„Spandauer Vorstadt“ – Versionsunterschied

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Die '''Spandauer Vorstadt''' (früher auch '''Spandauer Viertel''' genannt) ist ein historisches Stadtviertel im [[Berlin]]er Ortsteil [[Berlin-Mitte|Mitte]] im [[Bezirk Mitte|gleichnamigen Bezirk]].
Die '''Spandauer Vorstadt''' (früher auch '''Spandauer Viertel''' genannt) ist ein [[Berliner Bezirke#Kommunale Gliederung im 19. Jahrhundert|historischer Stadtteil]] im heutigen [[Berlin]]er Ortsteil [[Berlin-Mitte|Mitte]] des [[Bezirk Mitte|gleichnamigen Bezirks]].


== Lage ==
== Geographie ==
Die Spandauer Vorstadt wird im Süden begrenzt von der [[Spree]] und vom Viadukt der [[Berliner Stadtbahn]], im Osten von der [[Karl-Liebknecht-Straße (Berlin)|Karl-Liebknecht-Straße]], im Norden von der [[Torstraße]] und im Westen von der [[Friedrichstraße]]. Der östlich der Rosenthaler Straße gelegene Teil der Spandauer Vorstadt ist auch als [[Scheunenviertel (Berlin)|Scheunenviertel]] bekannt; eine Bezeichnung, die häufig irrtümlich wegen des sich dort um 1900 befindlichen [[Schtetl]] auch auf westlich davon gelegene Straßenzüge, allen voran die [[Oranienburger Straße]] mit der [[Neue Synagoge (Berlin)|Synagoge]], ausgedehnt wird.
Die Spandauer Vorstadt wird im Süden begrenzt von der [[Spree]] und vom [[Viadukt]] der [[Berliner Stadtbahn|Stadtbahn]], im Osten von der [[Karl-Liebknecht-Straße (Berlin)|Karl-Liebknecht-Straße]] und der angrenzenden [[Königsstadt]], im Norden von der [[Torstraße (Berlin)|Torstraße]] und der angrenzenden [[Rosenthaler Vorstadt|Rosenthaler]] und [[Oranienburger Vorstadt]] und im Westen von der [[Friedrichstraße]] und der [[Friedrich-Wilhelm-Stadt]].


Über die [[Weidendammer Brücke]], die [[Ebertbrücke]] und die [[Monbijoubrücke (Berlin)|Monbijoubrücke]] ist die Spandauer Vorstadt mit der [[Dorotheenstadt]] verbunden.
== Geschichte ==

== Geschichte ==

=== Namenserläuterung ===
Die Vorstadt, die sich vor dem Spandauer Tor entwickelt hat, trug bald auch den Namen ''Spandauer Vorstadt'' oder auch '' Spandauer Viertel''. Für die Quartiere, die jenseits der heutigen Torstraße entstanden, wurde zeitweise der Begriff '' Äußere Spandauer Vorstadt'' verwendet. Zuletzt gehörten diese Viertel aber zur Oranienburger und Rosenthaler Vorstadt.

Der östlich der Rosenthaler Straße gelegene Teil der Spandauer Vorstadt ist auch als ''[[Scheunenviertel (Berlin) |Scheunenviertel]]'' bekannt; eine Bezeichnung, die häufig irrtümlich wegen des sich dort um 1900 befindlichen [[Schtetl]]s auch auf westlich davon gelegene Straßenzüge, allen voran die [[Oranienburger Straße]] mit der [[Neue Synagoge (Berlin)|Synagoge]], ausgedehnt wird.

=== 17. Jahrhundert bis 19. Jahrhundert ===
Die Spandauer Vorstadt entwickelte sich nördlich des [[Spandauer Tor]]s der [[Berliner Stadtmauer]]. Sie hat ihre Ursprünge im [[Mittelalter]] und war zunächst eine lockere Ansiedlung, in der die Berliner Garten- und Landwirtschaft zur Selbstversorgung betrieben. Eine ähnliche Nutzung des Landes gab es vor allen Stadttoren. Mit dem Bau der [[Festung Berlin|Festungsanlage]] Mitte des 17. Jahrhunderts wurde das Spandauer Tor etwas nach Osten in die Umgebung des heutigen [[Hackescher Markt|Hackeschen Marktes]] versetzt, die Bezeichnung blieb aber erhalten.
Die Spandauer Vorstadt entwickelte sich nördlich des [[Spandauer Tor]]s der [[Berliner Stadtmauer]]. Sie hat ihre Ursprünge im [[Mittelalter]] und war zunächst eine lockere Ansiedlung, in der die Berliner Garten- und Landwirtschaft zur Selbstversorgung betrieben. Eine ähnliche Nutzung des Landes gab es vor allen Stadttoren. Mit dem Bau der [[Festung Berlin|Festungsanlage]] Mitte des 17. Jahrhunderts wurde das Spandauer Tor etwas nach Osten in die Umgebung des heutigen [[Hackescher Markt|Hackeschen Marktes]] versetzt, die Bezeichnung blieb aber erhalten.


Anlässlich ihrer Heirat 1668 erhielt Kurfürstin [[Dorothea von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg|Dorothea]] Grundbesitz im Bereich der Spandauer Vorstadt sowie das Tiergartenvorwerk, die spätere [[Berlin-Dorotheenstadt|Dorotheenstadt]], als Geschenk. Sie verwandelte beide Gelände in Bauland, um unabhängig vom kurfürstlichen Hof an Finanzmittel zu gelangen. 1685 ließ sie nach dem Vorbild der [[Berlin-Dorotheenstadt|Dorotheenstadt]] hier einige Straßen anlegen, Grundstücke parzellieren und diese an Berliner Bürger und – auf der Basis des im selben Jahr erlassenen [[Edikt von Potsdam|Edikts von Potsdam]] – auch an [[Hugenotten in Berlin|Hugenotten]] verkaufen.
Anlässlich ihrer Heirat 1668 erhielt Kurfürstin [[Dorothea von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg|Dorothea]] Grundbesitz im Bereich der Spandauer Vorstadt sowie das Tiergartenvorwerk, die spätere [[Berlin-Dorotheenstadt|Dorotheenstadt]], als Geschenk. Sie verwandelte beide Gelände in Bauland, um unabhängig vom kurfürstlichen Hof an Finanzmittel zu gelangen. 1685 ließ sie nach dem Vorbild der [[Berlin-Dorotheenstadt|Dorotheenstadt]] hier einige Straßen anlegen, Grundstücke parzellieren und diese an Berliner Bürger und – auf der Basis des im selben Jahr erlassenen [[Edikt von Potsdam|Edikts von Potsdam]] – auch an [[Hugenotten in Berlin|Hugenotten]] verkaufen.

Im Jahr 1685 wurde die [[Weidendammer Brücke]] erbaut. Sie führte die damalige ''Querstraße'' der Dorotheenstadt über die Spree und verband damit die beiden Ländereien der Kurfürstin. In Weiterführung dieses Straßenzuges nach Norden wurde die ''Dammstraße'' bis zur Landstraße nach [[Oranienburg]] als gut befahrbare und repräsentative Allee angelegt. Die Dorotheenstadt war dadurch wesentlich einfacher von Norden her zu erreichen, genau wie die westliche Spandauer Vorstadt ohne Umweg über den [[Berliner Stadtschloss|Schlossbezirk]]. Mit Anlage der [[Berlin-Friedrichstadt|Friedrichstadt]] erhielt dann der ganze Straßenzug um 1705 den Namen ''[[Friedrichstraße]]''.

Um 1700 wurde auf dem ''Spandauer Heerweg'', einer alten Landstraße vor dem später errichteten [[Schloss Monbijou]], die [[Oranienburger Straße]] als repräsentative Allee ausgebaut. In der äußersten nordwestlichen Ecke der Spandauer Vorstadt wurde 1710 ein [[Pesthaus]] gebaut, aus dem die [[Charité]] hervorging. In der Spandauer Vorstadt standen 1710 bereits etwa 500 Wohnhäuser. 1712 erhielt sie eine eigene Pfarrkirche, die [[Sophienkirche]] in der Großen Hamburger Straße, die von Königin Sophie Luise, der dritten Gemahlin [[Friedrich I. (Preußen)|Friedrichs I.]] gestiftet wurde.

Auf Weisung von König [[Friedrich II. (Preußen)|Friedrich II.]] wurde 1750 die [[Berliner Zollmauer]] im Norden bis auf die Linie [[Prenzlauer Tor]] – Schönhauser Tor – Rosenthaler Tor – Hamburger Tor – [[Oranienburger Tor]] – (1836 Neues Tor) – Unterbaum (Spree) ausgedehnt. Dieser Verlauf ist noch gut zwischen [[Linienstraße (Berlin)|Linienstraße]] (Innenseite) und Torstraße (Außenseite) zu erkennen. Den weiteren Verlauf bildete die heutige [[Liste der Straßen und Plätze in Berlin-Mitte#Hannoversche Straße*|Hannoversche Straße]]. Die Anlage wurde geleitet vom Kommandanten von Berlin, Hans Christoph von Hacke (daher: [[Hackescher Markt]]). Das Gebiet zwischen Oranienburger Tor und Rosenthaler Tor erhielt später den Namen [[Oranienburger Vorstadt]] und [[Rosenthaler Vorstadt]]. 1751 wurde die Festungsanlage in diesem Bereich bis auf einen Abwassergraben eingeebnet; der Straßenname ''Am Zwirngraben'' erinnert heute noch daran. In der östlichen Spandauer Vorstadt wurde auch ein neues Judenviertel angelegt (heute als ‚Scheunenviertel‘ bekannt).

Seit 1822 wurde im bislang vorwiegend gartenbaulich genutzten Bereich westlich der Friedrichstraße die [[Friedrich-Wilhelm-Stadt]] erbaut, die 1828 von der Spandauer Vorstadt abgetrennt wurde und seitdem einen eigenen Stadtteil bildete. In den Jahren vor dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] wurde im Rahmen einer [[Flächensanierung]] ein großer Teil des alten Scheunenviertels abgerissen und neuzeitlich bebaut.

=== Seit dem 20. Jahrhundert ===
Bei der Bildung von [[Groß-Berlin]] im Jahr 1920 wurde die Spandauer Vorstadt Teil des neugebildeten Bezirks Mitte. Der [[Zweiter Weltkrieg|Zweite Weltkrieg]] richtete vergleichsweise wenig Schäden in der Spandauer Vorstadt an. Einige bedeutende historische Bauten wie das Schloss Monbijou wurden zerstört und später abgerissen. Die Pflege der historischen Altbausubstanz wurde über Jahrzehnte vernachlässigt, was zu Leerstand und Verfall führte. Erst in den 1980er Jahren wurde die [[Liste der Straßen und Plätze in Berlin-Mitte#Sophienstraße*|Sophienstraße]] rekonstruiert; parallel dazu begann stellenweise eine Sanierung durch Abriss und Neubau.

Das Gebiet der Spandauer Vorstadt ist heute als [[Bauensemble]] [[Denkmalschutz |denkmalgeschützt]] und gilt als der größte und am besten erhaltene historische Stadtteil Berlins. Seit der [[Deutsche Wiedervereinigung|deutschen Wiedervereinigung]] 1990 ist ein großer Teil der Bebauung renoviert worden und die Spandauer Vorstadt hat sich zu einem auch touristisch attraktiven Wohn-, Geschäfts- und Szeneviertel mit deutlicher Tendenz zur [[Gentrifizierung]] entwickelt.

== Bevölkerung ==
Im Jahr 1890 erreichte die Spandauer Vorstadt (im 18. und 19.&nbsp;Jahrhundert überwiegend ''Spandauer Viertel'' genannt) mit 78.953 ihre höchste Einwohnerzahl.<ref>Friedrich Leyden: ''Gross-Berlin. Geographie der Weltstadt''. Hirt, Breslau 1933 (darin: ''Entwicklung der Bevölkerungszahl in den historischen Stadtteilen von Alt-Berlin'', S.&nbsp;206)</ref>

== Politik ==
Am [[Rosa-Luxemburg-Platz]] in der [[Liste der Straßen und Plätze in Berlin-Mitte#Kleine Alexanderstraße*|Kleine Alexanderstraße]]&nbsp;28 hat die Partei [[Die Linke]] ihren Sitz. Das [[Karl-Liebknecht-Haus]] war von 1926 bis 1933 die Zentrale der [[Kommunistische Partei Deutschlands|Kommunistischen Partei Deutschlands]].

== Kultur und Sehenswürdigkeiten ==

=== Museen und Galerien ===
In der Spandauer Vorstadt befinden sich eine Reihe von Museen, die die jüdische Geschichte des Viertels thematisieren. In der Oranienburger Straße 28–30 befindet sich die 1995 eröffnete [[Centrum Judaicum|Neue Synagoge&nbsp;– Centrum Judaicum]], ein Zentrum, das sich der Pflege und Wahrung jüdischer Kultur widmet. Darüber hinaus sollen Archiv und Bibliothek der Forschung dienen. Nahe am Hackeschen Markt, in der Rosenthaler Straße&nbsp;39 befinden sich das [[Anne Frank Zentrum]] und das Museum Blindenwerkstatt [[Otto Weidt]].

Die [[Auguststraße (Berlin)|Auguststraße]] ist über die Grenzen Berlins hinaus bekannt für ihre Galerie-Szene. Die wohl bekannteste Galerie, die [[Kunst-Werke Berlin]], befindet sich in der Auguststraße 64.

=== Theater und Varieté ===
Am Rosa-Luxemburg-Platz, dem ehemaligen ''Bülowplatz'', steht die von 1913 bis 1914 nach Plänen von Oskar Kaufmann errichtete [[Volksbühne Berlin|Volksbühne]].

Der [[Friedrichstadt-Palast|Friedrichstadtpalast]] hat die größte Theaterbühne der Welt und eine lange Tradition. Seine Geschichte begann Am Zirkus&nbsp;1, neben dem heutigen [[Berliner Ensemble]]. 1984 zog der Friedrichstadtpalast in das neugebaute Revuetheater in der Friedrichstraße 107 um.

In den Hackeschen Höfen, Rosenthaler Straße 40/41 gibt es das 1991 gegründete [[Chamäleon Theater]], das sich seit 2004 dem Neuen Zirkus verschrieben hat und wechselnde Programme zeigt.

Ein weiterer Aufführungsort für Theater und Tanz sind die [[Sophiensäle]] im 1904/1905 errichteten [[Handwerkervereinshaus]].

=== Sonstiges ===
Die Ruine des ehemaligen [[Kunsthaus Tacheles#Friedrichstraßenpassage|Passage-Kaufhauses]] in der Oranienburger Straße war 1992 von Künstlern besetzt worden und machte sich einen Namen als [[Kunsthaus Tacheles]]. 2012 mussten die Künstler das Haus trotz zahlreicher Proteste wieder verlassen. Nach der Sanierung und Einbeziehung in das städtebauliche Projekt zwischen Friedrichstraße, Johannisstraße und Oranienburger Straße soll das Tacheles wieder eine kulturelle Nutzung bekommen.

In der Auguststraße befindet sich [[Clärchens Ballhaus]], eine Institution in der seit über 100&nbsp;Jahren ununterbrochen getanzt wird.

=== Besondere Bauten ===

==== Nicht mehr vorhandene Gebäude ====
Zwischen 1703 und 1706 ließ König [[Friedrich I. (Preußen)|Friedrich&nbsp;I.]] vom Hofbaumeister [[Eosander von Göthe]] im Stil des −Spätbarock ein kleines Lustschloss am nördlichen Ufer der Spree jenseits des Spandauer Tores errichtet. Das [[Schloss Monbijou]] beherbergte zuletzt das Hohenzollern-Museum. Stadtbildprägend waren die zweigeschossigen Torhäuser am Monbijouplatz. Schloss und Torhäuser wurden im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und die Ruinen 1959 abgebrochen.


Im Jahr 1859 wurde in der Oranienburger Straße&nbsp;76a das nach Plänen von [[Friedrich August Stüler|Stüler]] errichtete Gebäude des [[Domkandidatenstift (Berlin)|Domkandidatenstifts]] eingeweiht. Um einen Innenhof gruppierten sich verschiedene Gebäudeteile und ein Turm in der Straßenfront bildete den markanten Höhepunkt. Erst 1972 wurde der im Zweiten Weltkrieg ausgebrannte Gebäudekomplex abgebrochen.
Im Jahr 1685 wurde auch die [[Weidendammer Brücke]] erbaut. Sie führte die damalige ''Querstraße'' der Dorotheenstadt über die [[Spree]] und verband damit die beiden Ländereien der Kurfürstin. In Weiterführung dieses Straßenzuges nach Norden wurde die ''Dammstraße'' bis zur Landstraße nach [[Oranienburg]] als gut befahrbare und repräsentative Allee angelegt. Die Dorotheenstadt war dadurch wesentlich einfacher von Norden her zu erreichen, genau wie die westliche Spandauer Vorstadt ohne Umweg über den [[Berliner Stadtschloss|Schlossbezirk]]. Mit Anlage der [[Berlin-Friedrichstadt|Friedrichstadt]] erhielt dann der ganze Straßenzug um 1705 den Namen ''[[Friedrichstraße]]''.


Auf dem Gelände des Schlosses Monbijou wurde 1884 die nach Plänen von [[Julius Raschdorff]] realisierte [[St. George’s Church (Berlin)#Erste St. George’s Church in Berlin|St.&nbsp;George’s Church]] (Englische Kirche) eingeweiht. Die Kirche im Stil englischer Kirchenbauten des 19.&nbsp;Jahrhunderts wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.
Um 1700 wurde auf dem ''Spandauer Heerweg'', einer alten Landstraße vor dem später errichteten [[Schloss Monbijou]], die [[Oranienburger Straße]] als repräsentative Allee ausgebaut. In der äußersten nordwestlichen Ecke der Spandauer Vorstadt wurde 1710 ein Pesthaus gebaut, aus dem die [[Charité]] hervorging. In der Spandauer Vorstadt standen 1710 bereits etwa 500 Wohnhäuser. 1712 erhielt sie eine eigene Pfarrkirche, die [[Sophienkirche]] in der Großen Hamburger Straße, die von Königin Sophie Luise, der dritten Gemahlin [[Friedrich I. (Preußen)|Friedrichs&nbsp;I.]] gestiftet wurde.


Im Jahr 1909 wurde in der Friedrichstraße 110–112 die [[Kunsthaus Tacheles #Friedrichstraßenpassage|Friedrichstraßenpassage]] eröffnet, die die Friedrichstraße mit der Oranienburger Straße verband. Markant waren die Portalbauten in beiden Straßenfronten und die mächtige Kuppelhalle im Blockinneren. 1983 wurde das zuletzt als „Haus der Technik“ bezeichnete, im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigte, Gebäude gesprengt. Lediglich das Vorderhaus an der Oranienburger Straße blieb stehen und wurde als [[Kunsthaus Tacheles]] bekannt.
Auf Weisung von [[Friedrich II. (Preußen)|Friedrich&nbsp;II.]] wurde 1750 die [[Berliner Zollmauer]] im Norden bis auf die Linie [[Prenzlauer Tor]] – Schönhauser Tor – Rosenthaler Tor – Hamburger Tor – [[Oranienburger Tor]] – (1836 Neues Tor) – Unterbaum (Spree) ausgedehnt. Dieser Verlauf ist noch gut zwischen [[Linienstraße (Berlin)|Linienstraße]] (Innenseite) und Torstraße (Außenseite) zu erkennen. Den weiteren Verlauf bildete die heutige Hannoversche Straße. Die Anlage wurde geleitet vom Kommandanten von Berlin, Hans Christoph v.&nbsp;Hacke (daher „[[Hackescher Markt]]“). Das Gebiet zwischen Oranienburger Tor und Rosenthaler Tor erhielt später den Namen [[Oranienburger Vorstadt]] und [[Rosenthaler Vorstadt]]. 1751 wurde die Festungsanlage in diesem Bereich bis auf einen Abwassergraben eingeebnet; der Straßenname ''Am Zwirngraben'' erinnert heute noch daran. In der östlichen Spandauer Vorstadt wurde auch ein neues Judenviertel angelegt (heute als Scheunenviertel bekannt).


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Seit 1822 wurde im bislang vorwiegend gartenbaulich genutzten Bereich westlich der Friedrichstraße die [[Friedrich-Wilhelm-Stadt]] erbaut, die 1828 von der Spandauer Vorstadt abgetrennt wurde und seitdem einen eigenen Stadtteil bildete. 1890 erreichte die Spandauer Vorstadt (im 18. und 19.&nbsp;Jahrhundert überwiegend ''Spandauer Viertel'' genannt) mit 78.953 ihre höchste Einwohnerzahl.<ref>Friedrich Leyden: ''Gross-Berlin. Geographie der Weltstadt''. Hirt, Breslau 1933 (darin: ''Entwicklung der Bevölkerungszahl in den historischen Stadtteilen von Alt-Berlin'', S. 206)</ref> In den Jahren vor dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] wurde im Rahmen einer [[Flächensanierung]] ein großer Teil des alten Scheunenviertels abgerissen und neuzeitlich bebaut.
Bundesarchiv B 145 Bild-P014925, Berlin, Schloß Monbijou.jpg|[[Schloss Monbijou]], Spreefront
Engl.Kirche Berlin.png|[[St. George’s Church (Berlin)#Erste St. George’s Church in Berlin|Englische Kirche]]
Kelet-Berlin, Friedrichstrasse, Kunsthaus Tacheles (azelött Haus der Technik, eredetileg Friedrichstrassepassage). Fortepan 50883.jpg|Friedrichstraßen&shy;passage, [[Friedrichstraße]]&nbsp;110–112, kurz vor dem Abriss
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==== Denkmalgeschützte Gebäude ====
Bei der Bildung von [[Groß-Berlin]] im Jahr 1920 wurde die Spandauer Vorstadt Teil des neugebildeten Bezirks Mitte. Der [[Zweiter Weltkrieg|Zweite Weltkrieg]] richtete vergleichsweise wenig Schäden in der Spandauer Vorstadt an. Einige bedeutende historische Bauten wie das Schloss Monbijou wurden zerstört und später abgerissen. Die Pflege der historischen Altbausubstanz wurde über Jahrzehnte vernachlässigt, was zu Leerstand und Verfall führte. Erst in den 1980er-Jahren wurde die Sophienstraße rekonstruiert; parallel dazu begann stellenweise eine Sanierung durch Abriss und Neubau.
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Neue Synagoge, Berlin-Mitte, 160328, ako.jpg|[[Neue Synagoge (Berlin)|Neue Synagoge]] in der [[Oranienburger Straße]]
Berlin 2012 (105).jpg|1. Hof der [[Hackesche Höfe|Hackeschen Höfe]]
Berlin, Mitte, Oranienburger Strasse 35-36, Postfuhramt.jpg|[[Postfuhramt]]
Leihamt Berlin Linienstraße.JPG|[[Königliches Leihamt]]
Germany-00143 - Sermon (30211331672).jpg|[[Sophienkirche (Berlin)|Sophienkirche]]
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{{Hauptartikel|Liste der Kulturdenkmale in Berlin-Mitte/Spandauer Vorstadt}}
== Gegenwart ==
Das Gebiet der Spandauer Vorstadt ist heute als Bauwerksensemble [[Denkmalschutz|denkmalgeschützt]] und gilt als der größte und am besten erhaltene historische Stadtteil Berlins. Seit der [[Deutsche Einheit|Wiedervereinigung]] 1990 ist ein großer Teil der Bebauung renoviert worden und die Spandauer Vorstadt hat sich zu einem auch touristisch attraktiven Wohn-, Geschäfts- und Szeneviertel mit deutlicher Tendenz zur [[Gentrifizierung]] entwickelt.


==== Moderne Bauten ====
== Orte und Gebäude der Spandauer Vorstadt ==
[[Datei:Neuer Hackescher Markt.jpg|mini|Neuer Hackescher Markt]]
{{Siehe auch|Liste der Kulturdenkmale in Berlin-Mitte/Spandauer Vorstadt}}
[[Datei:Berlin-Mitte Neue Synagoge Oranienburger Straße.jpg|mini|hochkant|[[Neue Synagoge (Berlin)|Neue Synagoge]] in der [[Oranienburger Straße]]]]
[[Datei:Berlin Sophie Gips Hof1.jpg|mini|hochkant|Sophie-Gips-Höfe an der Sophienstraße]]


In den Jahren 1999–2000 entstand auf der Ostseite des Hackeschen Marktes an der Ecke zur Dircksenstraße ein Ensemble von insgesamt zwölf Einzelhäusern, die durch angedeutete Parzellenteilung und die Gestaltung Bezug nehmen auf die Architektur der Umgebung. In den Erdgeschosse sind Läden untergebracht und die Obergeschosse dienen überwiegend dem Wohnen. Das Architekturbüro Bellmann &&nbsp;Böhm entwickelte den Masterplan. Drei weitere Architekturbüros waren an der Durcharbeitung beteiligt.
* [[Oranienburger Straße]]
** [[Hackesche Höfe]]
** [[Chamäleon (Varieté)|Chamäleon]] (Varietétheater)
** [[Neue Synagoge (Berlin)|Neue Synagoge]]
** [[Monbijoupark]]
** [[Postfuhramt]]
** [[Kunsthaus Tacheles]]
* [[Rosa-Luxemburg-Platz]]
** [[Volksbühne Berlin|Volksbühne]]
** [[Karl-Liebknecht-Haus]]
* [[Friedrichstraße]]
** [[Friedrichstadtpalast]]
* [[Linienstraße (Berlin)|Linienstraße]]
** [[Königliches Leihamt]]
* [[Sophienkirche (Berlin)|Sophienkirche]]
* [[Auguststraße (Berlin)|Auguststraße]]
** [[Clärchens Ballhaus]]
** [[Kunst-Werke Berlin]]
* [[Koppenplatz]]


== Literatur ==
== Literatur ==
* ''Spandauer Vorstadt in Berlin-Mitte. Ein Kunst und Denkmalführer''. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2006 (3. Auflage), ISBN 3-937251-01-4.
* ''Spandauer Vorstadt in Berlin-Mitte. Ein Kunst und Denkmalführer''. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2006 (3. Auflage), ISBN 3-937251-01-4.
* ''Quer durch die Mitte. Die Spandauer Vorstadt''. Haude und Spener, Berlin 1998, ISBN 3-77590425-5.
* ''Quer durch die Mitte. Die Spandauer Vorstadt''. Haude und Spener, Berlin 1998, ISBN 3-7759-0425-5.
* [[Laurenz Demps]]: ''Die Oranienburger Straße''. ISBN 3-932529-20-0.
* [[Laurenz Demps]]: ''Die Oranienburger Straße''. ISBN 3-932529-20-0.
* Christian Krajewski: ''Urbane Transformationsprozesse in zentrumsnahen Stadtquartieren - Gentrifizierung und innere Differenzierung am Beispiel der Spandauer Vorstadt und der Rosenthaler Vorstadt in Berlin''. IfG. Münster 2006. ISBN 3-9809592-2-8.
* Christian Krajewski: ''Urbane Transformationsprozesse in zentrumsnahen Stadtquartieren Gentrifizierung und innere Differenzierung am Beispiel der Spandauer Vorstadt und der Rosenthaler Vorstadt in Berlin''. IfG. Münster 2006. ISBN 3-9809592-2-8.
* ''Die Spandauer Vorstadt – Utopien und Realitäten zwischen Scheunenviertel und Friedrichstraße''. Argon Verlag, Berlin 1995. ISBN 3-87024-327-9.
* ''Die Spandauer Vorstadt – Utopien und Realitäten zwischen Scheunenviertel und Friedrichstraße''. Argon Verlag, Berlin 1995. ISBN 3-87024-327-9.
* Herbert Schwenk: ''Lexikon der Berliner Stadtentwicklung.'' Haude und Spener, Berlin 2002, ISBN 3-7759-0472-7.
* Herbert Schwenk: ''Lexikon der Berliner Stadtentwicklung.'' Haude und Spener, Berlin 2002, ISBN 3-7759-0472-7.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
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* Christian Krajewski: {{Webarchiv | url=http://wwwifdg.uni-muenster.de/Hemmer%20Material/Exkursionsfuehrer%20Berlin%202004%20-%20Stand%2019-01-2004%20-%2018.30%20Uhr/PDF%20Exkursionsfuehrer%202004/spandau%20und%20rosenthaler%20vorstadt.pdf | wayback=20070612001600 | text=''Spandauer und Rosenthaler Vorstadt''}} (PDF). Urbane Transformationsprozesse zwischen „Szeneviertel“ und „Wohnkiez“. Münster 2004. Auf Seite 220 befindet sich eine Lagekarte zur Einordnung der beiden Vorstädte.
* Christian Krajewski: {{Webarchiv |url=http://wwwifdg.uni-muenster.de/Hemmer%20Material/Exkursionsfuehrer%20Berlin%202004%20-%20Stand%2019-01-2004%20-%2018.30%20Uhr/PDF%20Exkursionsfuehrer%202004/spandau%20und%20rosenthaler%20vorstadt.pdf |text=''Spandauer und Rosenthaler Vorstadt'' |wayback=20070612001600}} (PDF). Urbane Transformationsprozesse zwischen „Szeneviertel“ und „Wohnkiez“. Münster 2004. Auf Seite 220 befindet sich eine Lagekarte zur Einordnung der beiden Vorstädte.
* Klaus Bädicker: [http://www.baedicker.de/DieAlteMitte/index.php?directory=Spandauer%20Vorstadt/&page=1 Fotografien zur Spandauer Vorstadt aus den 1980er und 1990er Jahren]
* Klaus Bädicker: [http://www.baedicker.de/DieAlteMitte/index.php?directory=Spandauer%20Vorstadt/&page=1 Fotografien zur Spandauer Vorstadt aus den 1980er und 1990er Jahren]
* Torsten Elger: [http://www.elgerart.de/galleries/berlin-spandauer-vorstadt/ Panoramen von wichtigen Orten der Spandauer Vorstadt]
* Torsten Elger: [https://www.elgerart.de/galleries/berlin-spandauer-vorstadt/ Panoramen von wichtigen Orten der Spandauer Vorstadt]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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[[Kategorie:Ort in Berlin]]
[[Kategorie:Ort in Berlin]]

Aktuelle Version vom 7. Mai 2023, 15:09 Uhr

Historische Stadtteile von Berlin (Stand 1920) innerhalb des heutigen Ortsteils Mitte.[1] Die Grenzen variierten im Lauf der Zeit.
I0000Alt-Berlin
II 000Alt-Kölln (Spreeinsel)
III000Friedrichswerder
IV000Dorotheenstadt
V 000Friedrichstadt
XI000Luisenstadt
XII 00Neu-Kölln
XIII00Stralauer Vorstadt
XIV 0 Königsstadt
XV 00Spandauer Vorstadt
XVI 0 Rosenthaler Vorstadt
XVII 0Oranienburger Vorstadt
XVIII0Friedrich-Wilhelm-Stadt
Die Stadtteile VI–X und XIX–XXI sowie große Teile der Stadtteile V, XI, XIII, XIV, XVI und XVII liegen außerhalb des heutigen Ortsteils Mitte.
Vorwerk der Churfürstin auf einem Stadtplan von 1688
1748: Umgebung des Spandauer Heerwegs in Berlin (von Monbijouplatz bis Moabiter Weinberg, königlichen Pulvermühlen, Gelände Lehrte / Hauptbahnhof)
Das Spandauer Vierthel, 1789
Die Spandauer Vorstadt, 1875

Die Spandauer Vorstadt (früher auch Spandauer Viertel genannt) ist ein historischer Stadtteil im heutigen Berliner Ortsteil Mitte des gleichnamigen Bezirks.

Die Spandauer Vorstadt wird im Süden begrenzt von der Spree und vom Viadukt der Stadtbahn, im Osten von der Karl-Liebknecht-Straße und der angrenzenden Königsstadt, im Norden von der Torstraße und der angrenzenden Rosenthaler und Oranienburger Vorstadt und im Westen von der Friedrichstraße und der Friedrich-Wilhelm-Stadt.

Über die Weidendammer Brücke, die Ebertbrücke und die Monbijoubrücke ist die Spandauer Vorstadt mit der Dorotheenstadt verbunden.

Namenserläuterung

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Die Vorstadt, die sich vor dem Spandauer Tor entwickelt hat, trug bald auch den Namen Spandauer Vorstadt oder auch Spandauer Viertel. Für die Quartiere, die jenseits der heutigen Torstraße entstanden, wurde zeitweise der Begriff Äußere Spandauer Vorstadt verwendet. Zuletzt gehörten diese Viertel aber zur Oranienburger und Rosenthaler Vorstadt.

Der östlich der Rosenthaler Straße gelegene Teil der Spandauer Vorstadt ist auch als Scheunenviertel bekannt; eine Bezeichnung, die häufig irrtümlich wegen des sich dort um 1900 befindlichen Schtetls auch auf westlich davon gelegene Straßenzüge, allen voran die Oranienburger Straße mit der Synagoge, ausgedehnt wird.

17. Jahrhundert bis 19. Jahrhundert

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Die Spandauer Vorstadt entwickelte sich nördlich des Spandauer Tors der Berliner Stadtmauer. Sie hat ihre Ursprünge im Mittelalter und war zunächst eine lockere Ansiedlung, in der die Berliner Garten- und Landwirtschaft zur Selbstversorgung betrieben. Eine ähnliche Nutzung des Landes gab es vor allen Stadttoren. Mit dem Bau der Festungsanlage Mitte des 17. Jahrhunderts wurde das Spandauer Tor etwas nach Osten in die Umgebung des heutigen Hackeschen Marktes versetzt, die Bezeichnung blieb aber erhalten.

Anlässlich ihrer Heirat 1668 erhielt Kurfürstin Dorothea Grundbesitz im Bereich der Spandauer Vorstadt sowie das Tiergartenvorwerk, die spätere Dorotheenstadt, als Geschenk. Sie verwandelte beide Gelände in Bauland, um unabhängig vom kurfürstlichen Hof an Finanzmittel zu gelangen. 1685 ließ sie nach dem Vorbild der Dorotheenstadt hier einige Straßen anlegen, Grundstücke parzellieren und diese an Berliner Bürger und – auf der Basis des im selben Jahr erlassenen Edikts von Potsdam – auch an Hugenotten verkaufen.

Im Jahr 1685 wurde die Weidendammer Brücke erbaut. Sie führte die damalige Querstraße der Dorotheenstadt über die Spree und verband damit die beiden Ländereien der Kurfürstin. In Weiterführung dieses Straßenzuges nach Norden wurde die Dammstraße bis zur Landstraße nach Oranienburg als gut befahrbare und repräsentative Allee angelegt. Die Dorotheenstadt war dadurch wesentlich einfacher von Norden her zu erreichen, genau wie die westliche Spandauer Vorstadt ohne Umweg über den Schlossbezirk. Mit Anlage der Friedrichstadt erhielt dann der ganze Straßenzug um 1705 den Namen Friedrichstraße.

Um 1700 wurde auf dem Spandauer Heerweg, einer alten Landstraße vor dem später errichteten Schloss Monbijou, die Oranienburger Straße als repräsentative Allee ausgebaut. In der äußersten nordwestlichen Ecke der Spandauer Vorstadt wurde 1710 ein Pesthaus gebaut, aus dem die Charité hervorging. In der Spandauer Vorstadt standen 1710 bereits etwa 500 Wohnhäuser. 1712 erhielt sie eine eigene Pfarrkirche, die Sophienkirche in der Großen Hamburger Straße, die von Königin Sophie Luise, der dritten Gemahlin Friedrichs I. gestiftet wurde.

Auf Weisung von König Friedrich II. wurde 1750 die Berliner Zollmauer im Norden bis auf die Linie Prenzlauer Tor – Schönhauser Tor – Rosenthaler Tor – Hamburger Tor – Oranienburger Tor – (1836 Neues Tor) – Unterbaum (Spree) ausgedehnt. Dieser Verlauf ist noch gut zwischen Linienstraße (Innenseite) und Torstraße (Außenseite) zu erkennen. Den weiteren Verlauf bildete die heutige Hannoversche Straße. Die Anlage wurde geleitet vom Kommandanten von Berlin, Hans Christoph von Hacke (daher: Hackescher Markt). Das Gebiet zwischen Oranienburger Tor und Rosenthaler Tor erhielt später den Namen Oranienburger Vorstadt und Rosenthaler Vorstadt. 1751 wurde die Festungsanlage in diesem Bereich bis auf einen Abwassergraben eingeebnet; der Straßenname Am Zwirngraben erinnert heute noch daran. In der östlichen Spandauer Vorstadt wurde auch ein neues Judenviertel angelegt (heute als ‚Scheunenviertel‘ bekannt).

Seit 1822 wurde im bislang vorwiegend gartenbaulich genutzten Bereich westlich der Friedrichstraße die Friedrich-Wilhelm-Stadt erbaut, die 1828 von der Spandauer Vorstadt abgetrennt wurde und seitdem einen eigenen Stadtteil bildete. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg wurde im Rahmen einer Flächensanierung ein großer Teil des alten Scheunenviertels abgerissen und neuzeitlich bebaut.

Seit dem 20. Jahrhundert

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Bei der Bildung von Groß-Berlin im Jahr 1920 wurde die Spandauer Vorstadt Teil des neugebildeten Bezirks Mitte. Der Zweite Weltkrieg richtete vergleichsweise wenig Schäden in der Spandauer Vorstadt an. Einige bedeutende historische Bauten wie das Schloss Monbijou wurden zerstört und später abgerissen. Die Pflege der historischen Altbausubstanz wurde über Jahrzehnte vernachlässigt, was zu Leerstand und Verfall führte. Erst in den 1980er Jahren wurde die Sophienstraße rekonstruiert; parallel dazu begann stellenweise eine Sanierung durch Abriss und Neubau.

Das Gebiet der Spandauer Vorstadt ist heute als Bauensemble denkmalgeschützt und gilt als der größte und am besten erhaltene historische Stadtteil Berlins. Seit der deutschen Wiedervereinigung 1990 ist ein großer Teil der Bebauung renoviert worden und die Spandauer Vorstadt hat sich zu einem auch touristisch attraktiven Wohn-, Geschäfts- und Szeneviertel mit deutlicher Tendenz zur Gentrifizierung entwickelt.

Im Jahr 1890 erreichte die Spandauer Vorstadt (im 18. und 19. Jahrhundert überwiegend Spandauer Viertel genannt) mit 78.953 ihre höchste Einwohnerzahl.[2]

Am Rosa-Luxemburg-Platz in der Kleine Alexanderstraße 28 hat die Partei Die Linke ihren Sitz. Das Karl-Liebknecht-Haus war von 1926 bis 1933 die Zentrale der Kommunistischen Partei Deutschlands.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

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Museen und Galerien

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In der Spandauer Vorstadt befinden sich eine Reihe von Museen, die die jüdische Geschichte des Viertels thematisieren. In der Oranienburger Straße 28–30 befindet sich die 1995 eröffnete Neue Synagoge – Centrum Judaicum, ein Zentrum, das sich der Pflege und Wahrung jüdischer Kultur widmet. Darüber hinaus sollen Archiv und Bibliothek der Forschung dienen. Nahe am Hackeschen Markt, in der Rosenthaler Straße 39 befinden sich das Anne Frank Zentrum und das Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt.

Die Auguststraße ist über die Grenzen Berlins hinaus bekannt für ihre Galerie-Szene. Die wohl bekannteste Galerie, die Kunst-Werke Berlin, befindet sich in der Auguststraße 64.

Theater und Varieté

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Am Rosa-Luxemburg-Platz, dem ehemaligen Bülowplatz, steht die von 1913 bis 1914 nach Plänen von Oskar Kaufmann errichtete Volksbühne.

Der Friedrichstadtpalast hat die größte Theaterbühne der Welt und eine lange Tradition. Seine Geschichte begann Am Zirkus 1, neben dem heutigen Berliner Ensemble. 1984 zog der Friedrichstadtpalast in das neugebaute Revuetheater in der Friedrichstraße 107 um.

In den Hackeschen Höfen, Rosenthaler Straße 40/41 gibt es das 1991 gegründete Chamäleon Theater, das sich seit 2004 dem Neuen Zirkus verschrieben hat und wechselnde Programme zeigt.

Ein weiterer Aufführungsort für Theater und Tanz sind die Sophiensäle im 1904/1905 errichteten Handwerkervereinshaus.

Die Ruine des ehemaligen Passage-Kaufhauses in der Oranienburger Straße war 1992 von Künstlern besetzt worden und machte sich einen Namen als Kunsthaus Tacheles. 2012 mussten die Künstler das Haus trotz zahlreicher Proteste wieder verlassen. Nach der Sanierung und Einbeziehung in das städtebauliche Projekt zwischen Friedrichstraße, Johannisstraße und Oranienburger Straße soll das Tacheles wieder eine kulturelle Nutzung bekommen.

In der Auguststraße befindet sich Clärchens Ballhaus, eine Institution in der seit über 100 Jahren ununterbrochen getanzt wird.

Besondere Bauten

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Nicht mehr vorhandene Gebäude

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Zwischen 1703 und 1706 ließ König Friedrich I. vom Hofbaumeister Eosander von Göthe im Stil des −Spätbarock ein kleines Lustschloss am nördlichen Ufer der Spree jenseits des Spandauer Tores errichtet. Das Schloss Monbijou beherbergte zuletzt das Hohenzollern-Museum. Stadtbildprägend waren die zweigeschossigen Torhäuser am Monbijouplatz. Schloss und Torhäuser wurden im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und die Ruinen 1959 abgebrochen.

Im Jahr 1859 wurde in der Oranienburger Straße 76a das nach Plänen von Stüler errichtete Gebäude des Domkandidatenstifts eingeweiht. Um einen Innenhof gruppierten sich verschiedene Gebäudeteile und ein Turm in der Straßenfront bildete den markanten Höhepunkt. Erst 1972 wurde der im Zweiten Weltkrieg ausgebrannte Gebäudekomplex abgebrochen.

Auf dem Gelände des Schlosses Monbijou wurde 1884 die nach Plänen von Julius Raschdorff realisierte St. George’s Church (Englische Kirche) eingeweiht. Die Kirche im Stil englischer Kirchenbauten des 19. Jahrhunderts wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Im Jahr 1909 wurde in der Friedrichstraße 110–112 die Friedrichstraßenpassage eröffnet, die die Friedrichstraße mit der Oranienburger Straße verband. Markant waren die Portalbauten in beiden Straßenfronten und die mächtige Kuppelhalle im Blockinneren. 1983 wurde das zuletzt als „Haus der Technik“ bezeichnete, im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigte, Gebäude gesprengt. Lediglich das Vorderhaus an der Oranienburger Straße blieb stehen und wurde als Kunsthaus Tacheles bekannt.

Denkmalgeschützte Gebäude

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Neuer Hackescher Markt

In den Jahren 1999–2000 entstand auf der Ostseite des Hackeschen Marktes an der Ecke zur Dircksenstraße ein Ensemble von insgesamt zwölf Einzelhäusern, die durch angedeutete Parzellenteilung und die Gestaltung Bezug nehmen auf die Architektur der Umgebung. In den Erdgeschosse sind Läden untergebracht und die Obergeschosse dienen überwiegend dem Wohnen. Das Architekturbüro Bellmann & Böhm entwickelte den Masterplan. Drei weitere Architekturbüros waren an der Durcharbeitung beteiligt.

  • Spandauer Vorstadt in Berlin-Mitte. Ein Kunst und Denkmalführer. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2006 (3. Auflage), ISBN 3-937251-01-4.
  • Quer durch die Mitte. Die Spandauer Vorstadt. Haude und Spener, Berlin 1998, ISBN 3-7759-0425-5.
  • Laurenz Demps: Die Oranienburger Straße. ISBN 3-932529-20-0.
  • Christian Krajewski: Urbane Transformationsprozesse in zentrumsnahen Stadtquartieren – Gentrifizierung und innere Differenzierung am Beispiel der Spandauer Vorstadt und der Rosenthaler Vorstadt in Berlin. IfG. Münster 2006. ISBN 3-9809592-2-8.
  • Die Spandauer Vorstadt – Utopien und Realitäten zwischen Scheunenviertel und Friedrichstraße. Argon Verlag, Berlin 1995. ISBN 3-87024-327-9.
  • Herbert Schwenk: Lexikon der Berliner Stadtentwicklung. Haude und Spener, Berlin 2002, ISBN 3-7759-0472-7.
Commons: Spandauer Vorstadt – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Historische Stadttheile und Stadtbezirke. In: Berliner Adreßbuch, 1920, Teil 2, S. 73. Kartengrundlage: Bezirksamt Mitte von Berlin.
  2. Friedrich Leyden: Gross-Berlin. Geographie der Weltstadt. Hirt, Breslau 1933 (darin: Entwicklung der Bevölkerungszahl in den historischen Stadtteilen von Alt-Berlin, S. 206)

Koordinaten: 52° 31′ 31″ N, 13° 23′ 55″ O