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Ein wenig Raum für Gott

Die Adventszeit hat begonnen. Ich empfinde das immer als einen besonderen Moment im Jahr. Vier Wochen liegen vor mir mit der Verheißung, schön und stimmungsvoll zu sein. Der Adventskranz im Wohnzimmer duftet noch frisch nach Tannengrün und die Kinder haben das erste Türchen in ihrem Adventskalender aufgemacht. Morgens brennt eine Kerze auf dem Frühstückstisch. Vielleicht ist auch schon der erste Schnee gefallen.

Hinter der Verheißung lauert allerdings leider auch der Stress. Geschenke kaufen, Briefe schreiben, Plätzchen backen, Weihnachtsfeiern in der Schule und im Betrieb, Haus putzen, Essen planen, Koffer packen. Mein Puls beschleunigt sich, wenn ich diese Aufzählung in Gedanken nur vor mir sehe. Aber halt! Jetzt, in diesem Augenblick, möchte ich meine To-do-Liste noch einmal bewusst beiseiteschieben. Ich lege meine Hand schützend um mein Herz, wie um eine flackernde Kerzenflamme, und versuche, die Stress auslösenden Gedanken aus meinem Kopf zu verscheuchen. Ich atme tief durch und bitte Gott, mir dabei zu helfen.

Ein altes Adventslied geht mir dabei durch den Sinn: „Macht hoch die Tür“ von Georg Weissel. Der Theologe und Musiker lebte und arbeitete zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges in Königsberg.

Wie es in dieser schweren Zeit zur Entstehung des Liedes gekommen ist, beschreibt Weissel selbst folgendermaßen: „Neulich, als der starke Nordoststurm von der nahen Samlandküste herüberwehte und viel Schnee mit sich brachte, hatte ich in der Nähe des Domes zu tun. Die Schneeflocken klatschten den Menschen auf der Straße gegen das Gesicht, als wollten sie ihnen die Augen zukleben. Mit mir strebten deshalb noch mehr Leute dem Dom zu, um Schutz zu suchen. Der freundliche und humorvolle Küster öffnete uns die Tür mit einer tiefen Verbeugung und sagte: ‚Willkommen im Hause des Herrn! Hier ist jeder in gleicher Weise willkommen, ob Patrizier oder Tagelöhner! Sollen wir nicht hinausgehen auf die Straßen, an die Zäune und alle hereinholen, die kommen wollen? Das Tor des Königs aller Könige steht jedem offen.‘“

Die Worte des Küsters lösen in Weissel eine Initialzündung aus und noch am selben Abend soll er das Lied nach Worten aus Psalm 24 geschrieben haben.1 Mir gefällt dieses Bild von den offenen Domtüren und den Menschen, die im Kirchengebäude Schutz finden. Das Schneegestöber bleibt draußen, und obwohl es im Dom sicherlich nicht warm ist, so können die Menschen doch einen Moment durchatmen, bevor sie ihren Weg durch die Stadt fortsetzen.

Das ist es, was ich mir für mein Herz auch in dieser Adventszeit wünsche: einen Ort, an dem der Stress für eine kurze Zeit draußen bleibt, sodass ich aufatmen kann. Es ist so schön, wenn man es schafft, die Adventszeit mit Kerzen, stimmungsvoller Dekoration und besonderem Gebäck besinnlich zu gestalten. Das tut der Seele gut!

Aber ich muss gestehen: Ich wünsche mir für die Adventszeit noch ein klein wenig mehr. Ich wünsche mir, dass die Tür meines Herzens immer wieder einen Spalt weit aufgeht für eine Begegnung mit Gott. Dass der Wind, der mir die vielen Aufgaben um die Ohren bläst, es nicht schafft, diese Tür für die nächsten Wochen zuzuschlagen.

Psalm 24, der Weissels Text zugrunde liegt, spricht übrigens ebenfalls von Türen oder besser gesagt von Stadttoren. Im Original weht allerdings kein Schneesturm gegen diese Pforten, sondern ein ziemlich warmer Wind. David, der Verfasser der ursprünglichen Zeilen, lebte in Israel, und er hat sein Lied möglicherweise für den Tag geschrieben, an dem die Bundeslade nach Jerusalem gebracht wurde.2

Lange Zeit war sie nur provisorisch untergebracht, dabei symbolisierte die Truhe mit den Engeln und den Zehn Geboten für das jüdische Volk auf ganz besondere Weise die

Gegenwart Gottes. Jetzt sollte diese Lade endlich in die Hauptstadt überführt werden. Kein Wunder, dass David so begeistert reagiert und sich wünscht, dass die Stadttore weit offen stehen, um die Bundeslade zu empfangen. Gott selbst zieht damit schließlich in Jerusalem ein!

Das ist es auch, was ich mir für mein Herz in dieser Adventszeit wünsche. Es soll sich für Gottes Nähe öffnen, für sein Reden, seine Gerechtigkeit und seine Liebe. Denn darum geht es an Weihnachten: Gott kommt in diese Welt und möchte von ihr aufgenommen werden.

Wenn ich mir dafür immer wieder ein klein wenig Raum in meinem Tagesablauf freischaufle, dann bin ich Weihnachten auf der Spur. Dann kann die Suche nach der Weihnachtsfreude beginnen.

Weihnachtslicht Nr. 1

„‚Hebt euch aus den Angeln, ihr Tore! Öffnet euch weit, ihr alten Portale, denn der König will einziehen, die höchste Majestät!‘ ‚Wer ist denn dieser mächtige König?‘ ‚Es ist der HERR über Himmel und Erde. Er ist der mächtige König!‘“

(Psalm 24,9+10; Hfa)