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Parteitag in Dresden SPD hebt Gabriel auf den Thron

Neuanfang mit starkem Ergebnis: Die SPD hat Sigmar Gabriel auf ihrem Dresdner Parteitag mit 94,2 Prozent der Stimmen zum neuen Vorsitzenden gewählt. Der Nachfolger von Franz Müntefering rief die Genossen zu Geschlossenheit auf. Einen Dämpfer bekam die neue Generalsekretärin Andrea Nahles.

Dresden - Sigmar Gabriel war sichtlich berührt. Vorsitzender der SPD zu werden "sei schon etwas Besonderes", sagte er nach seiner Wahl stockend zu SPIEGEL TV ONLINE. "Es ist etwas, das einen auch bewegt." 94,2 Prozent der Delegierten in Dresden stimmten für ihn als neuen Parteichef, 472 von 501 gültigen Stimmen. Sein Vorgänger Franz Müntefering hatte im vergangenen Jahr nur 84,86 Prozent erhalten.

Das Ergebnis stimme ihn sehr zufrieden, sagte Gabriel, "aber es ist auch eine große Verantwortung." Das soll man nicht unterschätzen. Zuvor hatte er in einer fast zweistündigen Rede die SPD zu Geschlossenheit aufgerufen. "Wir müssen uns wieder vertrauen", appellierte er an die Genossen, die ihn minutenlang bejubelten. Der frühere Umweltminister forderte eine umfassende Aufarbeitung des Wahldebakels vom 27. September, warnte seine Partei aber davor, "sich über die Wahlanalyse weiter innerparteilich zu zerlegen". Die meisten außerhalb der SPD interessierten sich nicht für Personaldebatten oder Parteiflügel, sie hätten aber ein deutliches Gespür dafür, "ob wir das, was wir über eine tolerante, weltoffene und solidarische Gesellschaft erzählen, auch selbst vorleben". Er betonte den eigenständigen Kurs seiner Partei und rief zum Kampf um die politische Mitte auf.

"Wir müssen raus ins Leben", forderte er die Delegierten auf. "Wir müssen dahin, wo's anstrengend ist. Denn nur da ist das Leben." Die eigene Politik wirke manchmal "aseptisch, klinisch rein, durchgestylt, synthetisch". Das müsse sich ändern.

Gabriel folgt auf Franz Müntefering, der nach der verheerenden Niederlage bei der Bundestagswahl nicht mehr antrat. In seiner mit viel Beifall bedachten Abschiedsrede hatte Müntefering die Partei zu Geschlossenheit und Selbstbewusstsein aufgerufen.

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SPD in Dresden: Das Aufbruchsignal von Dresden

Foto: Markus Schreiber/ AP

Eigene Fehler erwähnte Müntefering nicht, sondern richtete den Blick nach vorne. "Wir sind kampffähig und kampfbereit, wir kommen wieder", sagte Müntefering, der mehrmals als Vorsitzender fungierte. Das höchste Parteiamt hatte er stets augenzwinkernd als das schönste "neben dem Papst" gelobt.

Diese Position hat nun mit Gabriel ein Politiker übernommen, der keinem Flügel der SPD zuzurechnen ist. Im Bundestagswahlkampf konnte der damalige Umweltminister mit dem Thema Atomkraft die SPD immer wieder klar positionieren. Auch politische Gegner äußerten sich mit Respekt über seine "Kampagnenfähigkeit" - eine Qualität, die im neuen Amt dringend gefragt sein dürfte.

Doch ist Gabriels Karriere nicht immer geradlinig verlaufen. Geboren am 12. September 1959 in Goslar, studierte er im nahen Göttingen Deutsch, Politik und Soziologie und arbeitete kurze Zeit als Lehrer. Mit 30 Jahren wurde er Landtagsabgeordneter in Hannover, mit 40 Ministerpräsident. Die Wahlen in Niedersachsen verlor er jedoch 2003. Gabriel musste die Opposition im Landtag anführen und geriet bundespolitisch zunächst ins Abseits. Viel belächelt wurde in dieser Zeit seine Funktion als eine Art "Pop-Beauftragter" der SPD. Als Umweltminister unter Kanzlerin Merkel konnte er sich wieder profilieren - auch im Ausland. Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl galt Gabriel als Hoffnungsträger - nun ist er zum sechsten Vorsitzenden in fünf Jahren gekürt worden.

"Wir hatten genug Basta und Testosteron"

FDP-Chef und Außenminister Guido Westerwelle gratulierte Gabriel zu seiner Wahl. Er wünsche dem Sozialdemokraten "eine glückliche Hand beim Führen einer traditionsreichen Partei mit großer Geschichte und herausragender Bedeutung für die politische Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland", heißt es in einem Schreiben an den am Freitagabend neugewählten SPD-Chef.

Andrea Nahles

wurde am Freitag zur neuen Generalsekretärin gewählt, erhielt jedoch einen Dämpfer von der Partei. Nur 69,6 Prozent der Delegierten stimmten für sie. Nahles folgt auf Hubertus Heil, der nach vier Jahren im Amt nicht erneut kandidiert hatte. In ihrer Rede hatte sie zuvor eine starke Oppositionsarbeit angekündigt. Zudem wäre es gut, wenn eine Frau das Amt der Generalsekretärin erhalte: "Basta und Testosteron hatten wir in den letzten Jahren genug."

Bessere Ergebnisse als Nahles erzielten die vier Stellvertreter des neuen Parteichefs. Die nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Hannelore Kraft wurde mit 90,2 Prozent gewählt, der ehemalige Bundesarbeitsminister Olaf Scholz erhielt 85,7 Prozent der Stimmen. Manuela Schwesig, die Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern, bekam 87,8 Prozent. Knapp davor lag Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit mit 89,6 Prozent. Martin Schulz wurde für den neuen Posten des EU-Beauftragten bestellt. Barbara Hendricks bleibt Schatzmeisterin.

kgp/dpa/ddp/AP/AFP