Die Bibel ist in der Kritik.Wurden die Evangelien wirklich von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes verfasst? Wann wurden sie geschrieben? Berichtet das Kindheitsevangelium nur fromme Legenden? Viele Fragen, auf die H.H.P. Matthias...
moreDie Bibel ist in der Kritik.Wurden die Evangelien wirklich von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes verfasst? Wann wurden sie geschrieben? Berichtet das Kindheitsevangelium nur fromme Legenden? Viele Fragen, auf die H.H.P. Matthias Gaudron eine Antwort geben will, ist es doch in der aktuellen akademischen Theologie mit Strauß und Bultmann ausgemacht, dass die Evangelien historisch unzuverlässig sind, Mythenberichte, nachösterliche Gemeindebildungen, verfasst Generationen nach den Ereignissen.
In der ersten Hälfte des Buches stellt er sich der modernen Kritik: Kirchenväter wie Papias, Irenäus, Eusebius oder Tertullian und der größte katholische Exeget Hieronymus marschieren auf, um die apostolische Herkunft der Evangelien zu erweisen. Unterstützung kommt von Thiede und der modernen Archäologie, den Qumran-Funden: Ein Fragment des Markusevangeliums wurde in einem nur bis 50. nach Christus üblichen Schreibstiel verfasst, jedenfalls vor 68, Jahr des Verschlusses der Qumran-Höhlen. Nicht zu vergessen die päpstliche Bibelkommission zur Zeit Pius X, die alle diese Fragen bereits beantwortet hat. Mögen ihre Entscheidungen auch bald 100 Jahre alt sein, so sind die Argumente der Bibelkritiker doch seitdem nicht besser geworden, so dass sie nach wie vor relevant sind.
Dann werden die Evangelien einzeln abgeklopft: Verfasserschaft und Datierung, ihre Eigenart und Gliederung.
"An inneren Gründen für die Verfasserschaft des Paulusbegleiters Lukas kann man die Hervorhebung der Berufung der Heiden in Evangelium und Apostelgeschichte anführen (...) Außerdem ist die Übereinstimmung im Wortlaut des Einsetzungsberichtes zwischen Lk 22, 19f und 1Kor 11, 23-25 deutlich. Man spricht hier sogar von der paulinischen Überlieferung im Gegensatz zur petrinischen bei Matthäus/ Markus." (p71).
Das Buch kann auch als geistliche Begleitlektüre zur Bibel dienen, z.B.: "Hier zeigt sich die unversöhnliche Feindschaft Christi gegenüber den Dämonen. Er möchte nicht von ihnen bekanntgemacht werden. Die Kirchenväter sehen in dieser Handlungsweise Christi auch ein Beispiel für uns: Wir sollen nicht auf die Dämonen hören (...) selbst wenn sie ausnahmsweise die Wahrheit sprechen." (S. 67).
Etwas impliziter Humor: "Auch für die Verfasserschaft eines Arztes gibt es interessante Hinweise: So werden offensichtlich die Ärzte im Bericht von der Heilung der blutflüssigen Frau bei Lukas (8,43) schonender beurteilt als bei Markus, wo es 5, 26 heißt, sie habe von vielen Ärzten viel zu leiden gehabt und alles sei doch nur schlimmer geworden"(S. 71). Als Berufskollege des Lukas hätte ich auch nicht wie Freund Markus die sekundäre, nicht intendierte Behandlungsfolge der unerwünschten Nebenwirkungen als das Primärziel suggeriert oder gar den behandelnden Arzt für die krankheitsimmanente –wahrscheinlich durch die Therapien immerhin verlangsamte- Zustandsverschlechterung mitverantwortlich gemacht.
Geistlicher Balsam für den von der modernen Exegese Gequälten ist die zweite Buchhälfte über die Kindheit Jesu, mit Exkursen u.a. über das Jungfräulichkeitsgelübde Marias, den Stern von Bethlehem, den Geburtstag, den Stammbaum und das Alter Jesu. Der Schwerpunkt liegt hier auf dem Erklären der Ereignisse und jüdischen Gebräuche, aber es werden auch viele Mißverständnisse und vermeintliche "Schwierigkeiten" ausgeräumt:
"Der Weg von Jerusalem nach Bethlehem beträgt etwa 8km und führt fast gerade in südliche Richtung. Wenn die Magier Jerusalem am späten Nachmittag in Richtung Bethlehem verließen, stand der Stern die ganze Zeit über ihrem Weg und zog gewissermaßen vor ihnen her, wie der Evangelist sagt. Kurz vor Bethlehem bog der Weg nach Osten ab, so dass der Stern nun rechts vor ihnen stand, und zwar genau über Bethlehem. Er blieb also gewissermaßen "stehen über dem Ort, wo das Kind war" (S. 171).
"Die Angabe des Wiederfindens 'nach drei Tagen' meint den ersten Tag nach der Rückkehr, ganz parallel zur Zeitangabe der Auferstehung (Sie zogen also einen Tag weit von Jerusalem weg und einen weiteren wieder zurück. Der dritte Tag ist dann der Tag nach der neuen Ankunft in Jerusalem). Sicherlich haben Maria und Joseph ihn gleich im Tempel gesucht, wenn dies auch wegen der Größe des Tempelraumes längere Zeit gedauert haben kann. Es ist nicht glaubhaft, dass sie erst zwei oder drei Tage in den Häusern Jerusalems herumzogen, bevor sie auf die Idee kamen, ihn im Tempel zu suchen" (S. 196).
Schon die Kirchenväter bemerkten die unterschiedlichen Stammbäume bei Matthäus und Lukas. Dies ist kein Beweis für die Unhistorizität der Evangelien, sondern "Die meisten Ausleger nehmen eine Leviratsehe an, aus der Joseph hervorgegangen sei (...) Eine andere Erklärung will bei Lukas den Stammbaum Marias sehen" (S. 205). (Dann hieße Joachim mit zweitem Namen Heli). Die beiden Stammbäume sind demnach eher ein Beweis für die Präzision der Evangelien: wenn Joseph aus einer Leviratsehe hervorging –d.h. seine Mutter heiratete den nächsten Verwandten ihres verstorbenen Mannes- hat er in der Tat zwei Väter: einen biologischen und einen gesetzlichen, nämlich den Verstorbenen ersten Mann seiner Mutter, dessen Namen durch einen Nachkommen weiterzutragen ausdrücklicher Sinn der Leviratsehe war – welchen also angeben? Am besten beide!
Dieses Buch kann uns helfen, wiederzuentdecken, was die modernistische Exegese systematisch zerstört: Dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist, unser Herr. Jeder kann von sich behaupten, er könne Sünden vergeben oder sein Fleisch als Brot zu essen geben, denn das ist empirisch nicht nachprüfbar. Jesus wusste dies natürlich, und daher zeigte Er immer wieder, dass Er Kräfte besaß, die niemand sonst hat, die nur Gott besitzt (Mt 9, 5ff vom 18. Sonntag nach Pfingsten). Das berichten die Evangelisten, damit alle Menschen Jesus als Herrn annehmen können. Dieser Gedanke ist natürlich überall im Buch faßbar - aber das größte Manko des Buches ist es, dass er nicht das Leitmotiv ist. Es ist mehr ein Sachtext als eine evangelistische Schrift, und das ist Schade, da so nicht die maximale Wirkung erzielt wird.
Moderne Exegese, moderner Religionsunterricht sehen beginnend mit Reimarus und Lessing die "Wunderberichte" nur noch als Belastung und Schwierigkeit. Wenn natürlich Jesus nicht die Macht hatte, zu tun, was die Evangelien berichten, wird niemand mehr auf Ihn als den Messias, den Sohn Gottes sein Leben bauen, und genau das sehen wir heute da, wo moderne Exegese herrscht: Fehlen von Berufungen, Verfall von christlichem Leben und Moral, Glaubensabfall. Wer riskiert für einen gewöhnlichen Menschen seinen Kopf, zumal wenn er gar nicht sicher sein kann, was dieser eigentlich gesagt und getan hat?
P. Gaudron äußert sich zur Konstitution "Dei Verbum" des sich als erstem Pastoralkonzil der Kirchengeschichte definierenden II. Vatikanum: " '... Denn was die Apostel nach Christi Gebot immer und überall gepredigt haben, das haben später unter dem Anhauch des göttlichen Geistes sie selbst und apostolische Männer uns als Fundament des Glaubens schriftlich überliefert, nämlich das viergestaltige Evangelium nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes.' Der Text klingt auf den ersten Blick gut, seine Schwächen werden aber im Vergleich zum Schema der Vorbereitungskommission sofort sichtbar. Hier hieß es nämlich: ' (...) die Kirche hielt beständig fest, so wie sie es auch heute noch tut, dass sie als menschliche Autoren jene Männer haben, deren Namen im Kanon der hl. Bücher stehen, nämlich Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, der Lieblingsjünger des Herrn'. Der endgültige Text hält also nur noch am apostolischen Ursprung explizit fest, nicht aber daran, dass die traditionell genannten Apostel bzw. Apostelschüler auch die wahren Autoren sind, denn die Worte (...) können auch so ausgelegt werden, als seien hier einfach die Namen der Evangelien, nicht unbedingt aber die wahren Verfasser genannt." (S. 31f). Die Folgen sehen wir - das "pastoral" zu nennen, ist einfach nur lächerlich 1.
P. Gaudron gehört einer wenig angesehenen Gemeinschaft an 2; sein kirchlicher Hintergrund scheint aber nur an zwei, vielleicht drei Stellen (S. 9, S. 44 evtl. S. 113) eben durch. Das Buch bezieht seine Wirkung aus den vorgetragenen Argumenten und nicht aus einer Autorität des Verfassers. "Theologisches" berichtete über die Entgleisung eines Mitbruders von P. Gaudron auf den Internet-Seiten dieser Gemeinschaft 3; die Zukunft wird zeigen, welches dieser beiden Zeugnisse für die besagte Gemeinschaft typisch sind: aber es wäre um des katholischen Glaubens willen schade, wenn dieses gute Buch aus derartigen äußeren Gründen nicht rezipiert würde.4
(...)
Anmerkungen
1 durch die Selbstdefinition als Pastoralkonzil statt als dogmatisches Konzil wie alle anderen Konzilien beraubte sich das II. Vatikanum selber des besonderen Beistandes des Hl. Geistes und der daraus folgenden Autorität. Es ist nicht mehr als eine Pastoralkonferenz eines Dekanates oder einer Diözese, nur für die ganze Kirche. Dies wird aber in der manipulativ-medialen Darstellung kurzerhand unterschlagen, indem nur von "dem Konzil" die Rede ist und es damit bezüglich seiner Autorität in eine Reihe mit den dogmatischen Konzilien gestellt wird – wenn es nicht gleich als "Neues Pfingsten" und anderes verherrlicht wird.
2 ich referiere einen objektiv bestehenden Tatbestand ohne pro oder contra Position zu beziehen. Dies ist eine Buchbesprechung, mehr nicht.
3 Josef Spindelbök, Sex für Behinderte?, Theologisches, Jahrgang 34, Nr. 2, S. 101- 106 (Februar 2004)
4 aus diesem Grunde präzisiere ich den kirchlichen Hintergrund von H.H.P. Gaudron nicht. Nebenbei bemerkt, lasse ich solche sekundären Gründe hier auch beiseite, bin ich doch aus Kreisen der “Kirchlichen Umschau” -dem herausgebenden Verlag des Buches- wiederholt massivst in Wort und Schrift verleumdet und beleidigt worden, ohne dass ich ihnen je etwas zuleide getan hatte. Ich möchte jedem empfehlen, diese Leute zu meiden.