, 26. Aug. 2019 // 17.30–18.30 Uhr

Infoveranstaltung zum Doktorats­p rogramm «Care and Rehabili­tation Sciences»

Mit dem Doktoratsprogramm «Care and Rehabilitation Sciences», das die Medizinische Fakultät der Universität Zürich zusammen mit dem ZHAWDepartement Gesundheit entwickelt hat, können neben den Pflegefachper­ sonen nun auch Ergotherapeuten, Hebammen und Physiotherapeutinnen an einer Schweizer Universität einen Doktortitel erwerben.

Di und Mi, 27. und 28. Aug. 2019

Dreiländerkongress Gesundheitsund Medizinsoziologie 2019 Der diesjährige Dreiländerkongress widmet sich dem Thema «Krankheit und Gesundheit im Lebensverlauf». Der zweitägige Anlass mit Gesund­ heits- und Medizinsoziologinnen und -soziologen aus Deutschland, Öster­ reich und der Schweiz findet im Vor­ feld der Swiss Public Health Confe­ rence 2019 statt.

Schwerpunktthema der Konferenz ist die Gesundheitsförderung und Präven­ tion bei Kindern und Jugendlichen. Gesundheitsfördernde Rahmenbedin­ gungen und Verhaltensweisen im Kindesalter haben einen grossen Ein­ fluss auf die spätere Gesundheit und Zufriedenheit. Die Konferenz geht diesen Zusammenhängen nach. Expertinnen und Experten erörtern den aktuellen Stand der Entwicklung in der Schweiz und zeigen Lücken und Optimierungspotenziale auf.

Do, 3. Okt. 2019 // 18.00–20.00 Uhr

Informationsabend zum Weiter­bildungsangebot am Departement Gesundheit

Spielen Sie mit dem Gedanken, eine Weiterbildung zu machen? Möchten Sie die Führung eines Teams über­ nehmen oder sich in einem Fachbe­ reich spezialisieren? Stehen Sie vor der Entscheidung, sich selbständig zu machen? Das ZHAW-Departement Gesundheit stellt Ihnen an einem be­ rufsübergreifenden Informations­ abend Weiterbildungsmöglichkeiten für Gesundheitsfachleute vor.

Fr, 18. Okt. 2019 // 14.30–17.30 Uhr

Symposium Klinische Fach­ spezialisten: Entwicklungsstand und Praxismodelle in der interprofessionellen Versorgung

Die dritte Durchführung des Sympo­ siums widmet sich dem inzwischen schweizweit bekannten Berufsbild der klinischen Fachspezialisten und des­ sen weiterer Umsetzung in verschiede­ nen Praxisfeldern.

IMPRESSUM VITAMIN G Für Health Professionals mit Weitblick Nr. 6 / Mai 2019 Herausgeber ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften Departement Gesundheit Kommunikation Technikumstrasse 71 8401 Winterthur kommunikation.gesundheit@zhaw.ch zhaw.ch/gesundheit Redaktion Tobias Hänni (Leitung), Inge Corti, Annina Dinkel, Bianca Flotiront, Carol Flückiger, Ursina Hulmann, José Santos, Cordula Stegen Redaktionelle Mitarbeit Malolo Kessler, Eveline Rutz, Andrea Söldi, Susanne Wenger Art Direction und Layout Partner & Partner, Winterthur Druck ZT Medien AG, Zofingen Korrektorat Ingrid Essig, Winterthur Fotos Conradin Frei (S. 1,  2, 14, 17, 20), Pino Covino (S. 12–13), Chavela Zink (S. 18, 20, 28, 31), Judith Schlosser (S. 8, 23), Fabian Stamm (S. 34–35), Dominik Plüss (S. 25–26), Daniele Kaehr (S. 2, 32), Malolo Kessler (S. 7), Tobias Hänni (S. 16, 30, 40), istockphoto (S. 2, 4, 5, 36, 38), ZDF (S. 4), Hogrefe (S. 4), von den Abgebildeten zur Ver­ fügung gestellt / Bildarchiv Departement Gesundheit (übrige) Auflage 9000 Erscheinungsweise 2-mal jährlich Das Magazin kann kostenlos abonniert werden: zhaw.ch/gesundheit/vitamin-g

Veranstaltungsort: ZHAW Gesundheit, Technikumstrasse 71, Winterthur (wenn nicht anders vermerkt)

ISSN 2504-1835 © Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck von Artikeln mit Genehmigung der ­Redaktion.

Nähere Informationen: zhaw.ch/ gesundheit/veranstaltungen

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CAMPUS

Weitere Impressionen: instagram.com/ zhaw

SCHLUSSSPURT. Ergotherapie-Studentin Sarah Rutschmann legt am Departement Gesundheit eine Spätschicht für ihre Bachelorarbeit ein. Diese wird sie am Tag der Bachelorarbeiten am 28. Juni 2019 präsentieren.


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