Buchrezension
Rod Dreher - Die Benedikt-Option.
Eine Strategie für Christen in einer nachchristlichen Gesellschaft.
Mit einem Vorwort von Erzbischof Georg Gänswein. feMedienverlag Kisslegg 2019
Eine Rezension von Dr. Wolfgang Lindemann
Jede Generation kann mit einigem Recht sagen, jetzt sei es schlimmer als
früher: unsere Großeltern in den Weltkriegen und Christenverfolgungen
in „roten“ oder „braunen“ Diktaturen; das 19. Jahrhundert mit den
Folgekriegen der französischen Revolution und der Verelendung der
Arbeiterschaft durch die industrielle Revolution – aber diesmal ist es
wirklich NOCH schlimmer: Diesmal trifft es nicht die Gesamtgesellschaft,
sondern die Christenheit und gerade in den freien „liberalen“
Demokratien.
Und
es
kommt
zu
keinen
starken
geistlichen
Erweckungsbewegungen wie im 20. und 19. Jahrhundert, weil das
westliche Christentum eben durch diese liberalen Gesellschaften von
außen UND von innen vernichtet wird: Seit fast 2 Generationen sind alle
beobachtbaren Parameter christlichen Lebens (wie Gottesdienstbesuch)
im freien Fall und entweder wie in Frankreich nahezu verschwunden oder
wie in Deutschland kurz davor1 . DAS gab es noch nie, und wir haben es
1
Wie sich das in den USA für die Orthodoxie darstellt siehe www.pravmir.com/can-churchsurvive-usa . Dieselben Beobachtungen machen auch freikirchlichen Kreise z.B. Thomas B.
noch nicht mal gemerkt – und wo wir es gemerkt haben, begreifen wir
weder, wie es dazu kam noch was wir tun könnten, obwohl doch der
Grund offenbar ist: die unermessliche Verführung durch die „Welt“ – die
Massenmedien tragen überallhin alles, nur nicht die Botschaft Jesu,
sondern, sagt Dreher, ein „Evangelium von Spaß haben und/durch
Konsum“, dessen „christliche“ Version er „Moralistisch-Therapeutischen
Deismus“ nennt, verkürzt „Gute Menschen kommen in den Himmel; gut
ist wer freundlich, gut und fair mit anderen umgeht; das Lebensziel ist
glücklich zu sein – ohne dass Gott eine besondere Rolle spielt, außer wenn
man Hilfe braucht.“ Und, fügt Rezensent hinzu, weil dieselbe liberale
Gesellschaft – gerade weil sie liberal ist, für sie ganz natürlich – auch
theologische Ausbildungsstätten finanziert und wir uns gerne helfen
lassen …, bekommt sie damit zugleich Einfluss auf deren Lehrpersonal, das
dann zwangsläufig auch nach „liberalen“ Kriterien ausgewählt wird. Und
dann der neuen (Theologen)Generation Bibelkritik, Relativismus und
Schlimmeres beibringt.
Darum ist es Zeit, zu „Erwachen“, wie der Untertitel der Einleitung des
Buches „Die Benedikt-Option“ von Rod Dreher lautet, in den USA ein
Verkaufsschlager, der derzeit in diverse Sprachen übersetzt wird und
dessen deutsche Auflage auch im deutschsprachigen orthodoxen
Buchverlag „Hagia Sophia“ vertrieben wird – ist doch Rod Dreher einer
von uns. Jahrgang 1967, aufgewachsen in einer liberalen postreformatorischen evangelischen Großkirche, hat er sich in seinen 20ern
zum Katholizismus bekehrt, ein Erwachsenenleben als konservativer
Tribbelhorn. Die Bibel ist ein Mythos – muss ich das glauben? SCM-Verlag-Hänssler
Holzgerlingen 2016 (Originalausgabe Hevel Media International USA 2010, 2012)
S e i t e 2 | 13
katholischer Intellektueller verbracht und etwa zeitgleich wie die Hagia
Sophia-Gründer um 2005 zur Orthodoxie gefunden.
Im Einzelnen sei erläutert - trotz Langversion doch mit der gebotenen
Kürze -, was der Buchtitel in einem Satz sagt: Zunächst: Wir Christen
prägen nicht mehr die Gesellschaft – auch nicht mehr in den USA, wo das
noch vor kurzer Zeit anders war – im Gegenteil, wir sind gerade im ehedem
freien
Westen
am
Rande
der
offenen
Verfolgung. Stichwort
„Antidiskrimination“. Seit 2005 wird z.B. in Frankreich bestraft, wer
öffentlich Homosexualität als der Heterosexualität moralisch unterlegen
bezeichnet. Oder wenn ich in meiner Allgemeinmedizinpraxis eine
„ungewollt Schwangere“ überzeugen möchte, nicht abzutreiben, gar
Hilfsadressen von Lebensschutzorganisationen gebe und die meldet das,
dann bin ich vielleicht beim ersten Mal noch nicht meinen Beruf los, aber
bekomme mindestens ein Jahr Berufsverbot. Und es wird schlimmer – in
den USA ist es schon schlimmer, durch die Macht der 5 „GAFAM“ –
Großkonzerne, die weltweit mit ihren riesigen finanziellen Mitteln massiv
z.B. die LGBT- Bewegung fördern, großen Politik- und Medieneinfluss
haben … so dass gesellschaftlich akzeptierte Verfolgungsmaßnahmen
gegen Christen entstehen2 : „Antidiskriminierung“ heißt konkret, dass es
entsprechende schwarze Listen für Großunternehmen gibt, wieweit sie
innerhalb ihrer Firmen die LGBT- Ideologie fördern = u.a. wie viele ihrer
Angestellten unterschreiben, die Ziele der LGBT- Bewegung zu fördern.
Vgl. einen aktuellen Artikel in der FAZ – mit seinem negativen Unterton – über Papst
Benedikt XVI zu seiner Autobiographie www.faz.net/aktuell/politik/ausland/benedikt-xviopfer-einer-boesartigen-verzerrung-der-wirklichkeit-16753709.html : Das Buch des zur
orthodoxen Kirche „abgefallenen“ Ex-Katholiken Dreher hat nicht zufällig ein Vorwort von
Benedikts engstem Vertrauten und jahrzehntelangem Privatsekretärs …
2
S e i t e 3 | 13
Welchen insbesondere christlichen Schulen und vor allem Universitäten
die Zulassung zu entziehen ist oder deren Absolventen nicht einzustellen
sind, weil sie derart „diskriminieren“. Diese Listen werden auch Grundlage
für die Vergabe von Regierungsaufträgen und Fördergeldern sein. Der
säkulare Pseudo-Messias Barack Obama (Meinung des Rezensenten),
mittlerweile längst Multimillionär durch Vorträge und Memoiren, hatte
schon damit begonnen: Seine Administration strich Schulen, die sich
weigerten, einen Jungen, der „entdeckt“ hatte, er sei ein Mädchen, sich
auch in der Mädchenumkleide umziehen zu lassen, alle staatlichen
Fördergelder. Eine Maßnahme, die Trump wie viele andere ähnlicher Art
wieder rückgängig gemacht hat; Trump ist sicher nicht erkennbar ein
Christ – und seine hübsche Tochter, deren Physis, die so wie die der ihr
fast gleichaltrigen x-ten Ehefrau ihres Vaters vollständig im Internet zu
bewundern ist - trat unter Einfluss ihres Mannes aus der East-Coast jewish
„nobility“, zum Judentum über und setzt ein brutal zionistisches
Programm durch (auf Kosten christlicher wie mohammedanischer
Palästinenser). Der Grund für den blanken Hass der linksliberalen
Mainstreammedien liegt m.E. hier, in Trumps „Vererdung“ im (noch)
„normalen“, schweigenden, nicht linksliberal-akademischen, körperlich
hart arbeitenden Amerika, und nicht in unakzeptablen Äußerungen etwa
über Frauen (dieselben Medien verschwiegen so lange wie möglich bei
linken Spitzenpolitikern weit schlimmere Entgleisungen – sexueller
Missbrauch von Untergebenen und Teilnahme an in Frankreich
verbotenen Parties mit Prostituierten bei Dominique Strauss-Kahn, der
um Haaresbreite französischer Präsident geworden wäre, um ein Beispiel
zu nennen).
S e i t e 4 | 13
Jedenfalls müssen wir also unbedingt Strategien entwickeln, als Subkultur
und Minderheit in einer feindlichen Mehrheitsgesellschaft zu überleben
(womit ja gerade die Orthodoxie reichlich Erfahrung hat, von Nordafrika
über Kleinasien bis zum Balkan…), und zugleich den „Trend“ umzukehren,
denn schicksalhaft-unabwendbar ist der Niedergang nicht3.
Wir sollen unsere Kräfte nicht (mehr) zuerst in den politischen Kampf z.B.
gegen Abtreibung stecken (Dreher schreibt für USA-Verhältnisse),
stattdessen den Reichtum unserer christlichen Tradition nicht nur
wiederentdecken, sondern effizient weitergeben – durch christliche
Schulen. Wir sollen möglichst enge Gemeinschaften bilden, über unsere
Gemeinden – in „Ghettos“ werden wir nie abrutschen, dazu ist die
Gesellschaft viel zu offen –, geistig, moralisch und selbst physisch:
Zusammengehörigkeitsgefühl, gemeinsam beten, Bibel und Kirchenväter
lesen…, aber auch bevorzugt bei christlichen Unternehmern einkaufen
und vor allem, wenn irgend möglich, physisch nahe der Gemeindekirche
wohnen. Man geht in eine Kirche nicht „nur“ zum Beten, sondern
neutestamentliche Gemeinden sind (Über)lebensgemeinschaften, wie es
die Synagogengemeinden im und seit dem jüdischen Exil waren – wir
Christen sind theologisch die wahren Juden. Je mehr wir so zusammen
sind, desto einfacher ist es für uns, einfach, weil es guttut, Gleichgesinnte
zu sehen und mit ihnen ein Schwätzchen zu halten. Und man sich, wenn
man sich kennt und sieht, auch beisteht, wenn's nötig ist, gerade Familien
untereinander. Dreher beschreibt da seine eigene Erfahrung, und zeigt,
3
Mönche und Klöster leiten die Wende ein: Siehe diese Dokumentation über Ephraim von
Arizona https://youtu.be/Wf9cHnvZFW8
S e i t e 5 | 13
dass diese typisch war4. Weiter: Unsere Gemeindepriester sollen nicht
nach dem Prinzip verfahren „Reizthemen meiden, um so viele wie möglich
noch zu halten“ sondern, wie die Apostelbriefe und der Herr selber in den
7 Briefen an die Kirchen Kleinasiens, das Gute loben, lehren was
unbekannt ist oder vergessen wurde und öffentliche Sünde tadeln. Ganz
besonders im Bereich „Sexualität“. Enthaltsamkeit und Keuschheit bis zur
und in der heiligen Ehe, und nicht nur wegen der massenhaften
Trennungen und Alleinerziehenden als Armutsrisiko Nr. 1. Ich teile die
Meinung Drehers – 10% des Buches widmet er diesem Thema – dass die
68er mit ihrer Enthemmung aller Triebe im Allgemeinen und der
Sexualität im Besonderen eine zentrale Rolle bei der Entchristlichung
spielen. Wenn die Prediger nicht mehr sagen, dass und warum wir bis zur
Ehe enthaltsam und vor wie in der Ehe keusch leben sollen (und dass Gott
ALLES vergibt, wenn wir Ihn nur darum bitten), woher sollen wir
Überzeugung und Mut zum Anderssein nehmen?? Was ist der tiefere
Grund für diese zentrale Rolle der „sexuellen Revolution“? Zunächst
gewöhnte sie die Gesamtgesellschaft daran, dass intimes Beisammensein
ein Konsumgut zum Spaß haben ist und mit dem „Sexualpartner“, der ja
notwendig ist, als Person wenig zu tun haben kann, und mit Familie oder
gar Kindern schon gar nicht. Wenn intimes Beisammensein – leider
verwendet Dreher wie auch die deutsche Übersetzung den modernen,
bereits von dieser Mentalität geprägten Ausdruck „Sex“ - nichts mit
Familie zu tun hat, dann ist es nur folgerichtig, dass auch
gleichgeschlechtliche Paare das RECHT auf Heirat erhalten (was ihnen
4
Originär sind nicht so sehr seine Gedanken, als ihre summierte geschickte Darstellung als
Buch. Vergleiche z.B. www.pravmir.com/why-do-sincere-long-time-believers-leave-thechurch
S e i t e 6 | 13
dieselben Rechte auf Steuererleichterungen gibt, die Ehepaaren zustehen
weil diese normalerweise kostspielige Kinder haben werden, was für die
Gesamtgesellschaft notwendig ist). Und das geschah 2015, für Dreher war
das der Wendepunkt. Weiterhin wünschen sich viele Menschen, gleich
welcher „sexuellen Orientierung“, Kinder zu haben, Kinder sind ein
Reichtum, und da das „Homopaare“ naturgemäß nicht selber können, gab
ihnen schon die Obama-Administration das Recht zur Adoption und
schloss
obendrein
alle
Adoptionsorganisationen,
die
(biblische)
vermitteln.
Ehepaare
insbesondere
grundsätzlich
nur
Unter
christlichen
an
„klassische“
dem
Stichwort
„(Anti)Diskrimination“. (Trump hat das vor kurzem rückgängig gemacht).
In Wahrheit ist die Zeugung neuen menschlichen Lebens eine Verbindung
von zwei Personen – Adam „erkannte“ seine Frau, der Mensch ist das
EINZIGE Lebewesen, bei dem die Partner sich bei der Lebensweitergabe
ins Gesicht sehen. Und sich mit allen Fasern aneinanderbinden. Als
Assistenzarzt in der Psychiatrie habe ich viele Patienten nach
Selbstmordversuch gesehen, und immer war ein Element „rupture
sentimentale“ dabei, als Faustregel war es umso dominierender, je jünger
und je intimer der „Verlassene“ mit dem anderen gewesen war. Als
Christen sind wir einmal durch die Taufe und bei jeder Kommunion
wieder Glied am Leib Christi – in einem physischen Sinne, wie wir ja eben
keine körperlosen Engel sind. Es ist ein Unterschied, zu sagen „Jesus mein
Herr“ oder bei der großen Metanie vor Ihm niederzufallen, wie schon
Menschen zu Seinen Lebzeiten. Da wir der Leib sind, dessen Haupt Jesus
ist, nimmt Er an unseren Handlungen teil – auch am Missbrauch der
Sexualität. In der ganzen Bibel aber ist die Liebe zwischen Mann und Frau
Abbild der Liebe zwischen Gott und Seinem Volk, Jesus und der Kirche –
S e i t e 7 | 13
DAS ist der „geistliche“ Grund, weswegen intimes Beisammensein nur in
der Ehe sein soll. Dass es meine langjährige Beobachtung ist, dass sobald
Christen voreheliche Intimbeziehungen haben, sie für den Glauben meist
rasch verlorengehen, und umgekehrt, die sich bekehren, fast immer solche
sind, die einen „natürlichen“ Sinn für die Keuschheit haben, ist für mich
eine sichtbare Bestätigung dieses tiefen kosmischen – sagt Dreher –
Zusammenhanges zwischen Geschlechtlichkeit und Gotteserkenntnis.
Didaktisch geschickt und geistlich angemessen – Ziel ist ein Leben in
engster
Verbindung
mit
dem
Herrn
Jesus
–
macht
er
sein
„Maßnahmenpaket“ an der Klosterregel unseres orthodoxen Heiligen
Benedikt fest – geordneter Wechsel von Arbeit, Gebet, Studium in stabilen
kleinen Gemeinschaften, die sowohl Askese wie Gastfreundschaft üben,
mit Bibliothek und Klosterschule. Und auf die Umgebung eine Strahlkraft
hatten und immer haben werden. So wurde schon einmal das heutige
Abendland christianisiert, mag auch die Benediktregel kein Idealtypos des
echten
orthodoxen
(athonitischen)
Klosterlebens
sein (Stichwort:
„Jesusgebet“ – fehlt der Regel). Für unsere Zwecke – wie ÜBERLEBEN wir
als (orthodoxe) Christenheit = wie bleibt die nächste Generation Christen
– genügt es, und überhaupt schreibt Dreher so, dass er Christen aller vier
„Konfessionen“
(katholisch,
evangelisch-großkirchlich,
evangelisch-
freikirchlich und orthodox) anspricht. Dadurch die Hundertausende
verkauften Bücher mit der entsprechenden Breitenwirkung – die wir
brauchen, um die Verfolgung, die beginnt, vielleicht noch abzuwenden
und vielleicht sogar den Trend umzukehren, derart ist das Programm der
LGBT-Bewegung gegen die menschliche Natur. In 30 Jahren werden die
Kinder, die von „Homopaaren“ aufgezogen werden, uns unsere heutige
„Liberalität“ bitter vorwerfen. Aber daher auch manche Kompromisse,
S e i t e 8 | 13
darunter einige unglückliche (welche, sprengt selbst diese Langversion)
und zwei grundsätzliche Probleme des Buches: Drehers Erklärung, wie die
Krise entstanden ist, halte ich für falsch und sein Konzept für „klassische“
christliche (Schul)bildung für schwer defizitär. Tieferer Grund für beides
ist nach meiner bescheidenen Meinung, dass er nicht wirklich so denkt,
wie
ein
„erweckter“
oder
„wiedergeborener“
Christ,
um
einen
freikirchlichen Ausdruck zu nehmen, „gotttragend“ entspricht dem in
etwa in der Orthodoxie – er war vielleicht zu lange Katholik („Glaube ist
alles für wahr halten, was die Kirche zu glauben vorlegt“ war die falsche
klassische
vatikan-katholische
Tridentinum).
Er
redet
von
Katechismusdefinition
small
„o“
orthodox
seit
dem
christians
=
„rechtgläubigen“ Christen, weil er wohl gesehen hat, dass es in allen
Konfessionen über so zentrale Dinge wie Ehe und Familie eine Einheit
geben kann – aber ihm fehlt das Verständnis und damit auch das richtige
Wort, dass diese Einheit in der grundsätzlichen Bereitschaft zur Nachfolge
Jesu besteht, mag man sich auch über den Inhalt von Jesu Botschaft
täuschen. „Orthodox“ im Sinne von „rechtgläubig“ ist jedenfalls gänzlich
ungeeignet, um den gemeinsamen Nenner zwischen den verschiedenen
Konfessionen zu beschreiben. Für Dreher ist Glaube nicht zentral ALLES,
die ganze Existenz, Jesus anzuvertrauen, zu Jesus zu sagen „Mein Herr und
Gott“ statt ungläubig zu sein (z.B. Joh. 20, 27f.). Und auch darum versteht
er nicht wirklich DIE zentrale Bedeutung von Bibelstudium, der GANZEN
Bibel (Gesetz und Propheten, die Geschichte Gottes mit uns), weil und
dass und warum die Bibel ein grundsätzlich anderes Buch ist als jedes
andere Buch: wegen der Erhabenheit ihrer Botschaft, wegen ihrer
inhaltlichen Einheit – trotz Dutzenden Autoren über 1500 Jahre. Wegen
der Exaktheit ihrer historischen und archäologischen Informationen – und
S e i t e 9 | 13
wegen der alleine in Jesus hunderten erfüllten Prophetien. Und weil diese
Beweise für den göttlichen Ursprung der Bibel in ihr selber enthalten sind,
ist bibeltreues Christentum unzerstörbar und die Orthodoxie – die
Kirchenväter
waren,
was
die
liberale
Gesellschaft
heute höflich
„unkritische Bibelfundamentalisten“ nennt – ist ebenso unzerstörbar, weil
es wegen ihrer echten kollegialen Struktur einfach niemanden gibt und
schon gar keinen „Stellvertreter Christi“, der die Orthodoxie von innen
zerstören kann. Und weil die Bischöfe aus dem Mönchtum kommen,
mögen auch einige realiter vorher eher gewesen sein, was die römischkatholische Kirche einen zölibatären Weltpriester nennt. Unsere Bischöfe
kommen normalerweise eben nicht aus den Reihen der liberal geprägten
Theologieprofessoren und haben obendrein eine andere Funktion als ihre
katholischen und evangelisch-großkirchlichen Homologe: mehr segnen
und predigen als lehren und leiten (evangelisch-freikirchliche Christen
kennen kein Bischofsamt). Es wird immer wieder und immer mehr
Schismen geben, ja, aber bibeltreues = orthodoxes Christentum ist von
Gott selbst so abgesichert, dass es nicht zerstört werden kann, nicht
insgesamt. Aber alleine schon weil biblische Texte kurz und dicht sind,
über 2000 Jahre und ein Dutzend Hochkulturen umfassen, uns die
Lebensweise der vorindustriellen Gesellschaft fremd geworden ist, kann
die Bibel nur wirklich verstehen, wer weiß, was die Weisheit Ägyptens war,
wer die Sumerer, Akkader, Hethiter, Kreter, Assyrer, Babylonier, Perser
und erst ganz am Ende die Römer und Griechen waren – auf die Dreher
sich als guter (Ex-)Katholik beschränkt, auch in seinem defizitären
Entwurf für christliche Schulen. Und weil Dreher die zentrale Bedeutung
S e i t e 10 | 13
des Bibelstudiums nicht versteht 5, versteht er auch nicht – erwähnt nicht
einmal – die zentrale destruktive Wirkung von Bibelkritik (anders als z.B.
Tribbelhorn, siehe Anmerkung 1)
Und unvermeidliche Folge ist seine falsche Erklärung der Ursachen der
Krise – und sein defizitärer Entwurf für eine „klassisch christliche
Bildung“, wie er es nennt (die die eines Katholiken ist): Zunächst lässt
Dreher die „Große Flut“ wie das zweite Kapitel heißt, in der Renaissance
beginnen – und nicht im Schisma des Patriarchen von Rom Jahrhunderte
früher; überhaupt hat er die Orthodoxie, der er doch selber angehört, in
seiner Analyse überhaupt nicht im Blick (siehe erneut Anmerkung 5).
Insgesamt sucht er die Wurzeln der Krise an den Universitäten, beginnend
mit dem Nominalismus der Spätscholastik, der Reformation, den
darauffolgenden Religionskriegen und der „Aufklärung“ (im Bereich des
Patriarchen von Rom!) und – da fängt es an, weniger falsch zu werden – in
den Erschütterungen durch die französische und dann die industrielle
Revolution, und schließlich die Weltkriege bis zur sogenannten sexuellen
Revolution. Tatsache ist, dass gerade im Mittelalter bis noch in die frühe
Neuzeit die Universitäten nur winzige Teile der Bevölkerung erreichten.
Das eigentliche Problem war, dass der schismatische Patriarch von Rom
sich erst selber überhöhte und dann damit Missbrauch trieb. Nicht nur
Ablasshandel, sondern dass der einfache Gläubige – die „Aufklärung“ stellt
uns noch heute das Mittelalter als „finster“ und barbarisch dar, aber das
5 Ein wundervolles Beispiel, welche Kraft im Wort Gottes liegt, wenn man es so nimmt, wie die
Kirchenväter es genommen haben ist Mijnders-van Woerden. Gladys Aylward. Die Frau mit dem
Buch. CLV e.V. Bielefeld 5. Auflage 2018. Und das obwohl für Gladys Aylward die historische Kirche
mit dem Ende der Offenbarung an Johannes aufgehört hatte und immer wieder neu „nur“ auf Basis der
Bibel „erfunden“ werden musste.
S e i t e 11 | 13
ist historisch falsch – aktiv von der Lebensquelle der Heiligen Schrift
ferngehalten wurde und natürlich prompt von Gott wegkam – bzw.
Erweckungsbewegungen, wo sie nicht durch die beiden westlichen
Großkirchen verhindert wurden, immer genau das als Basis und Ziel
hatten. Dass es auch im „finsteren Mittelalter“ möglich gewesen wäre, dass
jeder Erwachsene gut genug lesen lernen konnte, um die Bibel selber zu
studieren (unbeschwert von Bibelkritik, die es noch nicht gab in jener
paradiesischen Zeit!), beweist das Judentum und das allgemeine Bildungsund Kulturniveau sowieso.
Analog ist meine Kritik seines Modelles einer klassisch-christlichen
Bildung: Sicherlich ist das klassische Trivium Grammatik – Logik –
Rhetorik den Entwicklungsstufen des Kindes und Jugendlichen angepasst.
Aber die gelehrten Inhalte sollten nicht, neben ein bisschen Bibel und
Katechismus, die heidnischen griechischen und römischen Klassiker sein,
sondern zuerst die Bibel selber, und die Kulturen, in denen sie entstand
und was noch dazu gehört, um ihren Text verstehen zu können.
Angefangen bei Sumerern und Ägyptern und dazu, in der heutigen Zeit,
die Antworten auf Bibelkritik, die die Glaubwürdigkeit der Bibel zerstört
(siehe Tribbelhorn1). Das Judentum hat seit den Zeiten des Exils eine
Kultur des Unterrichts hervorgebracht, der auf Fragen und Antworten, inFrage-stellen und Antworten finden beruht und bis heute erhalten, die in
der schismatischen Kirche des Patriarchen von Rom und deren
Abspaltungen verlorengegangen ist. Aber in Freikirchlichen Kreisen
lebendig ist (siehe wiederTribbelhorn1)6. Übrigens sagt Dreher, dass nach
6 In romanhafter und sicherlich mit Projektion von späteren Verhältnissen in eine Zeit, über die wir
wenig wissen, aber doch z.B. nach Quellen wie dem Talmud plausibler und vor allem eingängiger
Form lässt sich diese Art des Unterrichtens nachlesen in Lynn Austin. Hüter des Erbes. Die Geschichte
S e i t e 12 | 13
soziologischen Untersuchungen nur jene Christen, die ihren Glauben auch
begründen können, auch noch nach der Collegeausbildung weiter gläubig
sind, aber diese zentrale Einsicht erscheint doch nur am Rande.
Das Buch wirkt insgesamt – man möge dem Rezensenten das harte Urteil
verzeihen, er hofft sich zu irren – als das eines nicht-wiedergeborenen oder
nicht-gotttragenden
Katholiken,
der
seit
1
½
Jahrzehnten
aus
Überzeugung, aber ohne echte innere Umgeistung zu unserer Orthodoxen
Kirche gehört. Aber seine eigentliche Botschaft „Wie überleben wir und
lassen sogar vielleicht bald wieder die antichristliche Flut sinken“ ist gut,
erprobt (die Orthodoxie hat Jahrhunderte nach diesen Rezepten unter
mohammedanischer Herrschaft überlebt) und so zu empfehlen wie, mit
den genannten Einschränkungen, insgesamt das ganze Buch es doch ist,
jedenfalls solange es das einzige bedeutende Werk seiner Art ist.
von Esra. Francke-Buchhandlung Marburg an der Lahn 2. Auflage 2016 (Originalausgabe Bethany
House USA, 2014)
S e i t e 13 | 13