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Zahl der Ebola-Infizierten steigt exponentiell – Wo bleiben die Vakzine?

Dr. Sabine Wimmer-Kleikamp | 24. September 2014

Autoren und Interessenkonflikte

Die Zahl der mit Ebola Infizierten steigt exponentiell – bis Anfang November werden es wahrscheinlich schon 20.000 sein. So die Ergebnisse einer aktuellen Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Zusammenarbeit mit dem Imperial College in London, die am Dienstag im New England Journal of Medicine publiziert worden ist [1]. Die amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) prognostizieren sogar noch erschreckendere Zahlen [2]. Danach werden bis Ende September allein in Liberia und Sierra Leone bis zu 21.000 Menschen an Ebola erkranken. Bis Anfang 2015 könnte die Zahl der Infizierten in den beiden westafrikanischen Ländern laut CDC bis zu 1,4 Millionen betragen, wenn nicht wirksame Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.

„Ebola ist ein Faktor, der Afrika destabilisieren kann, da ist äußerste Vorsicht geboten“, warnt Prof. Dr. Stephan Becker, Direktor des Instituts für Virologie an der Universität Marburg. „Wir müssen jetzt schnell reagieren, Spenden allein sind nicht ausreichend. Es macht keinen Sinn, den Afrikanern ein Krankenhaus hinzustellen, sondern die Ärzte müssen mitgeliefert werden“, betont der Virologe gegenüber Medscape Deutschland. Es gehe um Material und Infrastruktur und darum, diese durch Fachpersonal zu betreuen.

„Es macht keinen Sinn, den Afrikanern ein Krankenhaus hinzustellen, sondern die Ärzte müssen mitgeliefert werden.“
Prof. Dr. Stephan Becker

Bis jetzt sind es 5.843 Infizierte und über 2.800 Tote (WHO, Stand: 22. September), jedoch die Dunkelziffer ist laut CDC und WHO wahrscheinlich erheblich größer. Betroffen sind vor allem Guinea, Liberia, Sierra Leone, Nigeria, Senegal und die demokratische Republik Kongo. Allein in der vergangenen Woche wurden mehr als 800 neue Fälle gemeldet. Die WHO mahnt, unbedingt schnell Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Todesrate von mehr als 70 Prozent

Für die aktuelle Studie analysierte das WHO Response Team Daten von Patienten, die zwischen dem 30. Dezember 2013 und dem 14. September 2014 an Ebola erkrankten. Laut Autoren folgte die Epidemie den Gesetzmäßigkeiten früherer Ausbrüche. Die durchschnittliche Inkubationszeit der Infektion betrug 11 Tage; die Todesrate lag bei 70,8% – sowohl in Sierra Leone, Guinea als auch Liberia – und war bei Männern und Frauen ungefähr gleich.

Die Sterberate war niedriger bei Patienten, die in Krankenhäusern behandelt wurden, was die Notwendigkeit einer besseren medizinischen Versorgung verdeutlicht. In vielen Regionen kommt jedoch auf tausende Bewohner nur ein Arzt. Todkranke werden aus Platzmangel von Krankenhäusern abgewiesen. Viele Mediziner haben sich bereits infiziert und mehr als 300 Ärzte und medizinische Helfer sind gestorben.

„Die Dimension der Epidemie liegt nicht an den biologischen Eigenschaften des Virus, sondern an dem engen Austausch der betroffenen Bevölkerung, dem schlechten Zustand des Gesundheitssystems und den unzureichenden Maßnahmen, die Ausbreitung der Epidemie einzudämmen“, sagt Prof. Dr. Christopher Dye, WHO-Strategiedirektor und Ko-Autor der Studie [3].

Vakzine werden jetzt an Menschen getestet

„Das (VSV) wäre für mich die bevorzugte Impfung mit vielen Vorteilen in einem Ausbruchsetting.“
Prof. Dr. Stephan Becker

Derzeit sind mehrere Impfstoffe gegen Ebola in der Pipeline und bis zu 10 verschiedene Therapieoptionen, aber keine davon ist bis jetzt einsatzbereit.

„Leider stehen bis heute noch keine beim Menschen getesteten Impfstoffe zur Verfügung“, bedauert Becker. „Diese Tests müssen jetzt schnellstmöglich ablaufen, auch in Deutschland. Wir haben die Möglichkeiten dazu und sollten unbedingt damit beginnen“, so das Fazit des Virologen.

„Die beiden vielversprechenden Impfungen sind jetzt in der klinischen Studie“, betont Becker. „Sowohl der Adenovirus-basierte Impfstoff als auch der VSV(Vesicular stomatitis virus)-basierte Impfstoff haben im Affenmodell gezeigt dass sie zu 100 Prozent schützen“, erläutert der Virologe weiter. Bei dem VSV-Modell komme noch positiv hinzu, dass die Zeitspanne zwischen Verabreichung der Impfung bis zum Schutz sehr kurz sei – wenigstens bei den Affen. „Das wäre für mich die bevorzugte Impfung mit vielen Vorteilen in einem Ausbruchsetting“, bekräftigt Becker. Denn geimpfte Personen seien innerhalb von wenigen Tagen geschützt – insofern sich die Ergebnisse beim Menschen verifizieren lassen was ja immer noch ungewiss sei.

Die beiden führenden Impfstoff-Kandidaten beruhen auf dem gleichen Prinzip: Sie regen das Immunsystem an, Antikörper gegen das virale Oberflächenprotein zu bilden. Einer der Impfstoffe basiert auf einem veränderten Adenovirus, dem ChAd-Virus (chimpanzee-derived replication-defective adenovirus), das Erkältungen bei Schimpansen aber nicht bei Menschen verursacht. Er erzielte bei Makaken eine langfristige Immunität, so die Ergebnisse einer experimentellen Studie, die Ende August bei Nature Medicine publiziert worden sind [4].

In Oxford startete vor kurzem die klinische Studie des Adenovirus-basierten Impfstoffes mit 60 gesunden freiwilligen Studienteilnehmern. Auch in den USA bekamen Probanden schon den neuen Impfstoff injiziert, weitere Teilnehmer in Gambia und Mali sollen folgen. Der Impfstoff wird von GlaxoSmithKline (GSK) und dem NIH entwickelt und getestet.

Der VSV-basierte Impfstoff wurde u.a. an der Universität Marburg und dann in Kanada entwickelt. Er enthält einem attenuierten Stamm des Stomatitisvirus, der bei Huftieren auftritt und verwandt mit dem Tollwutvirus ist. Für den Menschen gilt VSV als ungefährlich. NewLink Genetics aus Ames in Iowa testen den Impfstoff derzeit an gesunden Freiwilligen.

Klinische Studien eines dritten Ebola Vakzines mit attenuierten menschlichen Adenoviren sollen im Herbst 2015 beginnen.

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Referenzen

  1. WHO Ebola Response Team, NEJM (online) 23. September 2014
    http://dx.doi.org/10.1056/NEJMoa1411100
  2. Meltzer M, et al, MMWR (online) 23. September 2014
    http://www.cdc.gov/mmwr/preview/mmwrhtml/su63e0923a1.htm
  3. WHO: Pressemitteilung „Study warns swift action needed to curb exponential climb in Ebola outbreak”, 22. September 2014
    http://www.who.int/mediacentre/news/releases/2014/ebola-study/en
  4. Stanley DA, et al: Nature Medicine (online) 7. September 2014
    http://dx.doi.org/10.1038/nm.3702
  5. Gire S, et al: Science 2014;345 (6202):1369-1372
    http://dx.doi.org/10.1126/science.1259657

Autoren und Interessenkonflikte

Dr. Sabine Wimmer-Kleikamp
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Becker S: eigene Studien zu Ebola Impfungen geplant

Dye C, Gire S: Es liegen keine Informationen zu Interessenkonflikten vor.

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