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Vitamin G Nr. 10/2021 – Dossierthema «Atmen»

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Für Health Professionals mit Weitblick

DOSSIER

ATMEN KLIENTENBESUCH IN DER VIRTUELLEN REALITÄT

Virtual-Reality-Brillen bieten für die Ausbildung von Gesundheitsfachpersonen grosses Potenzial.

LEHRE, PRAXIS UND FORSCHUNG AN EINEM ORT

Das neue Therapie-, Trainings- und Be­ ratungszentrum Thetriz am Department Gesundheit ist in der Schweiz einzigartig.

NR. 10 MAI 2021

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I N H A LT

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DOSSIER: ATMEN

Unsere Atmung begleitet uns ein Leben lang und ist uns trotzdem selten bewusst. Dieses Dossier beleuchtet die lebenswichtige Körperfunktion aus verschiedenen Perspektiven: von ihrer Bedeutung bei der Geburt über die Folgen einer falschen Atmung bis zur Arbeit von Gesundheitsfach­ personen bei Lungenerkrankungen.

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DIE KRAFT DES ATMENS

DIE NEUE LUNGE IST SEIN HEILIGTUM

Wir nutzen das Potenzial unserer Atmung oft nicht richtig aus. Dabei können wir sie bewusst einsetzen, um Körper und Geist zur Ruhe zu bringen und Krankheiten vorzubeugen.

17 DEM MARLBORO-MAN PAROLI BIETEN Die Schweiz reguliert Tabakkonsum und -werbung vergleichsweise lasch. Zwei Präventionsexpertinnen zeigen auf, welche Ansätze im Kampf gegen den Qualm wirksam sind.

Als Ivan Skrbec 19 Jahre alt war, funk­ tionierte seine Lunge noch zu einem Drittel. Dank einer Organspende kann der heute 29-jährige Pflegestudent das Leben mittlerweile geniessen.

24 ATEMLOS IM ALLTAG In der Ergotherapie im Berner Reha Zentrum Heiligenschwendi lernen Menschen mit einer Lungenerkran­ kung, trotz Atemnot ihren Alltag zu meistern.

TITELSEITE: Ein und aus, tagein, tagaus: Ein erwachsener Mensch füllt seine Lunge pro Minute zwischen 12 und 18 Mal mit frischer Luft. Das sind pro Tag rund 20 000 Atemzüge. Entdecken Sie weitere wissenswerte, erstaunliche und spannende Fakten zu unserer Atmung auf den von der Illustratorin Corina Vögele gestalteten Infografiken im Dossier des Hefts.

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SPEKTRUM 4 NEWS AUS DEM DEPARTEMENT GESUNDHEIT MEINUNG 5 PALLIATIVE CARE MUSS VOR DEM LEBENSENDE ZUGÄNGLICH SEIN

I M P O R T R ÄT

6 BALANCEAKT MIT BRETT UND BALL FORSCHUNG 32 VERSORGUNG PER CHAT UND VIDEOCALL STUDIUM 34 BRILLE AUFSETZEN, IN DIE PRAXIS EINTAUCHEN DIENSTLEISTUNG 36 WO PRAXIS, LEHRE UND FORSCHUNG HAND IN HAND GEHEN

G E W US S T WIE!

38 SCHRITT FÜR SCHRITT ZUM SPORT ZURÜCK 39 A GE N D A 40 C A M P U S


EDITORIAL

MEHR ALS EINE LEBENSWICHTIGE FUNKTION Und nicht zuletzt kommt mir beim Thema Atmen das Gedicht «Im Atemhaus» der jüdischen Poetin und Holocaust-Über­le­ benden Rose Ausländer (1901–1988) in den Sinn: Unsichtbare Brücken spannen von dir zu Menschen und Dingen von der Luft zu deinem Atem Mit Blumen sprechen wie mit Menschen die du liebst Im Atemhaus wohnen eine Menschenblumenzeit

«Atmen ist immer auch eine individuelle Erfahrung.»

A

In diesem Gedicht, aber auch in unserer Alltagssprache offen­ bart sich das Tragende der At­ mung: Etwas ist so schön, dass es mir den Atem verschlägt; ich bin geradezu atemlos, weil mich etwas mit­ nimmt – solche Sprach­bilder veranschauli­ chen die grosse Bedeutung der Atmung, die weit über ihre offensichtliche, lebens­ wichtige Funktion hinausgeht; ihre enge Verbindung mit unse­ren Ge­fühlen und un­ serem körperlichen Wohlbefinden. Der Bedeutung des Atmens geht das Dossier in diesem Vitamin G vom Geburtsbis zum Sterbebett nach. Es berichtet von der Kraft der bewussten Atmung, von Menschen, denen eine Lungener­krankung neben der Luft auch die Lebens­qualität raubt – und von den Gesundheits­fach­per­ sonen, die sich in ihrer Arbeit für eine ge­ sunde und natürliche Atmung einsetzen.

tem schöpfen? Eine Ver­ schnaufpause einlegen, ver­ pusten, tief durchatmen. Nach Atem ringen? Schnau­ ben, keuchen, hecheln. Atemlos durch die Nacht! Können Sie es noch hören? Wir alle atmen ohne Unterlass, da sind wir im Grunde alle gleich. Und doch ist das Atmen immer auch eine individuelle Er­ fahrung, mit persönlichen Geschichten und Erinnerungen verknüpft. Ich zum Bei­ spiel denke dabei an den göttlichen Atem, aus dem die indischen Veden entstammen sollen. An das hebräische Wort Ruach, das im Alten Testament für das göttliche Wir­ ken und den Lebensatem steht. Aber auch an ganz Irdisches wie das intensive Einund Ausatmen beim Joggen, beim Bergan­ stieg, einer Besteigung des Kölner Doms. Atmen Sie mit. Sie haben die Möglichkeit, ausgewählte Beiträge online zu lesen und zu diskutieren: blog.zhaw.ch/vitamin-g

Andreas Gerber-Grote

Direktor Departement Gesundheit

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SPEKTRUM

FOLGEN VON CORONA

TIPPS AUS DER REHA- PRA XIS

VIELE STUDIERENDE HABEN DEPRESSIVE SYMPTOME

ERFOLGREICH ZUM SPORT ZURÜCK

Die Coronapandemie schlägt Studierenden in der Schweiz auf die Psyche. Im vergangenen Jahr wies über ein Viertel von ihnen depressive Symptome auf, wie eine mit Studierenden der ZHAW durchgeführte Gesundheitsbefragung zeigt. In der noch laufenden Studie erhoben Forschende der Departemente Gesundheit und Angewandte Psycho­logie im Frühling und Herbst 2020 bei insgesamt 3571 Studierenden der Hochschule unter anderem die Verbreitung depressiver Symptome. 27,2 Prozent der Teilnehmenden wiesen solche Symptome auf. Bei der letzten schweizweiten Gesundheitsbefragung des Bundes 2017 lag dieser Wert bei Erwachsenen im gleichen Altersspektrum und mit ähnlicher Ausbildung wie die befragten Studierenden mit 8,6 Prozent deutlich tiefer. Die Er­gebnisse decken sich mit Untersuchungen aus dem Ausland: So wiesen bei Befragungen während der Pandemie rund 23 Prozent der Studierenden in China depressive Symptome auf, in der Ukraine rund 32 Prozent und in Frankreich 43 Prozent. Auch wenn die Studie ausschliesslich mit Studierenden der ZHAW durchgeführt wird, lassen sich ihre Ergebnisse auf Studentinnen und Studenten in der ganzen Schweiz übertragen. «Die Lebenssituation und -in­halte der Studierenden sind schweizweit ähnlich», sagt Studienleiterin Julia Dratva vom Departement Gesundheit. Mehr zur Gesundheitsbefragung: bit.ly/3mN7vKO

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Wie erreichen Sportlerinnen und Sportler nach einer Verletzung wieder ihre ur­sprüngliche Leistungsfähigkeit? Das Buch «Rehabilitation von Sportverletzungen – Sportreha-Fälle aus der evidenzbasierten Praxis» liefert Antworten auf diese Frage anhand von 19 Beispielen aus dem Leistungs- und Hochleistungssport. Dabei zeigen erfahrene Therapeutinnen und Therapeuten aus Österreich, Deutschland, der Niederlande und der Schweiz auf, mit welchen Zielsetzungen, Trainingsmethoden, Übungen und Techniken sie Sportlerinnen und Sportler rehabilitiert und zurück zum Wettkampf gebracht haben. Die ausführ­ lichen Beschreibungen der Fallbeispiele helfen Therapeutinnen und Therapeuten, das Vorgehen nach Verletzungen wie beispielsweise einem Kreuzbandriss oder einer Wirbelfraktur nachzuvollziehen. Herausgeber des Buches sind Arjen van Duijn, Physiotherapiedozent am ZHAWDepartement Gesundheit, und Jan-Arie Overberg, Sportphysiotherapeut.

«Rehabilitation von Sport­verletzungen – Sport­r ehaFälle aus der evidenz­ basierten Praxis» Arjen van Duijn, Jan-Arie Overberg (Hrsg.)

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Teilnehmerinnen und Teilnehmer zählte das schweizweit erste interprofessio­n elle Symposium zur Advanced Practice. Unter dem Titel «Die Gesundheitsver­s orgung der Zukunft gestalten» ging der Online-Anlass in Referaten und Podiumsdiskussionen dem Po­ tenzial erweiterter beziehungsweise vertiefter Rollen f ür Gesundheitsfachpersonen nach sowie der Frage, wie die verschiedenen Gesundheits­ berufe diese in der Schweiz gemeinsam etablieren können. Das Symposium wurde vom ZHAW-Departement Gesundheit zusammen mit den Berufsverbänden der Hebammen, Ergo- und Physiotherapie, Pflege und Ernährungsberatung organisiert.

Der ganze Rückblick aufs Symposium: bit.ly/3dikEIG

Thieme Verlag, Stuttgart

NEUES AUSBILDUNGSPROGRA MM

DOPPELABSCHLUSS FÜR PFLEGENDE UND HEBAMMEN Ein Masterstudium, zwei Abschlüsse: Ab dem Herbstsemester 2021/22 können Hebammen und Pflegefachpersonen am Departement Gesundheit und an der deutschen Universität Witten/Herdecke ein neues Double-Degree-Programm absolvieren. Dabei verbringen sie zwei Semester an der jeweiligen Partnerhochschule und erhalten wertvolle Einblicke in die dortigen Spezialisierungen und Schwerpunktthemen: Am Departement Gesundheit studieren sie im Masterstu­ diengang Pflege oder Hebamme, die für

neue Rollen und Aufgaben als Advanced Practice Nurse oder Advanced Practice Midwife qualifizieren. In Witten/Herdecke belegen sie Module des Masterstudiengangs Community Health Nursing, der darauf vorbereitet, in der kommunalen Gesundheitsversorgung spezielle Aufgaben zu übernehmen, etwa als Ansprechpartner für chronisch erkrankte Menschen und andere Zielgruppen. Mehr Infos zum neuen Double Degree: bit.ly/3aguWHi


MEINUNG

NEUER BACHELORSTUDIENGANG

BIOMEDIZINISCHE LABORDIAGNOSTIK Ab dem Herbstsemester 2022/23 bieten die ZHAW-Departemente Life Sciences und Facility Management sowie Gesundheit gemeinsam den Bachelorstudiengang in Biomedizinischer Labordiagnostik an. Das neue Studium eröffnet vielseitige Berufsmöglichkeiten: So werden die nötigen Kompetenzen vermittelt, um zentrale Funktionen im medizinischen Labor, in der biomedizinischen Forschung und Entwicklung oder in der biomedizinischen Diagnostik zu übernehmen. Absolventinnen und Absolventen arbeiten in öffentlichen oder privaten Laboratorien, in Krankenhäusern, Universitätskliniken oder in der Industrie. Die Inhalte der Module werden von den zwei ZHAW-Departementen gemeinsam vermittelt: rund 80 Prozent am Departement Life Sciences und Facility Management, rund 20 Prozent am Departement Gesundheit. Entsprechend findet der Unterricht an den beiden Standorten in Wädenswil und Winterthur statt. Der Schweize­ rische Berufsverband Labmed hat die ZHAW bei der Entwicklung des neuen Bildungsangebots aktiv unterstützt. Einerseits soll das neue Bachelorprogramm helfen, den Mangel an qua­­li­fizierten Berufsleuten zu reduzieren. Andererseits wird der Bachelor auch eine Lücke im Schweizer Bildungssystem schliessen. Der auf Tertiär-A-Stufe angesiedelte Bachelor ist eine ideale Ergänzung für Absolventinnen und Ab­­ solventen der Höheren Fachschule (Ter­tiär-B-Stufe), die sich weitere Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen wollen.

www.zhaw.ch/gesundheit/bsc-bmld

SUSANNE DE WOLF-LINDER* Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Pflege

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PALLIATIVE CARE MUSS VOR DEM LEBENSENDE ZUGÄNGLICH SEIN

n den vergangenen Jahren hat sich der Bund das Ziel gesetzt, Palliative Care in der Schweiz flächendeckend bereitzustellen. Die Umsetzung blieb jedoch lückenhaft, etwa wegen der fehlenden Finanzierung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung. Der Ständerat hat deshalb Ende 2020 den Bundesrat beauftragt, eine gesetzliche Grundlage für den weiteren Ausbau der Palliative Care zu schaffen, um diese für alle Personen am Lebensende zugänglich zu machen. Das ist eine willkommene Entwicklung, doch sie geht zu wenig weit. Denn Palliative Care wird zur Verbesserung der Lebensqualität nicht erst am Lebensende, sondern weitaus früher benötigt. Das trifft insbesondere auf die wachsende Zahl älterer Personen mit zugleich mehreren unheilbaren Krankheiten zu. Der weitere Bedarf kann durch Behandlungsqualität und Wirksamkeit der Palliative Care aus Sicht der Patientinnen und Patienten, aber auch durch das effektive Behandlungsresultat aufgezeigt werden. Dazu müssen sogenannte Patient Reported Outcome Measures (PROMs) gemessen werden, die belastende Symptome wie etwa Schmerz oder Angst und Bedürfnisse aus Patientensicht darstellen. Aus den PROMs können entsprechende Massnahmen abgeleitet werden, die die Lebensqualität

der Patientin oder des Patienten steigern. In der Schweiz werden PROMs zwar angewandt, sie werden allerdings mit verschiedenen Systemen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten gemessen. Dies verunmöglicht einen schweizweiten Vergleich der Palliative-Care-Population. Eine landesweit koordinierte, systematische und einheitliche Erfassung von PROMs ist jedoch unerlässlich. Erst damit kann die Qualität der Pallia­ tive Care erfasst und verbessert, ihre Wirksamkeit nachgewiesen und aufgezeigt werden, weshalb sie für unheilbar kranke Menschen schon vor dem Lebensende wichtig und sinnvoll ist. Damit PROMs in der Schweizer Pal­ liative Care flächendeckend und dauerhaft eingeführt werden können, sind In­ vestitionen notwendig, etwa in die Schulung oder die Evaluation der PROMs. Es ist zu wünschen, dass Bundesrat und Parlament dies bei der Ausarbeitung des Gesetzes berücksichtigen.

* Die Meinung wurde stellvertretend für das Team des Forschungsprojekts SENIORS D verfasst. Das Projekt befasst sich mit der personenzentrierten Betreuung für Menschen mit einer Demenz. Weitere Infos zum Projekt: bit.ly/3g4FnkP

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I M P O RT R ÄT

«Ohne Bewegung werde ich unzufrieden»: Physiotherapeut Philipp Schombierski in akrobatischer Pose auf dem Balanceboard, das er zusammen mit einem Jugendfreund entwickelt hat.

ckelt hat und seit 2019 erfolgreich ver­ kauft. Das Spezielle daran: Man balanciert nicht wie bei anderen Balanceboards auf einer Rolle, sondern auf einem Ball. Damit muss das Gleichgewicht nicht nur seitlich, sondern auch nach hinten und vorne ge­ halten werden.

BALANCEAKT MIT BRETT UND BALL Nach dem Physiotherapiestudium in die Selb­ ständigkeit: Philipp Schombierski brachte kurz nach seinem Abschluss am Departement Gesundheit ein spezielles Balanceboard auf den Markt. Gleich­ zeitig arbeitet der 28-Jährige als Physiotherapeut. Beruflich das Gleichgewicht zu finden, ist für ihn derzeit nicht ganz einfach. VON TOBIAS HÄNNI

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alancieren macht Philipp Schom­ bierski sichtlich Spass. Mit brei­ tem Lächeln steht er auf dem kurzen Holzbrett, das – weil es auf einem Ball liegt – gehörig wackelt und dessen Bewegungen er ständig ausglei­ chen muss. Schombierski gelingt dies mü­ helos; auch als er akrobatisch auf einem Bein und einem Arm das Gleichgewicht hält, weicht das Lächeln nicht einem an­

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gestrengten Gesichtsausdruck. Womög­ lich ist es die Vorstellung, in diesem Mo­ ment eine Welle zu reiten, die ihn zum Lächeln bringt. An diesem Frühlingstag muss der passionierte Surfer und Physio­ therapeut allerdings mit der Sportanlage Deutweg in Winterthur vorliebnehmen. Und statt auf einem Surfbrett steht er auf einem Balanceboard, das er zusammen mit seinem Kollegen Pascal Kerker entwi­

Training im Keller der Eltern «Hier am Deutweg nahm die Idee für das Brett ihren Anfang», erzählt Philipp Schombierski. Pascal Kerker und er spiel­ ten auf der Sportanlage bis vor einigen Jahren American Football. Um ihre Körper für den harten Sport zu stärken, trainier­ ten sie im Keller von Philipps Eltern – mit selbstgebastelten Seilzügen und alten Ge­ räten aus der Brockenstube. «Für Gleich­ gewichtsübungen haben wir ein Holzbrett auf eine alte Eisenstange gelegt und sind darauf balanciert», erinnert sich der End­ zwanziger, der 2019 sein Bachelorstudium in Physiotherapie am Departement Ge­ sundheit abgeschlossen hat. Das Balancie­ ren auf der Eisenstange langweilte sie je­ doch bald einmal. Die Freunde, die zu­ sammen in Hettlingen in der Nähe von Winterthur aufgewachsen sind, ersetzten die Stange deshalb durch einen Basket­ ball. «Dieser war allerdings zu gross, das hat mässig funktioniert», erzählt Schom­ bierski. Es folgte eine Phase des Tüftelns, in der sie kleinere Bälle ausprobierten und ein Control Rail an der Unterseite des Bretts montierten – eine Holzleiste, die verhindert, dass der Ball beim Balancieren unter dem Brett rausspringt. Die zunächst in kompletter Handarbeit produzierten Prototypen stiessen bei Freunden und Kollegen auf Interesse, vor allem bei Surferinnen und Surfer. «Die brauchten etwas, um die Zeit ohne Surfen in der Schweiz zu überbrücken.» Ermutigt durch


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das Interesse aus dem Kollegenkreis, wag­ ten Schombierski und Kerker den nächs­ ten Schritt. «Wir haben unser Erspartes investiert und eine Reihe von Brettern ma­ schinell herstellen lassen», sagt Schom­ bierski. Ausserdem liessen sie kleine, schwere Medizinbälle produzieren – 350 Stück. «Eine kleinere Stückzahl zu bestel­ len, war nicht möglich. Mein Vater hatte deshalb leise Zweifel, ob wir die Bälle los­ werden würden», schildert Philipp Schom­ bierski die riskante Investition. Nachdem sie jedoch unter dem Namen BalancePro Ende 2019 mit dem Verkauf der Bretter be­ gannen, dauerte es knapp ein Jahr – und alle 350 Bälle waren weg. Dass wenige Monate nach dem Schritt in die Selbständigkeit die Coronapande­ mie die Welt auf den Kopf stellte, hat womöglich zum schnellen Erfolg beigetra­ gen. «Die Pandemie war sicher nicht hinderlich. Die Leute hatten mehr Zeit und Geld zur Verfü­ gung», sagt der Jungun­ ternehmer. Gekauft wur­ de das Balanceboard bis­ lang hauptsächlich von Surferinnen und Surfern, aber auch von Wake- und Snowboardern. Mit einer neuen Version, die weni­ ger an ein Surfbrett erinnert, möchten die zwei Jungunternehmer nun auch Leute ansprechen, «die mit Brettsport wenig an­ fangen können».

In der Physiotherapiepraxis in Winterthur Seen, in der er zurzeit 60 Prozent arbeitet, setzt er das Brett deshalb regelmässig ein. «Auch wenn das Training auf dem Brett anspruchsvoll ist, eignet es sich grundsätz­ lich für alle Altersgruppen», so Schom­ bierski, der für das Balanceboard auch eine Anleitung mit zahlreichen Gleichge­ wichts- und Kraftübungen entwickelt hat. «In der Physiotherapie sieht man immer wieder die gleichen Beschwerden, Ver­ letzungen und Haltungsschäden. Diesen könnte mit den richtigen Übungen vorge­ beugt werden – was wir auch mit unserem Produkt ermöglichen wollen.» Keine Freude am Büroalltag Wenn der ZHAW-Absolvent von seiner Arbeit als Physiotherapeut erzählt, merkt man ihm die Faszination für den mensch­ lichen Körper und die Freude an Bewegung an. «Ich habe schon immer gerne Sport getrieben», sagt Schombierski. Je nach Jahreszeit fährt er Skateboard, spielt Bas­ ketball, geht biken, klet­ tern oder snowboarden. Das Surfen hat ihn bei ei­ nem Sprachaufenthalt in San Diego 2013 gepackt – seither zieht es ihn zwei bis drei Mal im Jahr ans Meer. Er brauche die Bewegung, sagt er, «sonst werde ich unzufrieden». Unzufrieden war er auch in seinem ersten Beruf als kaufmännischer Ange­ stellter, die Arbeit vor dem Bildschirm machte dem Bewegungsmenschen keine Freude. So verabschiedete er sich ein Jahr nach dem Lehrabschluss aus dem Büroall­ tag. «Da stellte sich die Frage: Was jetzt?», blickt Schombierski zurück. Er entschied sich für das Physiotherapiestudium an der ZHAW. Zum Entscheid trug auch ein Un­ fall beim American Football bei, bei dem er sich einen Wirbelbruch zuzog: In der anschliessenden Reha lernte er damals die Physiotherapie näher kennen. «Es ist ein spannender Beruf. Man arbeitet selbstän­ dig, muss seinen eigenen Stil finden und in der Arbeit mit den Patienten flexibel sein», sagt Schombierski.

«Das Training auf einem Balanceboard ist anstrengender, aber auch effek­ tiver.»

Neue Version für den Therapieeinsatz Das neue Brett ergänzten sie mit abnehm­ baren Handgriffen, die auch als Wippen genutzt werden können und die Trainings­ möglichkeiten erweitern. «Der Fokus des neuen Bretts liegt auf Fitness und Thera­ pie», erklärt Schombierski. Aus physiothe­ rapeutischer Sicht bietet das Training auf einem Balanceboard verschiedene Vortei­ le: Die labile Unterlage fördert neben dem Gleichgewicht und der Koordination auch die Propriozeption, also die Körperwahr­ nehmung und das Zusammenspiel der einzelnen Gliedmassen und Muskeln – was zentral ist, um etwa Stürze und Verlet­ zungen zu vermeiden. Auch die Muskula­ tur wird stärker gefordert. «Die Grund­ spannung der Muskeln ist bei Übungen wie zum Beispiel Kniebeugen deutlich hö­ her. Das Training auf einem Balanceboard ist deshalb deutlich anstrengender, aber auch effektiver», erklärt Philipp Schom­ bierski.

Doppelbelastung nicht immer einfach Wie seine berufliche Zukunft aussieht und ob er dereinst noch das Masterstudium oder eine Weiterbildung in Angriff nimmt, weiss Schombierski im Moment nicht. Denn während er auf dem Balanceboard

keine Mühe hat, das Gleichgewicht zu hal­ ten, sieht es mit der Doppelbelastung durch das Start-up und die Arbeit als Physiothe­ rapeut derzeit etwas anders aus. «Es ist nicht immer einfach, beruflich die Balance zu finden; gewisse Dinge bleiben zurzeit auf der Strecke.» Ob sich dies in nächster Zeit ändern wird, ist fraglich. Denn Schombierski und sein Geschäftspartner planen bereits den nächsten Schritt: Sie möchten in den kom­ menden Monaten in den europäischen Markt expandieren und sind zuversicht­ lich, dass ihr Brett auch dort gefragt sein wird. «Falls wir langfristig Erfolg haben, muss ich mich wohl irgendwann zwischen der Arbeit als Physiotherapeut und dem Start-up entscheiden.» Bis es so weit ist, hält Philipp Schombierski so gut es geht auch beruflich das Gleichgewicht – mit ei­ nem breiten Lächeln im Gesicht. //

PHILIPP SCHOMBIERSKI ist Co-Geschäftsführer der 4thedream GmbH mit Sitz in Winterthur. Zusammen mit Geschäftspartner Pascal Kerker hat er spezielle Balanceboards entwickelt und unter der Marke BalancePro auf den Markt gebracht. Schombierski ist in Hettlingen nahe Winterthur aufgewachsen und hat 2019 den Bachelor in Physiotherapie am Departement Ge­sundheit abgeschlossen. Neben dem Start-up arbeitet er Teilzeit in einer Phy­siotherapiepraxis in Winterthur Seen.

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DIE LUNGE — EIN HOCHLEISTUNGSORGAN IM DAUEREINSATZ.


D O S S I E R | AT M E N

AT M E N Ohne den Sauerstoff, mit dem sie uns versorgt, könnten wir keine drei Minuten über­leben: Wir alle wissen, wie überlebenswichtig unsere Atmung ist. Trotzdem verschwenden wir im Alltag nicht viele Gedanken an sie. Wieso sollten wir auch? Sie funktioniert ohne unser Zutun, läuft unbewusst und ganz automatisch ab. Doch es lohnt sich, ihr gelegentlich unsere Aufmerksamkeit zu schenken. Denn spätestens, wenn sie eingeschränkt ist, zeigt sich die Bedeu­ tung der Atmung für unser körperliches und psychisches Wohlbefinden. Dieses Dossier geht der Kraft der Atmung nach, erzählt von Menschen, bei denen sie nicht mehr richtig funktioniert, und zeigt, wie sich Gesundheits­ fachpersonen in der täglichen Arbeit mit ihr befassen.

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D O S S I E R | AT M E N

DIE KR AFT DES ATMENS Stress, sitzende Tätigkeiten und zu wenig Bewegung haben zur Folge, dass wir im Alltag das Potenzial unserer Atmung nicht richtig nutzen. Dabei kann sie bewusst eingesetzt werden, um Körper und Geist zur Ruhe zu bringen und Krankheiten vorzubeugen. VON TOBIAS HÄNNI

Im Alltag achten wir meistens nicht auf unsere Atmung. Sie wird uns häufig nur bewusst, wenn wir uns körperlich anstrengen.

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s ist das Erste, was wir tun, wenn wir das Licht der Welt erblicken, und das Letzte, wenn wir sterben. Ein und aus und ein und aus, immerzu atmen wir, unser ganzes Leben lang. Ganz einfach eigentlich. Oder doch nicht? Wer sich zum Thema informiert, der könnte den Eindruck erhalten, als wüssten wir nicht mehr so recht, wie das geht mit der Atmung. «Richtig Atmen», «Erfolgsfaktor Sauerstoff», «Warum wir alle falsch atmen – und wie es richtig geht» – unter solchen und ähnlichen Titeln finden sich im Internet unzählige Kurse, Sachbücher, Artikel und Videos. Das wirft die Frage auf: Haben wir das Atmen verlernt? «Verlernen können wir es nicht, die Atmung ist ja ein unbewusster und automatischer Vorgang», sagt Jörg Spieldenner, Direktor der Lungenliga Schweiz und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Pneumologie. Aber: «In der heutigen Gesellschaft arbeiten viele

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Menschen im Sitzen, bewegen sich zu wenig und haben Übergewicht.» Diese Faktoren wirkten sich nachteilig auf die Atemmuskulatur aus, allen voran auf das Zwerchfell. Durch dessen Bewegungen wird Luft in die Lunge befördert, die selber ein rein passives Organ ist: Wird das Zwerchfell angespannt, atmen wir Luft ein, entspannt es sich wieder, atmen wir aus. «Eine schwache Zwerchfellmuskulatur hat zur Folge, dass das Potenzial der Atmung zu wenig ausgeschöpft wird», sagt Spieldenner. Das gesteigerte Interesse an der Atmung, das sich in einer wachsenden Anzahl an Kursen, Ratgebern und Medienbeiträgen spiegelt, ist für den Arzt, Sportwissenschaftler und Gesundheitsökonomen deshalb eine positive Entwicklung. «Es ist richtig und wichtig, dass die Atmung zunehmend in das Körperbewusstsein integriert wird und die Menschen lernen, bewusst zu atmen.»

«Unser emotio­n a­ ler Zustand wirkt sich direkt auf die Atmung aus.»


D O S S I E R | AT M E N

P F E I L E R V I E L E R E N T S PA N N U N G S T E C H N I K E N

DA N K D E R ATM U N G E N T S PA N N T E R W E R D E N

Dass wir unsere Atmung bewusst steuern und so verbessern können, ist bemerkenswert: Wie andere überlebenswichtige Körperfunktionen wie Herzschlag, Körpertemperatur oder Stoffwechsel wird sie über das vegetative Nervensystem gesteuert und läuft deshalb grundsätzlich automatisch ab. So müssen wir nicht ständig daran denken, Luft zu holen. Die Atmung ist gleichzeitig die einzige vegetative Funktion, die wir willentlich steuern können. Diese Fähigkeit können wir nicht nur nutzen, um die Luft bei Gestank anzuhalten oder vor dem Abtauchen ins Wasser ein paar tiefe Atemzüge zu nehmen. Wir können sie auch gezielt einsetzen, um unser geistiges und körperliches Wohlbefinden zu steigern. Dieses Wissen ist in vielen Meditationslehren und Entspannungstechniken – insbesondere im asiatischen Kulturraum – seit Jahrtausenden tief verankert: So ist eine bewusste Atmung zentraler Pfeiler etwa im indischen Yoga, im chinesischen Qigong oder im japanischen Zen-Buddhismus. In den vergangenen Jahren hat sich dieses Wissen auch im westlichen Kulturraum zunehmend durchgesetzt – wozu unter anderem die wachsende Popularität von Achtsamkeitstechniken beigetragen hat. «Bei allen diesen Techniken wird die Atmung als Anker eingesetzt, um Körper und Geist zur Ruhe zu bringen», sagt Irene Etzer-Hofer, Resi­lienzexpertin und Leiterin der Fachstelle Betriebliches Gesundheitsmanagement am ZHAW-Departement Gesundheit. Eine zentrale Rolle spielt das Atmen auch bei der Behandlung von psychischen Krankheiten, etwa Angststörungen oder Traumata. «Als Bestandteil von Entspannungstechniken kann bewusstes Atmen unterstützend bei fast allen psychischen Erkrankungen eingesetzt werden. Es ist der Schlüssel zu unterdrückten Emotionen – diese können durch die richtigen Atemübungen bewusst gemacht werden», so Etzer-Hofer.

Als der Mensch noch mit seinem Körpereinsatz ums nackte Überleben kämpfen musste, war die durch den Sympathikus ausgelöste körperliche Alarmbereitschaft unabdingbar. In der heutigen Zeit kann sie sich jedoch negativ auswirken. «Der Sympathikus wird durch unsere schnelllebige, digitalisierte und von Leistungsdruck geprägte Lebensweise zu oft aktiviert. In der Folge atmen viele Menschen im Alltag zu schnell und zu flach», sagt Irene Etzer-Hofer. Weitere Faktoren verstärken diese oberflächliche Atmung, insbesondere die grösstenteils sitzenden Tätigkeiten. Aber auch das gängige Schönheitsideal, das dazu führt, dass der Bauch eingezogen und zu enge Kleidung getragen wird, und eine verspannte Muskulatur schränken die Atmung ein. Zu oberflächliches Atmen führt wiederum dazu, dass der Sympathikus aktiv bleibt und der Körper nicht zur Ruhe kommt – ein Teufelskreis, der zu anhaltendem Stress und dysfunktionalen Atemmustern führen kann, wie Etzer-Hofer sagt. Dieser Teufelskreis lasse sich jedoch umkehren. «Wir können das vegetative Nervensystem zwar nicht direkt steuern, doch durch unsere Atmung überlisten.» Will heissen: Wer bewusst tief und entspannt atmet, signalisiert dem Nervensystem, dass alles in Ordnung ist. Der Parasympathikus wird aktiviert, der Körper schaltet in den Erholungsmodus. Das hat nicht nur positive Auswirkungen auf unseren emotionalen Zustand, indem wir uns ruhiger, entspannter und weniger gestresst fühlen. Eine tiefere Atmung fördert durch die erhöhte Sauerstoffzufuhr ins Gehirn auch die Konzentration und Aufmerksamkeit, hilft nachweislich bei muskulären Verspannungen und chronischen Schmerzen, senkt Herzschlag und Blutdruck – was indirekt Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugt – und fördert den Stoffwechsel. Wissenschaftliche Studien deuten zudem darauf hin, dass die Gedächtnisleistung erhöht wird und dass eine kontrollierte und tiefe Atmung über die Aktivierung des Parasympathikus das Immunsystem stärkt und den Blutzuckerspiegel verbessert.

«Wir können das vegetative Nerven­system durch unsere Atmung überlisten.»

B E I S T R E S S ATM E N W I R F L AC H

Dass zwischen Atmung und Emotionen ein enger Zusammenhang besteht, darauf deuten zahlreiche Sprichwörter und Lebensweisheiten hin: Wir halten vor Angst den Atem an, wir müssen unserem Ärger Luft machen und wenn wir gestresst sind, sollen wir am besten ein paar Mal tief durchatmen. «Unser emotionaler Zustand wirkt sich direkt auf die Atmung aus. Sind wir entspannt, atmen wir tief und ruhig, bei Stress oder Angst dagegen flach und schnell», so Irene Etzer-Hofer. Verantwortlich dafür ist das vegetative Nervensystem, dass sich aus zwei gegensätzlich agierenden Teilsystemen zusammensetzt: Sympathikus und Parasympathikus. Der Parasympathikus versetzt den Körper in Ruhe- und Erholungsphasen in einen «Rest or Digest»-Modus. Der Stoffwechsel wird angekurbelt, die Herzfrequenz reduziert, die Atmung tiefer und langsamer. Der Sympathikus hingegen schaltet den Körper bei tatsächlicher oder empfundener Gefahr, bei Stress oder anderen Belastungen in einen «Fight or Flight»-Modus und damit in hohe Leistungsbereitschaft: Die Herztätigkeit und der Blutdruck steigen, die Muskelspannung und -durchblutung werden erhöht, der Stoffwechsel wird zurückgefahren, die Atmung geht schneller und flacher.

K L E I N E R AU F WA N D, G R O S S E R N U T Z E N

Um das Potenzial der Atmung auszuschöpfen, müsse man diese nicht ständig überprüfen und korrigieren, sagt Irene Etzer-Hofer. «Es reicht, im Alltag immer mal wieder innezuhalten und zu beobachten, wie man in diesem Moment atmet.» In solchen kurzen Pausen lassen sich gut kurze Übungen einbauen, um für ein paar Minuten bewusst zu atmen und Geist und Körper zu entspannen (siehe Übungen im Zweittext). «Das Tolle an der Atmung ist, dass man sie ohne grossen Aufwand ändern kann, für Gesundheit und Wohlbefinden aber einen grossen Nutzen daraus zieht», so EtzerHofer. Doch wie sieht denn nun die ideale Atmung aus? «Man nutzt das Zwerchfell, das ja das eigentliche Atemorgan ist, und atmet tief und regelmässig in den Bauch», erklärt Etzer-Hofer. Wichtig dabei sei, auch lange auszuatmen. Denn: Wird das Ausatmen vernachlässigt, übersäuert der Körper, da dass Kohlendioxid aus der Atemluft nicht ausreichend abtransportiert wird.

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D O S S I E R | AT M E N

MIT BEWEGUNG DIE GANZE LUNGE BELÜFTEN

Neben einfachen Atemübungen im Alltag sowie Atem- und Achtsamkeitskursen sieht Lungenliga-Direktor Jörg Spieldenner genügend Bewegung als unabdingbar an, um eine gesunde Atmung zu fördern. «Durch sportliche Aktivitäten kann man die Funktionsfähigkeit der Lunge und damit die Sauerstoffaufnahme steigern, insbesondere durch eine bessere Belüftung der gesamten Lunge.» Dies sei gerade bei chronischen Atemwegserkrankungen wichtig, so Spieldenner: Da bei diesen die peripheren Teile der Lunge häufig nicht mehr ausreichend belüftet werden, steigt unter anderem die Gefahr von Infektionen, welche die Lungenfunktion weiter einschränken können. Die Lungenliga Schweiz hat deshalb neben Kursen zur Entspannung, zum Krankheitsmanagement und zu Atem-

techniken auch solche im Angebot, mit denen Betroffene trotz ihrer Erkrankung in Bewegung bleiben. Es ist ein Angebot, das sich nicht etwa an eine kleine Minderheit richtet: So sind in der Schweiz rund 400 000 Menschen alleine von der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung COPD betroffen, etwa 150 000 leiden unter Schlafapnoe, jedes zehnte Kind und jeder vierzehnte Erwachsene hat Asthma. Das zeigt: Für einen beträchtlichen Teil der Schweizer Bevölkerung ist eine normale Atmung, diese so simple wie überlebenswichtige Körperfunktion, keine Selbstverständlichkeit. //

blog.zhaw.ch/vitamin-g

EINFACHE ATEMÜBUNGEN FÜR DEN ALLTAG ACHTSAME ATEMBEOBACHTUNG

STRECKDEHNUNG

DIE 4-6-8-METHODE

Ziel: Die Übung schafft ein Bewusst­ sein für die Atmung und unterstützt das Körpergefühl.

Ziel: Den Brustkorb beweglicher machen. Diese Beweglichkeit ist wich­ tig, damit sich die Lunge leichter aus­ dehnen kann und die Atemmuskulatur weniger Kraft aufwenden muss.

Ziel: Bei Stress atmen wir schneller. Durch die bewusste und langsame Atmung wird der Blutdruck gesenkt, der Körper schaltet auf Erholung um und der Stress wird abgebaut.

Dauer: 6 –10 Minuten

Dauer: 1– 5 Minuten

Dauer: 3 – 8 Minuten ■

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ehmen Sie eine bequeme Position N ein (im Liegen oder Sitzen). Legen Sie eine Hand locker auf die Brust, die andere auf den Bauch. Schliessen Sie die Augen. Atmen Sie im eigenen Tempo durch die Nase ein und durch den Mund mit leicht geöffneten Lippen aus. Nehmen Sie den Atem einfach wahr, ohne ihn zu verändern. Spüren Sie der Atmung nach: Hebt sich beim Einatmen die obere Hand mehr oder die untere? Welche Körper­teile werden vom Atem be­ wegt? Wo spüren Sie Fülle und Weite beim Einatmen, wo eine Entspannung beim Ausatmen?

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Legen oder setzen Sie sich hin. Schieben Sie die rechte Hand zum rechten Knie und den linken Arm nach oben über den Kopf. Ihr Körper sollte ein «C» formen. Halten Sie diese Position 3–5 Minuten und atmen Sie tief ein und aus. Wechseln Sie die Seite.

L egen oder setzen Sie sich bequem und entspannt hin und platzieren Sie eine Hand auf Ihren Bauch. Atmen Sie durch die Nase ein und zählen Sie dabei langsam bis vier. Halten Sie die Luft an, während Sie bis sechs zählen. Atmen Sie durch den Mund aus, während Sie langsam bis acht zählen. Wiederholen Sie die Übung min­ destens fünf Mal, bis Ihr Atem ruhig und tief ist.


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WIE DIE ATMUNG EINE GEBURT POSITIV BEEINFLUSSEN K ANN Ein Kind zu gebären, ist ein Kraftakt. Frauen profitieren davon, wenn sie sich vorgängig gewisse Atemtechniken aneignen. «Diese helfen ihnen, mit der Stresssituation umzugehen», sagt Vanessa Leutenegger, freiberufliche Hebamme, Doktorandin und Dozentin am ZHAW-Institut für Hebammen. VON EVELINE RUTZ

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ie sind angespannt, werden von Schmerzen überrollt und fühlen sich ausgeliefert. Unter der Geburt können werdende Mütter physisch und psychisch an ihre Grenzen gelangen. Gezielt zu atmen, kann ihnen helfen, den Kraftakt zu meistern. «Der Wehenschmerz geht zwar nicht weg», sagt Vanessa Leutenegger, die am Institut für Hebammen des Departements Gesundheit als Dozentin arbeitet. Mit bewusster Atmung lasse sich die Aufmerksamkeit jedoch in eine andere Richtung lenken. Die Gebärende erlebe Momente der Entspannung, erfahre Selbstwirksamkeit und schöpfe neue Energie. Das ungeborene Kind werde zudem ausreichend mit Sauerstoff versorgt. «Atemübungen sind eine einfache und wirksame Möglichkeit, sich auf die Geburt vorzubereiten», so Leutenegger. «Sie können unabhängig vom Geburtsverlauf angewendet werden.» Die Hebamme ist überzeugt, dass es sich lohnt, sich frühzeitig damit zu befassen. «Es macht einen Unterschied, ob man übt oder nicht.» In ihrer Doktorarbeit will sie entsprechende Effekte nachweisen.

geht darum, während des ganzen Verlaufs bewusst zu atmen», betont die ZHAW-Mitarbeiterin. Sie hält wenig davon, für die einzelnen Phasen spezifische Empfehlungen zu machen. Stattdessen gibt sie Übungen weiter, die individuell eingesetzt werden können. S T R A PA Z E N M I T AT M U N G A K T I V B E G E G N E N

Der Atmung wird in der Geburtshilfe schon lange Beachtung geschenkt. Ab den 1940er Jahren setzte sich beispielsweise Ferdinand Lamaze für eine natürliche, schmerzarme Geburt ein. Er war überzeugt, dass Gebärende weniger chemische Schmerzmittel benötigen, wenn sie positiv eingestellt sind und ihren Fähigkeiten vertrauen. Der französische Arzt kombinierte mentale Techniken, Atmung und Bewegung. Sein Ansatz wird bis heute gelehrt. Dies gilt ebenso für die Erkenntnisse von Dick Read, einem britischen Gynäkologen, der 1933 sein erstes Buch zu dem Thema publizierte. Er beobachtete unter anderem in Afrika, dass die psychische Verfassung einer Frau den Geburtsablauf beeinflusst – dass sich Angst und Unwissen negativ auswirken. Seine Methode fokussiert darauf, werdende Mütter zu stärken. Sie sollen zuversichtlich und informiert an die Entbindung herangehen. Und sie sollen sie nicht in erster Linie mit Schmerzen assoziieren, sondern als Arbeit verstehen, auf die sie sich vorbereiten können. Haben sie das «richtige» Atmen trainiert, können sie den Strapazen aktiv begegnen.

«Die Aufmerksamkeit lässt sich weg vom Schmerz lenken.»

EIN MITTEL DER SELBSTHILFE

Viele Schwangere sind unsicher, wenn sie an die bevorstehende Geburt denken. Sie befürchten, die starken Kontraktionen nicht zu ertragen und die Kontrolle zu verlieren. «Ich will ihnen etwas mitgeben, das es ihnen leichter macht, mit der Stresssituation umzugehen», sagt Vanessa Leutenegger. In ihren Geburtsvorbereitungskursen legt sie grossen Wert auf Körperarbeit. Sie vermittelt den Teilnehmenden Methoden, die bereits in der Schwangerschaft entlasten und zu einem positiven Geburtserlebnis beitragen können. Dazu zählt unter anderem die langsame und vertiefte Ausatmung. Sie eignet sich insbesondere für die Eröffnungsund Übergangsphase einer Geburt, wenn sich der Köper weitet. In der Austreibungsphase, wenn noch einmal viel Kraft mobilisiert werden muss, ist die Atmung oberflächlicher. «Es

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Unter dem «Geburtssturm» kann das Erlernte allerdings vergessen gehen. Das ständige Zusammenziehen der Gebärmutter kann eine Frau überfordern und in Panik versetzen. Atmet sie nur noch über den Mund ein, kann es sein, dass sie zu viel Sauerstoff aufnimmt, einen Brechreiz verspürt und anfängt, zu hyperventilieren. Ihr Herz rast und ihre Muskeln verkramp-

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fen sich, was den Schmerz verstärkt und den Geburtsprozess hemmt. Gerät eine Gebärende in diesen Teufelskreis, sollte sie ans kontrollierte Atmen erinnert werden. Im Idealfall übernimmt der Partner diese Rolle. «Er unterstützt sie, leitet sie an und erlebt dabei das Gefühl, gebraucht zu werden», sagt Vanessa Leutenegger. Kann sich ein Paar in dieser intimen Situation nicht selbst helfen, greift die Hebamme ein. W E N I G E R KO M P L I K AT I O N E N , T I E F E R E KO S T E N

Die Atmung zu steuern, ist eine sanfte Methode der Schmerzlinderung. Sie wirkt sowohl auf der körperlichen als auch auf der psychischen Ebene. Sie mindert Ängste, Gebärende erfahren Selbstwirksamkeit: Sie merken, dass sie in der Ausnahmesituation selbst etwas tun können. Dies trägt zu einem positiven Geburtserlebnis bei. Forschende vermuten zudem, dass Frauen, die Atemtechniken beherrschen, seltener Komplikationen haben oder eine Periduralanästhesie (PDA) benötigen. Die Kosten fallen tendenziell tiefer aus.

«Über die Atmung erfährt die Frau bei der Geburt Selbst­w irksamkeit.» «Das Geburtserlebnis beeinflusst die Zeit danach», gibt Vanessa Leutenegger zu bedenken. Es wirke sich nicht zuletzt auf die Bindung zum Kind aus. Dass es eine Rolle spielt, wie Frauen unter der Geburt atmen, ist breit anerkannt. Es gehört zum Berufsverständnis einer Hebamme, werdende Mütter entsprechend zu befähigen. Aussagekräftige Daten über Wirkungen und Auswirkungen sind allerdings rar. Die Wissenschaft hat lange Zeit auf medizinische Eingriffe und pharmakologische Hilfsmittel fokussiert. «Heute hinterfragt man stärker, welche Interventionen wirklich nötig sind», sagt Vanessa Leutenegger. Natürliche Alternativen haben an Bedeutung gewonnen. So etwa die Mindfulness Based Medicine, die auf das Prinzip der Achtsamkeit setzt. Hinzu kommen Methoden der Komplementärmedizin wie Akupunktur, Homöopathie und Aromatherapie. EINE APP MIT ÜBUNGSVIDEOS

Mit ihrer Doktorarbeit will Vanessa Leutenegger den Forschungsstand erweitern. Sie wird Schwangeren von ihr entwickelte Atem- und Entspannungsübungen vermitteln und messen, wie sich diese auf die Geburt und das Wochenbett auswirken. Dabei wird sie sowohl das Befinden der Frauen als auch jenes der Babys erheben. Die gewonnenen Erkenntnisse möchte die Doktorandin dereinst dazu nutzen, um eine App zu realisieren. «Sie könnte werdende Mütter mit Anleitungen, Trainingsvideos und der Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen, unterstützen.» //

blog.zhaw.ch/vitamin-g

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ATEMÜBUNGEN ZUR GEBURTSVORBEREITUNG Kraftvoll ausatmen: In der Eröffnungsphase der Geburt muss der Körper weich werden. Die Frau kann dies unterstützen, indem sie mit den Wehen mitgeht. Sie atmet über die Nase ein, füllt ihre Lungen mit Luft und lässt diese über den offenen Mund wieder hinausströmen. Sie atmet kraftvoll aus und lässt ihren Schmerz hören. Sie sagt beispielsweise «aah» oder gibt andere Laute von sich. Unter der Geburt zu jammern, zu stöhnen oder zu wimmern, wirkt entlastend. Manche Frauen denken dabei ans Baby oder stellen sich eine Blüte vor, die sich öffnet. Werdende Eltern können dieses verstärkte Ausatmen vorgängig üben. Am besten gehen sie dies mit einer Prise Humor an. Atmung und Bewegung: Das bewusste Atmen lässt sich mit Bewegungen kombinieren. Im Sitzen streckt die schwangere Frau die Arme aus und beobachtet, was dies für ihre Atmung bedeutet, wie sie ihren Körper jetzt wahrnimmt. Nach einer gewissen Zeit wechselt sie in weitere Positionen, ins Stehen oder Liegen. Stresshormone lassen sich so in erfolgreiche Handlungen


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Sanfte Methode der Schmerzlinderung: Mit Atemübungen können sich schwangere Frauen auf die Geburt vorbereiten.

VANESSA LEUTENEGGER

umsetzen, Blockaden lösen sich und die Ausdauer wird gefördert. Körperreise: Diese Übung eignet sich dazu, sich mit dem eigenen Körper vertraut zu machen. Die werdende Mutter nimmt dafür eine leicht erhöhte Rückenlage ein, schliesst die Augen und lässt den Atem natürlich fliessen. Sie nimmt ihren Körper wahr, wie er daliegt und registriert, wo er allenfalls blockiert ist oder schmerzt. Bei geschlossenen Augen wird die Atmung zunehmend bewusster. Die Frau spürt, wie sich der Körper beim Einatmen anspannt und beim Ausatmen völlig entspannt. Nun macht sie sich auf die «Reise» und beginnt, den Körper in Gedanken abzutasten: Sie setzt beim Kopf an und wandert mit ihrer Aufmerksamkeit langsam durch die einzelnen Körperregionen. Sie versucht, sich ausschliesslich darauf zu konzentrieren. Gedanken oder Ge­fühle, die auftauchen, lässt sie weiterziehen. Ist sie bei den Füssen angekommen, kann sie einen Moment der Ruhe und Entspannung ge­ niessen. Indem sie einige tiefe Atem­züge nimmt, sich streckt und die Augen öffnet, schliesst sie die Körperreise ab.

ist Dozentin am Institut für Hebammen. Die 32-Jährige doktoriert im Rahmen des Programms «Care and Rehabilitation Sciences», das von der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich und dem ZHAW-Departement Gesundheit angeboten wird. «Ich möchte Forschung und Praxis eng verbinden, um einen eigenen Beitrag zur Wissensbildung in der Geburtshilfe und Hebammentätigkeit leisten zu können», sagt sie. Besonders am Herzen liegen ihr die Schwangerschaftsvorsorge, das Empowerment der Frauen, die Prävention sowie die physiologische Betreuung durch die Hebammen. Sie schreibt ihre Dissertation in einem Teilzeitpensum und arbeitet als freiberufliche Hebamme in Zürich. Vanessa Leutenegger ist zweifache Mutter und lebt mit ihrer Familie in Thalwil. Alles unter einen Hut zu bringen, erlebt sie als herausfordernd. Sie hat jedoch das Ziel vor Augen, sich für ihren Berufsstand einzusetzen. «Hebamme zu sein, ist für mich eine Berufung, für die es sich lohnt, sich jeden Tag stark zu machen.»

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WAS UNS DEN ATEM RAUBT.


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DEM M ARLBORO -M AN PAROLI BIETEN Trotz Rauchverbot in Innenräumen und gestiegenem Zigarettenpreis: Die Schweiz gehört noch immer zu den Ländern, die Tabakkonsum und -werbung vergleichsweise lasch regulieren. Zwei Präventionsexpertinnen des Departments Gesundheit zeigen auf, welche Ansätze im Kampf gegen den Qualm am wirksamsten sind. VON ANDREA SÖLDI

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ool ist er halt schon, der Marlboro-Man: Cowboyhut, Jeansjacke, das Lasso lässig über den Arm gehängt, zündet er sich eine an. Doch mit derart offensiver Zigarettenwerbung wagt sich die Tabakindustrie schon längst nicht mehr an die Öffentlichkeit. Obwohl dies hierzulande nicht mal überall verboten wäre. Unzulässig ist lediglich Werbung, die sich explizit an Jugendliche richtet. Und diese Definition ist nicht immer ganz klar. Zum Beispiel betreiben die Tabakkonzerne Pavillons an Festivals, die zwar nur Personen ab 18 Jahren betreten dürfen. Doch auch jüngere Festivalbesucherinnen und -besucher bekommen die attraktiv gestalteten Auftritte mit angesagter Musik mit. Zudem werde häufig auf Online-Kanälen geworben, sagt Sandra Lehmann, Dozentin im Bachelorstudiengang Gesundheitsförderung und Prävention. «Da ist es für Präventionsfachleute schwierig, die Übersicht zu behalten und den cleveren Kampagnen wasserfeste Tatsachen entgegenzusetzen.» Die Strategien der Tabakkonzerne seien äusserst durchdacht und von hochkarätigen Marketingexperten erarbeitet, die grosse Budgets zur Verfügung haben, weiss Lehmann. Und offensichtlich sind sie nach wie vor sehr erfolgreich: Während der Anteil der Rauchenden in der Gesamtbevölkerung hierzulande vergleichbar ist mit jenem in anderen europäischen Ländern, ist er bei den Jugendlichen eher hoch. Trotz vollmundigem Bekenntnis der Tabakindustrie zum Jugendschutz sehen Jugendliche durchschnittlich sechsmal so viel Werbung für Nikotinprodukte wie Präventionsbotschaften. Schliesslich muss die Branche Kunden ersetzen, die wegsterben oder das Rauchen aufgeben. Will sie überleben, muss sie junge Menschen vor dem 21. Lebensjahr gewinnen. Denn statistisch gesehen sind die Chancen klein, dass jemand danach noch mit dem Rauchen anfängt. DA S I M AG E D E R S PA S S B R E M S E V E R M E I D E N

Beim Rauchen sei die Prävention besonders anspruchsvoll, sagt Kerstin Jüngling, ebenfalls Dozentin im Studiengang Gesundheitsförderung und Prävention. Denn es gehe nicht darum, ein gesundes Mass zu finden, wie etwa beim Alkohol, sondern darum, gar nicht zu rauchen. «Fachleute wir-

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Mehr als ein Viertel der Schweizer Bevölkerung raucht – 31 Prozent der Männer und 23,3 Prozent der Frauen – bei leicht sinkender Tendenz (Zahlen von 2017). Am häufigsten konsumieren Personen zwischen 25 und 34 Jahren Tabak. An den Folgen des Rauchens sterben in der Schweiz jährlich rund 9500 Menschen.

ken hier jedoch schnell wie Spassbremsen, die etwas Cooles verbieten wollen.» Die Prävention sieht deshalb weitgehend von moralisierenden Botschaften ab, sondern arbeitet mit diversen innovativen Ansätzen. Eine sinnvolle Strategie sei zum Beispiel, den gesellschaftlichen Diskurs anzuregen und zielgruppengerecht die Hintergründe und Mechanismen der Werbung zu erörtern, erklärt Jüngling, die neben ihrer Tätigkeit an der ZHAW Co-Geschäftsführerin einer Berliner Suchtpräventionsstelle ist. In einer Berufsschule biete sich zum Beispiel eine Diskussion darüber an, was die vielbeworbene Freiheit denn wirklich bedeute. «Wie frei bin ich wirklich, wenn ich täglich fast neun Franken für ein Päckli Glimmstängel ausgeben muss?», fragt die Suchtexpertin rhetorisch. «Und was könnte ich mir mit dem Geld sonst alles leisten?»

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Prävention ist beim Rauchen besonders anspruchsvoll: Denn das Ziel ist nicht ein gesundes Mass, sondern der komplette Verzicht auf die Glimmstängel.

ABSTOSSENDE BILDER BRINGEN WENIG

Eine andere Methode ist die Aufklärung über die Produktionsbedingungen von Tabak. Der Anbau erfolge nämlich häufig in Afrika und Südamerika unter prekären Arbeitsbedingungen, weiss Jüngling. Und für solche Themen seien viele Jugendliche besonders zugänglich. Im Rahmen eines Präventionsprojekts hat eine Klasse in Berlin zum Beispiel Geld gesammelt für eine Erdnuss-Schälmaschine, um Kleinbauern eine sinnvollere Erwerbsquelle zu ermöglichen. Ein weiterer Ansatz ist das Schulen von Lehrpersonen, damit sie das Thema genau dann mit einer Kurzintervention aufgreifen können, wenn es bei einer Schülerin oder einem Schüler aktuell wird. Im Rahmen des Programms «Experiment Nichtrauchen» der Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention verpflichten sich Schulklassen zudem, für einige Zeit die Hände von Glimmstängeln zu lassen, und nehmen dabei an einem Wettbewerb teil. Zudem sammeln sie gemeinsam Zigarettenstummel ein, um einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Auch Kinderärzte sowie Mütter- und Väterberaterinnen können als Multiplikatoren dienen: Sie sensibilisieren Eltern von Babys und Kleinkindern, nicht in der Gegenwart ihrer Kinder zu rauchen und sich nach dem Rauchen die Hände gut zu waschen. Denn für Babys können bereits geringe Rückstände gefährlich sein. «Ein schlechtes Gewissen haben rauchende Eltern sowieso schon», weiss Sandra Leh18

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mann, die früher bei der Lungenliga gearbeitet hat. «Wir wollen sie nicht zusätzlich unter Druck setzen, sondern sie informieren, wie sie ihre Kinder schützen können.» Ein wichtiger Hebel im Kampf gegen den Tabakkonsum sei auch die Preisgestaltung, erklärt Lehmann. Dies besonders, da die Sucht in kostensensibleren Gesellschaftsgruppen stärker verbreitet ist als in finanzstarken – so etwa in der weniger gut gebildeten Bevölkerung. «Gemessen an der Kaufkraft sind Zigaretten in der Schweiz aber immer noch relativ günstig», betont Lehmann. Lediglich einen geringen Effekt habe dagegen die auf dem Schockgefühl basierende Prävention mit abstossenden Bildern auf Zigarettenpackungen. «Mit Warnungen vor Spätfolgen wie etwa Lungenkrebs oder einem Raucherbein sind Junge kaum zu beeindrucken. Das ist für sie viel zu weit weg.» Wirksamer wären sogenannte Plain Packets, wie sie unter anderem in Kanada und Australien bereits vorgeschrieben sind: Packungen in unattraktiven Farben wie etwa olivgrün, ohne Markenschriftzüge. Dass eine solche Regelung in der Schweiz mit ihrer starken Tabaklobby durchkommt, hält Lehmann aber für unrealistisch. F Ü R KO N F R O N TAT I O N M I T L O B BY G E WA P P N E T

Am Departement Gesundheit wird Rauchprävention hauptsächlich im Studiengang Gesundheitsförderung und Präven-


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tion vermittelt. Studierende lernen einen bunten Strauss an Massnahmen kennen, die sich gegenseitig ergänzen. Zudem setzen sie sich mit den involvierten Interessensvertretern auseinander und erhalten das Rüstzeug, um die gesellschaftlichen Entwicklungen und politischen Prozesse zu beobachten. «Wir wollen die angehenden Präventionsfachleute richtig fit machen und ermutigen, den perfiden Machenschaften der Tabaklobby entschieden entgegenzutreten», betont Sandra Lehmann. Geplant ist nun ein neues Modul, in dem das Thema vertieft werden soll. N I C H T N U R P R I VAT S AC H E

wiederum sollen eine Besteuerung sowie Qualitätsstandards eingeführt werden. Politischer Druck entsteht weiter vonseiten der Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung», die von einer breiten Allianz von Gesundheitsorganisationen lanciert und eingereicht wurde – darunter von der Krebsliga sowie von Haus-, Kinder- und Lungenärzten. Aktuell erfolgt die Rauchprävention auf nationaler Ebene im Rahmen der Strategie zur Prävention nicht übertragbarer Krankheiten (NCD-Strategie). Dass eine stärkere Reglementierung die Beliebtheit von Zigaretten zu reduzieren vermag, zeigt zum Beispiel ein Blick nach Grossbritannien, wo unterdessen lediglich noch rund 15 Prozent der Bevölkerung rauchen. In einer Vergleichsstudie, die 2019 in 36 europäischen Ländern durchgeführt wurde, landete die Schweiz wegen ihrer liberalen Werbevorschriften auf dem zweitletzten Platz. «Die lasche Politik der Schweiz ist ein Skandal», findet Kerstin Jüngling. «Es ist an der Zeit, die Gesundheit der Bevölkerung nicht ausschliesslich als persönliche Angelegenheit zu betrachten, sondern die Aufmerksamkeit vermehrt auf sozioökonomische Verhältnisse sowie wirtschaftliche Interessen zu lenken.» //

«Die lasche Politik der Schweiz ist ein Skandal.»

Einige Hoffnungen setzen die beiden Fachfrauen ins neue Tabakproduktegesetz, das derzeit wieder im nationalen Parlament diskutiert wird. Damit sollen Raucherwaren und elektronische Zigaretten in der ganzen Schweiz erst ab 18 Jahren erhältlich sein. Derzeit können im Kanton Zürich und zehn weiteren Kantonen bereits 16-Jährige Zigaretten kaufen. Zudem soll die Werbung auch in gedruckten Medien und im Internet landesweit verboten werden. Weiter ist vorgesehen, den Jugendschutz durch Testkäufe besser zu kontrollieren und durchzusetzen. Für E-Zigaretten

«AUCH E-ZIGARETTEN DÜRFEN NICHT ZU ATTRAKTIV SEIN» Dampfen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit weniger gesundheitsschädlich als Rauchen. Unbedenklich sind E-Zigaretten dennoch nicht, sagt Markus Meury, Mediensprecher des nationalen Kompetenzzentrums Sucht Schweiz. Seit einigen Jahren gilt Dampfen als chic. Sind E-Zigis Teil der Lösung oder ein neues Problem? Markus Meury: Beides. Für Raucherinnen und Raucher, die aufhören wollen, sind E-Zigaretten wahrscheinlich ein etwas wirksamerer Ersatz als andere Nikotinprodukte wie etwa Kaugummis oder Pflaster. Und weil sie 95 Prozent weniger Schadstoffe produzieren als verbrannter Tabak, sind sie ziemlich sicher bedeutend weniger gesundheitsschädlich. Die Langzeitfolgen kennt man aber noch nicht.

Man weiss, dass das Risiko bei dieser Gruppe grösser ist, später Zigaretten zu rauchen, obwohl unsicher ist, ob daran wirklich das Dampfen schuld ist. Vielleicht sind diese Jugendlichen einfach generell offener für Suchtmittel. Im letzten Oktober hat sich die beliebte E-ZigarettenMarke Juul aus der Schweiz zurückgezogen. Ein Verlust? Nein, wir sind froh darüber. Denn Juul enthält Nikotinsalz. In dieser Form kommt es beim Konsum zu einem schnelleren Kick, womit die Abhängigkeitsgefahr steigt. Zudem kann man die kleinen Geräte besonders gut vor Eltern und Lehr­ personen verstecken.

Worin liegt denn das Problem? Viele glauben, dass sie gesünder leben, wenn sie ihren Zigarettenkonsum teilweise mit E-Zigis ersetzen. Dies bringt aber nicht viel. Bereits mit einer täglichen Zigarette nimmt man ein etwa halb so grosses Gesundheitsrisiko in Kauf, wie wenn man täglich zehn rauchen würde. Der Ausstieg ge­lingt meist nur mit einer professionellen Begleitung.

Was für neue Herausforderungen stellt das elektrische Paffen an die Prävention? Es ist sinnvoll, dass die klassische Zigarette strenger regu­liert wird als die E-Zigarette. Denn wenn viele Rauchende um­ steigen würden, wäre das ein Gewinn für die Gesundheit. Doch auch E-Zigaretten dürfen nicht zu attraktiv sein, damit Jugendliche nicht damit anfangen. Wir hoffen deshalb, dass sie im Rahmen des neuen Tabakproduktegesetzes nun ebenfalls besteuert werden und in öffentlich zugänglichen Räumen in der ganzen Schweiz nicht mehr zugelassen werden.

Wie verbreitet sind Dampfgeräte bei Jugendlichen? Bei den 15-Jährigen haben bereits die Hälfte der Jungen und gut ein Drittel der Mädchen schon mal E-Zigaretten verwendet, wie unsere Befragung vor drei Jahren zeigte.

Ist das nicht vor allem eine Schikane? Nein. Wenn in einem Raum einige Personen E-Zigaretten benutzen, entsteht ebenfalls ein Volumen an Schadstoffen, das belastend ist.

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DIE NEUE LUNGE IST SEIN HEILIGTUM Als er 19 Jahre alt war, funktionierte seine Lunge noch zu einem Drittel: Ivan Skrbec leidet an Cystischer Fibrose und überlebte nur dank einer Organspende. Heute kann der mittlerweile 29-Jährige sein Leben geniessen und steht als Pflegestudent kurz vor seinem Abschluss. VON MARION LOHER

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n der Wohnung von Ivan Skrbec steht eine weisse Kommode. Sie ist unscheinbar, weder hübsch noch hässlich, eigentlich kaum der Rede wert und doch ist sie für den 29-Jährigen etwas Besonderes. Er zieht die erste Schublade heraus. «Hier drinnen befinden sich alle Medikamente, die ich nehmen muss.» Noch während er diesen Satz ausspricht, schiebt er die Schublade wieder zurück. Er öffnet die nächste, dann die dritte und vierte. Alle Schubladen sind bis oben hin voll mit Medikamentenschachteln, mit grösseren und kleineren, geöffneten und ungeöffneten Packungen. «Ich schlucke täglich bis zu 25 Tabletten», sagt er und schaut zu seiner Frau Debora. «Wenn du das Magnesium dazurechnest, sind es gar bis zu 30 Tabletten pro Tag», erinnert sie ihn. Ivan Skrbec lebt seit zehn Jahren mit einer Spenderlunge. Die Medikamente sind für ihn lebenswichtig. Die meisten davon verhindern, dass das fremde Organ vom Immunsystem abgestossen wird. Die Nebenwirkungen sind jedoch nicht ohne: Kopfschmerzen, erhöhter Blutdruck und ein beginnender Diabetes. Auch dagegen nimmt er Tabletten. Skrbec muss sich jeden Tag selbst Blutzucker und Blutdruck messen, er muss auf die Ernährung achten und sich penibel vor Krankheitskeimen schützen. Doch er will sich nicht beklagen – überhaupt beklagt er sich während des ganzen Gesprächs nicht. «Ich habe keinen Grund dazu», sagt er und lacht. «Seit der Organspende hat sich mein Leben um 180 Grad gedreht und ich kann ein ziemlich normales Leben führen.» So normal, dass er vor drei Jahren begonnen hat, Pflege zu studieren, 2020 trotz Corona als Hochrisikopatient zwei Pflegepraktika absolvierte und sich derzeit auf seinen Abschluss vorbereitet. «Als ich damals die Spenderlunge bekam, schwor ich mir, in Zukunft nie mehr im Glaskasten zu sitzen. Ich will das Leben spüren und geniessen.»

kommen, einer Stoffwechselkrankheit, die genetisch bedingt ist. Meist sind die Eltern Träger des Gens, ohne es zu wissen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind an Cystischer Fibrose leidet, beträgt 25 Prozent. Bei der Familie Skrbec hat es den Erstgeborenen getroffen. «Weder meine Eltern noch meine beiden Geschwister zeigen Symptome», sagt er. Bei der Krankheit produzieren Drüsen in der Lunge ein zähflüssiges Sekret, die das Organ zunehmend verschleimt. Skrbecs Lunge funktionierte nur noch zu einem Drittel. Das Atmen machte ihm Mühe. Er hustete viel und war müde. Ohne zusätzlichen Sauerstoff hätte er nicht überleben können. Zwei bis drei Liter strömten pro Minute über einen Nasenschlauch in seine Lungen. Er war abhängig von diesem Schlauch, konnte kaum ein paar Meter ohne ihn gehen. Das war vor allem als Kind sehr schwierig. Gerne hätte er mit Freunden draussen Fussball gespielt oder wäre wie sie in den Sommerferien ans Meer gefahren. Doch das ging nicht. Vieles ging damals nicht. Oft war er im Spital, auch an seinen Geburtstagen, an Weihnachten und Neujahr. Irgendwann konnte er nicht mehr in die Schule. Das sei besonders schlimm gewesen, sagt Skrbec und stockt. Der sonst so fröhliche junge Mann wird für einen Moment leise, nachdenklich. Die Gefühle von damals haben ihre Spuren hinterlassen. «Ich hatte viele Tiefs und wenig Perspektive.» In dieser schwierigen Zeit waren ihm seine Familie und Freunde eine grosse Stütze, aber auch sein unermüdlicher Kampfgeist half ihm, sich nicht unterkriegen zu lassen.

«Ivan, Ivan, die Lunge ist da.»

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19 Jahre lang sass Skrbec in diesem «Glaskasten» und vegetierte, wie er selbst sagt, vor sich hin. Der gebürtige Stadtzürcher ist mit der Krankheit Cystische Fibrose zur Welt ge20

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«Lange Zeit habe ich die Krankheit nicht akzeptieren wollen. Ich hatte das Gefühl, dass das einfach nicht ich bin», sagt er. Irgendwann aber habe es klick gemacht. «Ich merkte, ich muss die Krankheit annehmen.» Und mit einem Augenzwinkern fügt er an: «Mittlerweile sind wir gute Freunde geworden. Die Krankheit gehört zu mir, sie ist meine Geschichte.» Er mag sich so, wie er ist. Er habe zwar seine «Mödeli», sei selbstkritisch und verlange immer das Beste von sich. «Eine Krankheit macht eben auch keine Kompromisse.»


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«Mittlerweile sind wir gute Freunde geworden. Die Krankheit gehört zu mir, sie ist meine Geschichte.»

Trotzdem: So leben wie bisher wollte der Teenager nicht mehr und liess sich auf die Liste für eine Spenderlunge setzen. Er wusste, dass es keine Gewissheit gibt, ob es mit der Organspende klappt. Aber er musste es versuchen, es war seine einzige Perspektive auf ein besseres Leben. Doch zunächst hiess es warten. Zwei lange Jahre. Dann endlich der erlösende Anruf. Er erinnert sich noch gut an jenen Morgen im Dezember 2010, als er seine Mutter die Treppe zu seinem Zimmer hinaufrennen und gleichzeitig rufen hörte: «Ivan, Ivan, die Lunge ist da.» Er selbst habe ziemlich pragmatisch reagiert: «Ich wollte noch duschen und habe mir überlegt, was ich anziehen soll.» Kurze Zeit später lag er im Krankenwagen auf dem Weg ins Universitätsspital Zürich, am späteren Nachmittag wurde er bereits operiert. Zehn Stunden dauerte die Operation. Die Spenderlunge war so gross, dass ein Teil davon sogar einer zweiten Person transplantiert werden konnte. Als Skrbec aus der Narkose erwachte, sah er, wie sich sein Ivan Skrbec blickt zuversichtlich in die Zukunft. Die Organspende hat das Leben des 29-Jährigen «um 180 Grad gedreht», wie er sagt. Brustkorb von selbst hob und senkte. «Das erste Mal in meinem Leben fiel mir das Atmen nicht schwer. Ein schönes Gefühl.» Sein Gesundheitszustand verbesserte sich rasch, die fremde LunU N B E K Ü M M E R T, A B E R N I C H T L E I C H T S I N N I G ge machte keine Probleme. Fünf Wochen nach der Opera­ Mittlerweile studiert der 29-Jährige im sechsten Semester an tion konnte er nach Hause. Ein halbes Jahr später war er körder ZHAW, seine beiden Pflegepraktika hat er vergangenes perlich und mental fit für das Leben mit neuer Lunge – und er Jahr während der ersten beziehungsweise zweiten Corohatte einiges nachzuholen. Er absolvierte das Gymna-Welle absolviert. Das eine in der Psychiatrie, das andere ­nasium und ging auf Reisen; nach Argentinien, um Spanisch auf einer medizinischen Station, die dann zur Covid-Station zu lernen, in die USA, um Freunde zu besuchen, und nach umfunktioniert wurde. Angst, sich dabei anzustecken und Kenia, um bei einem Spitalprojekt mitzuhelfen. Er begann, schwer zu erkranken, hatte er nicht. «Ich habe mich schon Medizin zu studieren, brach nach vier Semestern wieder ab, früh bei meinem Vertrauensarzt über Corona und mögliche und entschied sich dann für ein Pflegestudium. V I TA M I N G N R. 10 M A I 2021 21


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will er sich keinen Kopf machen. Er hat Vertrauen in das Leben, schöpft es täglich aus, und er hat noch einiges vor: Er will den Master machen, als Botschafter von Swisstransplant weiter über das Thema Organspende aufklären – und einen Brief schreiben. Und zwar an die Angehörigen seines Spenders. Die Organspende ist anonym und der Brief die einzige Möglichkeit, eine Reaktion zu zeigen. Noch aber habe er nicht die passenden Worte gefunden, noch brauche er etwas Zeit. Gedanken, was für ein Mensch es gewesen sein könnte, macht er sich trotzdem. «Ich stelle mir einen jungen Bündner mit breitem Brustkorb vor.» Weshalb einen Bündner? «Vielleicht, weil ich seit der Organspende gerne Käse esse», sagt er und lacht, bevor er wieder ernst wird: «Die Lunge ist mein Heiligtum, ich werde gut auf sie aufpassen und die Medikamente zuverlässig nehmen – auch wenn es sehr viele sind.» // blog.zhaw.ch/vitamin-g Damit der Körper die Spenderlunge nicht abstösst, schluckt Ivan Skrbec täglich bis zu 30 Tabletten.

Risiken informiert.» Patienten wie er hätten aufgrund der Medikation und der jahrelangen Erfahrung mit Vorsichtsmassnahmen bereits einen gewissen Schutz. Das gab ihm Sicherheit. Seit Ausbruch der Pandemie hat sich für ihn denn auch nicht viel verändert. «Ich achte mein ganzes Leben schon peinlichst genau auf eine gründliche Hygiene und trage Mundschutz. Ich war immer wieder isoliert, weiss also, wie das ist.» Ausserdem habe er ein gutes Gespür entwickelt, für sich, seinen Körper und für andere. «Ich kann im Zug problemlos einen Raucher- von einem Grippe-Husten unterscheiden», sagt er und schmunzelt. Mehr Sorgen machte sich sein Umfeld. Insbesondere seine Frau, mit der er seit gut einem Jahr verheiratet ist und die ebenfalls in der Pflege arbeitet. Als sie vom Praktikum auf der Covid-Station hörte, traute sie ihren Ohren kaum. «Ich dachte, irgendwo hat das Ganze doch Grenzen», sagt sie mit ernstem Blick. Er entgegnet, fast entschuldigend: «Du weisst, ich gehe gerne an Grenzen.» Sie nickt: «Jemandem mit einer chronischen Krankheit etwas sagen zu wollen, ist unmöglich.» Die Bedenken seiner Frau nahm Ivan Skrbec dennoch ernst und blieb auf der Covid-Station im Hintergrund. Doch es traf die beiden trotzdem. Im November wurde Debora positiv auf Corona getestet. Sie hatte starke Symptome, litt zwei Wochen lang an Geschmacksverlust und grosser Müdigkeit. Ivans Test blieb negativ. Er glaubt aber, dass das Ergebnis falsch negativ war. «Ich hatte zwölf Stunden etwas Fieber, mehr nicht.» BRIEF AN DIE ANGEHÖRIGEN DES SPENDERS

Skrbec ist ein optimistischer Mensch. Seine Unbekümmertheit hat nichts mit Leichtsinn zu tun. Er kennt seinen Körper und die Therapien, weiss, was gefährlich für ihn ist. «Mich kann theoretisch alles umbringen. Auch mit der Spenderlunge kann es in einem halben Jahr vorbei sein.» Doch darüber 22

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RUND 40 LUNGEN WERDEN PRO JAHR TRANSPLANTIERT Die Lungentransplantation ist heute eine etablierte The­rapie für Patienten mit fortgeschrittenen Lungener­ krankungen, speziell auch für Menschen, die an Cystischer Fibrose oder an einer chronisch obstru­ktiven Lungenerkrankung leiden. Betroffen sind nicht nur ältere Personen, sondern auch viele junge. Bei der Operation können die Lungenflügel einzeln transplan­ tiert werden, häufiger werden aber beide Lungenflügel gemeinsam transplantiert. Die Operations- und Nar­ko­ setechnik sowie die Therapie gegen Abstossungs­ reaktionen und Infektionen wurden im Laufe der Jahre stetig verbessert. Entscheidend für den Langzeiterfolg ist die sorgfältige Nachbehandlung. Dadurch sind heute gemäss Schweizerischer Gesellschaft für Cysti­ sche Fibrose die Resultate bereits ausgezeichnet. Die erste Lungentransplantation weltweit fand 1963 in den USA statt. In der Schweiz wurde 1992 erstmals eine Lunge erfolgreich transplantiert. Heute werden auf der ganzen Welt über 3000 Operationen pro Jahr durchgeführt, in der Schweiz sind es jährlich rund 40. Im Vergleich zur Transplantation von Organen wie Herz oder Niere handelt es sich immer noch um eine relativ seltene Therapieform. Weil es in der Schweiz grundsätzlich an Spender­ organen und insbesondere an Spenderlungen fehlt, kann nicht allen Patienten geholfen werden. 2019 wurden gemäss Bundesamt für Statistik 39 Lungen­ transplantationen durchgeführt, insgesamt standen in jenem Jahr 91 Personen auf der Warteliste. Im Jahr davor bekamen 42 Personen eine neue Lunge transplantiert, auf der Liste warteten allerdings fast doppelt so viele Menschen.


WAS WIR EINATMEN.


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ATEMLOS IM ALLTAG Im Berner Reha Zentrum Heiligenschwendi werden Menschen mit Lungen­erkrankungen umfassend betreut, unter ihnen derzeit auch viele Covid-Patientinnen und -Patienten. In der Ergotherapie lernen sie, Alltagstätigkeiten so auszuführen, dass ihnen dabei nicht die Luft wegbleibt. VON SUSANNE WENGER

Ergotherapeutin Zara Wyttenbach erklärt Rehapatientin Gertrud Z., wie sie beim Bügeln nicht ausser Atem gerät.

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ann die Luft in Heiligenschwendi noch frischer sein als an diesem Vormittag im März? Der kleine Kurort oberhalb des Thunersees wirkt vom Sturm der Nacht wie durchgeputzt. Das ganz hinten im Dorf gelegene Berner Reha Zentrum Heiligenschwendi führt mehrere Fachbereiche, vom Bewegungsapparat über das Herz bis zu den inneren Organen. Einst erholten sich hier die Tuberkulosekranken: Die Klinik wurde 1895 als erste «Volksheilstätte» der Schweiz eigens für sie eröffnet. Die damals grassierende

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bakterielle Infektionskrankheit greift vorab die Lunge an. Heute kommt die Tuberkulose bei uns nur noch selten vor. Doch pulmonale – das heisst die Lunge betreffende – Reha gehört in Heiligenschwendi nach wie vor zum Angebot. Davon profitieren Menschen mit der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung COPD, mit Asthma, Lungenentzündung, Lungentumoren und weiteren Krankheiten. Durch Corona gewann die stationäre pulmonale Reha nochmals schlagartig an Bedeutung. Denn das neue Virus schädigt bei


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schwerem Verlauf unter anderem ebenfalls die Lunge (siehe Zweittext). Normalerweise seien dreissig bis vierzig der rund 190 Betten mit Lungenpatienten belegt, weiss Renate Marti, Leiterin der Ergotherapie. Seit Ausbruch der Pandemie habe sich der Anteil verdoppelt bis verdreifacht. Die Teamleiterin hat uns draussen vor dem Eingang abgeholt und auf direktem Weg in den Ergotherapieraum geführt. Die Schutz- und Hygieneregeln werden selbstverständlich eingehalten. S AU E R S T O F F I M R O L L AT O R

Wie alle Patienten durchlaufen auch jene in der pulmonalen Reha ein ganz auf sie zugeschnittenes Programm. Es wird von verschiedenen Gesundheitsberufen in enger Zusammenarbeit erbracht. Renate Marti beschreibt den Beitrag der Ergotherapie: «Wir unterstützen die Menschen, sich in der veränderten Lebenssituation zurechtzufinden.» Ziel sei es, sie so gut wie möglich in ihr gewohntes Umfeld zurückzuführen. Ergotherapie befähige die Menschen, mit krankheitsbedingten Einschränkungen in ihren alltäglichen Betätigungen umzugehen: daheim, auf der Arbeit, in der Freizeit. Bei Lungenleiden steht dabei oft die beeinträchtigte Atmung im Vordergrund. Das ist auch bei Gertrud Z. der Fall. Die bald 84-Jährige trifft kurz nach zehn Uhr im Ergotherapieraum ein. Er ist mit allerlei Haushaltsgeräten ausgestattet. Frau Z. wird von Ergotherapeutin Zara Wyttenbach begleitet, die heute mit ihr arbeiten wird. Im Rollator der Patientin ist ein Behälter verstaut, aus dem ihr über ein Schläuchlein und eine Nasenbrille Sauerstoff zugeführt wird. Gertrud Z. hat die chronisch obstruktive Lungenerkrankung COPD. Diese kann von Schadstoffen verursacht werden, am häufigsten Tabakrauch. Das Rauchen hat Gertrud Z. längst aufgegeben. Doch weil ihre Beschwerden jüngst zugenommen haben, wurde der Aufenthalt im Rehazentrum nötig. VO N H I L F S M I T T E L N U N D K N I F F E N

Vor drei Jahren «hets mer böset», erzählt sie in breitem Berndeutsch. Inzwischen gerate sie bei der geringsten Belastung ausser Atem. Schon ein Glas Wasser zu trinken, strenge sie unheimlich an, geschweige denn Treppen zu steigen. Zuhause tat sie immer weniger und war in vielem auf die Unterstützung ihres Mannes angewiesen. Das Haus verliess sie in letzter Zeit kaum mehr, nicht nur wegen der für sie grossen Gefahr durch Corona, auch aus Angst vor der Atemnot. «Es macht mir zu schaffen, dass ich nicht mehr so mag», bekennt sie. Sie sei immer auf Achse gewesen. Gertrud Z. war früher eine sehr aktive Frau. Sie ist vierfache Mutter und arbeitete über vierzig Jahre bei der Post. In der Ergotherapie im Rehazentrum erfährt sie, wie sie Aktivitäten trotz COPD wieder aufnehmen und so ausüben kann, dass ihr nicht die Luft wegbleibt. Bereits ein Thema war die Körperpflege. Dank Hilfsmitteln und umsichtiger Organisation der Utensilien im Badezimmer sollte das zu Hause wieder selbständiger möglich sein. Der Rehapatientin wurden entlastende Kniffe vermittelt. Zum Beispiel, dass ein Frottee-Bademantel das strapaziöse Abtrocknen erspart. Diesmal geht es in der Ergotherapie ums Bügeln. Gertrud Z. möchte das wieder selber erledigen. «Mir ist wichtig, dass

«Ziel ist, die Menschen in ihr gewohntes Umfeld zurückzuführen.»

Renate Marti, Leiterin Ergotherapie im Berner Reha Zentrum Heiligenschwendi.

die Stoffnastücher glatt gebügelt und schön zusammengelegt sind», sagt sie und muss lachen. DIE KUNST DES L ANGSA MEN BÜGELNS

Ergotherapeutin Zara Wyttenbach misst zunächst mit einer Klemme am Finger den Sauerstoffgehalt im Blut. Er entspricht dem festgelegten Minimalwert. Die Patientin stellt sich nun wie gewohnt ans Bügelbrett. Sie ergreift das extraleichte Bügeleisen, bügelt routiniert und zügig, faltet das Taschentuch akkurat zusammen. Das Ergebnis gefällt ihr, doch sie atmet heftig und muss sich setzen. «Um runterzufahren», wie sie sagt. Nach einer kurzen Pause folgt die zweite Bügelrunde, diesmal sitzend in einem hohen Stuhl. Wieder ein perfektes Arbeitsresultat, wieder Kurzatmigkeit. Das scheint auch von den Emotionen herzurühren. «Ich mache das einfach gern», stösst sie zwischen zwei Atemzügen hervor. Erneut wird der Sauerstoffgehalt gemessen: prompt tiefer, als er sein sollte. Die Ergotherapeutin hat Gertrud Z. genau beobachtet. Sie rät ihr jetzt, sich länger auszuruhen und sich abzustützen, was den Brustkorb entlastet. «Gehen Sie langsamer vor und machen Sie schon während des Bügelns Pausen», sagt Wyttenbach. Auch solle die Patientin darauf achten, die Lippenbremse anzuwenden, eine in der Physiotherapie erlernte Atemtechnik. So kann die alte Luft besser ausgeatmet werden, mehr frische Luft strömt ein. Beim dritten Taschentuch handhabt Gertrud Z. alles genau so. Sie bügelt sitzend, vollführt langsamere Bewegungen, legt das Bügeleisen zwischendurch weg, atmet durch die Lippenbremse. DA N K A L LTAG S H A N D L U N G E N M U T FA S S E N

Die Wirkung der kombinierten Massnahmen ist frappant. Das Atmen fällt leichter, der Sauerstoffgehalt liegt weit im grünen Bereich. Und das Nastuch: picobello. Ein Erfolgserlebnis! «Und, wie fühlt sich das Bügeln an?», fragt Zara Wyttenbach ermunternd. «Gut», antwortet die Patientin. Nur müsse sie «umschalten» und künftig wirklich alles langsamer erledigen, ermahnt sie sich selber. Anschliessend wird noch die Situation zu Hause besprochen: Hat es Platz und

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einen passenden Stuhl, um das Bügeln schonend zu gestalten? Gertrud Z. wird in einigen Tagen vermutlich ohne Sauerstoffzufuhr heimkehren können. Schon jetzt, nach zwei Wochen Reha, braucht sie ihn nur noch, wenn sie sich bewegt. Am Schluss der heutigen Therapie wirkt die Patientin gelöster als zu Beginn. Bevor sie auf ihr Zimmer zurückgebracht wird, sagt sie: «Wenn es richtig Frühling wird, will ich wieder mal für ein paar Schritte nach draussen gehen.» Es tönt fast ein wenig beschwingt. Die COPD-Patientin ist laut den Fachfrauen ein typisches Beispiel dafür, was Ergotherapie in der pulmonalen Reha leisten kann. Aus Angst vor Atemnot würden viele Kranke inaktiv und zögen sich aus ihrem Sozialleben zurück. Das schwäche den Körper und führe zu Isolation. Die Ergotherapie versuche, den schleichenden Prozess umzukehren, erläutert Wyttenbach: «Dabei setzen wir bei einer Aktivität an, für die die Person motiviert ist.» So stehen Gertrud Z.s sorgfältig gebügelte Taschentücher wohl für eine gewöhnliche Alltagshandlung, aber in einem weiteren Sinn auch für bessere Gesundheit, Mut fassen, Teilhabe.

So erlebte die COPD-Patientin unmittelbar, wie sich das an ihre Atemprobleme angepasste Verhalten positiv auswirkte. Ein standardisierter Ergo-Fragebogen erfasst und misst die Fähigkeiten der Patienten in verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens. «Für uns zählt nicht in erster Linie die medizinische Diagnose, sondern die individuelle Situation», erklärt Marti. Auch das Umfeld werde angeschaut, die Angehörigen, die Wohnung. Bei den Covid-19-Patientinnen und -Patienten ist das nicht anders. Seit einem Jahr sehen Renate Marti und ihr Team, wie sich die Erkrankten ins Leben zurückkämpfen. Nach wochenlangem Spitalaufenthalt, auf der Intensivstation und künstlich beatmet, seien sie extrem geschwächt. Viele seien auch psychisch erschüttert: «Die lebensbedrohliche Erkrankung erfasste sie aus dem Nichts.» Im Rehazentrum, wo regelmässig Ergotherapiestudierende des Departements Gesundheit Praktika ab­ solvieren, hat man ad hoc viel über Covid-19 gelernt. Einiges davon soll bei der Ergotherapie ins Konzept einfliessen. Generell wären für pulmonale Ergotherapie mehr Studien, Leitlinien und Ausbildung wünschenswert, so Marti. In der Schweiz gebe es da «noch Luft nach oben». //

«Es macht mir zu schaffen, dass ich nicht mehr so mag.»

SICH INS LEBEN ZURÜCKK Ä MPFEN

Den lungenkranken Menschen soll ein Selbstmanagement ermöglicht werden, fügt die leitende Ergotherapeutin Renate Marti an. Dabei werde auch ihre Wahrnehmung geschult.

blog.zhaw.ch/vitamin-g

LONG COVID FORDERT DIE GESUNDHEITSBERUFE Nach einer Infektion mit dem Coronavirus kämpft ein Teil der Betroffenen noch nach Monaten mit Symptomen – auch bei mildem Verlauf. Unter Long Covid verstehen Fachleute Spätfolgen einer Coro­na-Infektion über die akute Phase hinaus. In der Schweiz gibt ein Viertel der Erkrankten an, auch ein halbes Jahr danach noch nicht auf dem Damm zu sein. Das zeigte eine kürzlich publizierte epidemiologische Studie der Uni­ versität Zürich. Bei den Patientinnen und Patienten, die im Berner Reha Zentrum Heiligenschwendi betreut werden, handelt es sich hauptsächlich um schwer Erkrankte nach längerem Aufenthalt auf der Intensivstation. Ihre Lungenfunktion ist noch beeinträchtigt, weiss Thomas Riegler, Leiter der pulmonalen Physiotherapie im Rehazentrum und Dozent im Bachelorstudiengang Physiotherapie an der ZHAW. Er sagt: «Die Menschen haben mit einem starken Abfall der Sauerstoffsättigung zu kämpfen, vor allem in Bewegung.» Das verursache Atemnot und schränke die Leistungsfähig­keit ein. «Leider sehr viele» bräuchten immer noch zusätzlichen Sauerstoff. Wie die Ergotherapie zielt auch die Physiotherapie in der Reha darauf ab, das Selbstmanagement zu fördern: «Die Patienten erlernen Atemtechniken», führt Riegler aus, «dazu absolvieren sie ein an ihre individu­ 26

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elle Belastungsgrenze angepasstes Kraft- und Koordinationstraining.» Bei einem schweren Covid-Verlauf ist das Risiko für anhaltende Symptome höher. Doch Spätfolgen der Virusinfektion können auch auftreten, wenn jemand nicht ins Spital musste. In der Zürcher Studie war das bei über zwanzig Prozent der leicht Erkrankten der Fall. US-Forscherinnen beschreiben bis zu fünfzig Covid-Langzeiteffekte, von enormer Müdigkeit über Husten, Kurzatmigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten bis zu Herzrasen und Gelenkschmerzen. Ambulante Angebote im Aufbau Über die Zusammenhänge weiss die Forschung erst wenig. Doch im Gesundheitswesen bereitet man sich vor, auch in Heiligenschwendi. «Wir sind dabei, ambulante Angebote zu organisieren», sagt Riegler. Diese seien als Aufbauprogramme für Menschen nach milderen Verläufen gedacht, denen keine Reha angeboten wird. Bei der Finanzierung gibt es offene Fragen, allerdings zeichnet sich ab: Wenn ein Viertel von Long Covid betroffen ist, wird der Bedarf gross sein. Bis Mitte März 2021 zählte die Schweiz über 580 000 labor­bestätigte Corona-Infektionen. Dazu kommt eine Dunkelziffer. Ergo- und Physiotherapie wie auch andere Gesundheitsberufe dürften noch länger gefordert sein. Einige Erfahrungen aus der Praxis mit Covid-Patienten hat Riegler deshalb auch schon in den Unterricht an der ZHAW eingebaut.


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«VIELEN ERKR ANK TEN FEHLT DER INNERE ANTRIEB» Für Menschen mit der Lungenerkrankung COPD ist jede körperliche Anstrengung eine Qual. Im Alltag schonen sich deshalb viele, was der Krankheit weiter Vorschub leistet. Beratungsgespräche während einer Rehabilitation können Betroffene zu mehr Bewegung motivieren, wie ein Forschungsprojekt des Instituts für Physiotherapie zeigt. VON MARION LOHER

Menschen mit einer fortgeschrittenen COPD geraten schon bei normalen Alltagsaktivitäten ausser Atem. Umso wichtiger ist es, die Abwärtsspirale der Krankheit früh mit genügend Bewegung zu bekämpfen.

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uerst bleibt ihnen beim Treppensteigen die Luft weg, dann sind es schon kleinste Schritte und Handgriffe, die sie ausser Atem bringen: Menschen, die an der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung COPD leiden, können körperlich immer weniger leisten. In schweren Fällen gelingt es ihnen gerade noch, bis zur Haustüre zu gehen. COPD engt die Atemwege langsam, aber stetig ein, es kommt zu Atemnot. Die Folge: Die Betroffenen vermeiden, sich körperlich anzustrengen. Dies wiederum wirkt sich negativ auf die Krankheit aus. Schonen sich COPD-Erkrankte, nimmt ihre Leistungsfähigkeit ab, die Atemnot verschlimmert sich und die soziale Isolation wird grösser. Verschiedene Studien haben zudem einen Zusammenhang zwischen geringer körperlicher Bewegung und Hospitalisation sowie Tod aufgezeigt.

T R A I N I N G W I R D N I C H T I N A L LTAG I N T E G R I E R T

In der Schweiz dürfen Menschen mit COPD einmal im Jahr an einer pulmonalen Rehabilitation teilnehmen. Dieses Programm ist international standardisiert und gut erforscht. Man weiss, dass die Rehabilitation die körperliche Leistungsfähigkeit und die Muskelkraft erhöht. Man weiss aber auch, dass ein grosser Teil der Betroffenen die Übungen aus dem Programm nicht in den Alltag übernimmt. Wie kann dem entgegengewirkt werden? Und wie können COPD-Erkrankte darin unterstützt werden, auch zu Hause aktiv zu sein? Fragen, die sich die Sozialwissenschaftlerin Mandy Scheermesser und die Physiotherapeutin Anne-Kathrin Rausch gestellt haben. Beide sind als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Institut für Physiotherapie tätig. «Vielen COPD-Erkrankten fehlt der innere Antrieb, das selbständige

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Training in ihren Alltag zu integrieren», sagt Anne-Kathrin Rausch. Abhilfe schaffen könnte hier eine Bewegungsberatung, bei der Betroffene zu mehr physischer Aktivität motiviert werden. Ob dies tatsächlich gelingen kann, haben die beiden Wissenschaftlerinnen im Rahmen eines Forschungsprojekts untersucht. Basierend auf den Prinzipien der «Motivierenden Gesprächsführung», einem psychologischen Konzept, das Verhaltensveränderungen fördern soll, wollten sie herausfinden, wie sich Bewegungsberatungen auf die Motivation von COPD-Erkrankten auswirken. Ziel der Studie war es, die körperliche Alltagsaktivität dieser Menschen langfristig zu erhöhen. R AT S C H L ÄG E W E R D E N K E I N E E R T E I LT

Das Forschungsprojekt wurde vom Institut für Physiotherapie in Zusammenarbeit mit dem Kantonsspital Winterthur (KSW) und mit finanzieller Unterstützung der Lungenliga Schweiz durchgeführt. Es gab eine quantitative und eine qualitative Datenerhebung, wobei ausschliesslich COPD-Erkrankte angefragt wurden, die an der ambulanten pulmonalen Rehabilitation «PneumoReha» am KSW teilnahmen. 43 Personen sagten für die Studie zu. Alle absolvierten im Zeitraum von Juni 2015 bis März 2020 ein zwölfwöchiges Rehabili­tationsprogramm. Dabei bekam eine Gruppe der Teilnehmenden zusätzlich fünf Mal eine 30-minütige Be­ wegungs­beratung durch einen Physiotherapeuten oder eine Physiotherapeutin. «Das Spezielle bei diesen Gesprächen ist, dass die Therapeutinnen und Therapeuten keine Ratschläge geben», sagt Anne-Kathrin Rausch. «Die Patientinnen und Patienten sollen durch die Beratung eine Ambivalenz spüren und ihr Verhalten gegenüber ihrer körperlichen Betätigung von sich aus ändern wollen.» Wo die Teilnehmenden bezüglich ihrer Fitness stehen, wurde vor, während und drei Monate nach der Lungenrehabilitation gemessen. Im Anschluss an das Programm sowie drei Monate später fanden zudem Interviews mit 18 Probanden – acht Frauen und zehn Männer im Durchschnittsalter von 71 Jahren – statt. Dabei wurden sie unter anderem gefragt, wie sie Bewegung im Alltag integrieren, was ihnen das Reha-Programm gebracht hat und ob die Beratung nützlich war.

dernisse zu überwinden. Dadurch gewannen sie das Vertrauen in sich und ihren Körper zurück. Oder wie es ein Proband sagte: «Wenn man diese Kurzatmigkeit erlebt, wird man ein bisschen panisch. Die Therapeuten waren aber in der Lage, diese Panik aufzulösen, indem sie mich motiviert haben, weiterzumachen. Das hat mir sehr gutgetan. Ich konnte es auch zu Hause umsetzen. Ich habe mehr Selbstvertrauen, und ich weiss, wenn es mir nicht gut geht, wenn ich Probleme mit der Atmung habe, kann ich mir selbst helfen.» Personen des zweiten Typs sind moderat aktiv und zeichnen sich durch einen Mix aus Eigen- und Fremdmotivation aus. «Ich muss mir jedes Mal einen Schubs geben, damit ich etwas extra tue», sagte ein Studienteilnehmender, der dieser Kategorie zugeordnet wurde. Während des Programms konnten einige von ihnen ihr Fitnessniveau verbessern. Sie habe weniger Atembeschwerden als vorher, sagte eine Person und eine andere meinte: «Schliesslich kann ich nicht einfach auf dem Stuhl sitzen und warten, bis es besser wird. Wenn ich jedoch etwas tue, dann wird es besser.» Im Vergleich zu Typ 1 ist der innere Antrieb der Menschen in der zweiten Gruppe deutlich geringer. «Bei einigen konnte durch das Pneumo-Rehaprogramm jedoch die intrinsische Motivation gestärkt werden», so Wissenschaftlerin Rausch. Dies kam insbesondere bei jenen Patienten vor, die sich selbst nicht unbedingt als sportlich bezeichneten. G E M E I N S A M E A K T I V I TÄT E N A L S M O T I VAT I O N

Auch bei den Probanden des dritten Typs konnten Veränderungen im Verhalten festgestellt werden. Allerdings waren diese «klein, aber dennoch wichtig». So berichteten die Probanden beispielsweise davon, öfter mit dem Velo statt mit dem Bus in die Stadt zu fahren oder nicht den Lift, sondern die Treppe zu nehmen. Die Personen sahen die Teilnahme am Rehaprogramm als grossen Vorteil, da ihre Motivation vor allem von aussen gesteuert und ihr Aktivitätsniveau eher niedrig bis moderat ist. Sie nahmen bewusst wahr, dass sich ihre körperliche Fitness verbessert hatte, und freuten sich. «Ich habe meine Leistung auf den Trainingsgeräten seit Beginn des Programms und auch auf dem Übungszyklus mehr oder weniger verdoppelt. Das Ergebnis war sehr gut», sagte ein Proband. Wichtige Motivationsfaktoren sind für Probanden des Typs 3 gemeinsame Erfahrungen und Aktivitäten mit anderen, wie Fussball spielen mit Enkelkindern, Modellfliegen mit Kollegen oder Reisen mit Ehepartnern oder Freunden. Noch stärker wirken diese externen Faktoren bei den Personen des vierten Typs. «Motivierend sind für sie vor allem Verpflichtungen wie mit dem Hund hinausgehen oder regelmässige Besorgungen», sagt Mandy Scheermesser. Darüber hinaus werden diese Menschen von anderen Personen wie ihrem Lungenarzt oder ihren Ehepartnern beeinflusst: «Weil der Arzt mich immer damit ärgert», sagte beispielsweise ein Proband. Ein weiterer starker Motivator sind die möglichen negativen Folgen von COPD, die Betroffene aus nächster Nähe miterleben. Er habe eine Schwester, die auf Sauerstoffbehandlung angewiesen sei. Sie sei in einem Pflegeheim und es gehe ihr nicht so gut. Das wolle er noch nicht,

«Sie waren weniger ängstlich, fühlten sich stark.»

B E R AT U N G W I R K T E U N T E R S C H I E D L I C H S TA R K

Eines der wichtigsten Resultate der Studie: Die Forscherinnen konnten die Teilnehmenden in vier Kategorien aufteilen. Die Spannbreite reichte dabei von jenen, die sich durch die Beratungsgespräche sehr gut motivieren liessen, bis hin zu jenen, die weniger Lust hatten, das Training auch nach der ambulanten Reha weiterzuführen. Typ 1 ist von Haus aus sehr aktiv und äusserst motiviert, bei diesen Personen funktionierte die Beratung besonders gut. «Sie waren stolz auf das, was sie erreicht hatten», sagt Mandy Scheermesser. «Sie waren weniger ängstlich, fühlten sich stark und konnten wieder selbst Freude an der Bewegung finden.» Im Laufe des Rehaprogramms lernten sie, eigene Strategien zu entwickeln, um auf schwierige Situationen zu reagieren und Hin28

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sagte ein Teilnehmender. Im Laufe des Pneumo-Rehaprogramms konnten die meisten Typ-4-Patienten ihre körperliche Leistungsfähigkeit verbessern, allerdings beschränkte sich dies auf die Zeit der Reha und auf jene Aktivitäten, die sie bereits vor dem Programm gemacht hatten, wie Spaziergänge, einkaufen oder im Haushalt arbeiten. R E H A U N D B E R AT U N G H A B E N P O S I T I V E N E F F E K T

Mit dieser Typologie sollen Menschen mit COPD künftig noch besser unterstützt werden, um physisch fit zu bleiben. «Damit wäre es möglich, massgeschneiderte Beratungsin-

terventionen zu etablieren, die in ambulante Rehaprogramme eingebettet werden können», sagt Anne-Kathrin Rausch. Für die beiden Wissenschaftlerinnen hat die Studie gezeigt, dass sich die Reha in Kombination mit einer Bewegungsberatung positiv auf die körperliche Aktivität von COPD-Erkrankten auswirken kann. «Die Gespräche können für die Betroffenen ein Anstoss sein, um ihre persönliche Situation zu überdenken», sagt Mandy Scheermesser. Dies wiederum kann dazu beitragen, dass die Betroffenen weniger auf externe Faktoren hören, ihren inneren Antrieb stärken und so auch ausserhalb des Programms körperlich aktiv bleiben. //

WEIT VERBREITETE, SCHLEICHENDE KRANKHEIT In der Schweiz leiden rund 400 000 Menschen an der chronisch obstruktiven Lungenkrankheit COPD. Sie entwickelt sich schleichend und bleibt meist lange Zeit unbemerkt. Häufig ignorieren die Betroffenen erste Symptome. In der Regel wird die Krankheit zwischen dem 40. und 55. Alters­jahr entdeckt. Ursache ist fast immer das Einatmen von Schadstoffen über eine längere Zeit, meist sind deshalb Raucherinnen und Raucher betroffen. Im Volksmund wird die Krankheit darum häufig als Raucherlunge bezeichnet.

Schleim blockiert die Atemwege zusätzlich. Beim Lungen­ emphysem vergrössern und vereinen sich die Lungenbläschen dauerhaft. Sie können die eingeatmete Luft nicht mehr abge­ ben, was zu einer Überblähung der Lunge führt. Sind die Bronchien und Bronchiolen sowie die Lungenbläschen durch die Dauerbelastung geschädigt, kommt es zu den typischen Symptomen wie Auswurf, Husten und Atemnot. Letztere ist die schlimmste Folge von COPD: Für Betroffene fühlt es sich an, als atmeten sie durch einen Strohhalm.

COPD kommt in unterschiedlichen Ausprägungen vor, zeich­ net sich in vielen Fällen jedoch durch eine Kombination aus chronischer Bronchitis und einem Lungenemphysem aus (siehe Grafik). Bei der chronischen Bronchitis sind die Bronchien und Bronchiolen dauerhaft entzündet und verengt, zäher

Wichtig ist, dass COPD frühzeitig erkannt wird. Durch einen Rauchstopp lässt sich das Fortschreiten der Krankheit ver­ langsamen. Medikamente lindern die Beschwerden und ein körperliches Training erhöht die Leistungsfähigkeit. COPD ist zwar nicht heil-, mittlerweile aber gut behandelbar.

GESUNDE LUNGENBLÄSCHEN (ALVEOLEN)

LUNGENEMPHYSEM

Luft bleibt in den Alveolen Alveolen vergrössern und vereinen sich GESUNDE BRONCHIEN/ CHRONISCHE BRONCHITIS BRONCHIOLEN

Entzündete und verengte Atemwege Zäher Schleim

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LEBENSQUALITÄT BIS ZUM LETZTEN ATEMZUG Die nichtmedikamentöse Therapie ist in der Palliative Care sehr bedeutend, gerade auch, wenn es um Atemnot geht. Mit einem effizienten Dyspnoe-Management lassen sich Ängste und Beschwerden lindern. VON MARION LOHER

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temnot, auch Dyspnoe genannt, ist nicht nur bei COPD-Erkrankten ein typisches Symptom, sondern auch bei Patientinnen und Patienten, die palliativ behandelt werden. 80 Prozent der Krebserkrankten haben in ihren letzten Lebensstunden Mühe beim Atmen; auch bei Nicht-Tumorpatienten ist Dyspnoe das häufigste Symptom im letzten Lebensjahr. Die meisten Betroffenen fürchten sich vor Atemnot fast mehr als vor Schmerzen. Das Gefühl, keine Luft zu bekommen, löst Angst und Panik aus, was die Beschwerden verstärkt. Es entsteht ein Teufelskreis. Auch für Angehörige ist die Situation belastend.

In den letzten Stunden ihres Lebens fällt das Atmen vielen Menschen schwer.

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Doch die Angst vor der Atemnot muss nicht sein. Die Behandlungsmöglichkeiten sind heute sehr gut. Nebst einer medikamentösen Therapie gibt es pflegerische Interventionen, welche die Beschwerden lindern. Dazu gehören Sauerstoffzufuhr, beruhigende Gespräche oder entspannende Massagen. Diese Massnahmen sind wichtig, weil die Atemnot nicht nur physische Ursachen hat, sondern auch psychische, soziale oder spirituelle. «Die Angst vor dem Abschiednehmen, die Sorge um Angehörige oder finanzielle Belastungen können bei manchen wie ein schwerer Stein auf der Brust liegen und die Atmung beeinträchtigen», sagt Sara Häusermann, Leiterin Entwicklung und Pädagogik des Bachelorstudiengangs Pflege und Dozentin an der ZHAW. Aus ihrer langjährigen Tätigkeit als Pflegefachfrau in der Palliative Care weiss sie, dass ein Dyspnoe-Management – ein abgestimmtes Zusammenspiel von medikamentöser und nichtmedikamentöser Therapie – vielen Betroffenen Lebensqualität bis zum letzten Atemzug ermöglichen kann. Vertrauen schaffen und Ruhe bewahren Die Basis jedes Dyspnoe-Managements ist eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Patienten und Pflegenden. «Ohne dieses Vertrauen wirken auch die therapeutischen Interventionen in der Regel weniger», sagt Häusermann. Schwer erkrankte Menschen haben oft ein feines Gespür für ihre Umgebung. Gerade in Notfallsituationen kann sich Anspannung oder Verzweiflung von den Betreuungspersonen auf die Betroffenen übertragen. Wichtig ist deshalb, dass Pflegefachkräfte Strategien entwickeln, wie sie in belastenden Situationen Ruhe bewahren oder diese wieder erreichen, bevor es zu den eigentlichen pflegerischen Interventionen kommt. Die Expertin sieht hierfür verschiedene Möglichkeiten, wie zum Beispiel die eigene Körperwahrnehmung aktivieren, die Füsse bewusst auf dem Boden platzieren sowie tief ein- und ausatmen. Ein zentrales Element des Dyspnoe-Managements ist die Kommunikation – sowohl mit den Betroffenen als auch mit den Angehörigen. Dabei sollte auf eine beruhigende, aber nicht bagatellisierende Wortwahl geachtet werden. Die Angehörigen während eines Notfalls vor die Türe zu schicken, hält Häusermann für falsch. «Aus Studien weiss man, dass es dadurch Probleme bei der Verarbeitung des Ereignisses geben kann.» Besser ist es, die Angehörigen in die Intervention miteinzubeziehen, ihnen Aufgaben zu geben, wie das Fenster zu öffnen oder das Kissen aufzuschütteln. «Dadurch erfahren sie Selbstwirksamkeit im Sinne von etwas getan zu haben. Sie fühlen sich gebraucht.» Mit Simulation realitätsnah lernen Das Dyspnoe-Management erfordert von den Pflegenden ein hohes Mass an Kompetenz und Empathie. Um die Studierenden auf die herausfordernde Praxissituation vorzube­ reiten, gibt es im Modul «Palliative Care» des Bachelorstudiengangs am Departement Gesundheit eine High-Fidelity-Simulation, mit der sie unter anderem lernen, die verschiedenen therapeutischen Interventionen realitätsnah anzuwenden. Häusermann hat mit zwei Kolleginnen diese Simulation entwickelt. Sie wird ab 2023 auch bei der interpro­ fessionellen Weiterbildung in Palliative Care zum Einsatz kommen. //


EINFACH MAL DIE LUFT ANHALTEN.


FORSCHUNG

VERSORGUNG PER CHAT UND VIDEOCALL Während des Lockdowns im Frühling 2020 versorgten viele Ergotherapeutinnen und Hebammen ihre Klientinnen und Klienten über digitale Kanäle. Auch wenn die Erfahrung mehrheitlich als positiv beurteilt wurde, hat die Versorgung auf Distanz ihre Grenzen und Hürden. VON TOBIAS HÄNNI

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ann eine Wochenbettbetreuung auf Distanz funktionieren? Und wie geeignet sind digitale Kanäle für die ergotherapeutische Arbeit? Eine gemeinsame Studie der beiden Forschungsstellen Ergotherapie und Hebammenwissenschaft am Departement Gesundheit ist diesen Fragen nachgegangen. Dafür untersuchte das interprofessionelle Forschungsteam, ob und wie Ergotherapeutinnen und -therapeuten sowie Heb-

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ammen während des ersten Lockdowns im Frühling 2020 ihre Klientinnen und Klienten über digitale Kanäle wie beispielsweise Videotelefonie, Chat oder E-Mail versorgten. Denn der mehrwöchige Stillstand und die Einschränkungen des öffentlichen Lebens hatten massive Auswirkungen auf die Arbeit dieser zwei Berufsgruppen: Aufgrund des Infektionsrisikos und des Besuchsverbots verliessen Wöchnerinnen viel

rascher das Spital, ambulante Ergotherapien wurden ausgesetzt. Wie die Studie zeigt, hat während dieser Phase ein Grossteil der Ergotherapeutinnen und -therapeuten sowie der Hebammen ihre Klientinnen und Klienten auf Distanz beraten und betreut. Etwa 80 Prozent der Hebammen und rund 68 Prozent der Ergotherapeutinnen arbeiteten im Lockdown über digitale Kanäle weiter, so das Ergebnis der Studie, für die 1269 Fachpersonen beider Professionen an einer Online-Befragung teilgenommen haben. Für Vorbereitungen fehlte die Zeit Für das Projektteam war dieser hohe Anteil an Beratung und Betreuung auf Distanz nicht erstaunlich. «In beiden Berufen wurden digitale Kanäle wie Mail oder Videotelefonie schon vor der Pandemie für die Kommunikation und die Betreuung von Klientinnen und Klienten eingesetzt», sagt Brigitte Gantschnig, Co-Leiterin der Studie von der ZHAW-Forschungsstelle Ergotherapie. Eher überraschend sei jedoch, «dass viele Ergotherapeutinnen und -therapeuten die Arbeit auf Distanz so positiv beurteilt haben.» Über 67 Prozent


FORSCHUNG

Geburtsvorbereitung am Laptop? Eine Studie des Departements Gesundheit zeigt: Das ist grundsätzlich möglich.

von ihnen bewerteten die Versorgung auf Distanz als positiv oder mehrheitlich positiv (siehe Grafik). Angesichts fehlender Vorbereitungszeit und Schulungen für den professionellen Umgang mit digitalen Kanälen habe sie mit einem negativeren Urteil gerechnet, so Gantschnig. Bei den Hebammen fiel das Urteil deutlich negativer aus: Knapp 40 Prozent bewerteten die Arbeit über digitale Kanäle als positiv oder eher positiv, über 57 Prozent dagegen als negativ oder mehrheitlich negativ. «Die im Vergleich zur Ergotherapie eher kürzeren Beziehungen zu den Klientinnen könnten einer der Gründe dafür sein, weshalb Hebammen digitale Kanäle als weniger geeignet für ihre Arbeit ansehen», vermutet Susanne Grylka von der Forschungsstelle Hebammenwissenschaft. Für die Versorgung auf Distanz wurde von den befragten Fachperso­ nen das Telefon am häufigsten ein­gesetzt, gefolgt von Chats – etwa über Whats­App –, Mails, Videotele­fonie und SMS. Als geeignetsten Kanal für ihre Arbeit sahen beide Berufsgruppen die Videotelefonie. «Der Grund dafür liegt vermutlich darin, dass sie der persönlichen Begegnung am nächsten kommt», sagt Susanne Grylka. Doch obwohl die Videotelefonie von über 90 Prozent der Studienteilnehmenden als geeignet für die Versorgung auf Distanz beurteilt wurde, nutzten nur etwas mehr als 50 Prozent während des Lockdowns diesen

Kanal. «Mögliche Gründe für diese Diskrepanz könnten eine mangelnde Vertrautheit sowie Bedenken bezüglich Datenschutz sein.» Auf Distanz ist nicht alles möglich Wie die Studie zeigt, bot die Versorgung auf Distanz den Vorteil, dass die Beziehungen zu den Klientinnen und Klienten während des Lockdowns aufrechterhalten werden und Konsultationen weiterhin durchgeführt werden konnten. Auch die Reduktion der unbezahlten Reisezeit und der Arbeitsbelastung – Letztere dank der unkomplizierteren Bearbeitung einfacher Klientinnenanfragen – wurde als positiv bewertet. Dagegen sahen sich die Gesundheitsfachpersonen nur bedingt in der Lage, komplexe Sachverhalte auf Distanz zu erkennen und zu beurteilen. Ausserdem können, so das Urteil der Studienteilnehmenden, zahlreiche Interventionen und Untersuchungen gar nicht über die digitalen Kanäle durchgeführt werden. Auch die eingeschränkte Kommunikation und der dadurch beschränkte Beziehungsaufbau wurden bemängelt. Die Studienteilnehmenden äusserten sich auch zur Frage der Rückerstattung durch die Krankenkassen für die Versorgung über digitale Kanäle: Lediglich 17 Prozent gaben an, die Kosten vollumfänglich vergütet bekommen zu haben, 56 Prozent erhielten eine Teilvergütung und 12

«Viele haben gratis gearbeitet.»

Beurteilung von Beratung und Betreuung über digitale Kanäle ■ negativ

■ eher negativ ■ eher positiv ■ positiv ■ weiss nicht

25,2 %

44,1 %

23,3 %

5,5 %

Ergotherapeut/-in 6,2 %

51,3 %

30,3 %

9,2 %

Hebamme Quelle: ZHAW-Studie «Ressources and barriers of health care at a distance».

RESOURCES AND BARRIERS OF HEALTH CARE AT A DISTANCE Projektleitung: Prof. Dr. Brigitte Gantschnig, Prof. Dr. Jessica Pehlke-Milde Projektteam: Thomas Michael Ballmer, Dr. Michael Gemperle, Dr. Susanne Grylka, Prof. Dr. Verena Klamroth-Marganska Projektpartner: ErgotherapeutInnen-Verband Schweiz EVS, Schweizerischer Hebammenverband SHV gaben an, keine Rückerstattung erhalten zu haben. 15 Prozent machten keine Angaben zur Vergütung. «Viele haben gratis gearbeitet, weil sie die Arbeit nicht oder nur teilweise verrechnen konnten», sagt Brigitte Gantschnig. Während des Lockdowns hätten die Krankenkassen die Kosten für gewisse Versorgungsdienstleistungen auf Distanz zwar übernommen – aber nur, wenn diese über bestimmte Kanäle erfolgten. «So wurden in der Ergotherapie zwar Videotelefonate vergütet, nicht aber normale Telefongespräche.» Hoher Bedarf an Unterstützung Die fehlende Vergütung durch die Krankenkassen ist denn auch jener Aspekt der digitalen Versorgung, zu dem sich die meisten der befragten Hebammen und Ergotherapeutinnen mehr Informationen und Unterstützung wünschen (rund 71 %). Aber auch zu den gesetzlichen Grundlagen und zum Datenschutz, zu geeigneten Methoden und Anwendungen oder bezüglich kantonaler und nationaler Verordnungen äusserten viele Fachpersonen Unterstützungsbedarf. «Soll sich die Versorgung auf Distanz in der Geburtshilfe und der Ergotherapie etablieren, braucht es entsprechende Weiterbildungen», sagt Susanne Grylka. Daneben müsse vor allem die Vergütung durch die Krankenkassen geklärt werden. Klar ist für die Forscherinnen aber auch: «Eine Versorgung über digitale Kanäle kann die herkömmliche Arbeit von Ergotherapeutinnen und Hebammen nicht ersetzen. Aber sie kann eine sinnvolle Ergänzung sein.» //

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STUDIUM

BRILLE AUFSETZEN, IN DIE PRAXIS EINTAUCHEN Im Bachelorstudium Ergotherapie werden Virtual-Reality-Brillen eingesetzt, um Studierenden die Lebenswelten ihrer künftigen Klien­tinnen und Klienten näherzubringen. Die Technologie dürfte bald auch in anderen Studiengängen am Departement Gesundheit zum Einsatz kommen. VON TOBIAS HÄNNI

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ie helfen angehenden Pilotinnen, Flugmanöver zu üben, Chirurgen, sich auf schwierige Operationen vorzubereiten und Ingenieurstudierenden, den Aufbau von komplexen Maschinen zu verstehen: Virtual-Reality-Brillen werden seit einigen Jahren in der Ausbildung und in der Praxis verschiedenster Berufe eingesetzt. Im letzten Herbstsemester wurden sie zum ersten Mal auch im Er­go­ therapiestudium am Departement Gesundheit genutzt: Studierende des ersten Semesters setzten sich im Unterricht zum Thema Professional Reasoning VR-Brillen auf und «besuchten» mit einer Ergotherapeutin das Zuhause von Klientin Yvonne Luginbühl. Ein eigens für den Unterricht produzierter 360-Grad-Film ermöglichte es ihnen, sich in der Wohnung der 55-Jährigen mit einer cerebralen Bewegungsstörung umzuschauen und ihren Alltag kennenzulernen. Zwischen den Filmsequenzen schilderten sie ihre Wahrnehmungen, Beobachtungen und Reflexionen und wurden so praxisnah an das Thema herangeführt. «Professional Reasoning ist ein komplexes Konzept mit zahlreichen Untertypen. Wirklich zu begreifen, was damit gemeint ist, war bisher für die Studierenden zu Beginn ihrer Ausbildung schwierig», sagt Maria Auer, Modulverantwortliche und Mitinitiantin des VR-Unterrichts. Mit Virtual Reality werde die abstrakte Theo-

rie sicht- beziehungsweise erlebbar. «Und sie ermöglicht den Studierenden, schon früh im Studium eine Klientin zuhause zu besuchen. Das ist mit einer ganzen Kohorte in der Realität schlicht nicht möglich.» Seltene Situationen simulieren Der Unterricht mit den VR-Brillen kommt laut Maria Auer bei den Studierenden gut an. «Die Feedbacks sind sehr positiv. Das Teilhaben am Alltag der Klientin, das Eintauchen in die Thematik – das hat die Studierenden fasziniert. Und es half ihnen, Theorie und Praxis zu verknüpfen.» Einige Studierende hätten den Unterricht aber auch als anstrengend   empfunden. Verständlich, wie Auer sagt: «VR ist für das Gehirn eine völlig neue Erfahrung.» Die stellvertretende Leiterin des Bachelorstudiengangs ist trotzdem überzeugt, dass das virtuelle Eintauchen in die Welt einer Klientin oder eines Klienten ein nachhaltiges Lernen fördert. Das anfängliche Pilotprojekt wird deshalb nun fixer Bestandteil des Studiums. So wurde im laufenden Semester ein zweiter Film produziert, dieses Mal zum Thema Wohnraumanpassung. «VR eignet sich für Situationen und Themen, denen die Studierenden in den Praktika nicht zwingend begegnen, die aber für die Ergotherapie wichtig sind. Dazu gehört beispielsweise der Einblick in eine Messiewohnung», sagt Auer. Mit VR liessen sich ausserdem gut grundlegende

«Mit Virtual Reality wird die abstrakte Theorie sicht- respek­t ive erlebbar.»

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Themen und Theorien vermitteln, bei denen ein gewisses Schema angewendet werde. «Sobald individuelle Entscheide ins Spiel kommen, ist der Nutzen der Technologie aber limitiert.» Auch fürs Trainieren von Hands-on-Fertigkeiten eigne sie sich kaum: «Sollen Studierende den Transfer einer Klientin vom Bett in den Rollstuhl üben, bietet sie keinen wirklichen Mehrwert.» Mit den bisher produzierten Filmen beschränkt sich die Erfahrung der Studierenden in der virtuellen Welt deshalb auch aufs reine Beobachten; interagieren können sie nicht. «Der Aufwand, um einen interaktiven VR-Film zu produzieren, wäre nochmals deutlich höher. Und der Nutzen vermutlicher geringer als beim Üben an ‹echten› Klienten und Klientinnen», so Maria Auer. Auch Pflege testet VR-Brillen Nicht nur in der Ergotherapie, auch in anderen Studiengängen am Departement Gesundheit könnten VR-Brillen künftig zum Unterricht gehören. So wird im Bachelor Pflege derzeit ein VR-Programm getestet, das Nutzerinnen und Nutzer die menschliche Anatomie näherbringt: Detaillierte 3D-Modelle des Körpers, aber auch einzelner Bestandteile wie des Skeletts oder der Organe können im virtuellen Raum von allen Seiten betrachtet, ihre Funktionsweise und mögliche Erkrankungen nachvollzogen werden. «Mit dem Programm möchten wir erste Erfahrungen mit VR sammeln, um zum Beispiel den Betreuungsaufwand abschätzen zu können», sagt Fabian Gautschi, der sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bachelor Pflege mit High-Fidelity-Simulationen und E-Learning befasst. Grundsätzlich sei das Potenzial von VR für den Pflegeunterricht gross, ist Gautschi überzeugt. «In der virtuellen Welt kann man den Studierenden komplexe Themen und Abläufe sehr anschaulich und praxisnah näherbringen.» Das Clinical Reasoning etwa, das sich im Unterricht nur sehr schwer vermitteln lässt und die Pflegestudierenden häufig erst in der Praxis richtig lernen. Geplant ist zudem, mit-


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talen Kompetenzen der angehenden Hebammen fördern, die im Alltag zunehmend an Bedeutung gewinnen, so Schwager. Wie im Bachelor Pflege sind realitätsnahe Simulationen mit Hightech-Mannequins auch bei den Hebammen fixer Bestandteil des Unterrichts: Im dritten und im sechsten Semester werden mit den Simulationsmodellen, die unter anderem bluten und atmen können, Notfallsituationen geübt. «Das können schwere Blutungen bei der Mutter sein, eine Steisslage oder Komplikationen beim Neugeborenen nach einem Kaiserschnitt», sagt Mona Schwager. Für solche Situationen biete das Training mit den Modellen, aber auch in der virtuellen Realität riesige Vorteile. «Die Studentinnen können in einer sicheren Umgebung üben, was in einem Notfall zu tun ist, ohne dass bei einem Fehler jemand zu Schaden kommt. Damit sind sie für kritische Situationen in der Realität gewappnet, bei denen korrektes Handeln über Leben und Tod entscheiden kann.»//

VIRTUAL REALITY IN DER BEHANDLUNG

Ergotherapiestudierende besuchen in der virtuellen Realität eine Klientin. Die Technologie ermöglicht es, komplexe Themen wie das Professional Reasoning fassbarer zu machen.

hilfe der Technologie Studierende an spezielle Pflegesituationen heranzuführen. «Sie müssen dann zum Beispiel in einem virtuellen Patientenzimmer einen Notfall bewältigen und dabei Vitalzeichen messen und Massnahmen einleiten», erklärt Gautschi. VR könne eine sinnvolle Ergänzung zum Training mit High-Fidelity-Simulationen sein, in denen die Studierenden an lebensechten Mannequins etwa motorische Fertigkeiten üben. «Unsere Hoffnung ist, dass sich mit VR-Anwendungen das Prozedurale, also wie eine Entscheidungsfindung abläuft oder eine Massnahme eingeleitet wird, noch besser üben und analysieren lässt.»

Üben ohne schwerwiegende Folgen Als Ergänzung zu bestehenden Simulationstrainings soll VR mittelfristig auch im Bachelorstudiengang Hebamme zum Einsatz kommen, sagt Co-Studiengang­­lei­ terin Mona Schwager. «Mit VR-Brillen könnten wir die Studentinnen noch vor dem ersten Praktikum in den geburtshilflichen Praxisalltag eintauchen und sie etwa einen Wochenbettbesuch bei einer Klientin zuhause oder interkulturelle Begegnungen erleben lassen.» Auch die Erfahrung, in einem Team zu handeln und zu kommunizieren, lasse sich in der virtuellen Welt gut vermitteln. Daneben könne der Einsatz der Technologie auch die digi-

Im Schwerpunkt Professionsentwicklung des MSc Physiotherapie fliesst Virtual Reality (VR) ab 2022 ebenfalls in den Unterricht ein. Im Modul «Neue Techno­ logien in der Physiotherapie» kommt die Technologie zwar nicht direkt zum Einsatz, die Studierenden sollen jedoch ein Verständnis dafür entwickeln, wie sie neben anderen neuen Technologien in der Behandlung von Patientinnen und Patienten genutzt werden kann. «In der Schweiz nehmen die neuen Techno­ logien erst richtig Fahrt auf. So werden Virtual Reality und Augmented Reality in der Phy­siotherapie derzeit erst punktuell ein­gesetzt, zum Beispiel in der Reha­bili­ tation nach Schlaganfällen», sagt Marina Bruderer-Hofstetter, Leiterin des Schwer­ punkts Professionsentwicklung. Das eng mit der ZHAW-Forschungsstelle Physiothe­ rapiewissenschaft entwickelte Modul solle deshalb das Potenzial von VR und anderen neuen Technologien, aber auch ihre Hürden und Grenzen aufzeigen.

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DIENSTLEISTUNG

WO PRAXIS, LEHRE UND FORSCHUNG HAND IN HAND GEHEN Das Therapie-, Trainings- und Beratungs­zentrum Thetriz am Departement Gesundheit bietet der Bevöl­ke­rung verschiedene Therapien und Behand­lungen an. Und es eröffnet den Studierenden die einzigartige Möglichkeit, schon zu Beginn ihrer Aus­ bildung Erfahrungen mit echten Patientin­nen und Patienten zu sammeln. VON ANDREA SÖLDI

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uf den ersten Blick wirkt das Thetriz wie eine ganz normale Praxis: Eine Rezeption, ein kleiner Warteraum sowie diverse Behandlungszimmer. Wer genauer hinschaut, entdeckt in den Räumen jedoch ungewöhnlich viel Technik: Bildschirme, Kameras, Mikrofone, Kabel. Denn

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das Therapie-, Trainings- und Beratungszentrum im neuen Haus Adeline Favre bildet eine Schnittstelle zwischen Praxis, Lehre und Forschung. Hier werden künftig sämtliche Institute des Departements Gesundheit ihre spezifischen Fachkenntnisse direkt anwenden. Studierende er­ halten zugleich die Gelegenheit, Patientin-

nen und Patienten unmittelbar zu begegnen und unter Anleitung erste Erfahrungen zu sammeln. Der Ansatz ist bis anhin im deutschsprachigen Raum einzigartig. Zusammenspiel als grosser Gewinn Reto Westermann war einer der ersten Patienten im Thetriz, das Anfang Jahr mit einem physiotherapeutischen Angebot den Betrieb aufgenommen hat. Der Winterthurer liess sich wegen eines Tennisarms behandeln – einer Reizung des Sehnenansatzes am Ellenbogen – den er sich beim Aufhängen seines Velos im Zug zugezogen hatte. Nach fünf Sitzungen sind die Beschwerden bereits deutlich abgeklungen. «Ich kann wieder fast schmerzfrei bremsen beim Velofahren», freut sich Westermann. Der Architekturjournalist ist vom Thetriz auch ästhetisch angetan: «Die hohen Räume mit Tageslicht wirken luftig. Und als Patient fühle ich mich wohl, wenn ich von der Behandlungsliege aus auf das


DIENSTLEISTUNG

Physiotherapeut Fabian Pfeiffer behandelt im Thetriz den Tennisarm von Reto Westermann. Spiegelglasscheiben in den Behandlungszimmern des Zentrums erlauben es Studierenden und Dozierenden, Behandlungen aus einem Nebenraum live mitzuverfolgen.

coole Sulzerareal blicken kann.» Ins Thetriz gefunden hat Westermann über seinen Physiotherapeuten, der ihn bereits früher erfolgreich behandelte. Fabian Pfeiffer arbeitet als Therapeut, Dozent und Forscher an der ZHAW. «Das Zusammenspiel dieser drei Bereiche ist ein grosser Gewinn», findet Pfeiffer, der im Rahmen seines Doktorats gegenwärtig zum Thema Rückenschmerzen forscht. Die Daten für dieses Projekt hat er zwar bereits vorgängig zusammengetragen. Doch er ist überzeugt, dass das Thetriz für künftige Forschungsarbeiten deutliche Vorteile bieten wird: «Hier können wir unkompliziert erste Ideen ausprobieren und auch interdisziplinäre Ansätze pflegen.» Gleich in einer der ersten Therapiestunden hat Pfeiffer mit Patient Westermann ein Video erstellt, das er künftig in seinen Vorlesungen nutzen will. «Der Tennisellenbogen ist ein häufiges Thema in der Physiotherapie», erklärt er. Studierende können so unmittelbar beobachten, wie ihr Dozent selber einen betroffenen Patienten behandelt und ihn bei der Ausführung von Übungen anleitet. Sobald die Studierenden wieder mehr Präsenzunterricht haben, werden sie regelmässig selber im Thetriz anzutreffen sein. Bereits im Bachelorstudiengang erhalten sie erste Möglichkeiten, erfahrene Fachpersonen bei ihrer Arbeit zu beobachten – selbstverständlich stets mit Einwilligung der Patienten. «So können sie Theorie und Praxis besser verknüpfen», erklärt Lydia Bucher, Fachverantwortliche der Physiotherapie im Thetriz und ebenfalls Dozentin. «Zudem bauen sie Berührungsängste gegenüber den Patienten ab.» Heikle Gespräche üben Masterstudierende werden im Zentrum unter Anwesenheit von Experten selber Behandlungen vornehmen. Die Interventionen können aufgezeichnet und nachher gemeinsam analysiert werden. Wertvoll ist dieses Vorgehen auch für das Verfeinern sozialer Kompetenzen und Gesprächstechniken. Davon werden besonders angehende Pflegefachpersonen und Hebammen profitieren – etwa wenn sie ein

heikles Familiengespräch führen. Ebenfalls möglich ist es, Behandlungen oder Beratungen direkt in einen Vorlesungssaal oder sogar in eine andere Bildungsinstitution zu übertragen. Weiter können Gruppen von Studierenden Therapien aus einem Nebenraum durch eine Spiegelglasscheibe live mitverfolgen. Schwangerenvorsorge und Fatigue Das Angebot im Thetriz wird seit Anfang Jahr laufend um neue Dienstleistungen erweitert. So bietet das Institut für Ergotherapie seit kurzem Gruppentherapien an für Menschen, die am Erschöpfungssyndrom Fatigue leiden, etwa in­folge von Krebs, Multipler Sklerose, eines Herzinfarkts oder einer In­fek­­tionskrankheit wie Covid-19. Sie lernen gemeinsam, ihren Alltag unter den erschwerten Bedingungen besser zu meistern. Im April startete die erste hebammengeleitete Schwangerenvorsorge-Gruppe unter dem Namen «zäme schwanger» – ein in der Schweiz bisher einmaliges Angebot. Zusätzlich zu den medizinischen Checkups und der Geburtsvorbereitung können die Frauen ihre Erfahrungen austauschen und Kontakte knüpfen. Und im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention werden Workshops zum Thema Stressmanagement und Burnout-Prophylaxe für Privatpersonen und Firmen durchgeführt.

sammenarbeit mit dem Bewegungslabor am Departement, das Analysen von Be­ wegungsabläufen und Muskelaktivitäten durch modernste Technik erlaubt. Notfallsituationen mit Simi üben Dem Thetriz angegliedert sind zudem Simulationsräume mit bester technischer Infrastruktur, in denen sich Studierende auf reale Notfallsituationen vorbereiten können. Auf einem Regal wartet zum Beispiel Simi auf einen Einsatz. Das Modell in der Grösse eines erwachsenen Mannes kann atmen, hat einen spürbaren Puls und unter anderem eine Blase, die mit einem Katheter geleert werden kann. Simi ist in guter Gesellschaft von mehreren Babys sowie Sim­­ Mom, einer hochschwangeren Frau. Bei einer Simulation können Dozierende die lebensechten Modelle aus einem abgetrennten Regieraum kontrollieren und beispielsweise ihre Vitalwerte steuern. «Die Infrastruktur im Thetriz ermöglicht ganz neue, spannende Lernformen», freut sich Zentrumsleiterin Claudia Putscher. Zudem würden die Zusammenarbeit und das gemeinsame Lernen der verschiedenen Berufsgruppen gestärkt. «Hier werden Dozierende, Forschende, Studierende, die Bevölkerung sowie ansässige Therapeutinnen ein- und ausgehen und sich begegnen. So erhalten angehende Gesundheitsfachleute vom ersten Studientag an eine praxisnahe Ausbildung.» //

«Die Infrastruktur im Thetriz ermöglicht ganz neue, spannende Lernformen.»

Vernetzung mit externen Fachleuten In den nächsten Monaten werden stetig neue Dienstleistungen dazukommen. So wird das Institut für Pflege im Thetriz Familien in komplexen Situationen beraten. Bei der Physiotherapie will man künftig auch Fachberatungen für externe Therapeutinnen mit oder ohne Patienten sowie Gutachten anbieten. «An der ZHAW haben wir stets ein Bein in der Forschung und sind nahe an der aktuellen Evidenz», sagt Lydia Bucher. «Dieses gebündelte Wissen wollen wir teilen.» Ebenfalls denkbar sei eine erweiterte Diagnostik in Zu-

Auf www.zhaw.ch/gesundheit/ thetriz finden Sie alle Angebote des Thetriz sowie die aktuellen Termine für Gruppentherapien und Kurse. Auf der Website können Sie sich für die Angebote an­melden oder auch individuelle Termine für Einzelthe­ rapien und -beratungen vereinbaren.

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Gewusst wie !

SCHRITT FÜR SCHRITT ZUM SPORT ZURÜCK

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ie Corona-Pandemie verlieren, sondern sich darauf Homeoffice und geschlossene Fitnessstudios: und die Massnahmen zu fokussieren, was zu einem Wegen der Coronapandemie kamen körperliche zu ihrer Eindämmung passt. Weitere einfache Tricks Aktivitäten in den letzten Monaten bei vielen zu haben die körperliche Aktivikönnen helfen, langfristig an kurz. Der Psychologe Frank Wieber* weiss, wie tät vieler Personen stark eingeden Zielen festzuhalten: Die schränkt. Im Homeoffice und Sportsachen schon am Abend man bei einer Rückkehr zur Normalität erfolgreich beim Online-Unterricht entvor dem Trainingstag bereitwieder mehr Bewegung in den Alltag bringt. fällt die Velofahrt oder der Spalegen. Eine Sportuhr kaufen, ziergang zum Arbeitsplatz oder die das Erreichte dokumenzur Hochschule, gleichzeitig waren über überdenken und allenfalls grundlegend tiert und zu weiteren Erfolgen motiviert. Monate strukturierte Sportmöglichkeiten anzupassen: Welche neue Sportart reizt Sich mit anderen verbindlich zum Sport eingeschränkt oder ganz weggefallen und mich? Welche Aktivität tut mir als Aus- verabreden. Fixe Zeitfenster für den Sport sind es teils noch immer. Das Fitnessstudio gleich besonders gut? freihalten. All das hilft, eine neue sportliwar geschlossen, Vereinssport nur bedingt che Routine aufzubauen und die gesetzten möglich. So ist mit der Pandemie ein häufig Konkrete Ziele festlegen Ziele nicht bei der ersten Hürde über Bord bewegungsarmer Alltag entstanden. Für die Rückkehr in einen sportlicheren zu werfen. Alltag helfen bewährte Techniken zur VerFür das eigentliche Training sollte Nachsichtig mit sich sein haltensänderung. Dazu gehören zunächst schliesslich gelten: Nichts überstürzen und Mit der Aussicht auf eine baldige Rück- konkrete und messbare Ziele. Ein solches Schritt für Schritt Dauer, Intensität und kehr zur Normalität dürfte bei vielen die Ziel könnte zum Beispiel lauten: «Ich Komplexität der Belastungen steigern. Das Lust gewachsen sein, sportlich wieder so möchte in den nächsten zwölf Wochen die lässt Körper und Kopf Zeit, sich an die Berichtig durchzustarten. Doch wie gelingt Routine entwickeln, drei Mal die Woche lastung zu gewöhnen, und senkt das Verletdas erfolgreich nach einer so langen körperlich aktiv zu sein.» Am ehesten er- zungsrisiko. Die Richtung hin zu einem beUnterbrechung? Zunächst ist es wichtig, reicht man diese Ziele mit einem konkre- wegteren Alltag stimmt, wenn das Training nachsichtig mit sich zu sein. Sportliche ten Plan, wann, wo und wie man sie um- guttut und von Mal zu Mal besser geht. // Routinen, die über eine längere Zeit ent- setzen möchte: «Wenn die wöchentliche * Frank Wieber ist Psychologe, standen sind, wurden mit der Pandemie Videokonferenz am Mittwoch beendet ist, Professor für Public Health und stell­ über den Haufen geworfen. Auch wenn gehe ich anschliessend direkt 20 Minuten vertretender Leiter der Forschungs­ man am liebsten sofort am früheren Sport- joggen.» Für die Umsetzung der Ziele ist stelle Gesundheitswissenschaften programm anknüpfen möchte, gilt es des- es danach wichtig, es sich möglichst einam Departement Gesundheit. halb, nicht zu hohe Erwartungen an sich fach zu machen, aktiv zu sein. Dazu ge­selbst zu stellen und sich mental auf einen hört auch, sich nicht in den unzähligen Neustart einzurichten. Das bietet auch die Tipps zur Bewegungsförderung, Onlineblog.zhaw.ch/vitamin-g Chance, seine körperliche Aktivität zu Trainings, Apps und Sportangeboten zu 38

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AGENDA

Fr, 2. Juli 2021 // 9.00 – 16.00 Uhr, online

Tag der Bachelorarbeiten

Über mehrere Monate haben sich die Studierenden der Bachelorstudiengänge am Departement Gesundheit in ihren Abschlussarbeiten in ein berufsrelevantes Thema vertieft. An diesem Anlass präsentieren sie ihre Arbeiten in unterschiedlichen Formaten.

Do, 26.  Aug. 2021 // 17.30 – 18.30 Uhr, online

Infoveranstaltung Doktorats­ programm «Care and Rehabilitation Sciences»

«Care and Rehabilitation Sciences» bietet Health Professionals mit einem FH-Abschluss einen akademischen Anschluss. Er­fahren Sie mehr über das gemeinsame Programm der Universität Zürich und des ZHAW-Departements Gesundheit.

menting Digital Health Innovations» werden die Entwicklung und konkrete Anwendungen digitaler Lösungen für das Gesundheitswesen aufgezeigt. Der Anlass findet am Departement Gesundheit statt, die Keynotes werden jedoch auch online übertragen.

Sa, 2. Okt. 2021 // 9.00 – 16.00 Uhr

Tag der offenen Tür am ZHAWDepartement Gesundheit

Das Departement Gesundheit feiert seinen neuen Campus, das «Haus Adeline Favre», mit einem Tag der offenen Tür: An verschiedenen Posten können die Gäste ausprobieren, ent­ decken und erfahren, was die Welt der Gesundheit umfasst. So können sie zum Beispiel einen Therapieroboter testen, einen Schwangerschaftsbauch anziehen oder im Rollstuhl einen Parcours meistern. Ausserdem gibt es Beratungen zu Bewegung und Yoga im Büro, Vorlesungen zu aktuellen Gesundheits­themen und vieles mehr.

Sa, 11.  Sept. 2021 // 9.00 – 16.45 Uhr

6. Winterthurer Hebammen­ symposium

«Frauenbedürfnis – Hebammenpotenzial»: Das 6. Hebammensymposium befasst sich aus unter­schiedlichen Perspektiven mit Fragen zu den Bedürfnissen der werdenden Mütter und der Familie, aber auch zum Potenzial der Hebammen als Fachpersonen für die Zeit der Mutterschaft.

Do, 16. Sept. 2021 // 9.00 – 16.30 Uhr, online und vor Ort

3. Digital Health Lab Day

Die Digitalisierung ist eine grosse Chance für ein qualitativ hochste­hen­ des und kosteneffizientes Gesundheitssystem. Am 3. Digital Health Lab Day der ZHAW zum Thema «Imple-

Veranstaltungsort: ZHAW-Departement Gesundheit, Katharina-Sulzer-Platz 9, 8400 Winterthur (wenn nicht anders vermerkt)

Sa, 2. Okt. 2021 // 14.00 – 16.00 Uhr

Infoanlass: Weiter­bildungen am Departement Gesundheit

Spielen Sie mit dem Gedanken, eine Weiterbildung zu machen? Am berufsübergreifenden Infoanlass, der am Tag der offenen Tür stattfindet, stellen wir Ihnen unsere zahlreichen Weiterbildungsmöglichkeiten vor.

Bitte beachten Sie: Die Präsenzveranstaltungen finden vorbehältlich der weiteren Entwicklung im Zusammenhang mit der Coronapandemie statt. Auf unserer Website finden Sie laufend aktualisierte Informationen zu den Ver­ anstaltungen.

IMPRESSUM VITA MIN G Für Health Professionals mit Weitblick Nr. 10/ Mai 2021 Herausgeber ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften Departement Gesundheit Kommunikation Katharina-Sulzer-Platz 9 CH-8400 Winterthur kommunikation.gesundheit@zhaw.ch zhaw.ch/gesundheit Redaktion Tobias Hänni (Leitung), Inge Corti, Annina Dinkel, Nicole Räber, Carol Flückiger, Ursina Hulmann, José Santos, Cordula Stegen Redaktionelle Mitarbeit Marion Loher, Eveline Rutz, Andrea Söldi, Susanne Wenger Art Direction und Layout Partner & Partner, Winterthur Druck ZT Medien AG, Zofingen Korrektorat Ingrid Essig, Winterthur Fotos und Illustrationen Corina Vögele (Illustrationen: S. 1, 2, 8, 12, 16, 23, 31), Chavela Zink (S. 21– 22), Fabian Stamm (S. 6 – 7), Pia Neuenschwander (S. 24), Frank Brüderli (S. 5), Celine Lüthy (S.40), Tobias Hänni (S. 35, 36), Georg Thieme Verlag KG (S. 4), iStockphoto.com/Tunatura (S. 4), iStockphoto.com/gruiza (S. 14 –15), iStockphoto.com/DavidTran (S. 18), iStockphoto. com/Tsezer (S. 29), iStockphoto.com/ KatarzynaBialasiewicz (S. 30), iStockphoto.com/gpointstudio (S. 32), iStockphoto.com/IvankoBrnjakovic (S. 38), stock.adobe.com/RFBSIP (S. 27)von den Abgebildeten zur Ver­fügung gestellt / Bildarchiv Departement Gesundheit (übrige). Auflage 6000 Erscheinungsweise 2-mal jährlich Das Magazin kann kostenlos abonniert werden: zhaw.ch/gesundheit/vitamin-g ISSN 2504-1835 © Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck von Artikeln mit Genehmigung der ­Redaktion.

Mehr Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen unter: zhaw.ch/gesundheit/ veranstaltungen

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CAMPUS

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STUDIEREN MIT AUSSICHT Seit Monaten findet der Unterricht am Departement Gesundheit online statt. Pflegestudentin Celine Lüthy macht das Beste daraus und lernt an ihrem Lieblingsort mit frischer Bergluft und Alpenblick.


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