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Ärzte im Nationalsozialismus

Forschungspreis 2011 zur Rolle der Ärzteschaft in der Zeit des Nationalsozialismus

Berlin, 23.03.2011

Bei jungen Ärztinnen und Ärzten Interesse für das Thema Medizin und Nationalsozialismus wecken – das ist eines der Hauptziele des Forschungspreises zur Rolle der Ärzteschaft in der Zeit des Nationalsozialismus. Die mit dem diesjährigen Forschungspreis ausgezeichnete Dissertation von Susanne Rueß, in der sie anhand von Einzelschicksalen das an jüdischen Ärzten begangene Unrecht in der NS-Diktatur – und auch noch nach 1945 – beschreibt, erfüllt diese Vorgabe nach Meinung der Jury in vorbildlicher Weise. Die Arbeit der Stuttgarter Ärztin sei nicht nur ein herausragendes Gedenkbuch, das die Opfer aus der Anonymität heraushole. Es sensibilisiere auch die nachwachsende Ärztegeneration dafür, dass Zivilcourage möglich und ein bleibendes Thema ärztlicher Ethik sei.

Neben Rueß erhalten drei weitere geschichtswissenschaftliche Arbeiten in diesem Jahr den Forschungspreis, der vom Bundesgesundheitsministerium (BMG), der Bundesärztekammer (BÄK) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) nunmehr zum dritten Mal verliehen wurde. Er ist mit insgesamt 10.000 Euro dotiert. Die Preisträger werden am heutigen Abend im Rahmen einer Gedenkveranstaltung für die Opfer der während des „Dritten Reichs“ von Ärzten begangenen Verbrechen geehrt. Die Verleihung findet im Beisein von Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler in der Neuen Synagoge – Centrum Judaicum in Berlin statt.

Die Jury, die sich aus Vertretern des Zentralrats der Juden in Deutschland, des Bundesverbandes Jüdischer Ärzte und Psychologen in Deutschland sowie aus Vertretern des BMG, der BÄK und der KBV zusammensetzte, vergab drei Hauptpreise und einen Sonderpreis. Sie würdigte ausdrücklich die große Zahl der eingereichten Arbeiten sowie deren hohe Qualität und Forschungstiefe. Erfreulich sei auch der hohe Anteil an medizinischen Dissertationen, die deutlich das gestiegene Interesse an der Aufarbeitung des Themas „Medizin und Nationalsozialismus“ zeige. In diesem Jahr haben vor allem Arbeiten, die sich mit dem Schicksal jüdischer Ärztinnen und Ärzte auseinandersetzten und dabei auch die Frage der „Wiedergutmachung“ nicht ausklammerten, die Juroren beeindruckt.

In den beiden aus einem Forschungsprojekt von Rebecca Schwoch entstandenen Monografien würden die Strukturen der Verfolgung jüdischer niedergelassener Ärzte sowie die Kontinuitäten und Brüche im Denken und Handeln der organisierten Ärzteschaft in Berlin vorbildlich dargestellt. Erstmals seien für die Zeit des Dritten Reiches die Täterseite und die Motive des verwerflichen Handels einer Kassenärztlichen Vereinigung in ihren verschiedenen Fassetten als Fallstudie aufgearbeitet worden. „Die Arbeit macht auf den weiteren Forschungsbedarf aufmerksam und motiviert zu weiteren regionalen Studien“, heißt es in der Begründung der Jury. Das besondere an der von Anna von Villiez eingereichten Lokalstudie zum Schicksal jüdischer Ärzte in Hamburg während der NS-Zeit sei die Berücksichtigung sowohl der niedergelassenen als auch der klinisch tätigen Ärzte. Zudem werde in der Arbeit die Rolle der Gesundheitsverwaltung und der medizinischen Fakultäten bei der Ausgrenzung jüdischer Ärzte klar herausgearbeitet und so ein Gesamtbild der an der Verfolgung beteiligten Institutionen sowie von den Tätern und deren Motiven gezeichnet. Die Arbeiten von Rebecca Schwoch und Anna von Villiez verdeutlichten darüber hinaus, was Forschung erreichen könne, „wenn solche Projekte die tatkräftige materielle und ideelle Unterstützung einer ärztlichen Institution erhalten“, bekräftigte die Jury

Mit dem Sonderpreis zeichneten die Juroren das beispielhafte Bemühen von Hansjörg Ebell zum 70. Jahrestag des Approbationsentzugs aller jüdischen Ärztinnen und Ärzte aus, die Erinnerung an deren Ausgrenzung mit einem Ausstellungsprojekt wach zu halten. Gerade durch eine überzeugende mediale Gestaltung werde auch das Interesse der jüngeren Generation für das Thema geweckt. Die Jury hob hervor, dass die Wanderausstellung bereits an verschiedenen Orten gezeigt wurde und damit eine breite Öffentlichkeit erreicht werden konnte. Die Ausstellung ist vom 24. März bis zum 29. April 2011 im Haus der Bundesärztekammer in Berlin-Tiergarten zu besichtigen.