Tirana/Wien - Das neu gewählte albanische Parlament tritt am Montagabend in Tirana erstmals zusammen. Fraglich ist, ob auch die Mandatare der oppositionellen Sozialisten (PS) daran teilnehmen. PS-Chef Edi Rama, Bürgermeister der Hauptstadt, hat angekündigt, das Parlament zu boykottieren und Bedingungen für die Teilnahme gestellt. Die diesbezüglichen Parteibeschlüsse sind intern allerdings umstritten. Rama spricht von einem "Wahlverbrechen"; die neue Volksvertretung sei "eine Institution mit verkrüppelter Legitimation".
Unterdessen wollte Ministerpräsident Sali Berisha die Verhandlungen über die Zusammensetzung seiner neuen Regierung mit den Partnern seiner Demokraten (PD) innerhalb der Wahlkoalition "Allianz für den Wandel" beenden. Darunter sind die Republikanische Partei (PR), deren Chef Fatmir Mediu Umweltminister werden soll. Dies ist in der PD allerdings auf Ablehnung gestoßen: Mediu musste als Verteidigungsminister zurücktreten, nachdem bei der Explosion in einem skandalumwitterten Entsorgungslager für alte Munition im März 2008 in Gerdec nahe Tirana 26 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt worden. Über 3.000 Menschen wurden obdachlos. Mediu wurde wegen Amtsmissbrauchs angeklagt.
Koalitionspakt
Auch die Partei für Gerechtigkeit und Integration (PDI) soll an der Regierung beteiligt werden. Sie setzt sich besonders für die Camen (Tschamen) ein - die Albaner, die im südlichsten Siedlungsgebiet des albanischen Sprachgebiets am Balkan in der nördlichen Küstenregion von Epirus - teils auch in Griechenland - leben. Die Partei "Gemeinschaft für die Menschenrechte" (PBDNJ) muss noch entscheiden, ob sie das Angebot Berishas annimmt, sich an der Regierung zu beteiligen, indem sie den Sozialminister stellt. Die PBDNJ war bei der Wahl eigentlich im Bündnis mit den Sozialisten angetreten.
Um eine Mehrheit im Parlament zu haben, hat Berisha einen Koalitionspakt mit dem Chef der Sozialistischen Integrationsbewegung (LSI), Ex-Premier Ilir Meta, geschlossen. Meta soll Vizepremier und Außenminister werden. Die LSI soll außerdem den Gesundheits- und den Wirtschaftsminister stellen. Allein hatte Berishas Allianz nur genau die Hälfte der 140 Mandate errungen. Mit der LSI kommen vier weitere dazu. Wenn die Menschenrechtspartei in die Regierung geht, käme ein weiterer Parlamentssitz hinzu.
Patt
Die LSI wollte vor der Wahl noch mit der PS koalieren. Gemeinsam mit der PS und deren Verbündeten hätte ein solches Bündnis aber nur 70 der 140 Mandate gehabt. Eine politische Patt-Situation wäre entstanden. PS-Chef Edi Rama fordert u.a., dass die Stimmen der Parlamentswahl vom 28. Juni in drei Bezirken neu ausgezählt werden. All die schweren Unzulänglichkeiten, welche die "Deformation des Volkswillens" umgäben, müssten korrigiert werden, so Rama laut der Tageszeitung "Shekulli".
Die rund 3.000 heimischen Wahlbeobachter in Albanien haben unterdessen den Wahlprozess in einem abschließenden Urteil positiv und im Einklang mit den Standards des Europarates eingeschätzt. Die Vorbereitungen, die Infrastruktur die rechtlichen, technischen und administrativen Gegebenheiten seien Errungenschaften, die einem NATO-Land und Staat mit Ambitionen auf die EU-Mitgliedschaft zu Gesicht stünden. Die ausländischen Wahlbeobachter haben indes noch keine endgültige Bewertung des Urnengangs abgegeben; ein Zwischenbericht beinhaltete sowohl Lob als auch Kritik.
Rama ist laut den Parteistatuten seit der Wahlniederlage nur mehr geschäftsführend im Amt und steht parteiintern wegen seines Kurses seit der Wahl in der Kritik. Er will Parteichef bleiben. Als sein prominentester Gegner hat sich der bisherige Fraktionschef Ben Blushi hervorgetan. (APA)
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