Heinz Felfe

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Heinz Felfe (* 18. März 1918 in Dresden, † 8. Mai 2008 in Berlin) ist ein ehemaliger SS-Obersturmführer[1], der nach dem Zweiten Weltkrieg für den Bundesnachrichtendienst arbeitete, bis er als sowjetischer Spion enttarnt und verhaftet wurde.

Leben

Felfe war von Beruf Feinmechaniker. 1931 trat er der Hitlerjugend und 1936 der SS bei. 1939 begann er im Reichssicherheitshauptamt als Personenschützer für prominente Parteiangehörige der NSDAP und wurde dort zum Kripo-Beamten ausgebildet. 1943 trat er in den SD (Sicherheitsdienst der SS) ein und wurde im August 1943 Leiter des Schweizreferats, wo er u. a. für die Einwechselung gefälschter Pfundnoten zuständig war. 1944 wurde er zum SS-Obersturmführer befördert und war in den Niederlanden stationiert.

Ab 1945

Bis 1946 saß Felfe in britischer Kriegsgefangenschaft. Danach war er kurze Zeit für den britischen Geheimdienst MI6 in Münster als Mitarbeiter tätig (er berichtete u. a. über kommunistische Aktivitäten an der Universität Köln[2]), wurde aber fallengelassen als die Engländer eine Doppelagententätigkeit vermuteten. Danach half er in Bonn im Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen bei der Befragung übergelaufener Volkspolizisten aus der DDR. Im Frühjahr 1950 ließ er sich durch den KGB anwerben (sein Deckname war „Paul“).

Im November 1951 wurde Felfe von Willi Krichbaum für die Organisation Gehlen angeworben (Deckname „Friesen“), der Vorläuferin des Bundesnachrichtendienstes. Hier wurde er durch das vom KGB gelieferte Spielmaterial zum engen Vertrauten von Gehlen[3] und stieg bis zum Rang eines Regierungsrats auf. Unter anderem behauptete er 1953, einen Agentenring in Moskau zu führen und lieferte dem Dienst u. a. geheime ZK-Protokolle der SED (inklusive angeblicher Kritik hoher SED-Funktionäre an Walter Ulbricht), die Identität für den KGB entbehrlicher Agenten[4]. und einen sehr genauen Plan des KGB-Hauptquartiers in Karlshorst, den Gehlen besonders gern ausländischen Geheimdienst-Besuchern zeigte. Er erhielt zuletzt die Funktion eines Leiters des Referats Gegenspionage Sowjetunion mit Zugang zu vielen Geheimakten des Auswärtigen Amtes und der Bundesregierung. In dieser Funktion war er auch mit der Leitung der „Panoptikum“ genannten Untersuchung über einen schon längst in den Reihen des BND vermuteten hochrangigen Maulwurf beauftragt, also mit seinem eigenen Fall.

Laut einem Schadens-Memorandum (Damage Report) des amerikanischen Geheimdienstes CIA, der nach seiner Enttarnung erstellt wurde, verriet er über 15.000 „recorded individual items“ (Geheimsachen) und enttarnte („verbrannte“) allein an die 100 CIA-Agenten. Unter anderem gelang es ihm, sich in die CIA-Aktivitäten gegen die Zentrale des KGB in der DDR in Karlshorst einbinden zu lassen, was u. a. zum Auffliegen eines CIA-Maulwurfs führte (Nach Gordiewsky/Andrews konnte er durch Weiterleiten der Anfragen der CIA und anderer Dienste die Sowjets über deren Interessengebiete auf dem Laufenden halten). Beim BND hatte sein Verrat natürlich noch katastrophalere Auswirkungen. Er enttarnte nicht nur dessen Führungsspitze, sondern auch „a relatively high number of field officers“ (Auslandsagenten)[5].

Durch seine Stellung als Leiter der Spionageabwehr hatte Felfe zudem jahrelang die Aktivitäten dieses Bereichs ins Leere laufen lassen (wie davor der in ähnlicher Funktion tätige Kim Philby im englischen Geheimdienst). Der Schadensbericht des BND muss noch viel umfangreicher gewesen sein; man fand 300 Minox-Mikrofilme und 20 Tonbänder in seiner Wohnung, er verriet mindestens 15.660 Vorgänge. 94 V-Männer des BND wurden von ihm verraten. Selbst noch in der Untersuchungshaft unterrichtete er den KGB mit in Geheimtinte verfassten Zusätzen zu Privatbriefen über die laufenden Verhöre.

Der Ruf des Bundesnachrichtendienstes, der zuvor schon nicht in der Lage gewesen war, die Vorbereitungen der DDR zum Bau der Berliner Mauer zu erkennen, wurde durch den Verrat Felfes sowohl bei deutschen Politikern als auch gegenüber den Amerikanern und anderen ausländischen Diensten weiter nachhaltig geschädigt. Noch schlimmer war der Vertrauensverlust innerhalb der Organisation selbst.

Nach 1961

1961 wurde Felfe als Spion des KGB enttarnt und am 6. November 1961 verhaftet[6]. Obwohl der US-Militärgeheimdienst CIC (im Gegensatz zur CIA sehr skeptisch gegen ehemalige SS-Männer in Gehlens Dienst) ihn schon 1953 auf einer Liste möglicher Überläufer führte[7] – dies aber der Konkurrenz CIA vorenthielt – führte erst ein sowjetischer Überläufer die CIA auf die richtige Spur (Nach Piekalkiewicz war es der Überläufer Anatol Golizyn, der im Oktober 1961 der CIA die entscheidenden Tips gab (ohne einen Namen zu nennen), nach wiederum anderer Darstellung (Höhne) ein übergelaufener hoher MfS-Mann namens Männel). Bei der CIA und selbst beim BND gab es aufgrund des aufwändigen Lebensstils von Felfe ab Mitte der 1950er Jahre Verdachtsmomente. Felfe hatte aber stets die Rückendeckung von Gehlen. Bei der Überwachung von Felfes Telefon wurde ein verräterischer Anruf seines Kontaktmanns Hans Clemens – ebenfalls beim BND, wo er Felfes Aufnahme empfohlen hatte – aufgefangen („Verschlüsselte Nachricht von Fritz“, Fritz war der Deckname seines Führungsoffiziers), die Beweise reichten aber erst zur Jahreswende 1960/61 für eine Verhaftung.

1963 zu 14 Jahren Haft verurteilt (Clemens erhielt 10 Jahre), gelangte Felfe bei einem Agentenaustausch schon 1969 wieder in Freiheit. Der Austausch gegen 15 überwiegend politische Häftlinge (es waren z. B. drei Heidelberger Studenten darunter, die sich angeblich von der CIA hatten verleiten lassen, in der Sowjetunion Autonummern von Militärfahrzeugen zu notieren) erfolgte nur auf massiven Druck seitens der DDR, die damit gedroht hatte, das Freikaufprogramm der Bundesregierung für politische Häftlinge einzufrieren. Felfe arbeitete dann noch kurz beim KGB in Moskau und erhielt 1978 eine außerordentliche Professur für Kriminalistik an der Humboldt Universität in Berlin (Ost)[8][9]. 1986 veröffentlichte er seine Memoiren unter dem Titel Im Dienst des Gegners.[10][11] Bei der Vorstellung des Buches in Ostberlin wies er auf seine (seiner Ansicht nach bestehende) bundesrepublikanische Staatsbürgerschaft hin, was nach den Erinnerungen seines westdeutschen Lektors seine DDR-„Gastgeber“ verärgerte.[12] Im März 2008 gratulierte ihm die KGB-Nachfolgeorganisation FSB zum 90 Geburtstag. [13]

Literatur

  • Heinz Felfe: Im Dienst des Gegners: 10 Jahre Moskaus Mann im BND, Rasch und Röhring Verlag, Hamburg/Zürich 1986, ISBN 3-89136-059-2 (seine Erinnerungen und Rechtfertigung)
  • Mary Ellen Reese Organisation Gehlen rororo 1992 (englisches Original: General Reinhard Gehlen- the CIA connection, Fairfax 1990)
  • Ausstellungskatalog Streng geheim, 2000 (u.a. im Museum für Kommunikation, Berlin)
  • Gordiewsky, Andrew KGB, Bertelsmann 1990, S.527, 583
  • Piekalkiewicz Weltgeschichte der Spionage, Weltbild 1990, S.464
  • Heinz Höhne Krieg im Dunkel, 1985, S.584ff

Einzelnachweise

  1. nach Bacia, FAZ 27.3.2008, Untersturmbannführer
  2. Piekalkiewicz Weltgeschichte der Spionage
  3. Gehlen Der Dienst, Hasse und Köhler Verlag, 1971, S. 287 lobte das Material, das auf persönliche Weisung des KGB Chefs Scheljepin so gut gewesen sei, das es „bis heute ohne Untertreibung als einmalig bezeichnet werden könne“. Im Übrigen geht Gehlen nur kurz auf drei Seiten (S.296ff) auf den Fall Felfe ein. Von Ansehensverlust will er nichts wissen. Befreundete Dienste hätten ihm mit den Worten gratuliert, sie selbst hätten ihren Felfe noch nicht gefunden.
  4. Gehlen erwähnt in seinen Memoiren einen „Publizisten W.“, der auch danach verurteilt worden sei.
  5. CIA: Heinz Felfe - Damage Report, NARA Report 263, online in Bericht von Norman Goda [1]
  6. http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2000/0108/magazin/0001/
  7. Mary Reese Organisation Gehlen, rororo 1992
  8. Piekalkiewicz, loc.cit.
  9. http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=13489621
  10. http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument-druck.html?id=13518837
  11. http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument-druck.html?id=13518848
  12. Erinnerungen von Christian von Dithfurth Ostalgie oder linke Alternative, [[2]], sowie Piekalkiewicz
  13. Horst Bacia, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.3.2008, der sich auf eine Meldung der russischen Zeitung Nowosti bezieht