Devil Facial Tumor Disease – eine ansteckende Krebserkrankung

Die beiden größten fleischfressenden Beuteltiere in historischer Zeit

Wenn ich den Begriff Tasmanien höre oder lese, so muss ich als erstes an zwei besondere Tierarten denken. Zum einem ist das der Beutelwolf, oder Tasmanische Tiger (Thylacinus cynocephalus) und zum anderem der Beutelteufel, bzw. Tasmanischen Teufel (Sarcophilus harrisii).

Abbildung 1: Zwei bekannte Vertreter der Fauna Tasmaniens. Links: Benjamin, das wahrscheinlich letzte Exemplar des nun ausgestorbenen Beutelwolfs (Thylacinus cynocephalus, 1933 gemeinfrei); rechts: Der Beutelteufel (Sarcophilus harrisii, Chen Wu unter CC BY 2.0 )

Beide Arten teilen sich das Schicksal, in der Folge der Ankunft des Menschen und der Einführung des Dingos auf dem australischen Festland ausgestorben zu sein, während sich auf Tasmanien noch Populationen erhalten konnten. Leider wurde der Beutelwolf wahrscheinlich in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, durch intensive Bejagung, auch auf Tasmanien ausgerottet und gilt nun als ausgestorben – ein Schicksal, welchem der Beutelteufel bislang entging. Jedoch sieht auch für den Beutelteufel die Zukunft alles andere als rosig aus.

Eine neue Bedrohung für den Beutelteufel

Im Jahr 1996 wurden im Nordosten Tasmaniens erstmals Beutelteufel fotografiert, welche an großen Tumoren in ihren Gesichtern erkrankt waren (Abbildung 2).

Abbildung 2: Ein am Devil Facial Tumor Disease (DFTD) erkrankter Beutelteufel (Menna Jones unter CC BY 2.5)

In den darauf folgenden Jahren tauchten weitere Berichte über so erkrankte Beutelteufel auf. Bis zum Jahr 2005 hatte sich die Devil Facial Tumor Disease (DFTD) getaufte Krankheit dann über die Hälfte des Ausbreitungsgebiets des Beutelteufels ausgedehnt und hat mittlerweile 85 % der Population erfasst. Wenn sich die Krankheit weiterhin in diesem Maße ausbreitet, so nimmt man an, dass der Beutelteufel innerhalb der nächsten 20 bis 30 Jahren ausgestorben ist (Deakin & Belov 2011, McCallum & Jones 2005).

Übertragen wird DFTD durch Bisse, die sich die Tiere beim Geschlechtsverkehr oder Fressen gegenseitig beibringen. Nach einer Inkubationszeit unbekannter Länge bilden sich dann zunächst die namensgebenden Gesichtstumore, die in etwa 2/3 der Fälle in andere Gewebe metastasieren. Innerhalb von drei bis sechs Monaten nach dem ersten Auftreten der Tumore sterben die Tiere in der Regel dann (Lane et al 2012, Deakin & Belov 2011).

Ursprung des DFTD

Während die meisten ansteckenden Krebserkrankungen, wie z.B. der durch Humane Papillomviren hervorgerufenen Gebärmutterhalskrebs, durch Virusinfektionen ausgelöst werden, liegt beim DFTD die Sache anders.
So zeigen alle bisher untersuchten Tumoren die gleichen chromosomalen Veränderungen. Von den sechs Autosomenpaaren (also den Chromosomen, die keine Geschlechtschromosomen sind) bei gesunden Beutelteufeln, fehlte den DFTD-Zellen z.B. allen das Chromosomenpaar 1 und ein Chromosom des Chromosomenpaars 5, sowie die Geschlechtschromosomen. Jedoch weisen sie dafür vier neue Chromosomen auf, welche typisch für DFTD-Zellen sind. Diese werden als Markerchromosomen M1 bis M4 bezeichnet. Da es sehr unwahrscheinlich ist, dass diese drastischen Veränderungen durch die Infektion mit einem Virus bei allen untersuchten Beutelteufeln identisch hervorgerufen wurden, folgerte man, dass die Tumorzellen selber von Tier zu Tier übertragen werden. Damit sind die DFTD-Zellen Allotransplantate, also Gewebe eines Individuums, welches einem anderen Individuum der gleichen Art eingepflanzt wird. Es unterscheidet sich daher prinzipiell nicht von etwa einem Spenderherzen. Diese Hypothese wurde durch spätere molekularbiologische Untersuchungen noch weiter gestützt.
Versuche die ursprünglichen Chromosomen zu rekonstruieren ergaben, dass das Tier, bei welchem der Tumor ursprünglich entstanden war, zwei X-Chromosomen als Geschlechtschromosomen besaß. Dieses zeigt, genau wie bei uns Menschen an, dass dieses Tier weiblich war. Wir können also den Ursprung des DFTD auf einen weiblichen Beutelteufel, der wahrscheinlich etwas vor 1996 im nordöstlichem Tasmanien lebte, zurück vollziehen. Durch die Untersuchung der Genexpressionsmuster der DFTD-Zellen konnte man sogar die Zelllinie, aus der sich das DFTD entwickelt hatte, bestimmen. Dieses waren die Schwann-Zellen des Nervensystems (Deakin & Belov 2011).

Des weiteren deuten diese Veränderungen der Chromosomen an, dass das DFTD nicht, wie bei Tumoren meistens, durch eine langsame Anhäufung verschiedener Mutationen entstanden ist. Stattdessen schien in einem einzelnen, umwälzenden Ereignis Chromosom 1 in mehrere Teile zerbrochen und anschließend falsch wieder zusammen gesetzt wurden zu sein (Deakin & Belov 2011).

Wieso ist DFTD ansteckend?

Eines der großen Probleme bei Allotransplantaten ist, Abstoßungsreaktionen zu vermeiden. So muss bei Spenderorganen nicht nur die Kompatibilität von Spender und Empfänger abgeklärt, auch muss das Immunsystem mittels geeigneter Medikamente (Immunsuppressiva) kontrolliert werden.
Hier stellt sich die Frage, wieso das bei dem DFTD, welches, wie weiter oben erwähnt, nichts anderes als ein solches Transplantat ist, nicht nötig ist? Oder anders ausgedrückt, wieso die DFTD-Zellen dem Immunsystem der Beutelteufel entkommen können?

Die Antwort hierauf ist noch unbekannt.
Höchst wahrscheinlich spielt hier hinein, dass Beutelteufel zu den bekannten Tierarten mit der geringsten genetischen Vielfalt gehören. Insbesondere wurde hier eine geringe Vielfalt der Proteine des Haupthistokompatibilitätkomplexes (Major histocompatibility complex, MHC), welche für das Immunsystem von herausragender Bedeutung sind,vermutet. Dieses scheint jedoch mittlerweile zweifelhaft.
Hauttransplantationen zwischen verschiedenen Beutelteufeln haben außerdem gezeigt, dass trotz der geringen Vielfalt im MHC Abstoßungsreaktionen auftreten. Die DFTD-Zellen scheinen also einen noch unbekannten Mechanismus zu besitzen, durch dem sie dem Immunsystem der Beutelteufel entkommen können (Lane et al 2012, Deakin & Belov 2011, Miller et al 2011).

Wie kann man die Beutelteufel retten?

Wie eingangs schon erwähnt wurde, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Beutelteufel, wenn die Krankheit sich wie bisher weiter ausbreitet, innerhalb von 20 bis 30 Jahren ausgestorben sind.

Um dieses zu verhindern wurde ursprünglich das Keulen der erkrankten Populationen als sinnvollste Maßnahme angesehen. Leider zeigte sich aber, dass dieses wenig Auswirkung auf die Ausbreitung des DFTD hatte und sogar zu der Entwicklung von schneller wachsender und stärker ansteckender Linien des DFTD führen kann (Deakin & Belov 2011).
Auch wurde bisher kein Impfstoff gegen die Krankheit gefunden, Dabei wird die Suche nach einem solchen gerade durch die geringe genetische Vielfalt der Beutelteufel und den Umstand, dass DFTD-Zellen ihren Ursprung in den Beutelteufeln selber haben, erschwert. Dadurch steigt das Risiko, dass das Immunsystem der Beutelteufel nicht nur gegen die DFTD-Zellen agiert, sondern auch gegen Zellen der erkrankten Tiere selber (Deakin & Belov 2011).

Die momentan erfolgversprechendste Strategie scheint die Zucht nicht erkrankter Tiere unter Quarantäne zu sein. Dieses wird z.B. durch Zuchten auf dem australischen Festland erreicht.

Quellen

Deakin, J.E. & Belov, K. (2011). A Comparative Genomics Approach to Understanding Transmissible Cancer in Tasmanian Devils, Annual Review of Genomics and Human Genetics, 13 (1) DOI: 10.1146/annurev-genom-090711-163852

Lane A, Cheng Y, Wright B, Hamede R, Levan L, Jones M, Ujvari B, Belov K.: New insights into the role of MHC diversity in devil facial tumour disease. PLoS One. 2012;7(6):e36955. Epub 2012 Jun 6.

McCallum, H. & Jones, M. (2006). To Lose Both Would Look Like Carelessness: Tasmanian Devil Facial Tumour Disease, PLoS Biology, 4 (10) DOI: 10.1371/journal.pbio.0040342

Miller, W., Hayes, V.M., Ratan, A., Petersen, D.C., Wittekindt, N.E., Miller, J., Walenz, B., Knight, J., Qi, J., Zhao, F. & (2011). From the Cover: Genetic diversity and population structure of the endangered marsupial Sarcophilus harrisii (Tasmanian devil), Proceedings of the National Academy of Sciences, 108 (30) 12353. DOI: 10.1073/pnas.1102838108

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