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Vortrag: Relationen im Raum: Visualisierung topographischer Klein(st)strukturen - ein interdisziplinäres eHumanities Projekt Ziel des Verbundvorhabens "RiR - Relationen im Raum" ist die Analyse und Visualisierung räumlicher Relationen zwischen Grabmalen jüdischer Friedhöfe aus neun Jahrhunderten (11.20. Jhdt.). Anhand konkreter Forschungsfragen und im Austausch der beteiligten Kulturwissenschaftler und Informatiker wird ein "Topographie-Visualizer" entwickelt, der die Analyse unterschiedlichster Friedhofsensembles ermöglichen soll. Hierzu sollen Datenbankinformationen und zwar möglichst frei und forschungsbezogen konfigurierbar auf kleinteiligen Lageplänen visualisiert werden. Die Zugänge zu Grabmalen, ihren Inschriften und ihrer Formensprache sind vielfältig. In traditonellen fachwissenschaftlichen Editionen erfolgen diese meist chronologisch - Inschrift für Inschrift. Die Genealogie extrahiert verwandschaftliche Beziehungen und erstellt Stammbäume und Familientafeln. Strukturierendes Element der kunstwissenschaftlichen Betrachtungen ist die äußere Gestalt des Grabmals. Bei all diesen Zugängen geraten jedoch die räumlichen Bezüge der Einzelobjekte zueinander leicht aus dem Blick. Ihr räumliches Neben- und Hintereinander, die Reihen und Felder - das, was die Grabmale vor Ort verbindet und den Friedhof erst als Ensemble von Grabmalen konstituiert, der topographische Zugang wird verstellt. Selten stehen Grabmale in willkürlicher Ordnung. Wer neben wem zu ewiger Ruhe gebettet wird, unterliegt kaum je dem Zufall. Explizite, häufiger noch unausgesprochene Regeln und Muster definieren die räumliche Ordnung der Grabmale. Diesen vielfältigen Relationen im Raum widmet sich seit August 2012 ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der so genannten "eHumanities" Förderlinie gefördertes Verbundprojekt. Der Forschungsverbund vereint Partner aus verschiedenen kulturwissenschaftlichen Disziplinen ─ Judaistik/Jüdische Studien, Bau-, Architektur-, Kunstund Geschichtswissenschaften, die sich in erfolgreich abgeschlossenen und laufenden Projekten der Erforschung und Erschließung zahlreicher historischer Friedhöfe widmen ─ mit ihren Partnern aus der Informatik, die über reiche Erfahrung mit Visualisierung und den digitalen Infrastrukturprojekten DARIAH-DE und TextGrid verfügen. Digitale Infrastruktur Die zu visualisierenden Daten kommen aus verschiedenen Datenbanken. Dieselben Grabsteine werden beschrieben, aber aus verschiedenen disziplinären Perspektiven. Während die einen sich vorwiegend auf Personen und Inschriften konzentrieren, fokussieren sich die anderen auf die baugeschichtlichen Aspekte wie Material, Form. Daher die Notwendigkeit einer neuen Datenbank, die diese Daten zusammenführt und zusätzlich eine performante Suchmaschine zur Verfügung stellt. −1− Die Infrastruktur des Projektes wurde so aufgebaut, dass Datenänderungen in den Quelldatenbanken erkannt und in die neue Datenbank integriert werden und somit die Aktualität der Daten stets gewährleistet ist. Perspektivenwechsel Es ist erstaunlich, welche Wirkung ein Perspektivenwechsel haben kann. Alle Daten, die in diesem Projekt zu jüdischen Friedhöfen bearbeitet und dargestellt, sind bereits erhoben. Der veränderte Blick auf die Gesamtheit dessen, was vorliegt, verschafft den Betrachtern allerdings eine Schau, die alle diese Daten erst sinnvoll verbindet. Visualisierung Die Fläche eines Bildes hat bemerkenswerte Eigenschaften. Anders als ein Buch und ganz im Gegensatz zur Datenbank, kann man auf der Fläche eines Bildes Ideen sehr frei arrangieren. Ein wildes Denken kann hier stattfinden, das noch nicht von der Buchkultur in das Korsett der Logik, die Schritt für Schritt, Zeile für Zeile, Seite für Seite, vorgeht, gepresst wurde. Bilder, gerade solche der Kunst, hintertreiben eindeutige Blick-Ordnungen. Nimmt ein Bildteil auf ein anderes Bezug, kann man das oft nicht in präzise Worte fassen. Es geht darum Bildbezüge auch ohne logische Kategorisierung zuzulassen. Dies trifft gleichermassen auch auf den Lageplan eines Friedhofs zu, auf dem sich Bezüge zwischen den Abbildungen der Steine, den Inschriften, mit einer Baubeschreibung, mit Situationsphotos und einer Fülle von im Idealfall in Datenbanken erfassten Einzelinformationen kombinieren und visualisieren lassen, ganz genau so, wie es die Problemlage und jeweilige Forschungsfrage erfordert. Mustererkennung Mit dem im Rahmen des Projektes zu erarbeitenden Topographie-Visualizers, dem Werkzeug, mit dem die Daten aus den jeweiligen Datenbanken mit einem Friedhofsplan interaktiv verknüpft werden, lassen sich bereits jetzt in drei Prototypen - durch verschiedene Abfrage- und Darstellungsmöglichkeiten mit wenigen Klicks Forschungsfragen entwickeln und beantworten, deren Bearbeitung früher viele Arbeitsstunden in Anspruch genommen hätte oder schlicht nicht zu bewältigen gewesen wäre. So liest man nun plötzlich an den interaktiven Lageplänen Regelmäßigkeiten ab, etwa Reihen von Bestatteten, die alle das selbe Geschlecht haben. Was lässt sich nun aus einer Lücke in einer Reihe von bestatteten Männern schließen? Was kann man zusätzlich vermuten, wenn alle anderen Grabstellen chronologisch belegt wurden? So simpel die Hypothese auch klingt, so wenig wäre sie ohne eine Darstellung aller historischer Daten auf einem Plan aufstellbar gewesen: es wird sich wohl um die Stelle eines Mannes handeln, der zwischen den Bestattungsdaten der angrenzenden angereihten Männer verstarb. Solcherart Fragen stellen und beantworten zu können, dient das Projekt. −2− Welche Erkenntnisse sich gewinnen lassen, wenn man die an verschiedenen Orten und mit sehr unterschiedlichen Methoden gepflegten Datenbestände aufeinander bezieht, das ist unsere Neugier. Projektpartner Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte, Essen Institut für Kultur und Ästhetik digitaler Medien, Leuphana Universität Lüneburg DAASI International GmbH, Tübingen Bau- und Stadtbaugeschichte, Fakultät 6, Institut für Architektur, TU Berlin Förderer Bundesministerium für Bildung und Forschung −3−