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Ein Himmel voller Sonnenstrahlen – 9783986950552

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Simone Heintze & Julia Fiedler (Hg.)

Himmel Sonnenstrahlen Ein

voller

Menschen erzählen, wie Gott sie nicht vergessen hat



Inhalt

Ein Gebet für jede Lebenslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zwei Autorinnen, zwei Vorworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Mittelgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Wolkensonnenstrahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Ich brauche sie doch selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Glück gibt’s nicht immer umsonst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Kriegszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Hoffnung aus den Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Gott nahe zu sein, ist unser Glück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Der Eselhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Seien Sie ein Schaf! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Weltfremd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Kaffeegedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Abdruck der Hoffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Hoffnung in dieser Welt – und auf die andere . . . . . . . . . . . . 67 November im Kopf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71


Graustufentage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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La Palma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Steh auf und iss! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Wohin geht der Weg? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Mefi-Boschet – eine beinahe unglaubliche Geschichte . . . . .

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Du bist stark! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Gott verwandelt Trauer in Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Gute Migräne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Das große Zittern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Flevoland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Weil aber ich dich liebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Der Kater Augustus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Vom Ende der Hoffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Auch wenn dein Herz bricht – hat Gott trotzdem den besten Plan für dich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Rut, die Moabiterin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Nach dem Besuch der Engel brauchte ich keinen Alkohol mehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Ich werde unser Boot segeln! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Sunrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Look at the bright side . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Ein Haus voller Hoffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Ein Gebet für jede Lebenslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Unser Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Vom Beginn der Hoffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173


Ein Gebet für jede Lebenslage

Die Worte, die ich zu euch geredet habe, die sind Geist und sind Leben . Johannes 6,63

Gottes Worte sind geistreich und lebendig und dabei stark genug, um selbst Berge und Sterne zu verrücken. Und weil das so ist, können sie auch mich kleines Menschenkind zurechtrücken. Ich mochte schon immer schöne Worte, solche, die nachklingen, in mir etwas zum Schwingen bringen. Und ich freue mich, dass Worte wie diese mir immer wieder neu zusprechen, was ich mit Gottes Geist und Kraft sein kann: mitfühlend, trotzkräftig, lebensmutig, feinsinnig, umsichtig, friedfertig, liebevoll, wunderbar, hoffnungsfroh … Julia Fiedler

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Zwei Autorinnen, zwei Vorworte



Mittelgut

„Gott, ich danke dir für jedes Gelb im Grau! Amen.“ Dieses Morgengebet hat evangelisch.de am 3. Februar 2023 auf Instagram gebracht. An einem sehr grauen Morgen, nach einem bereits sehr grauen Januar und zwei Tagen sehr, sehr grauem Februar. Schon seit Tagen nagte es an mir, dass ich mich doch endlich mal hinsetzen müsste, um ein paar Zeilen für dieses Buch zu schreiben. „Ein Himmel voller Sonnenstrahlen“ – genauso hatten Simone und ich es uns vorgestellt. Gelbe Farbtupfer im Grau. Ein Fleckchen Wärme und Licht im Nieselregen. Dies ist nämlich kein Buch für strahlenden Sonnenschein, aber eben auch keines, das nur von Finsternis spricht. Dies ist ein Buch für so mittelgute Tage. Denn wenn wir ehrlich sind, gehören doch die meisten unserer Tage in die Kategorie „so mittelgut“. So wie Alltag eben ist – mit seinen Zwängen, Pflichten und Mühseligkeiten, oft zu wenig Schlaf und manchmal eben auch noch grauem Himmel. Das Gute an mittelguten Tagen ist aber, dass an ihnen ein einzelner Sonnenstrahl, der sich durch den wolken11


­­­­verhangenen Himmel kämpft, sofort auffällt. Keine sengende Sonne, die kaum auszuhalten ist, kein grell in den Augen blendender Schein, aber eben auch keine ewige Finsternis. Ein sanftes Leuchten, das wie ein Gruß vom Himmel Licht und Wärme auf unser Gesicht scheinen lässt. Dies ist kein Buch darüber, wie man in dieser Welt sorglos glücklich wird und über alle Verzweiflung erhaben ist. Wir haben weder das richtige Mindset für dich noch eine Toolbox mit tollen Bauanleitungen für das perfekte SelfmadeGlück. Wir haben Geschichten von Menschen wie dir, denen ein kleiner Sonnenstrahl ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. Menschen, die sich von einem Wort, einer Geste, einer Begegnung, einem Retter zur rechten Zeit, einem Kater, der plötzlich vor der Tür stand, behütet, geborgen, wunderbar gelenkt, liebevoll bedacht, beschenkt und gesehen gefühlt haben. Dies ist ein Buch über Made-my-day-Momente. Über eine frische Windbö, die das Ruder herumreißt und einen bis dahin wenig gelungenen Tag in der Summe dann doch zu einem mindestens mittelguten macht. Und wir erzählen von Menschen aus der Bibel, die uns inspiriert haben, weil aus ihrem nur mittelguten Leben so viel leuchtet und strahlt. Julia Fiedler

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Julia Fiedler, Jahrgang 1975, lebt mit ihrem Mann und den jüngeren ihrer vier Söhne am Ruhrgebiets­rand. Nach ihrem Studium der Theater­ wissenschaften, ­Germanistik und Wirtschaftswissenschaften an der Ruhr-Uni Bochum arbeitet sie als Redak­teurin und freie Autorin. ­Menschen und ihre Geschichten mit Gott sind für sie das spannendste Foto: © privat

Thema überhaupt.

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Wolkensonnenstrahlen

Der Tag am Meer geht dem Ende zu. Ich sitze am Strand und schaue in den wolkenverhangenen Himmel. Das Meer rauscht, die Möwen kreischen, der Blick geht weit bis zum Horizont. Trotzdem fehlt hier etwas. Etwas ganz Entscheidendes! Plötzlich kommt Wind auf, die Wolken bewegen sich und dann blitzt sie hindurch: die Sonne! Und da ist er dann, mein absoluter WOW-Moment. Es ist dieser „kurz bevor die Sonne ins Meer fällt“-Moment, der mich so unendlich glücklich macht. Dieser rote Ball, der nun am Horizont auftaucht, der in satten Tönen alles überstrahlt und zum Leuchten bringt. Das Meer leuchtet, mein Herz leuchtet, meine Seele leuchtet. Innerhalb von Sekunden hat sich der dunkle Himmel in einen Farbenrausch der Freude verwandelt. Das ist mein Sinnbild für Hoffnung. Eine Hoffnung, die sich so immer wieder ihren Weg bahnt. Leider wirkt das Wort „Hoffnung“ für viele abgenutzt und wird oft ins Lächerliche gezogen. Doch mich hat dieses Wort noch nie enttäuscht. Obwohl meine Hoffnungspositivität wahrlich schon oft auf 14


die Probe gestellt wurde. Vielleicht kannst du mich besser verstehen, wenn du meine kleine Vorstellung am Ende dieses Vorworts gelesen hast. Ja, ich bin ein lebensfroher Mensch und versuche jeder Situation, sei sie noch so schlimm, etwas Gutes abzugewinnen. Doch manchmal komme auch ich an meine Grenzen. Dann ist es gut, liebe Menschen an meiner Seite zu wissen und ganz besonders Worte Gottes bei mir zu haben. Ein Text, ein kurzes Bibelwort, das ist dann etwas, an dem ich mich festhalten kann. Diese Worte sind wie Sonnenstrahlen, die mir das Herz wärmen, mir Mut schenken, mich in Gott verankert sein lassen. Tatsächlich hat es mir schon viele Male sehr geholfen, einige Texte aus der Bibel auswendig zu können. Verse, Psalmen oder Gebete, die dann, wenn mir die eigenen Worte fehlen, da sind und mir wieder einen Zugang zu Gott schaffen. Dazu möchte ich dich ermutigen, dir solche Texte schon jetzt für die dunklen Tage bereitzuhalten. Das sind Lichtstrahlen, die so viel Hoffnung geben. Strahlen, die in die Seele leuchten. Der Psalm 91 ist so ein Hoffnungsträger für mich. Er kann den mittelguten Tag zu einem ganz besonderen Tag machen. Vielleicht ist er von nun an einer der Hoffnungstexte, der dich begleiten darf. Oder es wird eine unserer Hoffnungsgeschichten. Viel Freude beim Lesen und Hoffnungsstrahlensammeln. Simone Heintze

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Simone Heintze erkrankte als ­Jugendliche (mit 13 und 16 J­ ahren) zweimal an Morbus Hodgkin und als erwachsene Frau (mit 39 und 43 Jah­ ren) zweimal an B ­ rustkrebs. Sie ist von Beruf Bankkauffrau und mittler­ weile aufgrund der Erkrankungen Rentnerin. Sie lebt im Ruhr­gebiet, wo auch ihre drei erwachsenen Kin­ der zu Hause sind. Leidenschaftlich Foto: © Hannah Sigismund

gerne ist sie in ­Kirchen, Kliniken oder bei Frauentreffen unterwegs, um von Gottes großen Wundern zu erzäh­

len. Auf Instagram ist sie unter: simoneaufgeben.nie zu finden oder auf ihrer Internetseite: ­simoneheintze.de.

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Ich brauche sie doch selbst

Wir fragen Pater Sandesh Manuel, den indischen Franziskaner aus Wien, den singenden und Gitarre spielenden YouTubePriester, ob er nach „Ein Himmel voller Segen“ und „Ein Himmel voller Freiheit“ auch zu diesem Buch eine Geschichte beisteuern mag . Hoffnung sei das Thema . „Natürlich“, antwortet er . „Ich bin immer dabei, wenn es um Hoffnung geht . Ich brauche sie doch selbst .“ Wenn jemand mich fragt, wie es mir geht, dann sage ich: „Willst du die ehrliche Antwort hören?“ Manche lächeln dann und drehen sich schnell um. Andere aber antworten: „Doch, ich will es wirklich wissen.“ Denen sage ich dann: „Weißt du, unser Leben ist immer ein Auf und Ab und wir dürfen von den Aufs und Abs erzählen. Aber dass unser Leben eine Achterbahn ist, das ist gar nicht der Punkt. Entscheidend ist, dass wir weitermachen. Und genau das geht nur, wenn wir Hoffnung haben. 17


Es ist wichtig und ändert so viel, wenn wir uns immer wieder selbst zusprechen können, dass im Leben nichts unmöglich ist. Denn so oft wir hinfallen, so oft können wir auch wieder aufstehen. Die Energie dazu haben wir aber nur, wenn wir Hoffnung haben. Ohne Hoffnung ist das viel schwerer.“ Wenn jemand zu mir in die Beichte kommt, sage ich immer: „Du brauchst die Hoffnung, dich und die Dinge zum Besseren verändern zu können.“ Wir müssen alle jeden Tag aufs Neue versuchen – und das Verb „versuchen“ ist hier wirklich von Bedeutung –, eine bessere Person zu werden. An manchem Tag gelingt uns das besser, an manchem schlechter. Wenn jemand zu mir in die Beichte kommt, dann bitte ich ihn oder sie mir zu erzählen, wie lange die letzte Beichte zurückliegt und was sich seitdem verändert hat. Und wenn mir diese Person dann antwortet: „Nichts“, und mir exakt dasselbe erzählt wie schon die Male zuvor, dann ist das abso­lut kein Problem, aber ich frage dann, so wie ich mich selbst auch regelmäßig frage: „Hast du es versucht?“ Ich glaube, Gott ist schon glücklich, wenn wir es einfach versuchen. Wir müssen es mit der Hoffnung auf das Mögliche versuchen. In der Gewissheit, dass Dinge sich nur verändern, wenn wir es versuchen. Again and again. Gott verurteilt uns niemals für unser Scheitern. Er liebt jeden unserer Versuche, uns aufzurappeln. Ich bin jetzt seit ungefähr zehn Jahren in Wien. 2009 habe ich meinen Dienst als katholischer Priester in 18


Bangalore, der Hauptstadt der südindischen Provinz Karnataka, einer Megacity mit mehr als elf Millionen Einwohnern, begonnen. Ich war Kaplan in einer der größten Gemeinden der Provinz. Wir hatten zwischen zehn und elf Messen am Sonntag und jede Messe wurde von ungefähr 2.000 Menschen besucht. Ich war ein bisschen berühmt als der Pfarrer mit der ­Gitarre, als derjenige, bei dem die Gottesdienste ein wenig anders waren, lebendiger. Ich habe versucht, die Menschen mitzunehmen. Die biblischen Geschichten für sie greifbarer zu machen, eine Brücke zu schlagen zu ihrem Leben. Das hat dazu geführt, dass ich für sehr viele Gottesdienste angefragt wurde. In den drei Jahren, in denen ich dort war, habe ich über 350 Taufen, bestimmt 200 Hochzeiten – viele meiner Cousins und Cousinen baten mich damals, sie zu trauen – und um die 300 Beerdigungen abgehalten. Ich habe die Arbeit dort mit sehr viel Freude gemacht, aber nach dreieinhalb Jahren bekam ich plötzlich einen Tinnitus. Mein Körper war müde. Ich hatte diesen Begriff noch nie gehört, doch diese ständigen Geräusche in meinem Ohr, die immer mehr wurden, je mehr ich darüber nachdachte, fand ich beängstigend. Zu diesem Zeitpunkt kam der Provinzial der Franziskaner in Österreich nach Indien und lud mich ein, nach Österreich zu kommen, um dort Musik zu studieren. Mein erster Impuls war Nein zu sagen. Nein, nicht noch mehr! Ich fühlte mich schon erledigt genug. Aber dann sagte ich zu mir selbst: Du musst etwas versuchen. Wenn ich drauf hoffen wollte, dass der Tinnitus 19


irgendwann verschwindet, musste ich etwas wagen. Also wagte ich den Sprung ins Ungewisse, a plunge into the dark. Ich wusste nicht einmal, wo Österreich auf der Landkarte liegt. Und ich sprach nicht ein einziges Wort Deutsch. Aber es half mir so sehr, dass ich dort in eine neue Umgebung mit ganz anderen Rahmenbedingungen kam. Es reduzierte meinen Stress, dass ich an einen etwas ruhigeren Ort kam, eine neue Sprache lernen durfte, mich der Musik widmen konnte. Der Tinnitus verschwand. Hoffnung und Optimismus gehen immer Hand in Hand, so wie Bruder und Schwester. Du kannst nur Hoffnung haben, wenn du auch optimistisch bist. Wenn ich pessimistisch auf die Welt und mein Leben schaue und denke, es wird eh nichts werden, kann ich keine Hoffnung haben. Ich hatte mal eine sehr lebhafte Diskussion mit einem Mitbruder, in der es um Frieden ging. Er war der Ansicht, dass Frieden in der Welt unmöglich ist. Ich antwortete ihm: „Wie kann es dann sein, dass Jesus von sich gesagt hat: ‚Ich bin der Friedefürst‘?“ Und Franz von Assisi, der Gründer des Franziskanerordens, betete: „Herr, mach mich zum Werkzeug deines Friedens.“ Während der Kreuzzüge reiste er in den Orient, um zwischen den Christen und Moslems zu vermitteln und einen friedlichen Dialog anzustoßen. Dabei kam es sogar zu einer Begegnung mit dem Sultan, denn Franz und seine Brüder reisten unbewaffnet. Franz von Assisi war ein Friedensstifter und er hat uns 20


hinterlassen, es ihm nachzumachen. Aber mein Mitbruder blieb dabei, nein, wir seien menschliche Wesen, und wir würden nie aufhören, gegeneinander zu kämpfen. Wir würden einfach keinen Frieden halten können. Es war mir wahnsinnig peinlich, aber ich fing in seiner Gegenwart an zu weinen. Es verletzte mich einfach so tief, dass ein Mitbruder, ein Franziskaner, mir sagte: „Frieden auf Erden ist unmöglich!“ Ich kann und will nicht verstehen, warum es nicht möglich sein soll, Frieden zu halten. Frieden mag nicht herrschen, und auch ich weiß nicht, ob er überhaupt irgendwann auf der ganzen Welt herrschen wird, aber ich habe die Hoffnung, dass er möglich ist. Und ich glaube auch, dass diese Weise, das Leben und diese Erde zu betrachten, für uns Menschen wichtig ist. Mein Lieblingswort auf Deutsch, ich habe in „Ein Himmel voller Freiheit“ schon davon erzählt, ist „Entwicklung“. Wir sind alle so verwickelt, dass wir uns jeden Tag neu entwickeln müssen. Aber genau für dieses Entwickeln brauchen wir Hoffnung. Eine kleine Hoffnung – gar keine ganz große. Du musst nur in einer kleinen Ecke deines Herzens daran glauben, dass es besser werden kann. Immer, wenn wir an Hoffnung denken, denken wir automatisch an die Zukunft. Wir hoffen auf etwas, das in der Zukunft geschehen soll. Dabei haben wir gleichzeitig durch diese Hoffnung nicht nur eine Chance auf eine bessere Zukunft, auch unser Jetzt wird unmittelbar um so vieles positiver. Ganz automatisch hoffen wir den ganzen Tag 21


über auf viele verschiedene Dinge und Ereignisse: Wir hoffen, dass der Bus rechtzeitig kommt, dass das Essen ­lecker schmeckt, dass es ein ruhiger Abend wird, dass wir gut schlafen können … Zu hoffen heißt, Gott nahe zu sein, ihn in unserem Leben zu spüren, ihn zu einem Teil unseres Lebens zu machen. Hoffnung meint nicht immer, dass alles nach unseren Maßstäben gut werden muss. Hoffnung heißt, sich in das Vertrauen fallen zu lassen, dass Gott alles in der Hand hält. Macht es wie die Lilien auf dem Feld, hat Jesus uns gesagt. Sie wachsen einfach – jeden Tag aufs Neue. Auf Englisch heißt es: We may die, but hope never dies. Die Hoffnung stirbt niemals. Jesus selbst hat uns gezeigt, dass die Hoffnung im Tod eben nicht stirbt, sondern dass sie genau da geboren wird. Dass wir auch über den Tod hinaus hoffen dürfen. Hoffnung ist die Weisheit, die uns hilft, lebendig durch unser Leben zu gehen, das Beste aus dem zu machen, was wir haben. Hoffnung ist das, was wir im Leben jeden Tag aufs Neue brauchen. Pater Sandesh Manuel

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Pater Sandesh Manuel wurde am 4. Januar 1980 in Bangalore im Süden Indiens geboren. Er trat mit 17 Jahren dem Franziskanerorden bei und studierte Philosophie, Theologie und Musik. Seit 2013 lebt er im Fran­ ziskanerkloster Wien. Er malt, singt, rappt, liebt Sport, hat einen eigenen YouTube-Kanal. Außerdem ist er viel auf Instagram unterwegs und hat Foto: © privat

seine eigene Homepage sandesh manuel.com, wo er mit seinen ­Beiträgen Menschen zum Lächeln ­bringen möchte.

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