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Forschungspreis 2006 zur Rolle der Ärzteschaft in der Zeit des Nationalsozialismus

Berlin, 27.12.2006

Die Jury hat entschieden: Der Forschungspreis zur Rolle der Ärzteschaft in der Zeit des Nationalsozialismus geht gleichberechtigt an Ralf Forsbach, Lorenz Peter Johannsen und Winfried Süß.

Dazu erklärt Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt: „Die Spuren der Ärztinnen und Ärzte jüdischen Glaubens sichtbar zu machen, ihr unfassbares Leid zu belegen, die Vergangenheit erfahrbar und für die Zukunft nutzbar zu machen, dazu dient der ‚Preis für wissenschaftliche Arbeiten zur Rolle der Ärzteschaft in der Zeit des Nationalsozialismus’, den die Bundesärztekammer, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und das Bundesgesundheitsministerium ausgeschrieben haben. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Vergangenheit ist notwendig. Sie muss dazu dienen, im heutigen Alltag sensibel und hellhörig zu bleiben. Die große Zahl und das breite Spektrum der eingereichten Arbeiten zeigen, wie viel Forschungsarbeit gerade in der jüngeren Vergangenheit geleistet wurde, um das Schicksal der jüdischen Ärzte, aber auch anderer Opfer sowie die Täterrolle deutscher Ärzte im Nationalsozialismus zu beleuchten. Umso erfreulicher ist die hohe Qualität nicht nur der prämierten Arbeiten, die wichtige Aspekte aus dem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte ans Licht der Öffentlichkeit bringen.“

Forsbach hatte das von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der Bundesärztekammer (BÄK) und dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) besetzte Komitee mit seiner Arbeit „Die Medizinische Fakultät der Universität Bonn im ‚Dritten Reich’“ überzeugt. Er gewann in der Disziplin Institutionengeschichte. Johannsen schrieb über den „Kinderarzt Karl Leven. Lebensspur – Todesspur“ in der Kategorie Einzelschicksale. Die Studie von Süß trägt den Titel „Der ‚Volkskörper’ im Krieg. Gesundheitspolitik, Gesundheitsverhältnisse und Krankenmord im nationalsozialistischen Deutschland 1939 – 1945“ und erhielt den Preis in der Kategorie Innovation/Originalität.

Mehr als 50 Arbeiten waren bei der Jury eingegangen. Diese zeigte sich überrascht von der Menge und hocherfreut über die Qualität. Daher entschied sie sich, den Preis gleich in drei Kategorien zu vergeben. Sie lobte bei Forsbach die „enorme Leistung einer einzelnen Person“ und die Systematik. Die Arbeit gebe einen guten Überblick über die Vorgeschichte und die Inhalte der Maßnahmen im Nationalsozialismus, über die Verstrickung und Betroffenheit der handelnden Personen sowie über Kontinuitäten und Brüche nach 1945. An Johannsens Biographie gefiel dem Komitee besonders die gute Recherche. Der Kinderarzt Leven würde stellvertretend für Tausende Kollegen der Vergessenheit entrissen. Die Arbeit von Süß wiederum enthalte Antworten auf viele zuvor offene medizinhistorische Fragen, unter anderem weil sie Auskunft über die Gesundheitsversorgung im Zweiten Weltkrieg gebe.

Darüber hinaus erkannte das Gremium Sonderpreise zu. Der erste geht an Beatrice Moreno et al. für die Arbeit „Tele-Tutor Medizin im Nationalsozialismus“, der zweite an Sven Eppinger für „Das Schicksal der jüdischen Dermatologen Deutschlands in der Zeit des Nationalsozialismus“. Die Jury will mit der Vergabe der zusätzlichen Auszeichnungen Medizinstudenten dazu motivieren, sich mit der Rolle der Ärzteschaft im Dritten Reich auseinander zu setzen. Die Hauptpreise sind jeweils mit 3.000 Euro, die Sonderpreise mit 500 Euro dotiert. Die Preisverleihung findet im kommenden Jahr statt.

Zur Jury gehörten: Prof. Dr. phil. Robert Jütte, Prof. Dr. med. Leo Latasch, Dr. med. Manfred Richter-Reichhelm, Prof. Dr. med. Dr. phil. Heinz Schott und Dr. med. Roman Skoblo.