Roter Turm (Halle (Saale))

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Der Rote Turm (2009)

Der Rote Turm ist Teil des Wahrzeichens der Stadt Halle (Saale). Dieses bildet er gemeinsam mit den vier Türmen der Marktkirche Unser Lieben Frauen. Halle wird wegen der markanten Silhouette dieser beiden Bauten auch oft als Stadt der Fünf Türme bezeichnet. Der Turm brannte am 16. April 1945 durch Artilleriebeschuss aus und verlor seinen charakteristischen Turmhelm. Bis auf die Turmumbauung wurde er wiederhergestellt.

Lage und Beschreibung

Marktplatz anno 1500, Rekonstruktion
Roter Turm um 1824
Der Rote Turm mit Kriegsschäden, 1964

Der Rote Turm wurde auf dem Marktplatz von Halle errichtet und steht damit fast genau im Zentrum der Stadt. Es handelt sich um einen im spätgotischen Baustil geschaffenen, freistehenden Uhr- und Glockenturm. Die rechteckige Grundfläche seines unteren quaderförmigen Baukörpers misst circa 10 mal 15 Meter. Der Turm ragt insgesamt knapp über 84 Meter (140 alte Hallische Ellen oder 268 1/2 Fuß rheinl.) in die Höhe, und ist damit das höchste Bauwerk des Mittelalters in Halle. Die Turmspitze des kupfernen Helmdaches ziert ein mit „246 Stacheln“ versehener vergoldeter Kugelknauf von 3,60 Meter Umfang, das entspricht 1,15 Durchmesser.

Geschichte des Turmes und des Rolands

Der hallische Roland nach seiner Wiedererrichtung an der Ostseite des Roten Turmes im April 2006
Umbau des Marktplatzes von Halle (Saale) im Juni 2005

Sein Bau durch die Mariengemeinde begann im Jahr 1418 und wurde am 24. Juli 1506 vollendet. Der Tag der Fertigstellung ist urkundlich belegt. Vom Baubeginn zeugt folgende Inschrift, die in vier Meter Höhe in Stein gehauen wurde: „ANNO DOMINI millesimo CCCCXVIII locatus est lapis iste“. Die Gemeinde ließ den Roten Turm als Glockenturm der Marienkirche erbauen. Er stellte damit einen Campanile dar. Der Rote Turm ist, zumindest bezogen auf seine Entstehungszeit, als Sakralbau einzustufen. Schon vor 1418 stand wohl an dieser Stelle ein Vorgängerturm. Auch gab es in Halle vermutlich zu dieser Zeit einen Turm mit derselben Bezeichnung. Dies besagt die bislang älteste bekannte Erwähnung eines „Roten Turmes“ in der Stadt aus dem Hallischen Talrecht von 1386. Hierin heißt es: „Das sal men sitzen uffe sente ghertrude kerchove hinder den roden tormen.“. Eher unwahrscheinlich ist jedoch, dass damit ein Turm an der Stelle des hier beschriebenen Bauwerkes gemeint war.

Zum Baubeginn trug der Campanile noch den Namen Neuer Turm, die Bezeichnung Roter Turm ist erst seit dem 17. Jahrhundert belegt. Der bekannte Chronist Johann Christoph von Dreyhaupt stellte 1749/50 die Vermutung an, dass der Turm seinen Namen wegen des ursprünglich in Rot erstrahlenden Kupferdaches erhielt und dieser trotz der späteren Grünfärbung beibehalten worden ist. Der wahrscheinlichere Grund dafür ist vielmehr das damals zu seinem Fuße abgehaltene Blutgericht. Ausdruck dessen war und ist die Figur des Rolands, die schon zwischen 1547 und 1718 als Symbol der Blutgerichtsbarkeit unmittelbar am Turm stand. Es wird teilweise auch die These vertreten, dass der Name einen Bezug zu einem beteiligten Baumeister oder Architekten namens Johannes Rode aufweise, so dass im Volksmund der Begriff „Rode-Thurm“ entstand. Rode könnte als Angehöriger einer hallischen Patrizierfamilie jedoch auch als Stifter in Erscheinung getreten sein. Zumindest deutet eine Inschrift über dem obersten Fenster der Südwand aus dem Jahr 1470 auf eine Mitwirkung Rodes hin: „ANNO DOMINI M.CCCC.LXX. locatus est iste lapis per Joh. rod.“

Die Geschichte des Rolands ist eng mit der des Roten Turmes verknüpft. Die Entstehung eines Hallischen Rolands reicht in die Zeit des Schultheißgerichtes heran, das seit 1161 in der Stadt bekannt ist. Die erste Rolandfigur war aus Holz gefertigt. Dieser Roland stand auf einem kleinen Hügel nördlich des Rathauses und musste 1341 wegen des Baus des Archivturmes in die Nähe des späteren Roten Turmes versetzt werden. 1513 sperrte man ihn wegen der Unterwerfung der Stadt durch Erzbischof Ernst von Magdeburg in ein hölzernes Häuschen. Hieraus „entkam“ er erst 1547. Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen ließ ihn wieder vor den Turm bringen. Im Jahre 1718 musste der Roland wegen der Erweiterung der Hauptwache erneut weichen und kam zum Malz- und Zimmerhause, wo er am 15. November 1719 bei einem Feuer verbrannte. Ein schon Monate vorher in Auftrag gegebener steinerner Roland wurde zwischenzeitlich fertiggestellt und am 2. September 1719 am Hause des Schöffengerichtes aufgestellt. In den Jahren 1825/26 ergänzte man den Roten Turm erneut mit einer (diesmal massiven) steinernen Umbauung. Einfach gehaltene Krambuden standen schon zu früherer Zeit um den Turm herum. 1850 musste die Rolandstatue wieder ihren Platz räumen und drohte in einem Schuppen auf dem Rathaushof zu verwahrlosen. Der hallische Bürgerstolz bewirkte seine Restaurierung und am 1. September 1854 die Aufrichtung der Figur an der Südostecke des neugotischen Umbaus.

Ein nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges als Schutz um den Roland gemauerter Backsteinturm mit aufgesetzter Betonplatte verhinderte seine Beschädigung bei den amerikanischen Bombenangriffen und beim Brand des Roten Turmes als Folge eines Artillerietreffers in der Nacht vom 15. zum 16. April 1945. Dabei vermuteten vielleicht die angreifenden amerikanischen Truppen im Turm einen deutschen Artilleriebeobachter. Eine Panzergranate traf den Turm. Bei dem Brand erlitt er schwere Schäden. Er verlor seinen 40 Meter hohen Turmhelm und brannte bis auf die Umfassungsmauern aus. Auch die Umbauung von 1825 war schwer zerstört. Man entschied sich daher, den Umbau komplett abzutragen. Der Turm erhielt ein zeltförmiges Notdach.[1] Die Bauhütte Roter Turm sammelte nach dem Zweiten Weltkrieg lange Jahre Spenden für den Wiederaufbau der Turmspitze, obwohl ein Stadtbaudirektor von „überflüssigem Rotem Turm“ sprach, der abgerissen werden sollte.[2][3] 1955 erfolgte die Instandsetzung des Hauptgesimses über dem großen Westfenster und des Maßwerkes. Die endgültige Wiederherstellung mit Rekonstruktion des Turmhelmes in Stahlbauweise wurde jedoch erst ab dem 22. Mai 1975 in Angriff genommen. Das Aufsetzen des Helms, bestehend aus Unterkonstruktion, Laterne, Seitentürmchen und Spitze endete am 11. September 1975. Die komplette Rekonstruktion des Turmhelms und die Errichtung der bislang letzten Umbauung (eine ringsherum verglaste stelzengetragene Stahlkonstruktion, an deren Ostseite seither der Roland stand) konnte am 25. Mai 1976 abgeschlossen werden.

In den Jahren von 2004 bis 2006 wurde der hallische Marktplatz komplett umgebaut. Zahlreiche bei den begleitenden archäologischen Flächengrabungen zu Tage getretene Knochenfunde belegen, dass die Hallenser über einen langen Zeitraum hinweg westlich des Roten Turms ihre Toten beerdigten. An dieser Stelle befand sich der Friedhof der Marienkirche, an die heute nur noch die beiden östlichen Türme der Marktkirche, die sogenannten Hausmannstürme, erinnern. Bei den Grabungen stießen die Wissenschaftler auch auf Reste von Bausubstanzen, die wegen ihrer Zusammensetzung dafür sprechen, dass schon vor Baubeginn des Roten Turmes auf der ihn umschließenden Fläche Händlerbuden gestanden haben müssen. Im Zuge der Marktplatzumgestaltung ist ferner die Umbauung des Turmes aus dem Jahr 1976 wieder entfernt worden. Im Rahmen der 1200-Jahr-Feier der Stadt ist die Rolandfigur unmittelbar am Turm wiedererrichtet und am 28. April 2006 feierlich enthüllt worden.

Am 24. Juli 2006, dem 500. Jahrestag seiner Vollendung, wurde am Fuße des Turmes gefeiert. Die Deutsche Post veröffentlichte einen Sonderstempel, und der Monetarium e. V. bot die Gedenkmedaille zum Ereignis an. Am Abend erklang das Carillon. Von August 2007 bis Oktober 2008 wurde der Turm einer umfassenden Sanierung unterzogen. Dabei wurde im April 2008 ein seit Jahrzehnten verkleideter Raum mit doppeltem Kreuzgrat-Gewölbe freigelegt.

Am 11. September 2015 fand zu Füßen des Roten Turms eine Veranstaltung aus Anlass des 40. Jahrestages der Wiedererrichtung des Turmhelms statt. Der Organist Martin Stephan gab dabei ein Carillon-Konzert und der Dokumentarfilm "Der Rote hat seine Spitze wieder" aus dem Jahr 1976 wurde vorgeführt.[4]

Uhr und Glocken

Uhr am Roten Turm – Ostseite

Die ersten Glocken wurden noch während der Bauzeit im 1. Fenstergeschoss aufgehängt. So bekam die 1460 eingebrachte „große Glocke“ schon zwei Jahre später eine noch größere Glocke an ihre Seite. Da sie jedoch schon im darauf folgenden Jahr zersprang, musste sie erstmals neu gegossen werden. Im Jahr 1468, als sie wieder auf den Turm gezogen wurde, erhielt dieser auch die große Zeiger- oder Uhrglocke mit Inschrift. Hinzu kam noch die kleine Zeiger- oder Viertelstundenglocke. Die Turmuhr erhielt 1580 ein neues, zunächst nur zweiseitiges Zeigergestell, das im Jahr darauf mit vier Zifferblättern vollendet wurde. Die Uhrzeiger hat man 1711 neu vergoldet und die Zifferblätter 1823 frisch angestrichen.

Teile des Carillon

Das größte Carillon Europas

Im Roten Turm vollendete man zur Eröffnung der 42. hallischen Händel-Festspiele am 5. Juni 1999 die Installation eines neuen Carillons (Glockenspiel), bestehend aus 76 Kirchenglocken mit einem Gesamtgewicht von 54.980 kg. Die größte Glocke trägt den Namen Dame Händel. Sie hat einen Durchmesser von 2,36 m und wiegt 8056 kg. Die kleinste Glocke wiegt nur 10,7 kg und hat einen Durchmesser von 16,3 cm. Geplant und gestaltet wurde das Glockenspiel von Apoldas letztem Glockengießermeister Franz Peter Schilling und Ehefrau Margarete Schilling, gegossen wurde es in Apolda und fertiggestellt in Karlsruhe von der Glockengießerei Carl Metz.

Bezogen auf die Anzahl der Glocken trägt der Turm damit das größte Carillon Europas und das zweitgrößte Carillon weltweit in seinem Baukörper. Übertroffen wird er lediglich vom Glockenspiel des Tower of the Apostles Kirk in Bloomfield Hills, Michigan, USA, das mit 77 Glocken aufwarten kann, und dem ebenso großen Carillon im Hyechon College in Südkorea. Da der Rote Turm in Halle auch noch über fünf Glocken für den Uhrenschlag verfügt, ergibt sich eine Gesamtglockenzahl von 81. Die Melodie des Uhrenschlages entspricht exakt der des Elizabeth Tower[5] s vom Houses Of Parliament in London, dessen größte Glocke besser unter der Bezeichnung Big Ben bekannt ist. Man spricht auch vom „Westminsterschlag“. Das Grundmotiv der Melodie wurde angeblich der Arie I Know That My Redeemer Liveth aus dem Messias des in Halle (Saale) geborenen Komponisten Georg Friedrich Händel entnommen.

Im Rahmen des Festivals Radiorevolten wurde vom 22. September bis 15. November 2006 die Klanginstallation Radio Campanile[6] in Betrieb genommen, die sich die Midisteuerung des Glockenspiels zu Nutze machte. Sie bestand aus der Komposition CarillON CarillOFF des Komponisten Wolfgang Heisig, einer Permutation des Big Ben Schlags und einer interaktiven Installation, welche es jedermann ermöglichte, per SMS 48 Jingles von Radiostationen aus aller Welt abzurufen. Per Webstreaming wurde der Klang der Glocken weltweit hörbar.

Die Halleschen Carillonneure

Halle hatte nie einen eigenen Carillonneur, wodurch das größte Instrument Europas fast ausschließlich dank der eingebauten Automatik und seltener von Gast-Carillonneuren gespielt wurde. Im Juni 2017 startete erstmals überhaupt in Halle ein Ausbildungsprogramm, das vordergründig durch Spenden ermöglicht wurde. Dazu wurde ein Übungsinstrument in Mechelen in Auftrag gegeben, welches heute in Halle steht und der Ausbildung dient. Als Schüler des Kasseler Carillonneurs Wilhelm Ritter werden sechs Carillonneure in Halle ausgebildet.

Irénée Peyrot, Maximilian Metz, Michael Preuß, Maik Gruchenberg, Davit Drambyan und Johannes Langenhagen sind die ersten Halleschen Carillonneure und hatten am 29. April 2018 ihr Debut am Carillon mit einem großen Konzert. Das 1,5-stündige Programm erregte große Aufmerksamkeit in der Bevölkerung und den Medien und wurde von über 2.000 Gästen live auf dem Marktplatz vor einer Leidwand mit Live-Bild aus der Spielstube verfogt. Es erklangen Volkslieder wie "An der Saale hellem Strande" ebenso wie große Werke von Georg-Friedrich Händel oder die Titelmelodie von Pink Panther und Harry Potter. Dieses erste Konzert der Halleschen Carillonneure war der Auftakt für die sogenannten "Carillon-Samstage" - jeden Samstag von April bis Oktober spielt einer der Glöckner um 15 Uhr für 15 Minuten live vom Turm. Der Saison-Abschluss ist mit einem Konzert am 29. Oktober 2018 geplant.

Glöckner-Führungen

Es werden "Glöckner-Führungen" vom Stadtmuseum Halle angeboten, bei der Besucher vom Carillonneur Maximilian Metz in das Glockenspiel geführt werden. Gäste können sich in das Innere der größten Glocke stellen und ihren Klang erleben, erfahren viel über das Handwerk des Glockengießens, die Geschichte des Glockengusses im mittelalterlichen Halle. Im Fokus steht das Carillon, das Besucher unter Anleitung selbst zum Klingen bringen können.

Konzerte und regelmäßige Termine

Tägliche Automatik

Die Automatik des Carillons spielt täglich um 9, 12, 15 und 18 Uhr jahreszeitenabhängige Lieder

Carillon-Samstage

Von Mai bis Oktober spielen die Halleschen Carillonneure jeden Samstag um 15 Uhr für 15 Minuten live.

Konzerte 2018

(veranstaltet durch den Förderkreis Glockenspiel Roter Turm, um die Ausbildung der Halleschen Carillonneure zu finanzieren)

Sonntag, 29. April 2018, 16 Uhr - die Halleschen Carillonneure

Sonnabend, 5. Mai 2018, 19 / 20 / 21 / 22 Uhr - Frank Müller, Magdeburg

Freitag, 25. Mai 2108, 17 Uhr - Marc van Bets, Mechelen (Belgien)

Sonntag, 1. Juli 2018, 16 Uhr - Ariane Toffel und Georg Wagner, Bonn

Sonntag, 29. Juli 2018, 16 Uhr - Marcel Siebers, Niederlande

Sonntag, 30. September 2018, 16 Uhr - Wilhelm Ritter, Kassel

Samstag, 27. Oktober 2018, 16 Uhr - die Halleschen Carillonneure

Social Media

Das Carillon im Roten Turm ist auf Instagram unter dem Namen "europacarillon" präsent und wird häufig unter den Hashtags #europacarillon, #roterturm, #glockenvomrotenturm, #hallesaale, #glöcknervonhalle erwähnt. Publiziert werden Live-Videos von Konzerten, 360°-Fotos des Glockenstuhls, Aufnahmn von Führungen und verborgenen Winkeln des Turmes sowie Inhalte zum Thema Carillon und Glockenguss allgemein.

Turmurkunden

Kugelknauf mit Turmurkunden
  • 24. Juli 1506, Einweihungs- und Vollendungsurkunde (lateinisch) – Auszug: „…: cunctorumque celestium civium nec non pro decore famosissime civitatis Hallensis: tociusque communitatis: immo & Regionis.“ (…: wie auch zum Preise nicht nur der berühmten Stadt Halle: ihrer Gesamtgemeinde und selbst der ganzen Region.)
  • 28. April 1659, Urkunden über die Wiederherstellung des Turmhelmes und die Neuvergoldung des Turmknopfes (lateinisch)
  • 1825, Urkunde über die Errichtung der Umbauung und die Öffnung des Turmknopfes am 15. September 1825 (lateinisch)

Anekdoten

  • Einer Sage nach soll der Bau des Roten Turmes 4000 Gülden gekostet haben. Vielleicht rührte dieser wohl viel zu niedrige Wert von dem Hinweis in der Chronik von Thomas Cresse, dass „der Rath, da die hohe Spitze im Jahre 1506 auf dem Turm gesetzt wurde und der Bau vollendet war, 400 fl. Zur Hülfe gegeben habe“. Da 400 Gulden als zu wenig angenommen wurde, hat man wohl eine Null angehängt und diese Zahl als Bausumme ausgegeben. Die 400 Gulden stellten jedoch nur einen Beitrag zur Turmspitze dar, der im Übrigen ja von der Mariengemeinde finanziert war.
  • Siegmar von Schultze-Galléra wusste noch von einer weiteren Sage über die Flamme auf dem Roten Turm zu berichten: Danach zeige sich um die Mitternachtsstunde des Dreikönigstages auf der Spitze des Turmes eine hell glänzende Feuerzunge und wer den Mut hatte, sie anzusprechen, zu dem stiege sie herab, begleite ihn nach Hause und ihm gelänge alles, was er bis zum nächsten Dreikönigstag unternimmt.
  • Erich Neuß schildert den Besuch einer Schulklasse in der Saalestadt. Als auf die Frage eines Oberprimaners, warum denn der Rote Turm vier Zifferblätter' habe, wo doch auch eines reichen würde, selbst der Lehrer keine Antwort parat hatte, kam ihm ein in der Nähe stehender Latz (hallisch für „Bengel“ oder „Halbwüchsiger“) mit folgendem Einwurf zu Hilfe: „Damit dass, wenn vier Leite uff eenmal uff de Uhr gucken wolln, nich eener uff d'n annnern ze warten brauch'!“.

Lyrisches

Friedrich Hesekiel, 1824
Der rothe Thurm.
Alte Thürme, hohe Thürme!
Seid willkommen mir von Weitem!
Wie die Häuser froh sich breiten
Unter Eurem Schutz und Schirme!
Hoch erhaben steht der Eine,
Ernst und stark, aus Quadern mächtig
Aufgebaut und schaut bedächtig
Auf die Stadt, die liebe, seine.
Dich, o Thurm will ich begrüßen
Ernst und stark, aus Quadern mächtig
Aufgebaut, schaust Du bedächtig
Auf die Stadt zu Deinen Füßen
Drei Jahrhunderte vergingen,
Seit Du so hinabgeschauet,
Seit Dich Regen hat bethauet,
Dich berührten Sturmesschwingen.
Rother Thurm, des Blutes Zeichen,
Das Gerechtigkeit vergossen,
Das dem Rolandsbild geflossen,
Unter Beil und Schwerdtesstreichen.
Roth ist auch der Freude Farbe;
Künde Freud' und Frieden immer,
Deine Quelle fließe nimmer,
Reich sei stets des Feldes Garbe.

Der Rote Turm in der Malerei

Ernst Ludwig Kirchner – Der rote Turm in Halle – 1915
Ernst Ludwig Kirchner – Der rote Turm in Halle – 1915
Caspar David Friedrich – Nacht im Hafen (Schwestern) – um 1818
Caspar David Friedrich – Nacht im Hafen (Schwestern) – um 1818

Bekannt ist der Turm als Hauptmotiv eines expressionistischen Gemäldes von Ernst Ludwig Kirchner aus dem Jahr 1915. Es ist im Museum Folkwang in Essen ausgestellt. Caspar David Friedrich schuf um 1818 sein Gemälde Nacht im Hafen (Schwestern), das sich in der Eremitage in Sankt Petersburg befindet. Unverkennbar lässt sich am linken Bildrand der Rote Turm als Inspiration für das Fantasiemotiv der Romantik wahrnehmen. Ebenfalls künstlerisch verewigt wurde der Rote Turm 1930 von Lyonel Feininger, einem der bedeutendsten Vertreter des Kubismus, im Zyklus seiner Halle-Bilder. Feininger schuf 2 Ölgemälde vom Roten Turm sowie mehrere Zeichnungen und Fotografien. Eines der Gemälde (Roter Turm II) befindet sich im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr. Das Gemälde Roter Turm I galt lange Zeit als verschollen. Im Jahr 2006 wurde seine Versteigerung verhindert und ein Verfahren zur Aufnahme in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts eingeleitet, um den Verkauf ins Ausland zu unterbinden. Mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder und von Sponsoren gelang dem Land Sachsen-Anhalt die Rückführung des Werkes. Es ist seit dem 7. Juli 2009 wieder im Besitz der Stiftung Moritzburg in Halle (Saale), dem Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt, und wird dort im Rahmen der Dauerausstellung auf der so genannten Feininger-Empore ausgestellt.

Literatur

  • Albert Herling: Roter Turm und Roland. Streifzüge durch hallische Vergangenheit. Verlag Gustav Moritz, Halle a. Saale, 1912
  • Erich Neuß: Die Baugeschichte des Roten Turmes zu Halle a. d. Saale (Schriftenreihe der Bauhütte Roter Turm, Beiträge zur Stadt- und Kulturgeschichte Halles, Heft 1), Gebauer-Schwetschke Verlag Nachf. Jaeger und Co. KG, Halle (Saale) 1946
  • Erich Neuß: Rote-Turm-Fibel, Denk- und Merkwürdigkeiten des Roten Turmes zu Halle a. d. Saale (Schriftenreihe der Bauhütte Roter Turm, Beiträge zur Stadt- und Kulturgeschichte Halles, Heft 2), Gebauer-Schwetschke Verlag Nachf. Jaeger und Co. KG, Halle (Saale) 1947
  • Klaus Betzner, Gotthard Voß: Die Rekonstruktion des Turmhelmes auf dem Roten Turm in Halle (in: Denkmalpflege in der Deutschen Demokratischen Republik, Heft 1/1976, S. 9–22)
  • Renate Kroll: Halle (Saale). In: Schicksale deutscher Baudenkmale im Zweiten Weltkrieg. Hrsg. Götz Eckardt. Henschel-Verlag, Berlin 1978. Band 2.
  • Karl-Heinz Dieckmann: Der Rote Turm zu Halle an der Saale (in: Galeriespiegel – Staatliche Galerie Moritzburg Halle, Heft 3/1981)
  • Hans-Joachim Krause, Gotthard Voß: Der Rote Turm in Halle (in: Denkmale in Sachsen-Anhalt – Ihre Erhaltung und Pflege in den Bezirken Halle und Magdeburg, Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger, 2. Auflage, Weimar 1986, S. 280–292)
  • Margarete Schilling: Glockenspiel Roter Turm Halle/Saale. Halle o. J. (1993), ohne ISBN[7]
  • Angela Dolgner, Dieter Dolgner, Erika Kunath: Der historische Marktplatz der Stadt Halle/Saale (Freunde der Bau- und Kunstdenkmale Sachsen-Anhalt e. V.), Verlag John, Halle (Saale) 2001, ISBN 3-931919-08-0
  • Sabine Meinel: 500 Jahre Roter Turm (in: Jahrbuch für hallische Stadtgeschichte 2006, S. 247–251, Verlag Janos Stekovics, Dößel 2006, ISBN 978-3-89923-133-5)
  • Klaus Krüger: Ein kleines Hallisches Heiltum – Die Reliquien des Roten Turms in Halle (in: Jahrbuch für hallische Stadtgeschichte 2006, S. 253–260, Verlag Janos Stekovics, Dößel 2006, ISBN 978-3-89923-133-5)
  • Initiative für Halle und den Saalekreis (Herausgeber): Der Rote Turm in Halle a. d. Saale – Baugeschichte und Baugestalt, dmv druck-medienverlag GmbH, Queis 2007
  • Tobias Barth (Redaktion): Der Rote Turm Halle – Ein verborgener Schatz (Hörbuch der Bürgerstiftung Halle), Druckerei Teichmann, Halle (Saale) 2008

Einzelnachweise

  1. Renate Kroll: Halle (Saale). Roter Turm. In: Schicksale deutscher Baudenkmale im Zweiten Weltkrieg. Hrsg. Götz Eckardt. Henschel-Verlag, Berlin 1978. Band 2, S. 327
  2. Andreas Rühl: Schicksalsjahre – Die Zerstörung des Alten Rathauses 1945 bis 1950. In: Das Alte Rathaus zu Halle (Saale). Hrsg. Kuratorium Altes Rathaus Halle (Saale) e. V., Mitteldeutscher Verlag, Halle 2008
  3. Wolfgang Heinrich und Werner Piechocki: „Mit Rathaus ein Stück Identität verloren“. Mitteldeutsche Zeitung, 11. März 1994
  4. http://hallespektrum.de/nachrichten/vermischtes/glockenkonzert-am-roten-turm-vor-40-jahren-kam-die-haube-wieder/173363//
  5. SPIEGEL ONLINE, Hamburg Germany: Namensänderung: Big Ben heißt bald Elizabeth. In: SPIEGEL ONLINE. Abgerufen am 18. Oktober 2016.
  6. http://campanile.radiocorax.de/glockenspiel.php
  7. Link zur Deutschen Nationalbibliothek
Commons: Roter Turm (Halle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 51° 28′ 58,2″ N, 11° 58′ 9,3″ O