Zwei Tage nach der Wiederwahl des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan haben die EU-Staaten offiziell beschlossen, mit dem Land vorerst nicht über den Ausbau der Zollunion zu verhandeln. Die Türkei habe sich zuletzt weiter von der Europäischen Union wegbewegt, heißt es in einer am Dienstagabend bei einem Ministertreffen in Luxemburg verabschiedeten Erklärung.
Vor allem die anhaltenden Rückschritte bei Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und Meinungsfreiheit seien zutiefst besorgniserregend. Das Vorgehen gegen Journalisten, Akademiker, Menschenrechtler, Oppositionspolitiker und Nutzer sozialer Medien könne nicht geduldet werden.
Erdoğan hatte am Sonntag die Präsidentenwahlen nach inoffiziellen Ergebnissen mit 52,59 Prozent der Stimmen gewonnen. In den Parlamentswahlen, die gleichzeitig stattfanden, wurde die Allianz von Erdoğans AKP und der ultranationalistischen MHP stärkste Kraft. Internationale Wahlbeobachter kritisierten, die Kandidaten hätten bei den Wahlen nicht dieselben Chancen gehabt.
EU-Beitrittsverhandlungen nicht ausgesetzt
Die Türkei hat aber weiterhin Aussichten, in Zukunft EU-Mitglied zu werden. Die österreichische Regierung hatte zwar erneut gefordert, die Beitrittsverhandlungen offiziell auszusetzen, doch der Vorschlag bekam keine Mehrheit. Die Staaten machen in ihrer Erklärung allerdings deutlich, dass die Verhandlungen nur weiterkommen, wenn das Vorgehen der türkischen Regierung sich grundlegend ändere. Aufgrund der Repressionen unter Erdoğan seien die Verhandlungen praktisch
zum Stillstand gekommen, heißt es.
Ein Grund dafür, dass die Türkei trotzdem EU-Beitrittskandidat bleiben darf, ist der Flüchtlingspakt mit dem Land. Das Abkommen gilt als ein Grund dafür,
dass derzeit deutlich weniger Migranten nach Europa kommen als noch
2015. Die EU kann seither alle Migranten zurückschicken, die
ohne Papiere über die Türkei auf die griechischen Inseln kommen. Im Gegenzug nehmen EU-Staaten der Türkei
schutzbedürftige Flüchtlinge aus Syrien ab und finanzieren Hilfsmittel für in
der Türkei lebende Flüchtlinge. Das Land hat bislang insgesamt knapp
3,6 Millionen Flüchtlinge aufgenommen.
Die Zollunion existiert seit 1995, eine Vertiefung war lange geplant. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte allerdings schon im vergangenen Jahr deutlich gemacht, dass
sie den Ausbau der Zollunion aufgrund der derzeitigen Situation nicht erlauben werde. Die EU-Staaten hatten bisher nicht offiziell dazu Position bezogen.
Der Türkei ist es wichtig, die Wirtschaftsbeziehungen zur EU zu vertiefen. Wie sie auf die EU-Erklärung reagieren wird, war zunächst unklar.
Kommentare
Wieso werden die Beitrittsverhandlungen eigentlich nicht ausgesetzt? Erdogan hatte doch mehrfach gesagt, dass die Türkei gar keinen EU-Beitritt nötig hat und er auch keinen mehr möchte. Wieso also weiter so viel Gelder verpulvern?
Weil Erdogan uns mit der Öffnung der Flüchtlingsrouten jederzeit erpressen kann, das passiert aber eben, wenn man sowas Despoten überlässt, statt selber einen vernünftigen Grenzschutz aufzubauen.
"Ein Grund dafür, dass die Türkei trotzdem EU-Beitrittskandidat bleiben darf, ist der Flüchtlingspakt mit dem Land."
Merkels fataler Alleingang hat die EU erpressbar gemacht.
Huch, die Ahnungslosigkeit ist unterwegs. Der Türkei-Deal wurde nicht von Merkel gemacht, sondern von der EU. Könnte man wissen.
Also wieder Bananen Politik, oder zumindest spielt man das so aus.
Die Türkei liegt, soweit ich das in Erinnerung habe, weitgehend in Vorderasien, -
aber mit einem kleinem Exklaven-Schnipselchen am Bosporus auch in Europa.
Einem Beitritt der europäischen Enklave der Türkei in die EU würde ich kaum widersprechen.
Das wäre eine Hong-Kong-Lösung.
Und für alle Win-Win.
ICh mag die Nachbarn der Türkei nicht so sehr. Die würden dann alle unsere Nachbarn werden.