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sisterMAG61 – Rock'n'Needle

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RO CK‘N‘NEEDLE

EDITORIAL LIEBE LESERINNEN UND LESER, selten haben wir uns so gefreut, ein Editorial zu schreiben und die ersten Seiten des sisterMAG-Magazins zu füllen. Hinter uns liegen einige Monate, in denen wir hinter den Kulissen viel diskutiert, verschoben und – ja vielleicht auch gerungen haben. Bereits seit einigen Ausgaben hatten wir das Gefühl, dass wir an unserem geliebten sisterMAG einiges ändern möchten. Mit dem Start des sisterMAG Patterns Shop rückte eine Unternehmung in den Fokus, die uns einmal mehr klar machte, was uns wirklich antreibt und Freude macht: Selbermachen, DIY und Handmade.

ler, unsere Mutter ist Euch allen wohlbekannt als Designerin der zahlreichen Modekollektionen. In unserem sisterMAG Office haben wir schon immer die Wände eher selbst gestrichen, als dass Handwerker kamen. Stative tragen wir selbst, denn selbst ist die Frau/ Mann. In dieser Ausgabe konzentrieren wir uns zunächst auf zwei große Themenfelder: das Thema SAFARI in all seinen Facetten vom Laufsteg bis hin zum Tigerkissen und im zweiten Teil widmen wir uns einer Handwerktechnik, die wir in den letzten Monaten kennen und lieben gelernt haben: das Punchneedling. Damit lassen sich textile 3D-Flächen kreieren, die an einen Teppich erinnern. Da das Teppichknüpfen eng mit der Technik verwandt ist, stellen wir Euch auch interessante, junge Startups vor, die Teppiche wieder cool und hip erscheinen lassen.

In den letzten Jahren war die Themenvielfalt immer größer geworden. Diese Ausgabe markiert für uns einen Neustart, den wir kaum erwarten können. Die Besinnung auf alle Themen rund ums Selbermachen. Vielleicht liegt diese Liebe zum Handgemachten einfach in unseren Genen. Unser Opa war Zeit seines Lebens Tisch-

Das wohl aufwändigste Stück dieser Ausgabe ist so auch unser 3

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Gabi & Norell beim Shooting

Evi bei der Fertigung Beim Safari-Shooting unseres Cover-Rocks

Hürriyet baut den Background

Cover-Outfit. Das Schnittmuster für die Bluse mit Schleife am Kragen und geknöpftem Rücken könnt ihr ab sofort in unserem Schnittmuster-Shop kaufen. Der Rock ist ein echtes Meisterwerk aus alter Wolle unserer Oma. Hierfür gibt es keinen Schnitt, denn wir sind sicher, dass nur unsere Mutter so verrückt ist, 20.500 einzelne persische Knoten zu knüpfen. Im Alltag ist der Rock dann auch ziemlich schwer und fühlt sich in der Tat an, als ob man seinen Wohnzimmerteppich um die Taille trägt. Umso schöner sind die Coverbilder geworden, die wir mit Fotografin Kathleen Springer und Model Anna Knollmann produzieren durften.

Ner vennahrung ;) im Giro Berlin

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Marie bei der Herstellung unseres Safari-Kissens

Als echte Expertin rund um das Thema Knüpfen und Punchneedling freuen wir uns über Gastautorin Micah Clasper-Torch aus L.A., die wir nicht nur interviewen durften und die für uns eine Abhandlung über die Geschichte der Punchneedle verfasste, sondern auch noch ein wunderschönes exklusives DIY für einen Punchneedle-Gürtel für sisterMAG Patterns entworfen hat. Wir können es kaum erwarten, diese Ausgabe und das neue sisterMAG – inklusive neuem Logo! – mit Euch zu teilen und hoffen, dass es Euch ebenfalls so gut gefällt wie uns. Bis ganz bald. Keine Angst – bis zur nächsten Ausgabe müsst ihr nicht so lang warten!

AllesLiebe

Toni & Thea und das sisterMAG Team


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61-6 Bluse mit Schleifenkragen und Knöpfen im Rücken Unsere Cover-Bluse als neues Schnittmuster

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Kleider machen Sprache? Elisabeth Stursberg schreibt über Sprichwörter & Redewendungen

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Stilsicher auf der Jagd! Auf modischer Expedition in Afrika – Marie Jaster erforschen den Utility Trend auf den Laufstegen

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INHALTSVERZEICHNIS RO CK‘N‘NEEDLE

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Fashion Shooting Safari

Punchneedle – Bücher & Ressourcen

sisterMAG Patterns SchnittmusterKollektion inspiriert von Kleinstadt- und Großstadtsafaris

Die schönsten Bücher, inspirierendsten Instagram-Accounts und besten Ressourcen

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Hol‘ dir das Safari-Feeling nach Hause!

Wie der Teppich von der Wand auf den Boden kam

Die Redaktion zeigt ihre liebsten Produkte inspiriert von Safari

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Der Aufstieg der Teppiche

DIY Safari Kissen

Ein Überblick aus der sisterMAG Redaktion

Ein Punchneedle-Projekt fürs Kinderzimmer

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Eine Bezeichnung, viele Formen

Meine Nähgeschichte

Röcke in der Kunst

Wir sprechen mit Näher_innen über ihre Geschichten … mit Kai Ravelson

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Der Hutmacher von New York Wir besuchen das älteste Fachgeschäft der Stadt

Porträt Micah Clasper-Torch Portrait über die Textil-Künstlerin & Modedesignerin

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Teamübersicht

Exklusives Design von Claspertorch

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DIY Punchneedle Gürtel

Impressum

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Die Geschichte der Punch-Needle 7

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KONTRIBUTOREN

TEX T Micah Clasper-Torch @claspertorch

Marie Jaster @marie_jaster

LE KTORAT

Ü BE RS E TZU N G

Ira Häussler

Ira Häussler

Amie McCracken amiemccracken.com

sisterMAG Team

Andrea Lang

Alexander Kords kords.net

Elisabeth Stursberg @lizziemariees

@andrealangphotography

sisterMAG Team

Michael Neubauer Elisabeth Stursberg @lizziemariees

sisterMAG Team

FO TO & VIDE O

ST YL I N G

I LLU S TRATI ON

Micah Clasper-Torch

Evi Neubauer

Malgosia Cvetinovic

@claspertorch

@evi.neubauer

sisterMAG Team

Andrea Lang @andrealangphotography

Kathleen Springer @photographer_kathleen springer

sisterMAG Team

MOD E LS Anna Knollmann @annaknollmann

Norell Sanatpour @norelljanan

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@malgosiacvetinovic

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HA I R & MA K E -U P Franziska Dominick @franziskadominick


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SCHNITTMUSTER & DOWNLOADS

U N S E R COV E R

61-1 Bluse mit Schleifenkragen und Knöpfen im Rücken

61-2 Raglanbluse mit Paspeln

61-3 Sehr weite Businesshose mit 2 Paspeltaschen

61-4 Hüllenmantel aus Soft Shell mit Kapuze

61-5 Oversize Patchwork Blouson

61-6 Oversizeblazer mit langem Revers

Safari-Kissen Illustration/Vorlage für unser Punchneedle Kissen

Vorlage Tiere Punchneedle-Tiere für Rock 60-5 mit

Claspertorch DIY Gürtel Punchneedle Gürtel von Gastautorin Micah Clasper-Torch

MODEL

Anna Knollmann OUTFIT Evi Neubauer FOTOGRAFIN Kathleen Springer HAIR & MAKEUP Franziska Dominick Vielen Dank an das ganze Team, welches unsere wunderschöne Modestrecke und das neue Cover erschaffen hat. Die Bluse unseres Covers findet ihr natürlich als neuen Schnitt im @sistermagpatterns Online Shop.


NEU! BLUSE

MIT

UND

KNÖPFEN

IM

RÜCKEN

SCHLEIFENKRAGEN

61-1 Fotos: Kathleen Springer // Model: Anna Knollmann Design & Styling: Evi Neubauer Hair & Make-up: Franziska Dominick sister-mag.com

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Direkt vom sisterMAG Cover: unsere Schluppen-Bluse mit rückseitiger Schleife wird komplett im Rücken geknöpft. Die bauchigen modernen Ärmel geben ihr eine besondere Silhouette. Diese sind tief eingesetzt. Die Schleife wird vorn gebunden oder mit einer Brosche geschlossen. Die Bluse gibt es in zwei Varianten: weit oder schmal geschnitten.

Materialempfehlung:

eine besondere Musterung beachtet werden soll, ändert sich der Stoffverbrauch entsprechend.

» Baumwollpopeline » Die Stoffe sollten entsprechend den Herstellerempfehlungen vor dem Zuschnitt gewaschen werden, damit die fertige Bluse nicht bei der ersten Wäsche einläuft.

Weitere Materialien: » 10 Knöpfe » Etwas Bügeleinlage zur Verstärkung von Halsbündchen und Ärmelbündchen, z.B. H180 oder H200

Stoffverbrauch: » 1,6 m bei einer Stoffbreite von 1,40 m. » Sofern der Stoff mit einer anderen Stoffbreite verwendet wird oder

Verfügbare Größen: » 34-46

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BLUSE MIT SCHLEIFENKRAGEN UND KNÖPFEN IM RÜCKEN Hier Schnittmuster kaufen sister-mag.com

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KLEIDER MACHEN

? e h c a r p S Text: Elisabeth Stursberg Illustration: Małgosia Cvetinović

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Was der Rock wert ist

An den Federn erkennt man den Vogel, und an der Sprache… ja, was? Ohne Metaphern könnten wir überhaupt nicht sprachlich kommunizieren und auch Sprichwörter und Redewendungen sind eigentlich nicht wegzudenken. Warum sie dennoch manchmal unterschätzt werden, und das völlig zu Unrecht, erklärt Elisabeth Stursberg in dieser Kolumne.

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Was Sprichwörter und ähnliche Phänomene tatsächlich für uns leisten und was ihr Einsatz über uns enthüllen kann – die dritte Ausgabe . Die vierte ging speziell auf die »ähnlichen Phänomene« ein, denn schnell wurde klar: Nicht alle »Sprichwörter« sind es auch. In dieser fünften und vorerst letzten Ausgabe kommen wir auf jene Effekte von Sprichwörtern zurück, die über den oder die Einzelne hinausreichen. Die Frage ist: Was sagt der Einsatz von Sprichwörter über uns als Gesellschaft aus? Das Phänomen ist weltweit verbreitet und jeder Sprachenlernende macht ab einem bestimmten Sprachniveau Bekanntschaft mit idiomatischen Wendungen, deren Fokus sich aber durchaus unterscheidet.

IN DIESER AUSGABE:

der Rock Machen Kleider Sprache? In dieser Kolumne haben wir Sprichwörter und ihre Effekte beleuchtet und dafür zahlreiche Beispiele mit modischem Hintergrund vorgestellt, die uns nebenbei einiges über die Bedeutung unserer Kleidungswahl erzählen. Vor allem aber zeigen sie den starken Einfluss der Mode auf unsere Sprache, den diese Serie zelebriert! Zwar muten viele Sprichwörter heute etwas… antiquiert an, wahrscheinlich nicht überraschend. Die Gründe dafür haben wir jedenfalls in der ersten Ausgabe erörtert. Dennoch, das zeigen die in der zweiten Ausgabe diskutierten Beispiele, sind Sprichwörter weiterhin ein aktiver Teil unserer Alltagssprache, zudem entstehen ständig neue. Fallen sie auf fruchtbaren Boden, bekommen Zitate auch heute schnell sprichwörtliche Qualitäten.

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»Auf dem schwarzen Rocke sieht man jedes Stäublein.« Anders gefragt also: Inwiefern vermitteln Sprichwörter unsere kulturelle Werte und Normen? Sind sie einzigartig und vor allem: repräsentativ? Darüber diskutieren Sprachwissenschaftler noch.

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»Wer Röcke aus Stroh hat, muss das Feuer fürchten.« Die Vorsichtigen unter ihnen führen im Wesentlichen zwei Gegenargumente an. Zum einen: da Sprichwörter eine allgemeinere Reflexion menschlicher Erlebnisse darstellten, gälten sie nicht nur für einen bestimmten Sprachraum. »Auf dem schwarzen Rocke sieht man jedes Stäublein.« Unwahrscheinlich, dass das nur einer Kultur aufgefallen sein soll. Auf dem afrikanischen Kontinent heißt es, oder hieß es mal: »Willst du das Feuer bekämpfen, trage keinen Rock aus trockenem Gras.« In Rumänien hingegen wurde gewarnt: »Wer Röcke aus Stroh hat, muss das Feuer fürchten.« Bedenkt man die substanziellen Überschneidungen, erscheint das obige Argument also durchaus schlüssig. Mein Eindruck: aufschlussreich sind nicht Sprichwörter an sich, sondern ihre landesspezifische Ausgestaltung sowie, falls bekannt, Bezüge auf konkrete Personen und lokale Traditionen.

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Das zweite Gegenargument nimmt Bezug auf eben den antiquierten Charakter vieler Sprichwörter, deren Hochsaison ja doch immer etwas zurück zu liegen scheint – ihr Abschied aus dem Repertoire, das Gestrichenwerden aus Auflistungen und das Verschwinden aus dem aktiven Wortschatz, ist aber ein langwieriger Prozess. Während Sprichwörter wie »Am Rock erkennt man den Müller« einem unterbewussten Bedürfnis nach Orientierung entgegenkommen mögen, erinnern sie gleichzeitig an eine frühere Gesellschaft, in der sich Angehörige sozialer Schichten oder beruflicher Gruppen noch selbstverständlicher von den anderen abgrenzten. »Das Hemd ist einem näher als der Rock« gilt vielleicht auch für das gesellschaftliche oder soziale Umfeld. Übrigens schloss sich, wer »des Kaisers Rock« anzog, dem Militär an. Wer den »bunten Rock« wieder auszog, verließ den Militärdienst.

eine entspannte Einstellung zum Sex erkennen ließen, gibt es noch keine allgemein akzeptierte Einigung darüber, wie viel Sprichwörter und Redewendungen über kulturelle Normen aussagen. Projekte wie die Sammlungen afghanischer Sprichwörter durch den US-Marinekapitän Edward Zellem sind dennoch beispielhaft: Captain Zellem war aufgefallen, dass Sprichwörter stark in der Alltagssprache der Landessprachen Dari und Paschtu verankert sind; um die Illustration seiner Sammlungen (u.a. mittels Crowdsourcing) bat er Schüler einer Kabuler High School.

»Das Hemd ist einem näher als der Rock« Das Projekt zog weite Kreise, inzwischen sind diverse Ausgaben erschienen, und zeigte, dass eine Auseinandersetzung mit den Sprichwörtern eines anderen Sprachraums als kultuelle Annäherung zum Aufbau positiver Beziehungen beitragen kann. In diesem Sinne können wir als Lösungsprinzip vielleicht festhalten: Sprichwörter befördern vielleicht nicht die Unterscheidung, aber die Veranschaulichung kultureller Werte.

Während Untersuchungen zur Verbreitung von Sprichwörtern zahlreich sind und zum Beispiel eine britische Langzeitstudie herausfand, dass in den sechziger Jahren die Nutzung von Sprichwörtern stark zunahm, die

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»Eine schlechte Tänzerin lässt sich sogar durch den Saum ihres Rocks ablenken.« (Aus Polen)

An dieser Stelle schreibt Elisabeth Stursberg über Mode in Sprichwörtern und Redewendungen und deren Vorzüge.

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STILSICHER AUF DER JAGD: Auf modischer Expedition in Afrika

Warum jede Frau auch ohne geplante Safari den »Utility Trend« mitmachen sollte Text: Marie Jaster

Foto: Getty Images

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„ICH WAR NOCH NIE AUF SAFARI“. Nicht, dass das eine Voraussetzung wäre, die man erfüllen muss, um über den berühmten Safari-Style zu schreiben. Was das für diesen Text bedeutet? Ich habe eine sehr romantisierte Vorstellung einer Reise durch die Wildnis in Afrika. Ganz ohne Schweißund Nilpferd-Angriff – immerhin unter den Top Zehn der gefährlichsten Tiere für den Menschen. Wenn man einen Blick in meinen Kleiderschrank wirft, könnte man jedoch meinen, ich sei ein echter Safari-Junkie: Cargo Pants, Safari-Jacken, Buschhemden, Animal Prints, ja, in meinem Kleiderschrank geht es wirklich wild zu – und das ohne jährlichen Besuch im Krüger Nationalpark. Schuld daran ist nämlich nicht meine Abenteuerlust (im Gegenteil, ich bin ein echter Angsthase und würde beim Anblick eines echten Löwens wahrscheinlich in Schockstarre verfallen), sondern Modedesigner*innen, die alle Jahre wieder den »Utility-Style« auf die Laufstege schicken.

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WOHER SIE IHRE INSPIRATION NEHMEN?

Nun, der klassische Safari-Anzug, der aus einem Hemd, einer Jacke und Shorts für Männer und einem Rock für Frauen bestand, wurde schon im 19. Jahrhundert erfunden. Er wurde von Europäer*innen auf afrikanischen oder indischen Expeditionen, später Safari genannt, getragen. Der Zweck dieser Expeditionen? Gefährliche und seltene Tiere jagen und erlegen. Dementsprechend war die SafariJacke ein Ableger der Norfolk-Jacke, die in Großbritannien als Schießjacke erfunden wurde, weil sie nicht einschnürte, wenn der Ellenbogen zum Schuss angehoben und gebeugt wurde. Anders als diese Jacke war der Safari-Style natürlich weitaus leichter und an das warme Klima der Expeditionen angepasst, meist aus beiger- oder khakifarbener, atmungsaktiver Baumwolle. Vervollständigt wurde das ganze Ensemble durch das unverkennbare Symbol des Imperialismus: den Tropenhelm.

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S A F A R I Seinen kolonialen Beigeschmack verlor der Safari-Style spätestens, als die Safari-Jacke von Hollywood entdeckt wurde. So gibt es im Archiv von Salvatore Ferragamo ein Bild von 1938 von Loretta Young in einem schicken SafariEnsemble, Filme wie »Mogambo« mit Ava Gardner, Grace Kelly und Clark Gable und »Das Geheimnis der falschen Braut« mit Catherine Deneuve schürten den Indien-Afrika-Hype und brachten das Ensemble vom Jeep auf den Laufsteg. Denn für das Kostümdesign von Catherine Deneuve war niemand Geringeres als Yves Saint Laurent zuständig. Und er entwarf für die Filmikone eine Kombination im Safari-Stil. Eigentlich hatte er die erste Safari-Jacke schon zwei Jahre davor, nämlich 1967 auf dem Laufsteg präsentiert, es war jedoch der Film mit Deneuve und ein Shooting der Vogue mit dem Model Veruschka im Safari-Hemd mit Schnürung, die das Kleidungsstück zu einem echten Modeklassiker werden ließen. Nachdem Frauen sich schon die Hosen der Männer angeeignet hatten, war dies ein weiterer Schritt der modischen Emanzipation.

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Inspiriert wurde Saint Laurent, so gab er offen zu, von den Uniformen des Afrika Korps, ein Nazi-Regime im Zweiten Weltkrieg, das in Nordafrika unterwegs war, als auch den traditionellen Kleidungsstücken der Stämme in Afrika. Anders als in den 1940er-Jahren, galt die Jacke von Saint Laurent in den Siebziger-Jahren als Zeichen von Freiheit und Freigeist. Doch natürlich muss man sich aufgrund seiner Vergangenheit fragen: Darf man Safari-Style noch tragen? Zumal es nicht alle richtig tun, eingebrannt hat sich da leider das Bild von Ex-First-Lady Melania Trump auf Staatsbesuch in Afrika, die mit Pumphose und Reitstiefeln, Safari-Jacke und sogar Tropenhelm jedem Kolonialbeamten aus früheren Zeiten Konkurrenz bereitete. Ein Fehltritt sondergleichen. Nicht, dass mich das überrascht hätte. Fragt man Modedesigner*innen heute, warum sie auf »koloniale« Mode zurückgreifen, so antwortet Derek Lam, dass ihm praktische Mode einfach wichtig sei: »Ich denke immer über Funktionalität nach, es ist richtig, aufgesetzte Taschen zu verwenden, sie sind nicht nur dekorativ, sondern praktisch.«

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UTILITY Und das ist es, was den Safari-Style, losgelöst von seiner Vergangenheit und eingesetzt im richtigen Umfeld, zu einem modernen Klassiker im Kleiderschrank einer jeden Frau macht: seine Praktikabilität. Über die Jahrzehnte wurde die Handtasche schließlich immer größer, der Inhalt immer mehr und ja, jetzt im Jahr 2021 besinnt man sich auf die wichtigen Dinge: das Smartphone, das Portemonnaie und ein Lippenstift. Nicht zu vergessen natürlich die neuen Essentials wie Masken und Desinfektionsspray. Und genau diese Must-haves finden alle in den multifunktionalen Taschen des »Utility Styles«, denn das ist die politisch korrekte Bezeichnung für den Safari-Style, Platz. Kein Wunder also, dass die Modedesigner*innen auch 54 Jahre nach dem ersten Entwurf von Yves Saint Laurent noch immer verrückt danach sind … und die aufgesetzten Taschen, Jacken mit Gürteln und weiten Hosen dank ihrer leichten Stoffen und zeitlosen Naturtöne fast in jeder Sommerkollektion einen Platz finden – und auch aus meinem Kleiderschrank trotz Safari-Boykotts nicht mehr wegzudenken sind. Ein paar Beispiele für aktuelle Kollektionen gefällig?

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S A F A R I SAFARI-JACKEN

Die Safari-Jacke löst die Workwear ab. Erkennungszeichen: viele aufgesetzte Pattentaschen, ein Gürtel zum Betonen der Taille. Kombiniert man am besten mit hochgeschnitten Palazzo-Pants wie bei Chloé, Schluppenblusen wie bei Celine oder als Bruch zu femininen Millefleurs-Midi-Kleidern.

CARGO PANTS

Nicht-elastische Hosen? Für alle Food-Fans eigentlich ein No-Go. Doch die Cargo Pants macht möglich, was unglaublich scheint: Bequemlichkeit ohne Stretch. Das liegt zum einen am weiten Schnitt, zum anderen an den vielen aufgesetzten Taschen, die eine Handtasche überflüssig machen. Wie kombiniert man sie am besten? Als Bruch zur femininen Corsage wie bei Dolce & Gabbana, zusammen mit einem Smoking-Blazer wie bei Givenchy oder leicht hippiesk wie bei Chloé.

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LEDER

Auch wenn Leder vielleicht nicht die richtige Wahl für die Hitze der Savanne ist, so sind Jacken als auch Kleider, Röcke und Hosen in Velours- oder Glattleder ein elementarer Teil des »Utility-Styles«. Dass das auch feminin aussehen kann, beweist Kate Spade in ihrer Spring 2020 Kollektion mit dem khakifarbenen Midikleid, als auch Celine mit ganz viel Vintage-SeventiesVibes dank Designer Hedi Slimane.

ANIMAL PRINTS

Foto: Getty Images

Ein Safari-Style ohne Animal Print? Undenkbar! Wer hier nur an den Klassiker wie den Leoprint denkt, der muss seinen Horizont erweitern, schließlich bieten sich auch Giraffen, Zebras und Tiger für tolle Looks an. Die Kings of Animal Prints sind auf jeden Fall Stefano Gabbana und Domenico Dolce, die ihre ganze Spring 2020 Kollektion dem Dschungel widmeten.

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THE SKIRT RO CK‘N‘NEEDLE

SAFARI sisterMAG

Kleidung: Evi Neubauer | Fotos: Gabriela Morales | Model: Norell Sanatpour | Floral Design:

Hürriyet Bulan (Botanic Art) | Produktion: Thea Wittemann & Carolin Kralapp & Ilaria Trombí

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Unsere Raglanbluse ist das elegante Every-Day Statement-Piece, denn die kontrastierenden Paspeln machen sie zu etwas ganz Besonderem.

R AG L A N B L U S E M I T PA S P E L N

Wusstest Du? Ein Raglanärmel ist ein Ärmel, der in einem Stück vollständig bis zum Kragen reicht und eine diagonale Naht von der Achsel bis zum Schlüsselbein hinterlässt. Benannt ist er übrigens nach Lord Raglan, dem 1. Baron Raglan, der nach dem Verlust seines Arms in der Schlacht von Waterloo einen Mantel mit dieser Art von Ärmel getragen haben soll. JETZT SCHNITTMUSTER SHOPPEN

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Gefertigt wird die modische Reiterhose idealerweise aus Cord, Köper oder einem Mischgewebe. Die Hose wird nach unten hin schmaler und hat an beiden Beinen je 7 Knöpfe. Sie sitzt auf der Taille und lässt sich gut für schickere Anlässe kombinieren.

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SEHR WEITE BUSINESSHOSE MIT Z W E I PA S P E LTA S C H E N Eine sehr weite Businesshose mit 2 Paspeltaschen hinten und Bundfalte. Am oberen Bund sind mehrere Falten eingesetzt. Die Hose folgt dem Trend zu übergroßer Kleidung und ist deshalb super bequem. Sie sitzt sehr locker.

Evi sagt:

Über die Länge des Bundes eines Kleidungsstückes kann man sich eigentlich nicht streiten, da jeder ein anderes Gefühl für seine Bequemlichkeit hat und der Standard den wenigsten passt. Bei Röcken oder Hosen mit Falten lässt sich so ganz einfach ein passendes Kleidungsstück zaubern – ganz nach den eigenen Präferenzen.

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HÜLLENMANTEL: SOFT SHELL MIT KAPUZE Wir lieben Pinterest- oder Instagram Moods mit weißen Mänteln – toll sieht das aus, aber für die meisten Frauen nur zum Ansehen. Ob in der Bahn, beim Einkaufen oder bei Schmuddelwetter würde keiner einen weißen Mantel anziehen, da die Mäntel meist nicht waschbar sind. Wir haben eine Variante entwickelt, die alles kann: waschbar, warm, wetterfest und zu guter Letzt auch noch schick. Angelehnt haben wir uns an die Prada-Kollektion Sommer 2021. Das Beste an diesem Mantel: trotz des hohen Stoffverbrauchs ist er im Materialeinkauf eher günstig: das Material Softshell oder auch PUR genannt gibt es in vielen Varianten, Farben, Mustern und Preisen. Wir hoffen, wir sehen viele WEISSE MÄNTEL. Das hebt die Stimmung. JETZT SCHNITTMUSTER SHOPPEN sister-mag.com

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Ein paar Tipps & Tricks von Evi rund um die Fertigung des Mantels und die Beschaffenheit des Materials „Softshell“: Ƿ Softshell ist ein einfach zu verwendendes Gewebe, das in der Maschine gewaschen werden kann. Ƿ Normalerweise wird es für Outdoor-Jacken und Kinderkleidung verwendet, es ist sehr haltbar und ein perfekter Oberbekleidungsstoff Ƿ Ihr könnt eine normale Nähmaschine und Nähnadel verwenden Ƿ Die Kanten müssen nicht unbedingt versäubert werden, jedoch … Ƿ ...da sich der Stoff schwer bügeln lässt, empfiehlt Evi, für ein schöneres und saubereres Finish alle Kanten abzusteppen (siehe Bild unten) Ƿ Deshalb haben wir für die Ärmelbündchen unseres 61-4 Hooded Softshell-Mantels Jersey verwendet, um ein sauberes, weniger voluminöses Finish zu erreichen

Hosen: 60-6 Breeches von sisterMAG Patterns | Tanktop: sister-mag.com Schiesser | Schuhe: Paco Gil

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OV E R S I Z E D PATC H WO R K BLOUSON

Diese Jacke ist genau das Richtige für alle Näherinnen, die eine neue Herausforderung suchen. Für die unterschiedlichen Stoffe der Jacke eignen sich Stoffreste hervorragend. Kombiniert wird der Schnitt mit Häkelmustern auf der Vorderseite, das das Gesamtbild zusätzlich aufwertet und aufregend macht. Wie genau das Muster aussehen soll, kann natürlich jede selbst entscheiden. Wir haben in der Anleitung einige verschiedene Muster für euch zusammengefasst. Wer noch nicht häkeln kann: Vielleicht habt ihr ja jetzt Lust bekommen, es für dieses ausgefallene Kleidungsstück zu lernen! JETZT SCHNITTMUSTER SHOPPEN

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OV E R S I Z E D B L A Z E R M I T L A N G E M R E V E R S K R AG E N Auf jedem einschlägigen Instagramkanal sieht man Influencerinnen in übergroßen Blazern posieren. Die Großen der Szene tun dies in gesponsorten Designerjacken, andere haben den Kleiderschrank der männlichen Angehörigen durchsucht oder man geht gleich in die Männerabteilung einkaufen. Leider tragen die Männer immer noch gern die üblichen Farben Grau , Blau und Schwarz – kein Lila, Pink, oder Gelb in Sicht. Um mit der Fashionwelt mitzuhalten, haben wir einen „einfachen“ Blazer konzipiert. Einmal genäht, kann man ihn sich in jeder Farbe schenken, alle in Erstaunen versetzen und er ist auch noch richtig herum geknöpft ;-). JETZT SCHNITTMUSTER SHOPPEN

Außerdem: Gut geeignet als Umstandsmode für werdende Mütter aufgrund des Oversize Charakters. 47

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RO CK‘N‘NEEDLE Rock von sisterMAG Patterns | Pullover: Mango | Schuhe: Pura Lopez

Dieser ausgestellte Rock mit breitem Bund und Bundfalten wird idealerweise aus einem Stoff mit viel Stand, wie Baumwolle oder Jeansstoff, gefertigt. Dieses Modell wirkt elegant, der Bund sitzt auf der Taille und der Schnitt endet knapp über den Knien. Ein perfekter Rock für einen echten Statement Look oder Stadtbummel.

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AU S G E S T E L LT E R RO C K mit weitem Bund und Bundfalten

Ganz im Sinne unserer favorisierten Handwerkstechnik dieser Ausgabe haben wir den Rock 60-5 mit Punchneedle-Tieren verschönert. Als Vorlage dienten alte Höhlenmalereien, aber natürlich könnt ihr auch jegliche andere Tiere aus Dschungel oder heimischen Gefilden punchneedlen. Für sisterMAG-Leser_innen haben wir die Vorlage für unsere Tiere auf der Website aufbereitet und freuen uns auf Eure Kreationen – der Download ist kostenlos.

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DOWNLOAD VORLAGE FÜR

SHOPPEN

PUNCHNEEDLE-TIERE

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FA LT E N W I C K E LRO C K Bei diesem besonderen Kleidungsstück fühlt man sich wie in einer anderen Zeit. Kombiniert mit einer Bluse erzeugt man schnell ein rundum schickes Gesamtbild. Ob diese niedlichen Lackschuhe im Children-Stil oder hohe Schuhe, die die Beinlänge optisch strecken – wir lieben diesen luftig-leichten Rock. Im Schnittmuster gibt es zudem die Möglichkeit, abnehmbare Träger für den Faltenrock zu fertigen. Rock von sisterMAG Patterns | Pullover: Mango | Schuhe: Burberry | Koffer: Vintage JETZT SCHNITTMUSTER SHOPPEN

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HOL’ DIR DAS SAFARI-FEELING NACH HAUSE! Wenn uneingeschränktes Reisen nicht möglich ist, kann man sich ein Stückchen der Welt in die eigenen vier Wände holen. Entdeckt hier Interieur- und Deko-Inspirationen für euer Zuhause und auch für eure Kleinen. Neben Produktvorschlägen findet ihr auch DIY-Inspirationen, die ihr selbst umsetzen könnt. So könnt ihr eurer Zuhause im Handumdrehen einen Safari- und Dschungel-Look verpassen!

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5. Urban Jungle LEDLichterkette Einmachgläser, via butlers.com

Wallpaper Nakuru Beige, via tapetenstudio.de

Doing Goods Elephant Wandhaken, via debijenkorf.de

Safari Bench DIY, via meandreegs.com

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Set Dekoobjekt Jungle, 2-teilig, via depot-online.de


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Coconut Tree Candle Holders, via lnt.com

Lampenschirm auf Baumwolle, via lampenundleuchten.de

Duschvorhang Safari, via segmueller.de DIY Project Animal-themed drawer handles - homes+, via youtube.com

Doing Goods Gloria Baby Giraffe Wandhaken, via debijenkorf.de

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Lorena Canals Waschbarer Teppich Monstera sisterMAG 61 | 2021Leaf, via wallenfels.com


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OYOY Kinderteppich Tiger, via connox.de Mobile »Safari« aus gefilzter Wolle, via shop.zeit.de Ein Mobile lässt sich auch selber machen, wie hier auf Pinterest zum Beispiel. Elephant Thyme, via cozymoss.com

OYOY Kinderposter Noah Giraffe, via pinkmilk.de

Matte Tapete Abenteuer in der Savanne, via wayfair.de

Rice Aufbewahrungskorb Elefant, via jollyroom.de

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ferm Living Safari Kissen Löwe, via connox.de sisterMAG 61 | 2021


DIY KISSEN

MIT

PUNCHNEEDLE

SAFARI-ILLUSTRATION

SAFARI KISSEN // DIY: Ezbah Ali & Marie Darme // // Video: Gabriela Morales // // Fotos: Thea Wittemann //

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Ein echtes Safari-DIY fürs Kinderzimmer: Für unser Safari-Thema haben sich Illustratorin Ezbah und DIYExpertin Marie ein besonderes handgemachtes Stück ausgedacht: ein Kissen mit Safari-Motiv, welches ihr einfach punchneedlen könnt. Die Vorlagen für alle drei Motive gibt es kostenlos auf sisterMAG. Wir haben uns für ein kleines Kuschelkissen der Größe 30x30cm entschieden, aber ihr könnt es natürlich beliebig groß machen. Wer möchte, kann auch den gesamten beigen Hintergrund punch-needlen für mehr Textur.

Materialempfehlung:

Anleitung:

» Wolle in passenden Farben

» Den Stoff straff in einen passen-

» Weicher

Baumwollstoff,

den Stickrahmen einspannen. Un-

z.B.

ser Motiv auf den Stoff übertra-

Mönchstoff, ca. 8-10cm größer

gen. Die Vorlage im Download ist

als das finale Kissen

spiegelverkehrt und wird auf die

» Punch Needle für dickeres Garn

Rückseite des Stoffes gezeichnet. » Das Motiv in passenden Farben

» Kissenfüllung mit Federn 30x30cm

punch-needlen.

» Textilkleber

» Damit die Schlaufen an Ort und

» zudem: Schere, Pinsel, Nähnadel

Stelle bleiben, die Rückseite mit

und Downloadvorlage

Textilkleber fixieren. Wenn der Kleben trocken ist, das Kissen mit einer Haushaltsnähmaschine und passendem Rückstoff nähen. Mit Kissenfüllung füllen. 59

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SAFARI-KISSEN IM PUNCHNEEDLE STIL Hier Vorlagen downloaden sister-mag.com

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Hier Vorlagen downloaden

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Wisst Ihr, ob Eure Nachbarin näht oder Eure Friseurin in der Freizeit Makramée macht? Gerade während der Pandemie haben viele von uns neue Fähigkeiten erlernt oder alte Hobbys wiederentdeckt. Egal, ob Ihr neu auf diesem Gebiet seid oder das Handwerk schon seit Jahren ausübt: Wir hören zu gern diese persönlichen Geschichten. Deshalb starten wir eine neue Serie in sisterMAG, in der wir mit alten und neuen Freunden über ihre Reise ins Handwerk sprechen. Den Anfang für unsere Serie „Meine NÄHgeschichten“ macht Kai Ravelson. Sie ist eine Fine-Art-Porträtfotografin aus New York City und in ihrer Freizeit begeisterte Näherin. Wir haben sie gefragt, wie sie angefangen hat, wo sie Schnittmuster einkauft und welchen Stoff sie am liebsten verwendet. Wenn Ihr Kai folgen möchtet, findet Ihr unter @kairavelson nicht nur ihre wunderschönen Fotografien, sondern auch eine Menge Näh-Stories.

Eins

Zwei

Wie bist Du mit dem Nähen in Kontakt gekommen? Nähen Frauen/Männer in Deiner Familie?

Wie hast Du das Nähen gelernt? Bist Du Autodidaktin oder hast Du Kurse besucht? Ich habe schon als Kind angefangen, aber ich hatte nicht wirklich die Geduld dafür. Ich habe dann während des Studiums wieder damit begonnen, aber erst während meines ersten Jobs nach dem Studium habe ich meine Fähigkeiten wirklich verbessert. Ich arbeitete für einen Kostümbildner in Mailand, der Kostüme für ShakespeareProduktionen entwarf. Danach zog ich nach Kalifornien und arbeitete als Näherin für eine Theatergruppe. Ich lernte viel über die Konstruktion von Theaterkostümen, die sich etwas von der Konstruktion von Kleidung nach kommerziellen Schnittmustern

Ich habe mein ganzes Leben lang mit dem Nähen zu tun gehabt. Meine Mutter ist Innenarchitektin und sie fertigt eigene Bezüge und Vorhänge. Sie betreibt ihr Business von Zuhause – es ist also nur sie, die individuelle Stücke für ihre Kunden erstellt. Sie hat auch von klein auf angefangen, ihre eigene Kleidung zu nähen. Genau wie ihre Mutter und deren Mutter vor ihr.

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Ich habe 4 Projekte in Planung: die Burnside Bibs von Sewhouse 7, den Lindsey Hoodie von Viki Sews, das Shelby Dress von True Bias und den Marlo Sweater von True Bias.

unterscheidet. Deshalb fühlte es sich (als ich anfing, meine eigene Kleidung zu nähen) so an, als würde ich alles noch einmal neu lernen.

Sechs

Wo suchst du nach Inspirationen für Deine Nähprojekt?

Drei Warum hast Du überhaupt

Instagram, Etsy und die alte PapierSchnittmustersammlung meiner Mutter.

Als junge Erwachsene habe ich damit angefangen, weil ich auf dem College Theater studiert habe und Kostümfertigung fühlte sich für mich wie eine natürliche Wahl an. Aber ich habe nur sehr selten etwas für mich selbst gemacht. Erst mit Beginn der Corona-Pandemie habe ich wirklich angefangen, meine eigene Kleidung zu nähen. Es wurde ein wunderbarer Bewältigungsmechanismus für diese Zeit.

Sieben Was sind Deine Lieblings-

mit dem Nähen angefangen?

Näh-Channels?

Ich schaue mir nicht so viele Nähkanäle an. Wenn ich eine Technik lernen möchte, suche ich auf YouTube danach und schaue mir einfach die Videos an, die mir dabei helfen, mein Ziel zu erreichen. Ich schaue mir dann eher die Stories anderer Näherinnen auf Instagram an.

Acht Dein Lieblingsstoff?

Vier Was

war Dein erstes selbstgemachtes Kleidungsstück?

Ich liebe Naturfasern und Webstoffe, deshalb bleibe ich bei Leinen, Baumwolle (vor allem Doppelmull und Voile) und Seide. Um mich selbst herauszufordern, mache ich ab und zu ein Projekt aus gestrickter Baumwolle. Ich habe gerade gelernt, wie man eine Doppelnadel in meiner Maschine benutzt, was sehr erfreulich ist und die Arbeit mit Strickwaren weniger frustrierend macht.

Als ich 22 Jahre alt war und in Kalifornien lebte, entwarf ich selbst eine Hose aus indigoblauem Denim mit hoher Taille und weitem Bein, die mit Knöpfen im Matrosenstil geschlossen wurde.

Fünf Was steht als nächstes auf Deiner Näh-To-Do-Liste? sister-mag.com

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Du möchtest uns Deine Geschichte erzählen und wie Du Dein Handwerk begonnen hast?

@kairavelson

Schreib uns eine eMail an mail@sister-mag.com.

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Wir sprechen mit Micah Clasper-Torch

@punchneedle.world

Textil-Künstlerin & Modedesignerin

Interview: Theresa Wittemann & Carolin Kralapp

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INTR

Wir haben mit der Faserkünstlerin und Modedesignerin Micah Clasper-Torch aus Los Angeles, die eine eigene Kreation hier im sisterMAG mit euch teilt, über ihre Arbeit, die verschiedenen Stationen ihrer Karriere und das besondere Handwerk des »Punch Needling«, wofür sie eine echte Expertin ist, gesprochen. Wir freuen uns sehr, dass sie sich die Zeit genommen hat, mit uns über Zoom zu sprechen, damit auch ihr die Möglichkeit habt, sie besser kennenzulernen.

Micah Clasper-Torch ist eine Faserkünstlerin und Modedesignerin, die in Los Angeles lebt und arbeitet. Ihre Arbeit bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Kunst und Design – dekoratives Design und bildende Kunst – und experimentiert mit einer Vielzahl von Textilien und Materialien. Meistens arbeitet sie mit den Medien Stoff, Faden, Garn und Papier. Sie hatte einige verschiedene Berufsstationen, bevor sie an den Punkt gekommen ist, an dem sie sich heute befindet. Sie hat Modedesign in New York City studiert und ihr besonderer Fokus lag dabei auf dem Schneidern von Mänteln und allgemein zeitgenössischer Damenmode. Sie hat die Modeausbildung geliebt und ihr damaliger Traum war es, nach dem Abschluss für ein großes Modeunternehmen zu arbeiten oder vielleicht ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Ziemlich schnell nach ihrem Abschluss 2009, als es nicht einfach war, in der Modeindustrie Fuß zu fassen, fand Micah einen Job in einer Kunstgalerie – einer Galerie für Möbeldesign in Chelsea, wo sie Designer*innen wie Charlotte Perriand oder George Nakashima kennenlernte und viel Inspiration für ihren weiteren Werdegang mitnahm. Damals verstand sie, dass es

©The Knots ©Hand inBerlin Hand sister-mag.com

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MODEDESIGERIN FASERKÜNSTLERIN

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PUNCH

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Gegenstände gibt, die sowohl funktional sind, aber auch die Lücke zur Kunst schließen. Nach drei Jahren Arbeit für Coach Handbags und ein wenig Ernüchterung in der Modebranche gründete Micah 2010 mit einer Freundin ihr erstes eigenes Online-E-Commerce-Unternehmen. Sie schlossen es nach drei Jahren und Micahs letzte Station war eine Tätigkeit im Business Development für ein Start-up in New York. Heute, inzwischen umgezogen nach Los Angeles, teilt sich ihre Arbeit in zwei zentrale Bereiche: ihre persönliche Marke Micah Clasper-Torch mit vielen Kollaborationen und Einzelaufträgen für Kunden und die Online-Akademie »Punch Needle World«, die letztes Jahr als eigenständiges Unternehmen rund um das Thema Bildung gegründet wurde. Da ist zum einen ihre Kunst, die den designorientierten Aspekt darstellt: sie kreiert einzigartige Mäntel und Jacken, Handtaschen, Kissen oder Mixed-MediaKunstwerke. Auf der anderen Seite gibt es den Informationsaustausch über die Geschichte des »Punch Needling« und verschiedene Tutorials und Techniken – etwas, das sich Micah auch gewünscht hätte, als sie mit dem Punch Needling angefangen hat. Wenn wir über »Punch Needling« sprechen, müssen wir immer im Hinterkopf behalten, dass es verschiedene Arten des Herstellens gibt, die nicht unbedingt das Gleiche bedeuten. Das ist es, was Anfänger*innen manchmal verwirrt. Welche verschiedenen Techniken sind das? Das Punch Needle-Teppichhäkeln, die Punch Needle-Stickerei und eine Technik namens »Banka«.

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NEEDL WORL

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MICAH TIPP sister-mag.com

Technisch gesehen handelt es sich um drei verschiedene Handwerkstechniken, aber manche Leute verwenden die Worte »Punch Needling« und denken, all das hätte die gleiche Bedeutung. Wie fängt man also am besten mit dem »Punch Needling« an? Die einfachsten und besten Projekte zum Einstieg sind vor allem die kleineren, weil man sie tatsächlich in kurzer Zeit fertigstellen kann. Es macht viel mehr Spaß, schneller ein fertiges Produkt zu haben, als endlos an einem großen Teppich zu basteln. Fangt also am besten mit kleinen Untersetzern oder Kissen an. In Micahs Online-Kursen könnt ihr die verschiedenen Techniken und die ganze Geschichte rund ums »Punch Needling« kennenlernen. Es hat sie viel Recherche in Gesprächen mit Experten und Literatur gekostet, um sich dieses umfassende Wissen anzueignen, das sie nun mit allen teilen möchte, die sich dafür interessieren. Von den verschiedenen Techniken bis hin zu den spezifischen Werkzeugen und woher sie kommen – die »Punch Needle Academy« gibt einen Überblick und ist auch ein guter Ausgangspunkt für eigene kreative Ideen. Hier könnt ihr die traditionellen Techniken erlernen und anschließend eigenständig experimentieren. Ihr bekommt ein Verständnis für die traditionellen Herangehensweisen und könnt im Anschluss daran eure eigenen entdecken.

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Woher nimmt Micah ihre Inspiration für ihre eigenen Kreationen? Aus den Formen und Farben, die ihr natürlich über den Weg laufen. Sie saugt die Eindrücke aus ihrer Umgebung und den Dingen um sie herum auf. Los Angeles ist ein lebendiger Nährboden für Textilkunst mit einer reichen Geschichte. Gute Voraussetzungen also, um kreativ zu arbeiten. Sie hat sich abgewöhnt, Stücke im Vorfeld genau zu planen, da sich im Herstellungsprozess meist noch viel verändert. Micah macht sich also direkt an die Arbeit und lässt ihren Ideen freien Lauf! Das Ergebnis sind einzigartige Stücke, die wie abstrakte Kunstwerke wirken.

@claspertorch

@punchneedle.world

Wenn ihr nun auch ein Teil der Punch Needle Community werden und eure eigene Kreativität entdecken wollt, besucht gerne die »Punch Needle World«-Website und für mehr Kunstinspiration und Modedesign die persönliche Website von Micah Clasper-Torch. 73

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Wir freuen uns besonders, dass wir gemeinsam mit Micah Clasper-Torch ein wunderschönes Projekt für Euch zur Verfügung stellen dürfen. Ein DIY Punchneedle-Gürtel mit einem exklusiven Design von Micah. Das Schnittmuster inklusive Anleitung findet ihr ab sofort im sisterMAG Patterns Shop und können es kaum erwarten, neue Farbkombinationen und Ausführungen von Euch zu sehen. Für alle sisterMAG-Leser gibt es zudem einen 15% Rabatt mit dem Code micahXsistermag

Klicke hier, um zum Shop zu gelangen

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Was du benötigst: Ƿ Schnittmuster A (Punch Needle Muster) Ƿ Schnittmuster B (Futter-/Rückseitenmuster) Ƿ Mönchstoff für das Punch Needle Stück (Vorderseite) Ƿ Futter-/Rückseitenstoff (0,45 cm Baumwolle oder Leinen empfohlen)

Ƿ Wollteppichgarn (verschiedene Farben) Ƿ Punch Needle (Oxford 10 regular) Ƿ Kleine, spitze Stickereischere Ƿ Schere mit flachem Rücken/Duckbill (optional) Ƿ Stoffschere Ƿ Bügeleisen und Bügelbrett Ƿ Stecknadeln Ƿ Nadel und Faden Ƿ Lederkordel (2 Stück, je ca. 56 cm lang) Ƿ Lederlocher 75

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Die Geschichte der Punch Needle Von Micah Clasper-Torch Innerhalb der letzten Jahre ist die Punch Needle – im Deutschen auch als »Nähahle« bekannt – dank Social Media wieder zu einem populären Werkzeug geworden. Die Künstler*innen und Crafter, die sie verwenden, haben ihre Handwerkskunst fast alle über Instagram kennengelernt, sind auf Pinterest darüber gestolpert und haben sich mit YouTube-Tutorials weitergebildet. Doch trotz dieser neuen Welle und den tausenden von Fotos, Videos und Blogposts, die sie mit sich bringt, bleibt eine große Frage weiterhin ungeklärt: wo kam die Technik eigentlich her? Was ist die Geschichte hinter dieser Handwerkskunst? Wie sich herausstellt, ist die Antwort gar nicht so einfach. Es gibt drei verschiedene Arten des Punch Needling, die unser heutiges Verständnis des Handwerks beeinflussen: eine aus den USA stammende Technik namens »rug hooking«, wörtlich übersetzt »Teppichschlaufen«, die russische Miniatur-Punch Needle Stickerei und die japanische Technik des »Bunka Shishu«. All diese Varianten nutzen die hohle Nähahle oder punch needle, um Fasern durch einen Hintergrundstoff zu befördern – jede Technik mit unterschiedlichen Materialien, die ihre eigene Geschichte und einen eigenen Zweck haben. 77

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Punch Needle Rug Hooking Dieser leicht erkennbare Stil des Punch Needling macht einen Großteil des momentanen Trends aus (dank Arounna Khounnoraj und Amy Oxford). Punch Needle Rug Hooking verwendet dickes Garn und eine lange Nadel, die für die typischen Schlingen sorgen. Punch needle rug hooking entstand im späten 19. Jahrhundert aus der amerikanischen Handwerkskunst des »rug hooking« oder »Teppich-schlaufen« und ist damit als nordamerikanische Kunstform bekannt. In den späten 1830ern waren Bodenbedeckungen und Teppiche aus Manufakturen im Trend in Frankreich und damit auch in den reichen Haushalten in amerikanischen Städten populär. Da deren Preis jedoch meist weit außerhalb der Budgets ländlicher amerikanischer Haushalte lag, entwickelten kreative und sparsame Frauen an diesen Orten ihre eigene Technik, um schöne Teppiche für ihre Häuser herzustellen. sister-mag.com

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Landwirtschaftlich geprägte Gemeinden hatten damals viele Leinensäcke vom Futter ihrer Tiere übrig und somit begannen die Frauen, mit einer kleinen Nadel aus Metall an einem Holzgriff (ähnlich einer Häkelnadel), Stoffstreifen von alten Kleidern und Lappen durch den Leinenstoff zu ziehen. Daraus wurden dichte Bodenbedeckungen mit Schlaufen. Zu Beginn waren diese Modelle noch eher rustikal und das Rug Hooking als Handwerkskunst war ein Zeichen von Armut. Doch nach und nach entwickelten die Frauen Teppiche, die nicht nur praktisch waren, sondern auch sehr künstlerisch, mit eigenen Designs passend zu Haus und Geschmack. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde das Rug Hooking immer beliebter und im Jahr 1886 patentierte Ebenezer Ross aus Toledo Ohio die erste Punch Needle als Werkzeug-Alternative zum traditionellen Teppichhaken. Mit diesem »The Griffin« genannten Werkzeug konnten die ersten Teppichhäkler*innen schneller arbeiten, indem sie die Schlaufen von oben durch den Stoff stachen, anstatt das Garn von unten herauszuziehen. Mit dieser vergleichsweise einfachen und schnellen neuen Technik wurde diese Art der Teppichherstellung imsister-mag.com

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mer beliebter und entlang der Ostküste der Vereinigten Staaten bis nach Kanada öffneten zahlreiche Teppich-Studios. In den 1920ern waren darunter besonders bekannte Namen wie Abnake Rugs in New Hampshire, Cranberry Rug Industry in Maine, das Mills-Mosseller Studio in North Carolina und The Ruggery in New York. Die Arbeit eines talentierten Punch Needle Rug Hookers hielt für viele Generationen und Schlingenteppiche waren in einigen Gemeinden so beliebt, dass ein paar Teppiche von Walderboro Maine im Jahr 1930 einen unglaublichen Preis von $1.550 bei einer Auktion erzielten — das wären heute fast $24,000!

bald in den Häusern der berühmtesten Filmstars und Politiker*innen zu finden und zierte die Böden der großen Villen im reichen New England. Auch Museen wie das Metropolitan Museum of Art und das Smithsonian stellten die Werke aus. Mehr als nur Handwerk, war das Punch Needle Rug Hooking jetzt eine wahre amerikanische Industrie, die vielen Frauen und Männern von den Appalachen bis Maine für viele Jahrzehnte einen Lebensunterhalt durch Heimarbeit und Kreativität brachte.

Leider brachten die 1950er Jahre die Erfindung von Tuftmaschinen mit sich, sodass der Großteil der amerikanischen Teppichproduktion ins Im Laufe der 1930er und 1940er Jahre Ausland verlegt wurde (wobei Handwurden Maßanfertigungen von tuftmaschinen auch heute wieder Punch Needle Schlingenteppichen beliebter werden!). Viele Teppichzu einem der begehrtesten Einrich- Studios schlossen ihre Türen für imtungsstücke. Moderne Künstler*in- mer und außer einer kurzen Welle in nen experimentierten mit der Hand- den 1970ern wurde das Punch Needwerkskunst und stellten Teppiche und le Rug Hooking zu einer vergessenen Wandteppiche aus ihren Gemälden Kunst, unbeachtet trotz einer reiher. Die Arbeit dieser Künstler*innen chen Geschichte – bis heute! und Handwerker*innen war schon 83

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Russische Miniatur-Punch Needle Stickerei 1974 besuchte eine Frau namens Jean Cook Anderson eine Gemeinde der Russian Old Believers in Woodburn, Oregon (USA) und verliebte sich dort in die hervorgehobenen Relief-Stickereien, die sie auf Kleidung, Vorhängen, Tischdecken und Kissen fand. Die Old Believers, eine russisch-orthodoxe Gruppe, die sich nach Jahrhunderte alten Traditionen kleiden und leben, nannten diese Technik »Igolochkoy« (übersetzt »mit einer kleinen Nadel«) und praktizierten das Handwerk seit Generationen. Fasziniert von der Technik, bei der viele kleine Schlingen zusammen gruppiert werden, um atemberaubend schöne und fein-detaillierte Verzierungen in der Form von Blumen, Tieren und anderen Motiven zu erzielen, bat Jean eine der Frauen, ihr das Handwerk beizubringen. Der Prozess nutzt eine winzige Nadel, knapp über 2 cm lang, um Schlaufen feinen Garns durch Baumwoll- und Polyesterstoff zu schieben. Durch die Dichte der winzigen Stiche bleiben die Schlaufen ohne Kleber an Ort und Stelle und bilden eine Struktur, die durch Nutzung und Waschen nur noch gestärkt wird. Bald interessierten sich auch andere, nicht-Old Believer für die Technik und Nadeln wurden unter sister-mag.com

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dem Namen der Igolochkoy Firma produziert. Die Technik wurde in den ganzen Vereinigten Staaten und darüber hinaus als dekorative Form des Kunsthandwerks bekannt. Über die Geschichte der russischen Miniatur-Punch Needle Stickerei ist außerhalb der Old Believer-Kreise der 1970er Jahre leider nur sehr wenig bekannt. Da die Migration der russischen Old Believer in die ganze Welt bereits im 17. Jahrhundert zunahm, ist es nicht bekannt, ob die Technik aus Russland mitgebracht wurde, oder ob sie erst in den neuen Gemeinden entstand und eventuell von Reisen durch die Türkei oder Ukraine inspiriert ist. Praktizierende und Lehrende der Kunstform haben die ganze Welt bereist und in Museen in Kiew, Polen und Ungarn keine Spuren der Technik gefunden – keine der Kuratoren kannte sie. Somit sind die einzigen überbleibenden Beispiele der Technik diese aus dem 20. Jahrhundert. 85

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Bunka Shishu Japanische Punch Needle Stickerei, oder »Bunka Shishu«, ist nochmal etwas anders als das Punch Needle Rug Hooking und die Miniatur-Punch Needle Stickerei: während diese beiden Techniken oft verwechselt werden können und oft beide als »punch needle« bezeichnet werden, ist Bunka sehr eindeutig erkennbar, etwas unbekannter und genießt (noch) nicht die gleiche Aufmerksamkeit.

Stichen genutzt werden, die traditioneller Stickerei ähneln, statt der Seite mit den Schlaufen.

Bunka entstand im 19. Jahrhundert in Japan, kurz nachdem Viskose erfunden wurde. Im Gegenteil zu den anderen Techniken wurde es nicht zu praktischen oder gar dekorativen Zwecken verwendet, sondern galt ausschließlich als Kunst. Fertige Werke werden, ähnlich wie ÖlgemälBunka wird mit einer etwas an- de, gerahmt. Bunka ist die Definition deren hohlen Nadel ange- des Malens mit Faden! Frühe Bunka fertigt. Dabei wird nur eine Werke zeigen oft Blumen, Tiere und bestimmte Art Viskose-Faden ver- Landschaften in wunderschönen wendet und mit einem eng gewebten Schattierungen und Farben. Polyester-Gabardine-Stoff gearbeitet. Der Faden wird ausei- Man sagt, dass Bunka nach dem nandergezogen und immer nur zweiten Weltkrieg mit einem Soldaein Strang davon verwendet. Die ten in die USA kam, der seine japani»Knicke« im Faden und deren Schlau- sche Braut mit nach Hause brachte fen halten die Faser im Stoff fest. – und sie mit sich ihre Liebe zu dieser Bunka ist die einzige Punch Needle Kunst. Sie unterrichtete andere und Technik, bei der der Stoff von vorne das Kunsthandwerk verbreitete sich bearbeitet wird und bei den langen in den Vereinigten Staaten und der ganzen Welt. 87

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Anders als Punch Needle Rug Hooking und Punch Needle Embroidery ist Bunka eine sehr zerbrechliche Kunstform und kann nicht gewaschen oder anderweitig verwendet werden. Der spezielle Faden ist das Hauptmerkmal der Kunstform und macht die einzigartige Schönheit aus, da das fertige Werk noch durch Bürsten und andere Techniken weiterbearbeitet werden kann, um unterschiedliche Texturen und Effekte zu erzielen.

innen integrieren Punch Needle Designs in ihren Kissen, Wandteppichen, Accessoires und vielem mehr und zeigen ihre bunten Designs und Farbkombinationen, die in deutlichem Kontrast zu den traditionell dunklen Farben und Volkskunst-Mustern der traditionellen Werke stehen. Kreative auf der ganzen Welt experimentieren mit den Möglichkeiten des Punch Needle als Hobby, als Geschäftsidee und als Kunst.

Bunka wird auch heute noch überall auf der Welt von einer kleinen Gruppe von Liebhaber*innen praktiziert, obwohl die Technik den meisten Textilkünstler*innen unbekannt bleibt.

Ein genaueres Verständnis der Unterschiede zwischen den traditionellen Varianten lässt das zeitgenössische Punch Needle in neuem Licht erscheinen. Es zeigt auf, dass wir diese traditionelle Technik in unseHeute ist die Schönheit und Kunst des rer Arbeit zelebrieren können und erPunch Needling mit seiner reichen laubt, die Geschichte dieser einzigGeschichte der Selbstgenügsam- artigen Kunst hervorzubringen – und keit, Kreativität und langsamer dabei ganz neue Dinge in modernem Handwerkskunst das Herzstück ei- Design entstehen zu lassen, die die ner neuen, kreativen Generation. Grenzen des Verständnisses erweiZeitgenössische Kunsthandwerker* tern. sister-mag.com

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PUNCHNEEDLE

Die Technik des sogenannten „Punchneedling“ hat in den letzten Jahren immer mehr Anhänger und Liebhaber gefunden. Wir waren begeistert von den vielen Projekten und begabten Fans, die wunderschöne, textile Projekte gestalten. Über diese Technik und deren Herkunft erfahrt ihr noch viel mehr in unserem Artikel rund um die Geschichte. Auf diesen Seiten haben wir einige hilfreiche Ressourcen, die schönsten Projekte und lohnenswerte DIY-Bücher zusammengestellt, die die Lust am Punchneedle-Handwerk noch verstärken werden. Viel Spaß damit.

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MATERIALIEN & RESSOURCEN

BÜCHER & RESSOURCEN

Bei Rico Design findet man nicht nur allerhand Materialien, sondern auch Videos und Anleitungen zum Nachmachen.

YOUTUBE VIDEO „PUNCH NEEDLE / STEP BY STEP“ PROJEKTBUCH „PUNCH NEEDLE“ VON RICO


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Anfängerprojekte mit der Punch Needle. Vom kleinen Kuscheltier-Löwen bis zur Zitronenclutch und Rainbow Day Bag. Die Autorin ist FreelanceGrafikerin und lehrt die Technik sowie Makramée in Großbritannien und Europa. Punch Needle Embroidery for Beginners von Lucy Davidson

@peasandneedles | Search Press

Punch Needle hat viele Verbindungen zum Teppichknüpfen, weshalb die Technik sich besonders gut für Projekte im eigenen Zuhause eignet. Autorin Rose Pearlman kommt aus NYC und fertigt wunderschöne, moderne Projekte. Zum Nachmachen lädt ihr Buch ein. Modern Rug Hooking von Rose Pearlman @rosepearlman | Roost Books

Ein wenig Oldschool, aber die Arbeiten von Marinda Stewart sind atemberaubend: seit >30 Jahren schreibt die Texanerin Anleitungen rund ums Punchneedling. Punchneedle-Miniaturen von Stiefmütterchen? Wir sind dabei! Easy, elegant Punchneedle von Marinda Stewart | Stackpole Books

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THE

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Emily Pelich war eine der ersten, die das Punchneedling nach Deutschland brachte und gründete „The Joyful Punch“. Moderne und vielseitige Projekte vereint dieses Buch vom südwest-Verlag Punch Needle von Emily Pelich

@thejoyful-

punch | südwest verlag

Emily betreibt das Texilstudio „Loomshakalaka“. Sie entwirft und fertigt Punchneedle-Projekte, die ihr direkt kaufen könnt: „From my hands to yours, thank you for being part of that movement.“ Emily Primbs

@loomshakalaka

Die eigenen Hausschuhe mit Punchneedle-Embroidery. Diese Idee kommt von Melissa von „A Happy Stitch“, die auf Etsy zahlreiche Kits zum Schuhemachen anbietet. Melissa

@ahappystich

Wem der Look super gut gefällt, aber keine Zeit zum Selbermachen hat, kann bei „mycraftmystuff“ schöne Kleinigkeiten wie diese Punchneedle-Haarspange finden. my craft my stuff auf Etsy sister-mag.com

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Unsere Gastautorin Micah Clasper-Torch sammelt auf dem Account Punchneedle World die schönsten Projekte und Inspiration rund um dieses Handwerk Punchneedle World

@punchneedle.world

Sara Moore aus Großbritannien ist Punchneedle-Instructor und zeigt auf ihrem Account wunderschöne Projekte und Tipps rund ums Punchneedling. Sara Moore

@wholepunching

Wer sich mehr und mehr mit dem Thema „Punchneedling“ beschäftigt, wird an Amy Oxford vorbeikommen. Sie ist die Erfinderin der Oxford Punch Needle, Autorin zahlreicher Bücher und hält zahlreiche Workshops und Lehrgänge ab. Amy Oxford

@amy.oxford

Eine Sammlung von Punchneedle-Projekten und Ideen von sisterMAG-Cofounderin Thea auf Pinterest – hier gibt es alles von SpiegeleiUntersetzern bis hin zu Punchneedle-Jacken Thea auf Pinterest „Punchneedle“-Board

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Wie der Teppich von der Wand auf den Boden kam. DER TEPPICH UND SEINE GESCHICHTE

Text: Michael Neubauer Illustrationen: Ezbah Ali

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Teppich von BURKE DECOR

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Wie in allem! Nur das Auß ergewöhnliche, nur mit Mühe und Anstrengung zu Erreichende zählt. Erst, wenn ein geknoteter Teppich mehr als 250 000 bis 500 000 Knoten auf einem Quadratmeter aufweist, ist er »fein« geknüpft, belastbar und von hoher Qualität. Das bedeutet, dass auf einem Quadratzentimeter bis zu 50 Knoten Platz finden müssen. Fast unvorstellbar, aber wie hätte Aladin sonst die Prinzessin Badrulbudur und ihren Bräutigam in ihrer Hochzeitsnacht im gemeinsamen Bett sicher auf einem fliegenden Perserteppich entführen können? Sicher war es der aus dem Nordwesten Persiens stammende berühmte Ardebil-Teppich (von 1539 – heute im Victoria und Albert Museum, London) - ein Kaschan! Er war groß und äußerst fein geknüpft mit 500 000 Knoten pro Quadratmeter (»sehr fein«). Wer es allerdings später lockerer und durchlässiger wünschte, begnügte

sich mit 2-9 Knoten pro Quadratzentimeter. So ab es zu allen Zeiten wertvolle Teppiche eher für Repräsentationszwecke, zum »Fliegen« oder eben Alltagsteppiche, die als Wand- oder Bodenteppiche, als Schlaf- oder Tischdecke, als Satteltasche oder Pferdedecke verwendet wurden und bezahlbar waren. Teppiche stellen die Menschen schon sehr lange her. Als sie sesshaft wurden, nutzten sie Schaf- und Ziegenwolle, um sich vor Kälte und Nässe in den Steppen Zentralasiens zu schützen. Und das gelang einfach besser, in dem man das Gewebe verdichtete und miteinander verknotete. Natürlich haben sich aus diesen Anfangsjahren keine textilen Zeugen erhalten können. 1947 fand aber ein russischer Archäologe im Altaigebirge in Südsibirien an der Grenze zur Mongolei in der Grabkammer eines ehemaligen Fürsten einen 183x200cm großen Teppich, nach

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lichen Farben bestimmen das Muster auf beiden Seiten. Das Ergebnis ist flach und ohne Flor. Der KELIM ist ein Wirkteppich, zahlreich von persischen Nomaden hergestellt, aber auch in Afghanistan, in der Kaukasusregion und auf dem Balkan kennt man diese Wirktechnik. Der Kelim dient als Wandbehang, Teppich, Tasche, Zeltvorhang oder als Decke.

seinem Fundort »Pazyryk« genannt, der als der älteste Teppich der Welt gilt. Er soll im 5-4. Jahrhundert v. Chr. wahrscheinlich in Armenien geknüpft worden sein und hängt heute in der Ermitage in St. Petersburg. Genial für diese Zeit, zählt man 360 000 »symmetrische« (s.u.) Knoten pro Quadratmeter (»fein geknüpft«), bestaunt zentrale Die Wirktechnik ist auch ein VorRosettenmotive, die von Hirsch- läufer der europäischen Bildwirbildern umgeben werden. kerei. Hier werden in textile Flächengebilde Bilder und Motive In der langen Geschichte der eingewirkt, die man als TapisTeppichherstellung unterscheiserien bezeichnet. Die europäidet man den Wirkteppich vom sche Bildwirkerei ist also mit den Knüpfteppich. Beide Techniken Wirkteppichen verwandt, aber wurden in den einzelnen Regionicht identisch. nen angewendet. Tapisserien sind dann »GobeBei der Wirktechnik wird der lins« und nur dann, wenn sie in Kettfaden von einem enganlieder Gobelin-Manufaktur in Pagenden Schussfaden beidseitig ris (seit 1607 tätig) hergestellt verdeckt, weil er an der nächswurden. ten Farbgrenze wieder zurückgeführt wird. Das heißt, die Bei der Knüpftechnik folgen auf Schussfäden mit unterschied- jede Knotenreihe ein oder zwei

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Man unterscheidet folgende Knüpftechniken:

Der symmetrische oder Ghiordes-Knoten: aus der Türkei stammend Anwendung in der Türkei, Kaukasus, durch türkische und kurdische Stämme im Iran und in Europa

Der asymmetrische, persische oder Sennehknoten: Anwendung im Iran, in Indien, Türkei, Ägypten und China

Schussfaden

Wollfaden Kettfaden

Antiker Ghiordes-Knoten Teppich via

Senneh-Teppich via Carpet Avenue

Old New House:

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Der Jufti-Knoten:

Der tibetanische Knoten:

Anwendung im Iran, er ist weitmaschiger und weniger haltbar

Vor die Kettfäden kommt ein Stab, am Ende einer Reihe werden Schlingen um den Stab abgeschnitten und verknotet

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begehrt sind persische Teppiche. Traditionelle, regionale Motive und Farben bestimmen das Bild der fertigen Textilien. All diese Länder und Gebiete sind auch heute noch in der Produktion von handgeknüpften Für alle drei Fadengruppen werden Schafwolle, Baumwolle, Ziegenwol- Teppichen tätig, bis zu 90% der le verwendet, Seide für sehr kostba- Weltproduktion. re Teppiche. Die Wolle wird in gro- Mit der Besiedlung Spaniens durch ßen Farbbottichen mit pflanzlichen, nordafrikanische Mauren-Stämme tierischen, und zunehmend mit syn- wurde die Knüpftechnik nach thetischen Farben gefärbt und an- Europa gebracht. Zwar hatten schließend flächig getrocknet. Fernostreisende schon vorher Schussfäden über die gesamte Breite. Zusätzlich werden Flormaschen auf die Kettfäden eingeknüpft, die dem Teppich das Plüschartige verleihen.

Webstühle nutzen die Nomadenvölker eher in horizontaler Weise, häufiger werden sie aber in anderen Regionen vertikal aufgestellt. In der Knüpftechnik erfolgt nach Fertigstellung das Scheren der Florfäden auf eine einheitliche oder gewollte Höhe, das Kämmen, und dann muss das Produkt intensiv gewaschen werden. Ihren Namen erhalten die Teppiche nach ihrem Herstellungsort, ob in Kleinasien, Zentralasien, Indien oder China. Nach wie vor führend, wertvoll und

Teppiche im Gepäck, aber mit den sesshaften Mauren entstand auf der iberischen Halbinsel ein erstes europäisches Teppichzentrum für Teppiche im orientalischen Stil (Cordoba). Auch in England fertigte man im 16. Jahrhundert Teppiche nach persischen Vorlagen an. Parallel entwickelten sich in Frankreich, Deutschland, Niederlande und auch in der Schweiz nach dem 14. Jh. Gebiete, die sich der oben beschriebenen Bildwirkerei widmeten.

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Mit dem 19. Jahrhundert nahm die Produktion maschinengewebter Teppiche auch in Deutschland zu, damit auch eine Vielfalt an Varianten, wie glatte, Schlingen-, NoppenPlüsch- Velours- oder Florteppiche. Revolutionierend für die moderne Teppichherstellung war das Tufting, das zuerst in Amerika, seit 1960 auch in Europa angewendet wurde.

Walter Gropius eine Werkstatt für Weberei ein, wo die alte Knüpftechnik nochmals zum Einsatz kam. Herausragende Arbeiten schufen Anni Albers, Hedwig Jannis, Benita Koch-Otte, Margaretha Reichardt und Gunda Stölzl. Bodenbeläge, Teppiche, Wandbehänge, Decken waren das Ergebnis einer intensiven künstlerischen Beschäftigung mit dieser traditionellen Technik.

Maschinen mit vielen Nadeln in einer Reihe und in der Breite des Belages durchstechen und führen das Polgarn in ein Grundmaterial. Der Rock, welcher dieses Durch technische Varianten sisterMAG auf dem Cover ziert, entstehen Schlingen, durch wurde durch einen symmetrischen Schnitt Florvarianten und durch türkischen Knoten von Evi Neubauer abgestufte Rotationsmesser handgefertigt, allerdings nur mit Mustermöglichkeiten. Das einer Knotendichte, die für einen Verfahren ist im Verbund mit strapazierfähigen Teppich nicht synthetischen Fasern schnell und reichen würde. Aber es ist ja ein relativ billig. Mit der Gründung des Rock, der zum Glück nicht so oft Bauhauses 1919 in Weimar richtete „betreten“ werden muss.

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DER AUFSTIEG DER TEPPICHE

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Wir beobachten seit einiger Zeit, dass ausgefallene, stilsichere Teppiche mit hohem Design‑ anspruch immer beliebter werden. Statt dem günstigen Modell vom Möbelhaus nebenan darf es lieber etwas anspruchsvoller und hochwertiger in den eigenen vier Wänden sein. Wir stellen euch hier im sisterMAG deshalb einige unserer derzeitigen Favoriten vor. Brands, die viel Wert auf die Herstellung ihrer Produkte legen und in traditioneller Handarbeit besondere Wohnaccessoires kreieren. Wenn auch ihr euch ein bisschen »Weltgefühl« nach Hause holen wollt, seid ihr hier an den richtigen Anlaufstellen.

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AMAZING RUGS amazingrugs.de amazing_rugs

Was ist das Besondere an eurer Teppichauswahl? Durch unsere Zusammenarbeit mit verschiedenen Familienbetrieben in Marokko verfügen wir über eine eklektische Bandbreite von calming bis expressiv. Unser Label realisiert aber auch individuelle Kundenwünsche. Wo werden die Teppiche hergestellt? Wir bieten ausschließlich handgefertigte Teppiche aus Marokko an. Woher kommt die Inspiration für die Designs? Die meisten Designs sind frei entworfen von unseren talentierten Weberinnen, das kann das klassische Rautenmuster genau wie eine in Symbolen dargestellte Geschichte sein. Unser Label steht aber zukünftig in erster Linie für unsere individuell anpassbare Kollektion von Beni Mrirt: besonders feine, luxuriöse Teppiche, die von Grafiken und Malerei inspiriert sind und eigens für uns hergestellt werden. Wir schlagen ein Design vor, aber die jeweilige Interpretation der Weberin macht das Resultat letztendlich zu einem einzigartigen Unikat. Wir vereinen hier die besten Eigenschaften eines Berberteppichs mit individuellen Wünschen von Farbwahl bis Fransendesign.

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Beschreibt den Shop und eure Produkte in 3 Worten. Tradition bewahrend, wertschätzend, innovative Designs.

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HAND IN HAND handinhand.store handinhand

Was ist das Besondere an eurer Teppichauswahl? Das Besondere an den Teppichen von HAND IN HAND ist, dass sie traditionelle Handwerkskunst mit modernem Design verbinden. Das ist in dieser Form einzigartig. Man kennt die klassischen Berberteppiche bereits, die aber immer traditionelle Berber-Muster featuren. Gleichzeitig gibt es natürlich unzählige maschinell hergestellte Teppiche mit graphischen Designs. HAND IN HAND verbindet beides. Zudem wird jedes HAND IN HAND Produkt nur dann produziert, wenn es bestellt wird – somit vermeiden wir unnötige Überproduktion und die Verschmutzung und Vermüllung unseres Planeten. Wo werden die Teppiche hergestellt? Jeder HAND IN HAND Teppich wird komplett per Hand geknüpft und ist somit ein Unikat. Wir arbeiten hierfür mit einem Familienbetrieb außerhalb von Casablanca in Marokko zusammen, der seit mehreren Generationen die Handwerkskunst weitergibt. Jeder Teppich besteht aus 100% natürlicher Schafwolle, die einzigartige Qualitäten für die Gesundheit hat.

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Woher kommt die Inspiration für die Designs? Die Designs von HAND IN HAND treffen immer exakt den Zeitgeist und sind dabei dennoch klassisch genug, sodass die Kunden lange Freude an den Produkten haben. Für die erste Kollektion der HAND IN HAND Teppiche habe ich mich zum einen an meinem Lieblingsmuster, dem Schachbrett-Karo, bedient und

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zum anderen an ikonischen ComicFiguren, die mir als Inspiration für die Farbkombinationen dienten. So kommt es, dass einige der Teppiche auch wie Comics heißen: Sleeping Beauty etwa oder Robin Hood. Beschreibt den Shop und eure Produkte in 3 Worten. Langsam, nachhaltig und gefühlvoll.

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THEM. them.fr/en themofficiel

Was ist das Besondere an eurer Teppichauswahl? Alle Teppiche sind Unikate. Jedes Stück ist das Ergebnis von einigen Monaten Weberei in den Bergen des Mittleren Atlas in Marokko. Die Teppiche drücken die individuellen Gefühle einer Berberfrau aus. Jede Frau webt nach ihren Wünschen und Bewegungen. Jede Farbe und Zeichnung hat eine Symbolik. THEM. Teppiche sind nicht nur ein Dekorationselement, sondern eine Kreation, die voller Geschichte steckt. Jährlich werden Reisen zu ihren Ursprüngen unternommen, zu den winzigen Berberdörfern im Gebirge des Mittleren Atlas, um Béni Ouarain-Teppiche mit ihren grafischen Formen, Azilal-Teppiche mit ihren leuchtenden Farben, einige seltene Boujard-Teppiche aufzuspüren...Der Name dieser marokkanischen Teppiche kommt von den

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Gegenden, in denen sie geknüpft werden. Wir arbeiten direkt mit Handwerkerinnen in den schönen marokkanischen Bergen zusammen und haben die Zwischenhändler ausgeschaltet. Das Ziel? Den Kunden faire Preise anbieten. Eine ethische Arbeitsweise, von der wir glauben, dass sie unerlässlich ist, wenn man es mit Handwerkskunst zu tun hat. Aber auch gerecht für die Handwerkerinnen, die Kunden und das Unternehmen. Wo werden die Teppiche hergestellt? Alle Teppiche werden mit traditionellen Webstühlen in den Bergen des mittleren Atlas in Marokko handgefertigt. Der Webprozess ist sehr lang: etwa zwei Monate, um eine mittlere Größe zu weben.

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Woher kommt die Inspiration für die Designs? THEM. ist keine Marke, sondern ein Händler für handgemachtes Know-how. Das Design wird den Knüpfer*innen überlassen, da sie die Expertise dafür haben. Ihre Kreativität soll nicht eingeschränkt werden. Jede Frau webt nach ihren Wünschen und Bewegungen, jede Farbe und Zeichnung hat eine Symbolik. Beschreibt den Shop und eure Produkte in 3 Worten. Handgemacht, einzigartig, farbenfroh.

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THE KNOTS BERLIN the-knots.com/de the_knots_berlin

Was ist das Besondere an eurer Teppichauswahl? THE KNOTS ist ein Label für handgemachte Teppiche, die nach traditionellem Kunsthandwerk in den jeweiligen Ursprungsländern gefertigt werden. Alle Teppiche sind Unikate, weil sie sich zumindest in Nuancen unterscheiden und alle Teppiche werden ausschließlich aus natürlichen Materialien hergestellt. Unser Sortiment umfasst Vintage Perser, die größtenteils eingefärbt werden und dadurch sehr viel monochromer sind und moderner wirken als der ursprüngliche Rohling. Dann haben wir unterschiedliche Berber Teppiche, diese sehr kuscheligen und hochflorigen Teppiche, von denen der Beni Ouarain wahrscheinlich der bekannteste ist. Wir haben aber auch tolle Vintage Zemmour und Beni Mrirt Berber. Außerdem umfasst unsere Auswahl eine Kollektion von Kilims, die von traditionellen Klassikern vom Anfang des 20. Jahrhunderts über neue farbenfrohe Stücke reicht.

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Wo werden die Teppiche hergestellt? Unsere Midcentury Vintage Perser, die an die 80 Jahre alt sind, kommen aus dem Iran, die Berber Teppiche aus unterschiedlichen Regionen Marokkos und die Kelims aus verschiedenen Ländern des Orients. Außerdem haben wir Kelims aus einer Design Kooperation in Peru produzieren lassen, aus der lokalen Wolle.

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Woher kommt die Inspiration für die Designs? Die Designs unserer Teppiche sind angelehnt an die traditionellen Designs der jeweiligen Länder, weil diese einfach unfassbar gut zu den jeweiligen Teppicharten passen und ganz viel Potential für einen modernen Twist bieten. Beschreibt den Shop und eure Produkte in 3 Worten. Einzigartig, handgemacht, traditionell-modern.

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REVIVAL revivalrugs.com revival

Was ist das Besondere an eurer Teppichauswahl? Qualität und Quantität! Unsere Teppichauswahl ist sehr groß und hat im Grunde alles, was man sich wünschen kann: neue Stücke, Vintage-Stücke, klein bis groß, hell bis neutral, Flachgewebe bis Shag. All unsere Teppiche sind handgewebt, und unsere Teams, die sie beschaffen, leben im Land, sodass sie eine gute und etablierte Beziehung zu den Sammlern haben, von denen wir sie kaufen. Das bedeutet, dass wir den Zugang zu besseren Stücken zu besseren Preisen bekommen und das geben wir dann an unsere Kunden weiter. Außerdem haben wir begonnen, auch andere Produkte als Teppiche zu verkaufen, wie mundgeblasene Glaswaren, Decken und handgeflochtene Körbe, die unsere Teppichauswahl ergänzen.

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Wo werden die Teppiche hergestellt? Unsere Teppiche werden in Marokko, vom Atlasgebirge bis zur Sahara-Wüste, in der Türkei, von der Ägäisküste bis zu den Ebenen von Malatya, und in Teilen Indiens hergestellt. Sie werden nicht nur quer durch den Raum, sondern auch quer durch die Zeit hergestellt – einige Teppiche sind zwischen 20 und 100 Jahren alt, während andere neuer und vor 6 Jahren oder erst gestern hergestellt wurden. Woher kommt die Inspiration für die Designs? Das hängt von der Weberin ab. Die Designs unserer Vintage-Stücke sind alle von einer komplizierten, aufwendigen Websprache durchdrungen, die Jahrhunderte alt ist und sich im Laufe der Zeit gewandelt hat.

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Sie ist faszinierend und wunderschön und wir haben große Sorgfalt darauf verwendet, Muster und Symbole zu identifizieren – jedes VintageStück auf der Website enthält Informationen zu den Motiven. Für unsere neuen Teppiche lässt sich unser hauseigenes Designteam von überall her inspirieren: von der Architektur, von Liedern, von Gemälden, von der Geschichte der Weberei und von der Natur. Sie arbeiten auch mit Kunsthandwerkern zusammen, die sich von ihrem kulturellen Erbe der Weberei und allem, was sie berührt, inspirieren lassen. Beschreibt den Shop und eure Produkte in 3 Worten. Zeitlos, reisefreudig, leichtfüßig.

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Eine Bezeichnung, viele Formen RÖ CKE IN DER KUNST

In einer Serie stellen wir euch im sisterMAG eine Auswahl von mehr oder weniger bekannten Kunstwerken und Künstler*innen vor. Ein Kleidungsstück steht dabei jeweils im Mittelpunkt und gibt thematisch den roten Faden vor. In dieser Ausgabe dreht sich alles um den Rock.

Ob kurz oder lang, ob enganliegend oder voller Volumen aufgebauscht, ob schlicht einfarbig, schillernd mit Pailletten besetzt oder mit Mustern versehen – den Ausdrucksformen des Rocks sind keine Grenzen gesetzt. Werfen wir in dieser Ausgabe einen Blick auf Röcke in der Kunstgeschichte und auf die verschiedenen Formen, die ein Rock annehmen kann. Denn was wir gelernt haben: Ein Rock ist nicht gleich ein Rock.

Text: CAROLIN KRALAPP

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Unbekannt Beginnen wir mit einem Hingucker aus dem Iran, der eine ungefähre Vorstellung der Hofkleidung zur Zeit der Qajar-Dynastie in Persien vermittelt. Entstanden ist das Gemälde etwa in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Unterbekleidung der dargestellten Frau wäre nach heutigem Verständnis vermutlich eher den Hosen zuzuordnen, jedoch ist sie so weit geschnitten, dass sie den Anschein eines luftig fallenden Rocks hat. Der Stoff ist mit einem großen und sich wiederholenden Muster gewebt. Ihre Hände in eleganter Pose erstreckt, hält sie rechts eine Rose und links ein Sorbet. Neben den detailreichen Mustern der Kleidung fallen besonders die feinen Pinselstriche des transparenten Schals und Glases ins Auge.

Unbekannt, Frau mit Rose in der Hand, erste Hälfte 19. Jahrhundert.

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Edgar Degas (1834-1917)

Die »Vierzehnjährige Tänzerin« von Edgar Degas (1834-1917) wurde 1881 auf der sechsten Impressionisten-Ausstellung ausgestellt und sorgte für einen Schockmoment unter den Kunstinteressierten, denn sie entsprach nicht den bisher üblichen Sehgewohnheiten im Bereich der Bildhauerkunst des 19. Jahrhunderts. Und auch für Degas war es eher untypisch, bildhauerisch tätig zu werden, denn er war in erster Linie Maler. Nach seinem Tod fand man jedoch mehr als 150 Plastiken in seinem Atelier. Für seine Plastiken verwendete er unterschiedliche Materialien, wie Wachs, Ton und Textilien. Die mannigfaltige Farbigkeit, die daraus entstanden ist, war der Bildhauerei bis dato noch fremd. Die Tänzerin aus Wachs wurde von Degas mit einem echten Rock und Tanzschuhen aus Stoff ausgestattet, einem Mieder aus Leinen, einem Satin-Haarband und Rosshaaren.

Edgar Degas, Kleine vierzehnjährige Tänzerin, 1875-80

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Adolf Erbslöh (1881-1947) Etwas freizügiger wird es in diesem Gemälde von Adolf Erbslöh (1881-1947). »Mädchen mit rotem Rock« (1910) zeigt in expressionistischer Manier eine Frau im Halbakt mit entblößter Brust und rotem, langem Rock. Erbslöh hat, ebenfalls 1910, ein weiteres, ähnliches Gemälde mit dem Titel »Der rote Rock« gemalt, das weniger Stoff und dafür die Sicht auf mehr nackte Haut freigibt. In beiden Gemälde-Betitelungen präsent, nimmt der Rock hier deutlich mehr Raum ein als auf dem anderen besagten Werk. Insgesamt bestechen beide Werke aber durch ihre leuchtende Farbkraft. Dass alle Bildelemente vom Künstler schwarz umrandet wurden, verstärkt den Kontrast zum Hintergrund. Da beide Bilder 1910 entstanden sind und ein ähnliches Bildthema darstellen, könnte man vermuten, dass es sich vielleicht um dieselbe Frau handelt. Betrachtet man die Bilder genau, so könnten theoretisch beide den jeweils zeitlich vorherigen oder auch späteren Moment darstellen: Hier kurz vor dem Ausziehen, um z.B. in bequemere Kleidung zu schlüpfen oder aber kurz vor dem fertig Einkleiden, um sogleich das Haus zu verlassen, im anderen Bild fast gänzlich ausgezogen, um zu Bett zu gehen oder aber noch gerade im Begriff, sich vollständig einzukleiden. Adolf Erbslöh, Mädchen mit rotem Rock, 1910.

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Egon Schiele (1890-1918)

Das künstlerische Werk des Österreichischen Malers Egon Schiele (1890-1918) bietet für Kleidungsstücke in der Kunst eine große Auswahl. Bei der »Rückenansicht eines Mädchens im blauen Rock« (1913) möchte man aus heutiger Sicht meinen, es würde sich eher um ein knielanges, weitgeschnittenes Kleid handeln, das auf der Rückseite verschlossen wird. Schaut man sich jedoch die Geschichte und Entwicklung des Rocks genauer an, so wird klar, dass der Rock über die Jahrhunderte je nach Region und Land verschiedenste Formen angenehmen konnte. Wenn ihr z.B. in der Suchmaschine eurer Wahl nach dem Werk »Knabe mit langem Rock« (1910) von Schiele sucht, werdet ihr auch nicht das finden, was wir heute mit einem »klassischen Rock« assoziieren.

Egon Schiele, Rückenansicht eines Mädchens im blauen Rock, 1913.

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Cindy Sherman (*1954) Die US-amerikanische Fotografin Cindy Sherman (*1954) stellt sich in ihren Arbeiten immer wieder den Fragen der Identität, Rollenbildern, Sexualität und Körperlichkeit. Für eine Serie, die für das POP-Magazin entstanden ist und 2019 in der National Portrait Gallery in London ausgestellt wurde, arbeite die Künstlerin mit dem großen Modehaus Chanel zusammen. Entstanden sind Fotos mit einer merkwürdigen Ästhetik: Gelangweilte Gesichter, unbeholfene Körperhaltungen und Haute Couture vor beeindruckenden Landschaftsszenerien. Sherman nutzt diese Bildsprache, um unsere Erwartungen an den immer perfekt anmutenden Glamour der High-Fashion-Magazine dieser Welt in Frage zu stellen. Sherman fotografierte sich für die Serie selbst vor einem Greenscreen und überlagerte die Figuren anschließend digital mit Landschaftsbildern, die sie auf der Insel Capri und während des Ausbruchs des Vulkans Eyjafjallajökull 2010 in Island aufnahm. In »Untitled #540« steht sie steif da und trägt eine Perücke, kombiniert mit einer Lederjacke und einem Taftrock - beides entworfen von Karl Lagerfeld.

Cindy Sherman, Untitled #540 2010-12, 180.3 x 221.3 cm, Chromogenic colour print, Courtesy: the artist & Metro Pictures, New York.

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Ich habe die Stücke bewusst so ausgewählt, dass man sie nicht als »Mode« lesen konnte. Ich suchte nach Dingen, die eine andere Art von Qualität haben - Cindy Sherman

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Ihr kennt noch mehr Kunstwerke mit ausgefallenen oder humorvollen Röcken?

Lasst es uns gerne wissen! Teilt sie mit uns auf Social Media oder schickt eine Nachricht an carolin@sister-mag.com .

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D e r H u t m a c h e r v o n N e w Y o r k Und das älteste Fachgeschäft der Stadt

Text & Fotos: Andrea Lang

Man betritt den Laden und wird in eine andere Zeit versetzt. Die Gerüche, die Holzverkleidung der Regale und alte Kronleuchter, die schummriges Licht spenden. Eine Welt, die beruhigt, in der bedachte Handgriffe ausgeführt werden, in der Altes bewahrt wird und in der Menschen überzeugt sind, von dem, was sie tun. Das Gefühl der Entschleunigung setzte sofort ein, als die Fotografin Andrea Lang 2016 den Laden in Manhatten betrat, um das erste Foto für ihre Langzeit-Fotostrecke zu schießen. Mit einem charmanten und gleichzeitig verschmitzten Lächeln wurde sie von einem gut gekleideten Mann namens Jose empfangen, der ihr bereitwillig Verkaufsraum und Werkstatt zeigte.

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Jose begann 1977/78 als Hutmacher zu arbeiten. Er erinnert sich nicht mehr genau. Seit den 70erJahren hat sich in diesem Beruf viel verändert. Es gibt nur noch wenige Hutgeschäfte in New York und immer weniger Menschen, die Hüte tragen und zu schätzen wissen. Und doch gibt es Trends, wie kurze und breite Krempen und bestimmte Farben, die immer beliebter werden. Verschiedene Hut-Stile werden durch Fernsehserien und Filme in die breite Masse getragen. Kappen erfreuen sich seit »Peaky sister-mag.com

Blinders« großer Beliebtheit. Der Homburger, ein hoher Herrenhut aus Filz mit hochgebogener, eingefasster Krempe und Mittelkniff in der Krone, erlangte durch »Boardwalk Empire« Bekanntheit. Und seit die Französin Sarah Bernhardt im Theater die Prinzessin Fédora Romanoff modebewusst mit einem Hut gab, wurde der Fedora weltbekannt und mit Vorliebe von Vertreterinnen der Frauenbewegung getragen. Durch »The Marvelous Mrs. Maisel« inzwischen wieder bevorzugt mit mittelbreiter Krempe.

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Jose begann seine Karriere als Einkäufer von Accessoires für eine kleine Herrenausstatter-Kette. Eine der Abteilungen, für die er als Einkäufer verantwortlich war, war die Kopfbedeckung. Danach folgte eine Anstellung in einer Kopfb e d e c k u n g s - M a n u f a k t u r. » D e r Rest ist Geschichte!«, sagte Jose und lachte. Gegründet im Jahr 1911, ist J.J. Hat Center New Yorks ältester Hutladen und eine echte Institution. Seit über hundert Jahren sind die Hutmacher stolz auf exzellenten Kundenservice und kompetente Beratung. Der Hutkauf soll für ihre Kunden ein unvergessliches Erlebnis werden, bei dem sie genau den Hut finden, der zu ihrem individuellen Stil passt. Dabei können sie aus über 10.000 hochwertigen Hüten, die jederzeit auf Lager sind, auswählen; und damit aus der größten Auswahl an Kopfbedeckungen in New York City. Sollte man nicht das Vergnügen haben, das historisch eingerichtete Geschäft in an der 310 Fifth Ave in Manhatten besuchen zu können, bieten Jose und seine Kollegen auch einen Online-Service an und stehen beratend zur Seite. Das Besondere an seinem Job sind die Leute, die er im JJ Hat Center

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trifft. »Hutträger sind größtenteils sehr exzentrisch. Aber der Service, den ich anbiete, erfüllt mich!« Jose liebt es, mit dem Produkt Hut zu arbeiten. Und er sieht es als seine Aufgabe, Kunden, die sich zum ersten Mal mit dem Thema beschäftigen, an die Hand zu nehmen, zu führen und sie für das Huttragen anzuregen. Manchmal kommen Leute herein, die unsicher oder unzufrieden sind und für die man viel Zeit und Geduld benötigt. »An anderen Tagen scheinen die Leute genau zu wissen, was sie wollen!« Und so weiß man nie, wer zur Tür hinein kommt und was der Tag so mit sich bringt. Vor einigen Jahren kamen Großhändler in den Laden, um mit der Eigentümerin Aida zu sprechen und ihr Produkte anzubieten. Im Verlauf des Treffens machte einer der Großhändler eine Bemerkung, dass New York City einen guten Hutladen bräuchte. Das war es dann mit dem Geschäft. »Danach haben wir nie wieder bei ihnen bestellt!«, lachte Jose.

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Neben dem Anpassen einer individuellen Kopfbedeckung gibt es auch einige Reparaturarbeiten, die immer wieder anfallen. Dazu gehören das Bürsten und Formen, das Weiten oder Engermachen, das Auswechseln des Schweißbandes, das Umflanschen und Abflachen der Krempe und das Wiedereinsetzen des Futters. Ebenso abwechslungsreich sind die Formen, wie Western, Travel, Crown Style, Newsboy Caps und Baretts, und die verschiedene-

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nen Materialien, beispielsweise Filz, Stoff, Pelz, Leder und Stroh. »Unsere Hüte werden nicht nur durch die ganze Stadt, sondern auch weltweit getragen und zur Schau gestellt. Die Leute kommen aus allen Teilen der Welt, werden bei uns beraten und kehren mit den Einkäufen in ihre Heimatländer zurück. Besonders die Kappen finden großen Anklang und werden von den glücklichen Besitzern gezeigt und weiterempfohlen.«

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Als die Pandemie im Frühling 2020 New York City und den Rest der Welt traf, musste der Laden schließen. Als kleines Unternehmen war die Situation beängstigend. Irgendwann erhielten sie die Erlaubnis, eine Person im Geschäft haben zu dürfen, um die Online-Bestellungen abzuwickeln. Dies brachte sie über die Sommermonate. Als der Laden im Juli wieder öffnen konnten, waren nicht mehr viele Leute in der Stadt und die Prioritäten hatten sich verändert. Ohne ihre Stammkunden und die fleißigen Mitarbeiter hätte sich JJ Hat Center nicht halten können. Und so hoffen alle, dass sich die Dinge bald wieder normalisieren, und der Laden auch in Zukunft weiterhin einen bleibenden Eindruck und ein einzigartiges Erlebnis hinterlassen wird.

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In ihrem fotografischen Langzeitprojekt »Altes Handwerk & Traditionsberufe« zeigt die Hamburger Fotografin Andrea Lang Handwerker, alte und klassische Berufe, Berufungen mit Leidenschaft und Profession. Einfach in Szene gesetzte schwarz-weiß Portraits im alten Stil, inspiriert durch August Sander. Anders als bei ihren Werbe-Shootings mit Fotokonzept sind diese Aufnahmen nicht lange vorbereitet, sondern im Reportagestil, ohne größere Inszenierung entstanden. »Ich durfte wahnsinnig spannende Geschichten hören, habe von ihren Tätigkeiten begeisterte Menschen getroffen und tolle Einblicke in Werkstätten und Arbeitsweisen gewonnen. Einer von ihnen fragte mich, was mein Beweggrund für diese Serie war. Mir war schon immer wichtig, mit meinen Fotos

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eine Geschichte zu erzählen. Ich sehe, wie viel in Vergessenheit gerät, und ich möchte einen Teil davon bewahren.« Im Zuge ihrer Recherchen fand die Fotografin unter anderem heraus, dass es den Beruf des Kutschenbauers in Deutschland nicht mehr gibt. »Es lohnt sich einfach nicht mehr«, wurde ihr gesagt. Im September 2020 konnte Andrea Lang die erste Fotoausstellung zum Projekt in einem offenen Gewächshaus verwirklichen. 23 Portraits bewegten sich im Wind, in alten Eisen-Fensterrahmen präsentiert, und gingen eine Verbindung mit der idyllischen Umgebung und Natur ein. Der erste Schritt zur Erinnerung, dass qualitativ hochwertiges Handwerk auch bezahlt werden will, war gemacht. Und damit vielleicht auch der erste Schritt, ein fast vergessenes Handwerk nicht aussterben zu lassen.

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SISTERMAG – JOURNAL FÜR DIE DIGITALE DAME www.sister-mag.com Chefredaktion Operations

Theresa Wittemann, Antonia Sutter Lisa Bagdadjan, Theresa Baier, Annika Bittner, Marielouise Engel, Irene Günther, Carolin Kralapp, Christina Rücker, Norell Sanatpour

Fashion

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Design

Theresa Wittemann (Art Dir.), Ezbah Ali, Marie Darme, Gabriela Morales, Alina Tahir, Lale Tütüncübaşı, Ilaria Trombí

Redakteure (Text)

Micah Clasper-Torch, Marie Jaster, Andrea Lang, Michael Neubauer, Elisabeth Stursberg, sisterMAG Team

Redakteure (Foto & Video) Übersetzung

Micah Clasper-Torch, Andrea Lang, Kathleen Springer, sisterMAG Team Ira Häussler, Alexander Kords, Elisabeth Stursberg, sisterMAG Team

Lektorat

Ira Häussler, Amie McCracken, sisterMAG Team

sisterMAG erscheint in der Carry-On Publishing GmbH, Gustav-MeyerAllee 25, 13355 Berlin, Deutschland. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Für unverlangt eingesandtes Text- und Bildmaterial wird keine Haftung übernommen. Die Carry-On Publishing GmbH übernimmt keinerlei Garantie und Haftung für die Richtigkeit, Aktualität und Vollständigkeit der bereitgestellten Informationen. Alle Angaben sind ohne Gewähr. Kontakt: mail@sister-mag.com Management

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