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Lili-Jacob-Bildersammlung Das Auschwitz-Album der SS

Eine junge Jüdin fand 1945 eine Bildersammlung aus dem KZ. Das Album ist ein zentrales Zeugnis der Mordmaschinerie in Auschwitz-Birkenau - zwei SS-Fotografen inszenierten die Ankunft an der Rampe.
Ankunft von Müttern und Kindern in Auschwitz: Es drohte sofortiger Tod oder mörderische Zwangsarbeit

Ankunft von Müttern und Kindern in Auschwitz: Es drohte sofortiger Tod oder mörderische Zwangsarbeit

Foto: Bernhard Walter/ Yad Vashem FA 268/55/ wbg-wissenverbindet
Zum Autor

Der Berliner Historiker Christoph Kreutzmüller (Jahrgang 1968) hat an der Humboldt-Universität promoviert, als Kurator die Neue Dauerausstellung im Jüdischen Museum Berlin vorbereitet und arbeitet inzwischen als Historiker und Pädagoge im Haus der Wannsee-Konferenz. Gemeinsam mit seinen Kollegen Tal Bruttmann und Stefan Hördler hat er kürzlich das Buch "Die fotografische Inszenierung des Verbrechens. Ein Album aus Auschwitz" veröffentlicht.

Wenige Tage, bevor die Rote Armee Auschwitz am 27. Januar 1945 befreite, versuchte Bernhard Walter hastig, die Fotos seiner Abteilung zu verbrennen. Ein ganz spezielles Fotoalbum steckte sich der Leiter des SS-Erkennungsdienstes allerdings ins Reisegepäck. Es war seine private Kopie eines Albums, das er im Auftrag des Lager-Kommandanten Rudolf Höß angelegt hatte. 

In die Deckel legte Walter auch noch einige Schmuckseiten mit Fotos vom Besuch Heinrich Himmlers, er hatte sie im Sommer 1942 gemacht. Hals über Kopf floh er dann mit den letzten SS-Männern.

(Foto von Ernst Hofmann, 17. oder 18.7.1942, USHMM, 50758) Beim Besuch Himmlers in Auschwitz fotografierte Walters Assistent seinen ebenfalls fotografierenden Chef (vorn rechts). Wie diese Bilder zustande kamen, hat der frühere Häftling und Augenzeuge Rudolf Vrba in seinen Erinnerungen geschildert: "Die fotografierenden Speichellecker drängten sich vor ihn, und ihre Leicas und Filmapparate surrten." (Foto von Ernst Hofmann, 17. oder 18.7.1942, USHMM, 50758) Beim Besuch Himmlers in Auschwitz fotografierte Walters Assistent seinen ebenfalls fotografierenden Chef (vorn rechts). Wie diese Bilder zustande kamen, hat der frühere Häftling und Augenzeuge Rudolf Vrba in seinen Erinnerungen geschildert: "Die fotografierenden Speichellecker drängten sich vor ihn, und ihre Leicas und Filmapparate surrten."

(Foto von Ernst Hofmann, 17. oder 18.7.1942, USHMM, 50758)

Beim Besuch Himmlers in Auschwitz fotografierte Walters Assistent seinen ebenfalls fotografierenden Chef (vorn rechts). Wie diese Bilder zustande kamen, hat der frühere Häftling und Augenzeuge Rudolf Vrba in seinen Erinnerungen geschildert: "Die fotografierenden Speichellecker drängten sich vor ihn, und ihre Leicas und Filmapparate surrten."

Foto: Ernst Hofmann

Nach einem Kurzeinsatz an der Front griffen die alten Seilschaften: Im Februar 1945 traf SS-Hauptscharführer Walter im KZ Mittelbau-Dora ein, wo sich fast der gesamte SS-Führungsstab aus Auschwitz breitgemacht hatte. Zwei Monate später setzte sich Walter auch von dort ab - kurz bevor die US-Army dieses Lager im Südharz erreichte. Unter einem Pyjama ließ er das Album mit 197 Fotos zurück. 

Zufällig fand es in den verlassenen Baracken Lili Jacob, eine junge Jüdin aus Ungarn, und erkannte darauf auch Familienangehörige, die danach in Konzentrationslagern ermordet wurden. Nach ihr wird es heute Lili-Jacob-Album genannt. 1980 erforschte der französische Rechtsanwalt und Historiker Serge Klarsfeld die Hintergründe und spürte die Auschwitz-Überlebende in Miami auf. Er überzeugte Lili Jacob, die Fotosammlung der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem als Schenkung zu überlassen. 

Diese Fotos prägen unsere Vorstellung der Shoa 

Das Album diente in mehreren Gerichtsverfahren gegen Naziverbrecher als Beweismaterial, darunter 1963 der erste Auschwitz-Prozess in Frankfurt. Dort sagte auch Bernhard Walter aus und bestritt zunächst, der Fotograf zu sein, bevor er später die Urheberschaft einiger Bilder doch einräumte. Lili Jacob nahm als Zeugin teil; sie starb 1999 in den USA. Später wurde ihr Album 2015 im Lüneburger Auschwitz-Prozess erneut zu einem zentralen Beweismittel. 

Das Album zählt zu den wichtigsten Zeugnissen des nationalsozialistischen Vernichtungswillens. Wenngleich sie nur einen kleinen Ausschnitt des massenmörderischen Ablaufs abbilden, prägen diese Fotos unsere Vorstellung der Shoa. Ihretwegen ist die erst im Sommer 1944 fertiggestellte berüchtigte Rampe von Auschwitz-Birkenau zu einem zentralen Bezugspunkt der Erinnerung geworden (und heute auch zum Hotspot für Selfies). Längst haben sich die Bilder des Albums von Ab- zu Sinnbildern der Shoa entwickelt. Sie werden in Hunderten von Ausstellungen und Publikationen gezeigt und täglich von Zehntausenden Augenpaaren gestreift, in sozialen Netzwerken geteilt und kommentiert.

Letztlich sind die Fotos dabei zu bloßen Illustrationen verkommen. Als false friends glauben wir sie zu kennen, ohne genau hinzuschauen. Gerade angesichts des allmählichen Verstummens der Zeitzeugen und der heutigen Bilderflut, die eine Unterscheidung zwischen echten Dokumenten und Fiktion schwierig macht, müssen wir aber lernen, das Album als erstrangige Quelle zu betrachten.

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Bruttmann, Tal, Kreutzmüller, Christoph, Hördler, Stefan

Die fotografische Inszenierung des Verbrechens: Ein Album aus Auschwitz

Verlag: wbg Academic in Herder
Seitenzahl: 304
Für 89,99 € kaufen

Preisabfragezeitpunkt

13.06.2024 04.08 Uhr

Keine Gewähr

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Auch wenn Lili Jacob das Album zufällig gefunden hat, ist es beileibe nicht zufällig entstanden. Es erscheint als Leistungsnachweis der alles bestimmenden Organisation der SS, der sich die im Mordzentrum Auschwitz-Birkenau ankommenden Jüdinnen und Juden aus Ungarn zu fügen hatten. Die Fotos dokumentieren ihre effiziente "Verwertung": Hilflos waren sie der Entscheidung über ihren sofortigen Tod oder den Einsatz zur mörderischen Zwangsarbeit ausgeliefert. 

Der Mordvorgang selbst bleibt auf den Bildern ausgeblendet; die Aussortierten waren den Fotografen lediglich Masse. Wo überhaupt Individualität aufscheint, inszenierten sie die deportierten Menschen teils als weitgehend arbeitsunfähig und missgestaltet, dann wieder als junge und kräftige Arbeitsfähige. Es ist die Fortsetzung der grausamen Selektion an der Rampe mit fotografischen Mitteln.

Wie ein grausiges Daumenkino

Am Ende bleiben einige Zwangsarbeiter in Fünferreihen und Berge von Gepäck übrig. Das Narrativ ist stark. Das Album suggeriert eine große Geschlossenheit. Deshalb galt lange die Annahme, es sei an einem Tag aufgenommen worden und zeige die Ankunft eines Transportes. 

Tatsächlich entstand das Album jedoch zwischen Mai und August 1944 und besteht aus mindestens zehn Serien. Isoliert betrachtet wirken die Fotos der einzelnen Serien fast wie ein grausiges Daumenkino - und ermöglichen ganz neue Rückschlüsse auf die Tatvorgänge in Auschwitz-Birkenau beim Massenmord an den Jüdinnen und Juden aus Ungarn.

Dabei ist das Album natürlich als Inszenierung zu betrachten - und zugleich als Teil des Verbrechens. Auf vielen Fotos ist zu sehen, dass die Fotografen Anweisungen gaben und so das Motiv in ihrem Sinne mit der fast unbegrenzten Macht von SS-Unteroffizieren veränderten. So lässt sich auf einem Foto mit alten und gebrechlichen Menschen ganz klar ausmachen, dass jemand abseits der Kamera einem alten Mann befahl, seinen Hut abzunehmen. Für ihn bedeutete dies eine Erniedrigung und dazu einen Bruch religiöser Gebote.

(Foto von Ernst Hofmann oder Bernhard Walter, 26.5.1944 - Foto 100 des Lili Jacob-Albums) Einem Mann war offenbar vor Abfahrt des Zuges sein Bart geschoren worden. Er versuchte die demütigende Blöße mit einem Tuch zu verdecken. Ganz teilnahmslos – zu Tode erschöpft – schaute rechts Lili Jacobs Großvater in die Kamera. (Foto von Ernst Hofmann oder Bernhard Walter, 26.5.1944 - Foto 100 des Lili Jacob-Albums) Einem Mann war offenbar vor Abfahrt des Zuges sein Bart geschoren worden. Er versuchte die demütigende Blöße mit einem Tuch zu verdecken. Ganz teilnahmslos – zu Tode erschöpft – schaute rechts Lili Jacobs Großvater in die Kamera.

(Foto von Ernst Hofmann oder Bernhard Walter, 26.5.1944 - Foto 100 des Lili Jacob-Albums)

Einem Mann war offenbar vor Abfahrt des Zuges sein Bart geschoren worden. Er versuchte die demütigende Blöße mit einem Tuch zu verdecken. Ganz teilnahmslos – zu Tode erschöpft – schaute rechts Lili Jacobs Großvater in die Kamera.

Foto: Yad Vashem FA 268/96/ wbg-wissenverbindet

Eine Serie wurde bei Ankunft eines Deportationszuges aus dem ungarischen Técső (Tacovo) am 29. oder 30. Mai 1944 aufgenommen, am Pfingstmontag oder -dienstag. Deutlich ist zu erkennen, dass die Selektion erst begann, nachdem Walter fotografiert hatte. 

Während ein SS-Arzt (möglicherweise Gerhard Gerber), der Leiter des Effektenlagers Walter Schmidetzki, der Rampendienst hatte, sowie die SS-Mannschaften an der Kreuzung warteten, machte Bernhard Walter Fotos vom Dach eines Waggons. Dann kletterte auf den Boden hinab und knipste dort die wartenden Frauen und Kinder. Erst danach begann die Selektion. Walter handelte also nicht nur in offiziellem Auftrag, er konnte sogar in den Selektionsprozess eingreifen.

(Foto von Walter vom 29. oder 30.5.1944; Fotos 23 und 59 des Albums) Die Frauen und Kinder in der rechten unteren Ecke des Fotos 22 sind identisch mit jenen, die dann auf dem folgenden Bild von vorn fotografiert werden. Relativ einfach zu identifizieren ist eine Frau mit hellem Kopftuch mit einem Kind auf dem Arm, das ebenfalls einen hellen Schal oder eine helle Mütze trägt. Die beiden stehen am Rande der Rampe am Waggon. (Foto von Walter vom 29. oder 30.5.1944; Fotos 23 und 59 des Albums) Die Frauen und Kinder in der rechten unteren Ecke des Fotos 22 sind identisch mit jenen, die dann auf dem folgenden Bild von vorn fotografiert werden. Relativ einfach zu identifizieren ist eine Frau mit hellem Kopftuch mit einem Kind auf dem Arm, das ebenfalls einen hellen Schal oder eine helle Mütze trägt. Die beiden stehen am Rande der Rampe am Waggon.

(Foto von Walter vom 29. oder 30.5.1944; Fotos 23 und 59 des Albums)

Die Frauen und Kinder in der rechten unteren Ecke des Fotos 22 sind identisch mit jenen, die dann auf dem folgenden Bild von vorn fotografiert werden. Relativ einfach zu identifizieren ist eine Frau mit hellem Kopftuch mit einem Kind auf dem Arm, das ebenfalls einen hellen Schal oder eine helle Mütze trägt. Die beiden stehen am Rande der Rampe am Waggon.

Foto: Bernhard Walter/ Yad Vashem FA 268/22/ wbg-wissenverbindet
Foto: Bernhard Walter/ Yad Vashem FA 268/55/ wbg-wissenverbindet

Gut anderthalb Stunden vor diesen Fotos hatte Walter sogar eine ganze Szene inszeniert: Für seine Leica stellten sich die SS-Männer an die Waggons des Zugs aus Técső und taten so, als würden sie die Türen im nächsten Augenblick öffnen. Da die Rampe aber noch nicht freigeräumt war, konnten sie die Deportierten noch gar nicht aus den Zügen lassen. Das geschah erst dann, als die Rampe aufgeräumt und der leere Zug auf dem mittleren Gleis ausgefahren war.

(Foto von Walter vom 29. oder 30.5.1944, Foto 3 des Albums) Die SS-Männer auf der Rampe mimen Betriebsamkeit. (Foto von Walter vom 29. oder 30.5.1944, Foto 3 des Albums) Die SS-Männer auf der Rampe mimen Betriebsamkeit.

(Foto von Walter vom 29. oder 30.5.1944, Foto 3 des Albums)

Die SS-Männer auf der Rampe mimen Betriebsamkeit.

Foto: Bernhard Walter/ Yad Vashem FA 268/3/ wbg-wissenverbindet

Als Teil der Inszenierung gliederte Walter sein Bild nach dem Prinzip des goldenen Schnitts. Die beiden Züge verlieren sich fast am Horizont in der Nähe der Krematorien II und III - auch dies eine offensichtliche Symbolik. 

Walters Assistent Ernst Hofmann machte eher Schnappschüsse. Er hatte zudem die Angewohnheit, drei Fotos in leichter Bewegung von links nach rechts (oder anders herum) in direkter Folge zu machen.

(Fotos von Hofmann vom 19. 5.1944, Fotos 75, 74, 73 des Albums) Der Mann ganz rechts auf dem ersten Foto ist unschwer ganz links auf dem nächsten zu erkennen. (Fotos von Hofmann vom 19. 5.1944, Fotos 75, 74, 73 des Albums) Der Mann ganz rechts auf dem ersten Foto ist unschwer ganz links auf dem nächsten zu erkennen.

(Fotos von Hofmann vom 19. 5.1944, Fotos 75, 74, 73 des Albums)

Der Mann ganz rechts auf dem ersten Foto ist unschwer ganz links auf dem nächsten zu erkennen.

Foto: Ernst Hofmann/ Yad Vashem FA 268/69/ wbg-wissenverbindet
Der junge Mann im dunklen Mantel auf diesem zweiten Foto ist angeschnitten und dann auf dem folgenden Foto noch einmal zu sehen. Der junge Mann im dunklen Mantel auf diesem zweiten Foto ist angeschnitten und dann auf dem folgenden Foto noch einmal zu sehen.

Der junge Mann im dunklen Mantel auf diesem zweiten Foto ist angeschnitten und dann auf dem folgenden Foto noch einmal zu sehen.

Foto: Ernst Hofmann/ Yad Vashem FA 268/70/ wbg-wissenverbindet
Im Hintergrund stehen Häftlinge, die wegen der Ankunft des Transports den abgezäunten Lagerbereich nicht verlassen durften. Im Hintergrund stehen Häftlinge, die wegen der Ankunft des Transports den abgezäunten Lagerbereich nicht verlassen durften.

Im Hintergrund stehen Häftlinge, die wegen der Ankunft des Transports den abgezäunten Lagerbereich nicht verlassen durften.

Foto: Ernst Hofmann/ Yad Vashem FA 268/68/ wbg-wissenverbindet

Zwar kennen wir nicht die Anzahl der Fotos, die Walter und Hofmann insgesamt für das Lili-Jacob-Album aufgenommen haben; die Negative sind nicht überliefert. Einige der nicht überlieferten Bilder können allerdings erschlossen werden. Angesichts der Gewohnheit Hofmanns, drei Fotos in schneller Folge zu machen, ist anzunehmen, dass zwischen den zeitgleich aufgenommenen Fotos von Frauen im Eingangsbereich zum Krematorium III ein weiteres Foto entstand, das aber nicht im Lili-Jacob-Album verwendet wurde.

(Fotos von Hofmann, ohne Datum, Fotos 148 und 134 des Albums) (Fotos von Hofmann, ohne Datum, Fotos 148 und 134 des Albums)

(Fotos von Hofmann, ohne Datum, Fotos 148 und 134 des Albums)

Foto: Ernst Hofmann/ Yad Vashem FA 268/145/ wbg-wissenverbindet
Foto: Ernst Hofmann/ Yad Vashem FA 268/128/ wbg-wissenverbindet

Gleichzeitig spielte Hofmann mit seinem Wissen und einem Spiegelbildeffekt: Er nahm die Fotos so auf, dass die Frauen genau vor dem Krematorium III standen. Damit deutete er an, dass sie sehr bald in das baugleiche Krematorium II gehen würden. Einmal mehr zeigt sich, dass die Aufnahmen an sich schon einen Gewaltakt darstellen.

Kleine Brüche schlichen sich in die Inszenierung

In der Forschung wird zuweilen behauptet, dass auf den Fotos gar keine physische Gewalt zu sehen sei. Auch dies trifft nicht zu. Sicher fokussierten die Fotografen nicht auf physische Gewaltakte. Allerdings war physische Gewalt - vor und während der Fahrt sowie bei der Ankunft - so verbreitet, dass sie nicht ganz aus den Bildern zu bannen war. Angesichts der grenzenlosen Gewalt verstört dies aber viel weniger als die Zärtlichkeit, mit der die Mütter nach ihren Kindern sehen; und als die Unschuld eines Kleinkindes, das seinem Bruder eine Pusteblume reicht.

(Foto von Ernst Hofmann oder Bernhard Walter, ohne Datum, Foto 138 des Albums) In der Mitte das Kleinkind mit Blume (Foto von Ernst Hofmann oder Bernhard Walter, ohne Datum, Foto 138 des Albums) In der Mitte das Kleinkind mit Blume

(Foto von Ernst Hofmann oder Bernhard Walter, ohne Datum, Foto 138 des Albums)

In der Mitte das Kleinkind mit Blume

Foto: Yad Vashem FA 268/132/ wbg-wissenverbindet

Das bestechende Merkmal von Fotos ist, dass in der Abfolge von Hell und Dunkel Massen von Informationen kodiert sein können. Auf den Fotos des Lili-Jacob-Albums können wir Spuren von Gestank, Gewalt, Chaos, Unruhe, Lärm und Geschrei ausmachen, selbst Hinweise auf Bauarbeiten und Waggons. Wir können Hunderte Gesichter von Menschen sehen, die wenig später ermordet wurden und von denen kaum eine Erinnerung blieb. 

Die verwirrende Vielfalt von Informationen erschwert die Analyse der Fotos. Zugleich ist sie aber auch der Grund, warum sich kleine Brüche in die Inszenierung geschlichen haben. Die SS-Fotografen haben die beiden Kinder und die beiden jungen Frauen wohl einfach übersehen, die ihnen die Zungen herausstrecken. 

Diesen Vieren haben wir unser Buch gewidmet.

Foto: Yad Vashem FA 268/7, FA 268/78, FA 268/87 und FA 268/142/ wbg-wissenverbindet