„Wenn sie kein Lampenfieber haben, sind sie kalte Hundeschnauzen“ – Interview mit Heidi De Vries
(WS 2013/14)

Heidi de Vries. Foto: privat

Heidi de Vries. Foto: privat

Von Kristina Maltezas  

Heidi de Vries wurde 1943 in Herne (Westfalen) geboren. Sie ist Schauspielerin, Regisseurin und Dozentin. In Kassel lebt sie seit 33 Jahren und ist zurzeit an einigen Projekten für die Musikakademie beteiligt, wo sie früher auch Seminare für Studenten gegeben hat.

Sie haben an der Westfälischen Schauspielschule in Bochum studiert. War das schon immer Ihr Traum oder hatten Sie andere Pläne?
Es war mein Traum, seit ich 15 Jahre alt war. Er wurde anfangs von meiner Familie durchkreuzt, da ich eine Lehre machen sollte. Ich bin dann Großhandelskauffrau geworden, weil meine Eltern Bekannte hatten die einen Großhandel betrieben. Die Lehre konnte ich aber verkürzen und somit habe ich eine Zeit lang im Büro gearbeitet. Dann konnte ich endlich, mit 21 Jahren auf die Schauspielschule gehen. Ich habe meine Mitstudenten immer beneidet, da sie schon mit 18 und der Erlaubnis der Eltern auf die Schule gehen konnten. Da sagte ich immer: „Drei Jahre habe ich verloren (lacht)!“

Sie waren in vielen Städten, z.B. in Essen und Mannheim, am Theater tätig. Was haben Sie dort gemacht?
Dort war ich als Schauspielerin tätig. In Essen habe ich in einem Stück namens „Halbe Wahrheiten“, von Peter Ustinov, mit der Schauspielerin Thekla Carola Wied gespielt. In Mannheim habe ich in „Faust“ mitgewirkt. Dann war ich z.B. noch in Hildesheim tätig, wo ich die Stumme Kathrin in „Mutter Courage und ihre Kinder“ gespielt habe. Ich kann mich erinnern, dass ich in Bielefeld, wo ich im Weihnachtsmärchen mitgespielt habe, in einem Monat ca. 170 Vorstellungen hatte. Ich kam nur noch zum Schlafen nach Hause (lacht).

Welches Theaterstück, in dem Sie mitgespielt haben, war ihr liebstes?
Das war ein Stück von Rainer Werner Fassbinder, „Angst essen Seele auf“, wo ich die alte Emmi, von 1995 bis 1999 hier in Kassel, gespielt habe. Die Zusammenarbeit mit dem Regisseur und den Kollegen hat mir sehr gut gefallen. Dieses Stück ist mir auch am stärksten in Erinnerung geblieben. Was mir auch noch sehr gefallen hat, war „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“, das ich vor ca. 30 Jahren auch hier in Kassel gespielt habe. Das waren alles wunderbare Rollen und wunderbare Stücke.

Fortbildung in Gestalt- und Atemtherapie und Körpersensibilisierung. Wie sind Sie dazu gekommen?
Ich habe viele unterschiedliche Seminare belegt in dem es um Körper und Geist ging. Unter anderem bei den Psychotherapietagen in Bad Wildungen und Lindau oder auch bei einem großen Psychologenkongress in Hamburg, wo ich tolle Vorträge von dem Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawik hören durfte. Diese Vorträge haben mich auch in meiner Rollenarbeit unwahrscheinlich beeinflusst.     

Sie haben ein Programm, das „Auftritt und Wirkung“ heißt und sich an Menschen richtet, denen ihr Auftritt wichtig ist. Wie läuft so eine Sitzung ab?
Als ich vom Theater weg ging, habe ich mich mit diesem Programm selbstständig gemacht. Zu diesen Sitzungen kommen Menschen, mit hohen Positionen, die von ihrem Betrieb freiwillig und meistens in Gruppen geschickt werden und auch Menschen die mich privat kontaktieren. Das wird alles sehr vertraulich behandelt und geht nicht an Chefs oder Führungskräfte. Die Teilnehmer sitzen dann zusammen in einem Kreis und sprechen miteinander. Sie machen aber auch körperliche Übungen, wo sie ihre Mimik, Gestik und ihre Haltung verbessern können. Ich ging auch mit den Teilnehmern essen, wo sie dann ihre Kommunikation bei Tisch verbessern konnten und lernten mit dem Besteck richtig umzugehen. Das hat viel Spaß gemacht. Einmal hat mich ein Hochschullehrer der Universität Kassel kontaktiert, da sich die Studenten über ihn beschwert haben, dass er so leise und in sich hinein sprechen würde. Er hat mir dann immer seine Vorlesungen vorgestellt. Ich habe leider nicht erfahren, wie er danach zurechtgekommen ist, da er an eine andere Universität gewechselt ist. Zurzeit mache ich dieses Programm nur noch gelegentlich.

Waren Sie anfangs auch unsicher, als Sie aufgetreten sind oder lag Ihnen das schon immer?
Ich war immer unsicher. Vor allem als ich älter wurde hatte ich stark mit Lampenfieber zu kämpfen. Das ging auch anderen Schauspielern und meinen Kollegen so. Wenn sie kein Lampenfieber haben, sind sie kalte Hundeschnauzen.

Sehen Sie damals und heute Unterschiede bei der Schauspielerei?
Ja, die sehe ich schon. Es ist mir heutzutage zu vieles auf Entertainment getrimmt. Stücke die schwierig sind haben einen schweren Stand. Früher hat es auch etwas ausgemacht wenn eine Produktion ein Flop wurde. Aber damals hat man sich in der Theaterarbeit viel mehr Umwege leisten können und man war mehr zum Risiko bereit. Früher gab es auch längere Probezeiten als heute.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Gesund und aktiv bleiben.

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